KAMMERMUSIK DER S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E DRESDEN PROGRAMM 1. KAMMERABEND donnerstag, 9. oktober 2008, 20 uhr semperoper GEGRÜNDE T 1854 ALS TO N K Ü N S T L E R -V E R E I N Z U D R ES D E N VER ANT WORTLICH FRIEDWART CHRISTIAN DIT TMANN, ULRIKE SCOBEL UND CHRISTOPH BECHSTEIN CARL REINECKE (1824-1910 ) Trio für Klarinette, Horn und Klavier B-Dur op. 274 1. Allegro 2. Ein Märchen. Andante 3. Scherzo. Allegro 4. Finale. Allegro Jens Ubbelohde, Jochen Ubbelohde und Andreas Hecker SERGEJ PROKOFJEW (1891-1953) Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 f-Moll op. 80 VORSCHAU STA ATSK APELLE IM GESPRÄCH 2. K AMMERABEND freitag, 17. oktober 2008, 16.30 uhr donnerstag, 6. november 2008, 20 uhr Zum 100. Geburtstag von Olivier Messiaen: Myung-Whun Chung im Gespräch Programm und Mitwirkende werden semperoper, rundfoyer M O D E R AT I O N semperoper noch bekannt gegeben. Tobias Niederschlag 1. Andante assai – Poco più animato 2. Allegro brusco – Poco più tranquillo 3. Andante – Poco meno mosso 4. Allegrissimo – Poco più tranquillo Annika Thiel und Masumi Sakagami IMPRESSUM AUSFÜHRENDE Susanne Branny, Annika Thiel und Jörg Kettmann V I O L I N E Stephan Pätzold und Michael Schöne V I O L A Martin Jungnickel V I O L O N C E L L O Jochen Ubbelohde H O R N MITWIRKENDE GÄSTE Masumi Sakagami und Andreas Hecker K L A V I E R Jens Ubbelohde K L A R I N E T T E PA U S E ANTON BRUCKNER (1824-1896) Streichquintett F-Dur WAB 112 1. Gemäßigt 2. Scherzo. Schnell 3. Adagio 4. Finale. Lebhaft bewegt Susanne Branny, Jörg Kettmann, Stephan Pätzold, Michael Schöne und Martin Jungnickel Sächsische Staatsoper Dresden Intendant Prof. Gerd Uecker Generalmusikdirektor Fabio Luisi BILDER SPIELZEIT 2008|2009 TEXTE Herausgegeben von der Intendanz © Oktober 2008 REDAK TION Tobias Niederschlag Reinecke, Prokofjew, Bruckner: Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden Die Einführungstexte sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. SPIELZEIT 2008|2009 1. KAMMERABEND Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. G E S TA LT U N G U N D S AT Z schech.net | www.schech.net DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH KAMMERMUSIK DER S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N GEGRÜNDE T 1854 ALS TO N K Ü N S T L E R -V E R E I N Z U D R ES D E N W W W . S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E VER ANT WORTLICH FRIEDWART CHRISTIAN DIT TMANN, ULRIKE SCOBEL UND CHRISTOPH BECHSTEIN CARL REINECKE TRIO B-DUR OP. 274 Der Komponist, Pianist und Dirigent Carl Reinecke gehörte zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der deutschen Romantik – heute sind seine Werke jedoch weitgehend vergessen. Das mag sicher daran liegen, dass sich der 1824 geborene Musiker als «Epigone» verstand: «Ich will nicht dagegen opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt», bekannte er in seinen «Lebenserinnerungen». Nach Positionen in Dänemark, Bremen, Köln, Barmen und Breslau wurde er 1860 als Nachfolger von Julius Rietz (der zur Hofkapelle nach Dresden wechselte) Gewandhauskapellmeister in Leipzig. Diese Position hatte er bis 1895 inne, daneben wirkte er als Lehrer am Leipziger Konservatorium, wo Musiker wie Grieg, Janáček, Albéniz oder Bruch zu seinen Schülern gehörten. Stilistisch nimmt Reinecke eine Mittlerposition zwischen Schumann, Mendelssohn und den Spätromantikern Brahms und Wagner ein. Über 300 Werke aller Genres hat Reinecke geschrieben, von denen heute die meisten vergessen sind. Nur die Konzerte für Flöte und Harfe, einige Trios und die «Undine»-Flötensonate op. 167 finden sich gelegentlich auf Konzertprogrammen. Eines von Reineckes letzten Werken ist das Trio für Klarinette, Horn und Klavier op. 274, das er im Jahr 1905 mit über 80 Jahren komponierte. In dem viersätzigen Werk sind die Anklänge an Schumann und Brahms bei aller souveränen Meisterschaft deutlich zu hören – immerhin hatte Brahms schon 1865 ein Trio für Horn, Violine und Klavier und 1891 eines für Klarinette, Cello und Klavier geschrieben. Im Jahr der Entstehung des Trios, 1905, ging Reinecke übrigens auch dadurch in die Musikgeschichte ein, dass er das Larghetto aus Mozarts «Krönungskonzert» als erster Pianist überhaupt auf einem Welte-Mignon-Klavier einspielte. SERGEJ PROKOFJEW VIOLINSONATE NR. 1 F-MOLL OP. 80 1936 kehrte Sergej Prokofjew nach beinahe 20 Jahren, die er im westlichen Ausland verbrachte, in seine russische Heimat zurück. Mehrere Besuche in der Sowjetunion hatten ihn zu dem Schritt bewegt, der nicht ohne Probleme bleiben sollte: Schon bald sah er sich den Maßregelungen der sowjetischen Kulturpolitik ausgesetzt, die ihn – wie seinen Kollegen Dmitri Schostakowitsch – des «Formalismus» bezichtigte. Prokofjew gelang es, seinen Stil zu «mäßigen» und eine leichter fassbare Musik zu schreiben, die aber dennoch sehr persönlich geprägt ist. In der Sowjetunion entstanden so einige seiner populärsten Werke, darunter die fünfte Sinfonie und das Ballett «Romeo und Julia». Mit der Komposition seiner ersten Violinsonate op. 80 begann Prokofjew im Jahr 1938, abgeschlossen hat er sie aber erst 1946, nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Sonate fällt demnach in eine Zeit, in der sich Prokofjew intensiv mit der russischen Folklore auseinandersetzte, was einer Forderung des «Sozialistischen Realismus» entsprach. Prokofjew selber schrieb über das Werk: «Der erste Satz, der einen strengen Charakter hat, könnte eine breit entwickelte Einleitung zum zweiten Satz, dem Sonaten-Allegro sein, der drängend und ungestüm ist, aber ein getragenes Seitenthema hat. Der dritte ist langsam, weich und zart. Das Finale ist schnell und von komplizierter Faktur.» Prokofjew widmete die Sonate dem Geiger David Oistrach, der sie im Oktober 1946 mit dem Pianisten Lew Oborin zur Uraufführung brachte. Die heutige Aufführung kann als Hommage an den großen Geiger gelten, der vor wenigen Tagen (30. September) seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte und viele Male mit der Staatskapelle musizierte. ANTON BRUCKNER STREICHQUINTETT F-DUR WAB 112 Mit der Uraufführung seiner dritten Sinfonie erlebte Anton Bruckner im Dezember 1877 den größten Misserfolg seines Lebens. Die Urfassung des Werkes von 1873 hatte er zwar überarbeitet (sie wurde 1946 mit der Staatskapelle unter Joseph Keilberth in Dresden uraufgeführt und war erst vor wenigen Wochen erneut in einem Kapellkonzert zu hören), dennoch empfand das Publikum seine Musik auch in der «gemäßigteren» Form als zu anspruchsvoll und ungewöhnlich. Bruckner legte daraufhin eine sinfonische Pause ein, komponierte aber in dieser Zeit – quasi als «Erholung» – sein einziges Kammermusikwerk (sieht man von einem 1861 als Schularbeit entstandenen Streichquartett ab): das Streichquintett in F-Dur WAB 112. Die Anregung zu dem Werk erhielt Bruckner durch den Wiener Geiger und Hofkapellmeister Josef Hellmesberger, der mit seinem verstärkten Quartett 1885 die erste vollständige Aufführung des Werkes spielte. Hellmesberger empfand allerdings den Scherzosatz als zu schwer, weshalb Bruckner ein alternatives d-Moll-Intermezzo komponierte, das aber keinen nachhaltigen Eingang in das Werk gefunden hat. Interessant ist auch die Geschichte des langsamen Satzes, der ursprünglich an zweiter Stelle stand und in der ersten Fassung noch die Bezeichnung «Andante quasi Allegretto» trug, die später in das deutlich langsamere «Adagio» geändert wurde. Bruckner folgte mit seiner Besetzung dem Vorbild Mozarts: Wie dieser verdoppelte er in seinem Quintett die Bratschen (und nicht die Celli, wie Franz Schubert). Stilistisch zeigt das Werk alle Eigenheiten des großen Sinfonikers: eine weitläufige Form mit mächtigen Steigerungen und überraschenden Kontrasten, ausgedehnte Themen und eine avancierte Harmonik. Dennoch wäre es falsch, das Werk als «Kammersinfonie» zu bezeichnen: die Quintettbesetzung wird in ihren klanglichen Möglichkeiten nie überfordert. Der erste Satz ähnelt in seinem mäßigen Tempo beinahe einem langsamen Satz. Dem lyrischen Hauptthema, angestimmt von der ersten Geige, steht ein energisches UnisonoMotiv gegenüber, bevor mit einer zarten Violinkantilene ein dritter Gedanke folgt. Die kurze Durchführung beschränkt sich auf die ersten beiden Themen, das dritte Thema erfährt aber in der Reprise eine gewaltige Schlusssteigerung. Das d-Moll-Scherzo ist «schulbuchmäßig» gehalten: die synkopischen Rahmenteile kontrastieren mit einem lichteren Trio in Es-Dur. Lyrisches Zentrum des Werkes ist der langsame Satz, der auf zwei strömenden Themen basiert, die sich in der Durchführung zu leidenschaftlichen Ausbrüchen steigern. Mit einem ostinaten Staccato-Motiv beginnt der Finalsatz, der sich in seinem Verlauf von f-Moll nach F-Dur aufhellt. Dabei kommt es zu komplexen kontrapunktischen Steigerungen und Verdichtungen. Am Ende strebt der Satz über einem lang anhaltenden Orgelpunkt zum sieghaften Schluss – vielleicht die einzige Stelle des Werkes, in der Bruckner den kammermusikalischen Rahmen zugunsten einer «orchestralen» Wirkung sprengt. TOBIAS NIEDERSCHL AG UNSERE GÄSTE: MASUMI SAK AGAMI ANDREAS HECKER JENS UBBELOHDE stammt aus Japan und studierte in Osaka, Berlin und Dresden (u.a. bei Amadeus Webersinke). Sie war Preisträgerin verschiedener Klavierwettbewerbe und hat seit 1999 einen Lehrauftrag für Instrumentalkorrepetition an der Dresdner Musikhochschule inne. wurde in Zwickau geboren und studierte an der Dresdner Hochschule für Musik Carl Maria von Weber. 2007 wurde er Preisträger beim 6. Internationalen Bach-Wettbewerb in Leipzig. Seit 2008 ist er Korrepetitor an der Dresdner Musikhochschule. studierte in Detmold und Essen und war u.a. Preisträger des Hochschulwettbewerbes. Er spielte in der Philharmonia Hungarica und war langjähriges Mitglied des Ensemble Horizonte. Seit 2001 unterrichtet er an der Musik- und Kunstschule Bielefeld.