2. KAMMERABEND S AI SO N 2014 2 015 D O N N ER S TAG 2 0 .11.14 2 0 U H R I SEMPEROPER DRESDEN 2. KAMMERABEND IM RAHMEN DER RICHARD-STRAUSS-TAGE DER SEMPEROPER Mitwirkende Gäste Carolina Ullrich Sopran Gunther Anger Klavier Paul Rivinius Klavier Jobst Schneiderat Klavier Ausführende Matthias Wollong Violine Sebastian Herberg Viola Norbert Anger Violoncello Lieder für Singstimme und Klavier: »Die Nacht« op. 10/3 »Breit über mein Haupt dein schwarzes Haar« op. 19/2 »Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei« op. 36/3 »Liebeshymnus« op. 32/3 »Ach was Kummer, Qual und Schmerzen« op. 49/8 »Allerseelen« op. 10/8 »Beim Schlafengehen« o. Op. AV 150/3 Carolina Ullrich und Jobst Schneiderat Daphne-Etüde G-Dur o. Op. AV 141 für Violine solo Andante nach einem Motiv aus »Daphne« op. 82 Matthias Wollong PROGRAMM Richard Strauss (18 6 4 -194 9) Ständchen G-Dur für Violine, Viola, Violoncello und Klavier o. Op. AV 168 Matthias Wollong, Sebastian Herberg, Norbert Anger und Gunther Anger Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op. 6 1. Allegro con brio 2. Andante ma non troppo 3. Finale. Allegro vivo Norbert Anger und Gunther Anger PAU S E Sonate für Violine und Klavier Es-Dur op. 18 1. Allegro, ma non troppo 2. Improvisation. Andante cantabile 3. Finale. Andante – Allegro Matthias Wollong und Paul Rivinius ZUM PROGRAMM Das Frühschaffen des jungen Richard Strauss umfasst eine beträchtliche Zahl an größeren und kleineren Kompositionen. Eine davon ist das Ständchen für Violine, Viola, Violoncello und Klavier, das er, wohl um 1882, für Verwandte der Familie Pschorr schrieb. Reizvoll in Besetzung, melodischer Erfindung und Wechselspiel der Instrumente, fällt das Werk in seiner Entstehung in das Umfeld der frühen Bläserserenade op. 7, deren Uraufführung im Dresdner Tonkünstler-Verein im November 1882 den Grundstein für die mehr als sechs Jahrzehnte andauernden Beziehungen zwischen Strauss und der Sächsischen Staatskapelle legte. Den Beginn der persönlichen Beziehungen zwischen Komponist und Kapelle brachte ein Jahr später die Aufführung seiner Sonate für Violoncello und Klavier op. 6 wiederum im »TV«, bei der Strauss selbst den Klavierpart übernahm. 1881 hatte der 16-Jährige die erste Fassung niedergeschrieben. In der Folge entschloss er sich, den zweiten und dritten Satz neu zu komponieren und den ersten zu überarbeiten. Zu solchem Tun musste ihn niemand überreden, Strauss besaß von Anfang an ein frappierendes Maß an Selbstkritik. Um jene Zeit standen Drucklegungen erster Werke von ihm bevor, und die Opus-Zählung begann. Sehr vieles hat der Gymnasiast damals gewogen, als zu leicht befunden und verworfen. Die zweite Fassung seines Opus 6, 1883 beendet, erlebte am 8. Dezember desselben Jahres in Nürnberg ihre Uraufführung; bereits am 19. Dezember wurde sie vom Kapell-Cellisten Ferdinand Böckmann und Strauss im Dresdner TonkünstlerVerein gespielt. Der junge Komponist berichtete nach Hause vom großen Erfolg des Werks, das auch die damaligen Konzertmeister der Kapelle zum Zuhören gelockt hatte und vor allem Böckmann so gefiel, dass er wiederholte Aufführungen plante. Eine bedeutende Rolle in Richard Strauss’ Gesamtschaffen nehmen die Lieder für Singstimme und Klavier ein, von denen es mehr als 200 gibt; die ersten entstammen bereits seinem Kindesalter. Schlagartig bekannt machten ihn als Liedkomponisten die acht Lieder op. 10. In seinen jüngeren Jahren griff Strauss vorwiegend zu Texten von Zeitgenossen, auch von Modedichtern, aber seine feine Bildung, sein Empfinden für Textqualität – eine Hauptvoraussetzung für das spätere lange Zusammenwirken mit Hugo von Hofmanntsthal – ließen ihn doch stets wählerisch sein. Strauss hat auch strophische Gedichte vorwiegend durchkomponiert, zumindest aber eine einfache musikalische Wiederholung von Strophen stets vermieden. Sein Klaviersatz ist anspruchsvoll und gerät häufig an die Grenze zum Orchestralen, weshalb auch viele seiner Klavierlieder von ihm selbst später orchestriert worden sind. Im Gegensatz dazu zählen die »Vier letzten Lieder« (deren drittes »Beim Schlafengehen« ist) zu den genuinen Orchesterliedern. Für Strauss’ Liedschaffen von wesentlicher Bedeutung war seine Ehefrau Pauline, geborene de Ahna. Die ausgebildete Opernsängerin, anfangs noch Schü- lerin des jungen Meisters, sang im Weimarer Hoftheater unter dessen Leitung, und sie gastierte mit zwei Rollen sogar in Bayreuth. Bereits zwei Jahre nach der Heirat mit Strauss nahm sie den Bühnenabschied und widmete sich nun weitere zwölf Jahre lang ausschließlich der Interpretation von Liedern ihres Gatten, stets von ihm am Klavier begleitet. Sogar eine erfolgreiche USA-Tournee absolvierte das Paar 1904. Pauline muss eine zwar nicht große, aber besonders in der Mittellage sehr ausgeglichene Sopranstimme besessen haben und für Liedgesang prädestiniert gewesen sein. Kein Wunder, dass Strauss in den ersten Ehejahren eine Fülle von Liedern komponierte. Auffällig ist, dass das lyrische Ich der vertonten Texte ebenso oft ein Mann wie eine Frau ist – Pauline hat singend beide »Rollen« zu spielen vermocht. Für keinerlei öffentlichen Gebrauch bestimmt war die sogenannte »Daphne-Etüde«, die der greise Strauss seinem Enkel 1945 zum Geburtstag schenkte (»Meinem lieben Geigenschüler Christian zum 13. Geburts­tag«). Sieben Jahre zuvor, am 15. Oktober 1938, hatte Strauss’ »Daph­ne« in der Semperoper Premiere gefeiert, unter der Leitung des damaligen Generalmusikdirektors Karl Böhm – die neunte und letzte Oper des bayerischen Komponisten, die in Dresden ihre Uraufführung erlebte. Die Etüde ist aus dem Thema der Titelgestalt der Oper entwickelt und endet mit der letzten Gesangsphrase der bereits verwandelten Daphne. Als die Sonate für Violine und Klavier op. 18 entstand, lag bereits ein erstes Kapellmeisterjahr in Meiningen hinter Strauss. Dort war er nicht nur mit Hans von Bülow in nahe Verbindung getreten, sondern auch mit dem verehrten Johannes Brahms, dessen vierte Symphonie in jener Zeit in Meiningen uraufgeführt wurde. Nun, im neuen Engagement in München, wirkte das Erlebnis Brahms nach – man hört es der Violinsonate von 1887 deutlich an. Und man versteht ein wenig, warum Strauss sich später geradezu brüsk von Brahms abgewandt hat: Es war wohl nicht einfach, von dessen Schatten loszukommen, und musste von dem jungen Feuerkopf mit einem Wechsel, zugespitzt gesagt, von Skylla zu Charybdis bezahlt werden – er geriet in die Einflusssphäre des Werks von Richard Wagner und erlag ihr in seinen Opernerstlingen. Die Violinsonate wirkt trotz ihres im ersten Satz deutlichen Brahms-»Tons« nicht epigonal, zu reich ist sie erfunden und ausgeführt. Der Eröffnungssatz weist vier Themen auf, deren drittes als einziges vom geraden in den Dreier-Takt wechselt, und zwar bei jeder Wiederkehr. Alle Themen schwingen melodisch weit aus, wobei am Anfang die Violine dem Klavier erst nach einigen Takten die Führung abnimmt, um bald mit diesem zu völlig gleichberechtigter Partnerschaft zu gelangen. Der Mittelsatz, seinerzeit wohl besonders beliebt und sogar separat veröffentlicht, lässt die Violine ein »Lied ohne Worte« singen, das vom Klavier mit Arabesken zum Teil hochvirtuoser Art umrahmt wird, bis hin zu Liszt’scher Art. So »einfach« die Violin­melodik wirkt, so wenig ist sie es. Dies gilt nicht minder für das Finale, das nach »brahmsisch«-ernstem Beginn in freigebig strömender Melodik teils schon »Don Juan« anklingen lässt. ORTRUN L ANDM ANN MITWIRKENDE GÄSTE Carolina Ullrich Sopran absolvierte ihr Studium in ihrer Heimat Chile sowie in Augsburg und München. Die Preisträgerin hochkarätiger Wettbewerbe sang unter Dirigenten wie Chris­ tian Thielemann, Helmuth Rilling, Sir Simon Rattle und Jonathan Darlington. Seit 2010 ist sie Ensemblemitglied der Semperoper, an der sie zuletzt u.a. als Despina, Marzelline sowie als Margret in der Neuproduktion der Strauss’schen »Feuersnot« zu erleben war. Bei der Sächischen Staatskapelle sprang sie 2010 im ZDF-Adventskonzert für Anna Netrebko ein, im selben Jahr übernahm sie im ZDF-Silvesterkonzert die Partie der Valencienne (»Die lustige Witwe«). Paul Rivinius Klavier studierte neben seiner pianistischen Ausbildung auch Horn und war Mitglied des Bundesjugendorchesters und des Gustav Mahler Jugendorchesters. 1998 gewann der gefragte Pianist mit dem Clemente Trio den renommierten ARD-Wettbewerb, als ausgewähltes »Rising Star«-Ensemble gastierte das Trio anschließend in zehn der bedeutendsten Konzertsäle der Welt. Er spielt mit seinen Brüdern im Rivinius Klavier-Quartett und mit Musikern des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin im Akanthus Ensemble, zudem ist er Pianist des Mozart Piano Quartet und lehrte viele Jahre als Professor an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin. Gunther Anger Klavier wurde in Freital geboren und besuchte die Spezialschule für Musik in Dresden, sein Studium führte ihn an das Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. Nach dem erfolgreichen Abschluss begann seine Unterrichtstätigkeit an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden, die ihn 1993 zum Professor für Klavier berief. In seiner Konzerttätigkeit stand und steht sein Engagement als Kammermusiker im Vordergrund. Er war 1978 Mitbegründer des Kammertrios Berlin und ist seit 1987 Pianist im Berliner Brahms-Trio. Aufnahmen auf CD sowie in TV und Rundfunk vervollständigen sein künstlerisches Wirken. Jobst Schneiderat Klavier war nach seinem Studium in Dresden zunächst am Landestheater Halle engagiert, seit 1986 ist er Solorepetitor an der Semperoper, an der er von 2004 bis 2012 als Studienleiter auch das Junge Ensemble betreute. Er ist ein gefragter Liedbegleiter und arbeitet als Cembalist und Organist mit Musikern der Sächsischen Staatskapelle, den Dresdner Kapellsolisten und dem Philharmonischen Kammerorchester Dresden zusammen. Seit seiner »Ring«-Einstudierung unter Giuseppe Sinopoli im Sommer 2000 ist er regelmäßig als musikalischer Assistent bei den Bayreuther Festspielen zu Gast, 2002 gab er sein Festspiel-Debüt in Salzburg. GESANGSTEXTE »Die Nacht« op. 10/3 Aus dem Walde tritt die Nacht, Aus den Bäumen schleicht sie leise, Schaut sich um in weitem Kreise, Nun gib acht. Alle Lichter dieser Welt, Alle Blumen, alle Farben Löscht sie aus und stiehlt die Garben Weg vom Feld. Alles nimmt sie, was nur hold, Nimmt das Silber weg des Stroms Nimmt vom Kupferdach des Doms Weg das Gold. Ausgeplündert steht der Strauch, Rücke näher, Seel’ an Seele; O die Nacht, mir bangt, sie stehle Dich mir auch. Aus »Letzte Blätter« Hermann von Gilm (1812-1864) »Breit’ über mein Haupt dein schwarzes Haar« op. 19/2 Breit’ über mein Haupt dein schwarzes Haar, Neig’ zu mir dein Angesicht, Da strömt in die Seele so hell und klar Mir deiner Augen Licht. Ich will nicht droben der Sonne Pracht, Noch der Sterne leuchtenden Kranz, Ich will nur deiner Locken Nacht Und deiner Blicke Glanz. Aus »Lotosblätter« Adolf Friedrich von Schack (1815-1894) »Hat gesagt – bleibt’s nicht dabei« op. 36/3 Mein Vater hat gesagt, Ich soll das Kindlein wiegen, Er will mir auf den Abend Drei Gaggeleier sieden; Siedt er mir drei, Isst er mir zwei, Und ich mag nicht wiegen Um ein einziges Ei. Mein Mutter hat gesagt, Ich soll die Mägdlein verraten, Sie wollt mir auf den Abend Drei Vögelein braten, ja braten; Brat sie mir drei, Isst sie mir zwei, Um ein einzig Vöglein Treib’ ich kein Verräterei. Mein Schätzlein hat gesagt, Ich soll sein gedenken, Er wollt mir auf den Abend Drei Küsslein auch schenken; Schenkt er mir drei, Bleibt’s nicht dabei, Was kümmert mich’s Vöglein, Was schiert mich das Ei. Aus »Des Knaben Wunderhorn« Achim von Arnim (1781-1831) und Clemens Brentano (1778-1842) »Liebeshymnus« op. 32/3 »Allerseelen« op. 10/8 Heil jenem Tag, der dich geboren, Heil ihm, da ich zuerst dich sah! In deiner Augen Glanz verloren, Steh ich, ein sel’ger Träumer, da. Stell’ auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag’ herbei, Und laß uns wieder von der Liebe reden, Wie einst im Mai. Mir scheint der Himmel aufzugehn, Den ich von ferne nur geahnt, Und eine Sonne darf ich sehn, Daran die Sehnsucht nur gemahnt. Wie schön mein Bild in diesem Blicke! In diesem Blick mein Glück wie groß! Und flehend ruf’ ich zum Geschicke: O weile, weile wandellos! Karl Henckell (1864-1929) »Ach was Kummer, Qual und Schmerzen« op. 49/8 Ach was Kummer, Qual und Schmerzen. Hm, hm, hm, hm. Es liegt mir was auf meinem Herzen, Hm, hm. Und ich trau es nicht zu sagen, Mich bei Jemand zu beklagen, Da ich doch hm, hm, hm, hm. Stille muss ich’s in mich schließen, Hm, hm. Darf kein Wörtchen lassen fließen, hm, hm. Muss mich stellen vor den Leuten, Als wär ich in allen Freuden, Da ich doch hm, hm, hm. Meine Freude wär zu leben, Hm, hm, Mich der Freundschaft zu ergeben, Hm, hm. Mein Herz wünscht sich zu verschenken, Um ein and’res Herz zu lenken, Das empfindsam hm, hm, hm. Aus »Elsässische Volkslieder« Curt Mündel (1852-1906) Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke, Und wenn man’s sieht, mir ist es einerlei, Gib mir nur einen deiner süßen Blicke, Wie einst im Mai. Es blüht und duftet heut’ auf jedem Grabe, Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei, Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe, Wie einst im Mai. Aus »Letzte Blätter« Hermann von Gilm »Beim Schlafengehen« o. Op. AV 150/3 Nun der Tag mich müd gemacht, Soll mein sehnliches Verlangen Freundlich die gestirnte Nacht Wie ein müdes Kind empfangen. Hände lasst von allem Tun, Stirn vergiss du alles Denken, Alle meine Sinne nun Wollen sich in Schlummer senken. Und die Seele unbewacht, Will in freien Flügen schweben, Um im Zauberkreis der Nacht Tief und tausendfach zu leben. Hermann Hesse (1877-1962) VORSCHAU 4. Symphoniekonzert IM RAHMEN DER RICHARD-STRAUSS-TAGE DER SEMPEROPER S O N N TAG 2 3.11.14 18 U H R Kammermusik der Sächsischen Staatskapelle Dresden Gegründet 1854 als TonkünstlerVerein zu Dresden Verantwortlich: Friedwart Christian Dittmann, Ulrike Scobel und Christoph Bechstein M O N TAG 2 4 .11.14 2 0 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Christian Thielemann Dirigent Renée Fleming Sopran Robert Langbein Horn Richard Strauss Hornkonzert Nr. 1 Es-Dur op. 11 »Reisefieber und Walzerszene«, Symphonisches Zwischenspiel aus »Intermezzo« op. 72 Lieder für Sopran und Orchester: »Meinem Kinde« op. 37/3 »Liebeshymnus« op. 32/3 »Das Bächlein« o. Op. AV 118 »Ruhe, meine Seele!« op. 27/1 »Die heiligen drei Könige aus Morgenland« op. 56/6 »Frühlingsfeier« op. 56/5 »Also sprach Zarathustra« op. 30 3. Kammerabend (als Matinee) S O N N TAG 18 .1.15 11 U H R S E M P ER O P E R D R E S D E N Semper Brass Dresden Das Programm wird unter www.staatskapelle-dresden.de bekannt gegeben. IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2014 | 2015 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © November 2014 R E DA K T I O N Dr. Torsten Blaich TEXT Der Einführungstext von Dr. Ortrun Landmann ist ein Originalbeitrag für dieses Programmheft. G E S TA LT U N G U N D S AT Z schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E