Kinematik Leseprobe

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Leseprobe
Günther / Fischer
Kinematik
TECHNISCHE MECHANIK
Studienbrief 2-050-0910
3. Auflage 2007
HDL
HOCHSCHULVERBUND DISTANCE LEARNING
Verfasser:
Prof. Dr.-Ing. habil. Wilfried Günther
Professor für Technische Mechanik / Maschinendynamik
im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik
an der Westsächsischen Hochschule Zwickau
unter Mitarbeit von:
Prof. Dr.-Ing. habil. Karl-Friedrich Fischer
Professor für Technische Mechanik / Festkörpermechanik
im Fachbereich Maschinenbau und Kraftfahrzeugtechnik
Rektor der Westsächsischen Hochschule Zwickau
Der Studienbrief wurde auf der Grundlage des Curriculums für das Studienfach „Technische
Mechanik“ verfasst. Die Bestätigung des Curriculums erfolgte durch den
Fachausschuss „Grundständiges Fernstudium Wirtschaftsingenieurwesen“,
dem Professoren der folgenden Fachhochschulen angehörten:
HS Anhalt, FHTW Berlin, TFH Berlin, HTWK Leipzig, HS Magdeburg-Stendal, HS Merseburg,
HTW Mittweida, FH Schmalkalden, FH Stralsund, TFH Wildau und WH Zwickau.
Redaktionsschluss: Oktober 2007
3., aktualisierte Auflage 2007
„ 2007 by Service-Agentur des Hochschulverbundes Distance Learning mit Sitz an der FH Brandenburg.
Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der
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auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche
Genehmigung der Service-Agentur des HDL reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Service-Agentur des HDL
(Hochschulverbund Distance Learning)
Leiter: Dr. Reinhard Wulfert
in der Agentur für wissenschaftliche Weiterbildung und Wissenstransfer e. V.
Magdeburger Straße 50, 14770 Brandenburg
Tel.: 03381 - 355 740
E-Mail: [email protected]
Fax: 03381 - 355 749
Internet: http://www.aww-brandenburg.de
Technische Mechanik
Kinematik
Inhaltsverzeichnis
Randsymbole .............................................................................................................................. 4
Einleitung ................................................................................................................................... 5
Literaturempfehlung.................................................................................................................. 5
1
Kinematik des Massenpunktes .................................................................................... 6
1.1
1.1.1
1.1.2
1.1.3
1.2
1.3
1.4
1.5
Kinematische Größen..................................................................................................... 6
Punktbahn...................................................................................................................... 6
Geschwindigkeit ............................................................................................................ 7
Beschleunigung ............................................................................................................. 8
Geradlinige Bewegung................................................................................................... 8
Ebene Bewegung ......................................................................................................... 11
Zusammenfassung ....................................................................................................... 14
Übungsaufgaben .......................................................................................................... 14
2
Kinematik des starren Körpers ................................................................................. 16
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
2.6
Bewegungsarten........................................................................................................... 16
Rotation um eine feste Achse ....................................................................................... 18
Allgemeine Bewegung ................................................................................................. 20
Ebene Bewegung ......................................................................................................... 21
Zusammenfassung ....................................................................................................... 24
Übungsaufgaben .......................................................................................................... 24
Lösungshinweise zu den Übungsaufgaben............................................................................... 27
Literaturverzeichnis................................................................................................................. 30
Kinematik
Technische Mechanik
1
Kinematik des Massenpunktes
Um die Bewegung eines Körpers bzw. Körpersystems (z. B. Fahrzeug) zu
beschreiben, ist die Angabe der Bewegung aller Körperpunkte notwendig. Für einzelne Fragestellungen, wie z. B. die Bewegung eines Fahrzeuges als Ganzes gegenüber der Straße, ist es ausreichend, die Bewegung eines Punktes (z. B. des Schwerpunktes) zu kennen. Wir beschäftigen uns deshalb zunächst mit der Punktkinematik.
1.1
Kinematische Größen
1.1.1
Punktbahn
Ändert sich zeitlich die Lage eines Massenpunktes P, so nennt man die
Gesamtheit der Lagen „Bahn des Massenpunktes P“ (Punktbahn). Die
Zeit wird mit t bezeichnet.
Die Punktlagen werden eindeutig durch den zeitabhängigen Ortsvektor
G
r(t) beschrieben, der von einem raumfesten Bezugspunkt 0 zur augenblicklichen Lage von P zeigt (vgl. Bild 1.1).
y
P'
r (t +∆ t)
∆r
P
ey
r (t)
0
z
Bild 1.1
x
ex
ez
G
Ortsvektor r(t) zur Beschreibung der Punktbahn
Für den Ortsvektor gilt bezüglich des kartesischen Koordinatensystems
G G G
mit den Basisvektoren e x , ey , e z (Einheitsvektoren) die folgende Komponentendarstellung:
G
G
G
G
r(t) = x(t) e x + y(t) e y + z(t) e z
.
(1.1)
Die Komponenten x(t), y(t) und z(t) entsprechen den kartesischen Koordinaten des Punktes P. Sie sind zur eindeutigen Festlegung der einzelnen
Lagen eines frei beweglichen Punktes notwendig.
Die drei Koordinaten beschreiben die drei Bewegungsmöglichkeiten oder
Freiheitsgrade des Punktes.
6
Technische Mechanik
Kinematik
Allgemein können wir formulieren:
Besitzt ein Massenpunkt bzw. Körper n Freiheitsgrade, dann sind n
unabhängige Koordinaten erforderlich, um seine Bewegung zu beschreiben.
M
Für einen frei beweglichen Massenpunkt im Raum gilt n = 3, entsprechend den drei möglichen Verschiebungen in Richtung der zueinander
senkrechten Koordinatenachsen.
Bewegt sich ein Massenpunkt auf einer Kurve, dann ist nur eine Verschiebung längs der Kurve möglich und folglich ist n = 1.
1.1.2
Geschwindigkeit
Wir ermitteln nun die Geschwindigkeit, mit der ein Massenpunkt P die
Punktbahn durchläuft. Dazu betrachten wir die zwei benachbarten Punktlagen P und P' zu den Zeitpunkten t und t + ∆ t . Die Lagen werden durch
G
K
die Ortsvektoren r(t) und r (t + ∆ t) festgelegt (vgl. Bild 1.1).
Die Geschwindigkeit ist der Grenzwert der zeitlichen Änderung des
Ortsvektors:
G
G
G
G
G
r(t + ∆ t) − r(t)
∆ r d r G
v(t) := lim
= lim
=
=r .
(1.2)
∆ t→0
∆ t→ 0 ∆ t
∆t
dt
D
G
Sie ist folglich die Zeitableitung des Ortsvektors r(t) . Wir wollen im
Weiteren die Zeitableitung einer Größe durch einen Punkt über der Größe
kennzeichnen (Punktableitung).
G
Der Geschwindigkeitsvektor v(t) hat die Richtung der Bahntangente, da
G
die Sekantenrichtung des Änderungsvektors ∆ r im Grenzfall ∆ t → 0 in
die Tangentenrichtung übergeht. Sein Richtungssinn entspricht dem
Durchlauf der Punktbahn.
Für das kartesische Koordinatensystem, das wir als raumfestes annehmen
(die Basisvektoren ändern sich in der Zeit nicht), ergibt sich durch Differenzieren des Ortsvektors, Gl. (1.1), die Komponentendarstellung der Geschwindigkeit:
G
G
G
G
G
G
G G
ex + y(t)
e y + z(t)
ez .
v = r = v x ex + v y e y + v z ez = x(t)
(1.3)
Für den Betrag der Geschwindigkeit gilt dann:
v =
v 2x + v 2y + v 2z =
x 2 + y 2 + z 2 .
Gebräuchliche Maßeinheiten der Geschwindigkeit sind m/s bzw. km/h.
Es gilt die Umrechnung: 1 m/s = 3,6 km/h.
7
Kinematik
Technische Mechanik
1.1.3
Beschleunigung
Die Geschwindigkeit ändert sich im Allgemeinen mit der Zeit. Ein Maß
dafür ist die Beschleunigung. Sie ist wie folgt definiert:
D
Die Beschleunigung ist der Grenzwert der zeitlichen Änderung des
Geschwindigkeitsvektors:
G
G
G
G
G
v(t + ∆ t) - v(t)
∆v d v G
(1.4)
a(t) := lim
= lim
=
=v .
∆ t→0
∆ t → 0 ∆t
dt
∆t
Der Beschleunigungsvektor ist somit die Zeitableitung des Geschwindigkeitsvektors. Über seine Richtung kann vorerst keine Aussage getroffen
werden.
Im raumfesten kartesischen Koordinatensystem liefert die Differentiation
von Gl. (1.3) die Komponentendarstellung der Beschleunigung:
G
G
G
G
G
G
G
G
a = v = a x e x + a y e y + a z e z = x(t) e x + y(t) e y + z(t) e z . (1.5)
Für den Betrag folgt:
a =
a 2x + a 2y + a 2z =
x 2 + y 2 + z 2 .
Die Beschleunigung besitzt die gebräuchliche Einheit m/s2.
1.2
Geradlinige Bewegung
Ein wichtiger Sonderfall der Punktbewegung ist die geradlinige Bewegung. Beispiele dafür sind der freie Fall eines Körpers oder die ebene Geradeausfahrt eines Fahrzeuges.
Wir nehmen zur Vereinfachung an, dass sich der Massenpunkt P längs
der x-Achse bewegt (vgl. Bild 1.2):
G
G
r(t) = x(t) ex .
ex
x (t)
Bild 1.2
P
x
Geradlinige Punktbewegung
Die Geschwindigkeit nach Gl. (1.3) und die Beschleunigung nach Gl.
(1.5) vereinfachen sich zu:
G
G
G
ex ,
,
v(t) = v x e x = x(t)
v = x(t)
G
G
G
a(t) = a x e x = x(t) e x ,
a = x(t) .
8
Technische Mechanik
Kinematik
Ist die Beschleunigung a konstant, dann sprechen wir von einer
gleichmäßig beschleunigten bzw. gleichmäßig verzögerten, und bei
a = 0 von einer gleichförmigen Bewegung.
M
In Abhängigkeit davon, welche Größen bei einer kinematischen Problemstellung gegeben (geg.) und gesucht (ges.) sind, unterscheidet man verschiedene kinematische Grundaufgaben. Wir beschränken uns auf den
Sonderfall, dass die gegebene Größe nur von der Zeit t oder von einer
anderen kinematischen Größe abhängt, und betrachten hier drei wichtige
Grundaufgaben.
G1
geg.: x(t) und ges.: v = v(t), a = a(t)
Entsprechend den Gln. (1.3) und (1.5) liefert die Differentiation
nach der Zeit t:
G
dx
,
= x(t)
dt
dv
d2 x
a(t) =
=
= x(t) .
dt
d t2
v(t) =
G2
geg.: a = a(t) und ges.: v = v(t), x(t)
Die Geschwindigkeit v(t) erhält man aus Gl. (1.5) durch Integration
nach der Zeit t. Dabei muss zur Festlegung der auftretenden Integrationskonstanten eine zusätzliche Angabe zur Geschwindigkeit am
Anfang der Bewegung t = 0 getroffen werden.
Wir geben die Anfangsgeschwindigkeit v0 vor, so dass die Anfangsbedingung (AB ) lautet: v (0) = v0 .
Die unbestimmte Integration führt nach Trennung der Variablen auf:
∫
dv =
∫
a(t) d t
⇒
v =
∫
a(t) d t .
a) Für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung a(t) = a0 = konst.
ergibt sich:
v(t) = a 0 t + C1 .
Die Konstante C1 wird für die AB v (0) = v0 bestimmt zu C1 = v0
und damit folgt:
v(t) = a 0 t + v 0 .
Das analoge Vorgehen zur Ermittlung des Weges x(t) unter Verwendung der Gl. (1.3) führt auf:
x(t) =
∫
v(t) d t .
9
Kinematik
Technische Mechanik
Bei gleichmäßig beschleunigter Bewegung und der zusätzlichen
AB für den Anfangsweg x(0) = x0 gilt:
x(t) =
a0 2
t + v0 t + x0 .
2
b) Im Sonderfall der gleichförmigen Bewegung a0 = 0 vereinfachen
sich die Ausdrücke für Geschwindigkeit und Weg zu:
v(t) = v 0 = konst.
x(t) = v 0 t + x 0 .
Die zeitlichen Verläufe der kinematischen Größen a, v, x sind
in Bild 1.3 für die gleichmäßig beschleunigte (a)) und gleichförmige Bewegung (b)) gegenübergestellt.
a)
b)
a
a0
a0 = 0
t
v
v
v0
v0
t
t
x
x
x0
x0
t
Bild 1.3
G3
t
Zeitliche Verläufe von Beschleunigung a (t), Geschwindigkeit
v (t) und Weg x (t) für
a) gleichmäßig beschleunigte und
b) gleichförmige Bewegung
geg.: a = a(x) und ges.: v = v(x)
Bei dieser Grundaufgabe ist die Beschleunigung a nicht von der Zeit
t sondern vom Weg x abhängig. Die Zeitintegration entsprechend Gl.
(1.5) führt nicht zur Lösung. Jedoch unter Anwendung der Kettenregel der Differentiation folgt aus Gl. (1.5):
a (x) =
dv dv dx dv
=
=
v .
dt dx dt dx
Nach Trennung der Variablen a ( x ) d x = v d v liefert die unbestimmte Integration der beiden Seiten die Lösung:
v2
=
2
10
∫ a(x) d x
.
Technische Mechanik
Kinematik
Bei gleichmäßig beschleunigter Bewegung a = a0 und
für die AB
x = x0 , v = v(x 0 ) = v 0
führt die Auswertung des Integrals und die Bestimmung der Konstanten C auf:
v 2 = 2(a 0 x + C ) ,
AB:
v02 = 2 (a 0 x 0 + C ) ⇒
C=
1 2
v0 − a 0 x 0
2
v = 2a 0 (x − x 0 ) + v02 .
1.3
Ebene Bewegung
Bewegt sich ein Massenpunkt P in der Ebene, dann vereinfacht sich im
Allgemeinen seine kinematische Beschreibung gegenüber der räumlichen
Bewegung. Erfolgt die Bewegung z. B. in der x,y-Ebene, so entfällt in
der Ortsvektordarstellung nach Gl. (1.1) die z-Komponente.
Viele Punktbewegungen in der Technik lassen sich mit kartesischen Koordinaten nur sehr aufwändig beschreiben (z. B. Punkte von rotierenden
Teilen). Das jeweils gewählte Koordinatensystem beeinflusst natürlich
nicht den objektiven Bewegungsablauf, sondern nur die KomponentenG G G
darstellung der Vektoren r, v, a. Wir wollen hier die ebene Bewegung
eines Massenpunktes P unter Verwendung von Polarkoordinaten beschreiben (vgl. Bild 1.4):
y
r (t + dt)
deϕ
P
dϕ
eϕ
dϕ
P'
der
er
r (t)
ϕ
x
Bild 1.4
Ortsvektor bezüglich des Polarkoordinatensystems
Diese Betrachtung ist besonders zweckmäßig für den bedeutenden SonG
G
derfall der Kreisbewegungen. Wir führen die Basisvektoren er und eϕ
G
(Einheitsvektoren in radialer und zirkularer Richtung) ein. Dabei ist er
G
immer zum bewegten Punkt P gerichtet, und eϕ steht senkrecht dazu. Der
Ortsvektor hat damit die einfache Komponentendarstellung:
G
G
r(t) = r e r .
(1.6)
Die Geschwindigkeit ergibt sich entsprechend der Gl. (1.2) durch Differenzieren nach der Zeit. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich die
Richtungen der Basisvektoren mit der Zeit ändern.
11
Kinematik
Technische Mechanik
Bei Anwendung der Produktregel erhält man die Ableitung:
G
G
G
K
v = r = r e r + r e r .
G
Wir ermitteln nun die Änderung des Basisvektors er bei einer kleinen
(infinitesimalen) Drehung um dϕ in der Zeit dt.
G
G
Der Änderungsvektor d e r besitzt den Betrag | d e r | = 1 ⋅ d ϕ und zeigt in
G
Richtung des Einheitsvektors e ϕ (vgl. Bild 1.4). Für die zeitliche Änderung folgt:
G
1 dϕ G
d er
G
G
e r =
=
e ϕ = ϕ e ϕ .
dt
dt
Damit nimmt der Geschwindigkeitsvektor in Komponentenschreibweise nachfolgende Gestalt an:
G
G
G
v(t) = r e r + r ϕ e ϕ .
(1.7)
Die Geschwindigkeit setzt sich aus der radialen Komponente v r = r
und der zirkularen Komponente vϕ = r ϕ zusammen.
Die zeitliche Änderung des Winkels ϕ ist die Winkelgeschwindigkeit ω:
ω = ϕ =
dϕ
.
dt
(1.8)
Sie steht mit der Drehzahl nD direkt im Zusammenhang:
nD =
d ϕ
ω
.
  =
d t  2π 
2π
Gebräuchliche Maßeinheiten von Winkelgeschwindigkeit und Drehzahl
sind 1/s und 1/min.
Die Differentiation von Gl. (1.7) nach der Zeit t führt unter Verwendung
der Produktregel auf die Beschleunigung:
G
G
G
G
G
G
G
eϕ + r ϕ e ϕ .
a(t) = v = r e r + r e r + r ϕ eϕ + r ϕ
G
Die Änderung des Basisvektors eϕ liest man aus Bild 1.4 ab:
G
G
d e ϕ = 1 d ϕ (- e r ) .
Damit ergibt sich für die Zeitableitung:
G
d eϕ
G
G
dϕ G
eϕ =
=−
er = − ϕ er .
dt
dt
Schließlich erhalten wir für die Beschleunigung die Komponentendarstellung:
G
G
G
) eϕ
a(t) = (r − r ϕ 2) er + (2 r ϕ + r ϕ
.
(1.9)
Die Beschleunigung besitzt die radiale Komponente a r = r - r ϕ 2 und
.
die zirkulare Komponente a ϕ = 2 r ϕ + rϕ
12
Technische Mechanik
Kinematik
= ω
stellt die
Die zeitliche Änderung der Winkelgeschwindigkeit ϕ
2
Winkelbeschleunigung mit der Einheit 1/s dar.
Das Glied der Radialbeschleunigung − r ϕ 2 = − r ω2 wird als Zentripetalbeschleunigung und das Glied 2 r ϕ = 2 r ω der Zirkularbeschleunigung als Coriolis-Beschleunigung bezeichnet.
Kreisbewegung
Ein bedeutender Sonderfall ist die Bewegung eines Massenpunktes auf
G
einem Kreis. Der Abstand r bleibt konstant, d. h., r = r = 0, und eϕ
G
G
zeigt immer in Richtung der Bahntangente ( eϕ ⊥ r ) .
Die kinematischen Größen nehmen damit die einfache Gestalt an:
G
G
r = r er ,
G
G
G
(1.10)
v = r ϕ eϕ = r ω eϕ ,
G
G
G
G
2G
eϕ = − r ω2 er + r ω
eϕ .
a = − r ϕ er + r ϕ
Geschwindigkeit
Es tritt nur die Geschwindigkeitskomponente in zirkularer Richtung
(Tangentialrichtung) auf:
vϕ = vt = r ω .
(1.11)
Beschleunigung
Die Beschleunigung besitzt Komponenten in radialer und zirkularer (tangentialer) Richtung:
a r = - rω 2
⇒ Zentripetalbeschleunigung ,
(1.12)
⇒ Tangentialbeschleunigung .
a ϕ = a t = rω
Die Geschwindigkeits- und Beschleunigungskomponenten sind in Bild
1.5 dargestellt:
a) Geschwindigkeit
G
eϕ
.
Bild 1.5
G
er
b) Beschleunigung
G
rω eϕ
ϕ
G
r
G
eϕ
.
G
er
G
eϕ
rω
G
− rω2 er
G
r
ϕ
Komponenten der Geschwindigkeit und Beschleunigung bei Kreisbewegung
13
Kinematik
Technische Mechanik
1.4
Zusammenfassung
Die Kinematik beschreibt die Bewegung (Lageänderung) von Körpern
bzw. einzelnen Massenpunkten rein geometrisch als Funktion der Zeit,
ohne nach den Ursachen der Bewegung zu fragen. Sie erfasst somit nur
die Bewegungsgeometrie.
Bei der Betrachtung der Bewegung eines Massenpunktes werden unter
Verwendung der Vektorschreibweise die wichtigen kinematischen Begriffe Weg, Geschwindigkeit und Beschleunigung und ihre Zusammenhänge behandelt. Die Komponentendarstellung dieser Vektorgrößen erfolgt bezüglich verschiedener Koordinatensysteme. In Abhängigkeit von
der Art der Bewegung (geradlinig, eben, räumlich) ist ein geeignetes Koordinatensystem (z. B. kartesisch, polar) zu wählen.
Für den Fall der geradlinigen Bewegung werden typische kinematische
Grundaufgaben formuliert und gelöst. Sind der Weg bzw. die Geschwindigkeit gegeben, dann führt die Differentiation nach der Zeit auf
die Beschleunigung. Bei gegebener Beschleunigung erhält man umgekehrt durch Integration die Geschwindigkeit und den Weg. Die dabei auftretenden Integrationskonstanten sind durch die Anfangsbedingungen zu
bestimmen.
Die ebene Bewegung eines Punktes lässt sich zweckmäßig mit Polarkoordinaten darstellen. Die Punktlage ist durch die Radialkomponente
bestimmt. Geschwindigkeit und Beschleunigung besitzen jedoch im Allgemeinen Komponenten in radialer und zirkularer Richtung. Im Sonderfall der Kreisbewegung treten nur eine Geschwindigkeitskomponente in
zirkularer Richtung (Tangentialgeschwindigkeit) und die zwei Beschleunigungskomponenten Zentripetal- und Tangentialbeschleunigung auf.
Zur Übung dienen die folgenden Aufgaben.
Ü
1.5
Übungsaufgaben
Ü 1.1
Für eine geradlinige Punktbewegung sind bei unterschiedlichen
Anfangsbedingungen die folgenden Teilaufgaben zu lösen:
Nr.
gegeben
Anfangsbedingungen
gesucht
1
x = c1 t
3
2
v = c2 t
3
x(0) = 0
x (t), v (x), a (t)
3
a = c3 t
3
x(0) = 0, v(0) = 0
v (t), x (t)
4
v = c4 x
2
x(0) = x0
t (x), x (t), a (x), a (t)
2
x(0) = x0, v(0) = v0
t (v), v (t), x (v)
5
a = c5 v
v (t), a (t), a (x)
Dabei sind c1 , c2 , c3 , c4 und c5 vorgegebene konstante Größen.
14
Technische Mechanik
Ü 1.2
Kinematik
Ein PKW fährt nach dem skizzierten Beschleunigungs-ZeitDiagramm (vgl. Bild 1.6) aus der Ruhe heraus an.
geg.:
a1 = 2 m/s2 , ges.: vEnd , xEnd
t1 = 10 s, t2 = 2 t1 ,
a
a1
t1
Bild 1.6
t2
t
Geschwindigkeits-Zeit-Verlauf
Berechnen Sie die Endgeschwindigkeit vEnd und den zurückgelegten Weg xEnd !
Ü 1.3
Ein Körper A wird im Punkt 0 mit einer Anfangsgeschwindigkeit vA0 unter einem Winkel α abgeschossen. Zur gleichen Zeit
wird im Punkt B ein zweiter Körper mit vB0 senkrecht nach
oben geschossen (vgl. Bild 1.7).
geg.:
vA0 = 90 m/s, α = 50 o , b = 60 m
ges.:
vB0 , damit sich die beiden Körper treffen
y
vA0
vB0
α
B
A
0
x
b
Bild 1.7
Ü 1.4
Ausgangslagen der Körper A und B
An einem Automaten verlassen Kleinteile eine Rutsche und
werden von einem Trichter (Außendurchmesser d) aufgefangen (vgl. Bild 1.8). Die Geschwindigkeiten bewegen sich in
den Grenzen v0 = (1 ± 0,3) vK .
geg.:
vK = 1 m/s, d = 300 mm, h = 1.000 mm, b = 325 mm
ges:
Grenzen des Neigungswinkels α der Rutsche!
15
Kinematik
Technische Mechanik
b
α
v0
h
x
d
A
B
y
Bild 1.8
2
Geometrie von Rutsche und Trichter
Kinematik des starren Körpers
Im Folgenden wollen wir die Gesetzmäßigkeiten der Punktbewegung zur
Beschreibung der Bewegung eines Körpers verwenden. Dabei wird sich
auf das bereits aus der Statik bekannte Modell des starren Körpers beschränkt.
S
• Ziel dieses Kapitels ist es, zu verdeutlichen, dass sich der allgemeine
Bewegungszustand eines starren Körpers aus Translation und Rotation
zusammensetzen lässt.
2.1
Bewegungsarten
Ein frei beweglicher starrer Körper im Raum besitzt sechs Freiheitsgrade
(n = 6), nämlich drei Verschiebungsmöglichkeiten (Translationen) im Raum
und drei Drehmöglichkeiten (Rotationen) um drei zueinander senkrechte
Achsen.
Aus der Statik ist uns bekannt, dass durch Lagerungen die Bewegungsmöglichkeiten des Körpers eingeschränkt werden.
Wir wollen nun die einzelnen Bewegungsarten genauer erklären.
Translation
Bei der Translation bewegen sich alle Körperpunkte auf kongruenten
Bahnen (vgl. Bild 2.1). Damit repräsentiert die Bewegung eines Punktes
die Bewegung des gesamten Körpers.
16
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