JATROS Infektiologie 1 I 2008 Die Wirksamkeit der HPV-Impfung Vulväre Präkanzerosen und Kondylome L. Six, Wien Die Infektion des weiblichen Genitaltraktes durch kanzerogene Humane Papilloma-Viren (HPV) ist eine häufige, hauptsächlich durch Kontakt- und Schmierinfektion beim Geschlechtsverkehr oder Intimkontakt übertragene Erkrankung. Bisher sind über 100 verschiedene Genotypen dieser DNA-Viren, welche zur Familie der Papillomaviridae gehören, bekannt. HP-Viren: hohe Prävalenz Die Viren bestehen aus einer Kapsidhülle und der zentral enthaltenen, doppelsträngigen DNA. Bei sexuell aktiven Frauen vor dem 25. Lebensjahr ist die Infektionsrate am höchsten, das Lebenszeitrisiko für eine HPV-Infektion liegt bei etwa 80%. Nach erfolgter Infektion kann die Persistenz der Viren zur Entstehung von zervikalen, analen, vulvären und vaginalen intraepithelialen Neoplasien (CIN, AIN, VIN, VaIN) führen. Bei ausbleibender Therapie kann es schließlich auch zur Progredienz der Präkanzerosen in Karzinome in den genannten Bereichen kommen. Das Zervixkarzinom stellt weltweit die zweithäufigste Todesursache bei Frauen unter 45 Jahren dar, Vaginalund Vulvakarzinome entstehen wesentlich seltener als Karzinome im Bereich der Zervix, dennoch stellen sie mit 6% einen wichtigen Teil der gynäkologischen Malignome dar. Während in den entwickelten Ländern durch Etablierung von Screeningprogrammen die Rate an Zervixkarzinomen signifikant gesenkt werden konnte, ist dieser Erfolg in den Entwicklungsländern aufgrund der nur limitiert vorhandenen Vorsorge nicht zu verzeichnen. Für weitere HPV-assoziierte Krebserkrankungen, wie das Vaginal- und Vulvakarzinom, gibt es leider kein geeignetes Screening. I 28 Prävention hat zentrale Bedeutung Im weltweiten Kampf gegen HPV-assoziierte Karzinome des Genitalbereichs, insbesondere das Zervixkarzinom, kommt der Frage nach den Möglichkeiten der Prävention der HPV-Infektion zentrale Bedeutung zu. Es ist bekannt, dass mit der Anzahl der Sexualpartner das Risiko für eine HPV-Infektion steigt. Bisher konnte nachgewiesen werden, dass die Verwendung von Kondomen eine Reduktion des Risikos für eine zervikale und vulvovaginale HPV-Infektion bewirkt. Derzeit stehen darüber hinaus zwei prophylaktische Impfstoffe, mit dem Ziel der Reduktion von HPV-Infektionen und letztendlich HPV-assoziierte Erkrankungen, zur Verfügung. Die HPV-Impfstoffe Beide Impfstoffe bestehen aus einem Adjuvans und aus in vitro produzierten virus-ähnlichen Partikeln, den sogenannten „virus like particles“ (VLPs), welche das wichtigste Protein des Viruskapsids (L1-Protein) repräsentieren. Virus-DNA ist in beiden Impfstoffen nicht enthalten. Nach Gabe der Impfung kommt es zu einer virus-spezifischen Immunantwort und zur Produktion von Antikörpern, welche gegen die Oberflächenantigene der einzelnen Virustypen gerichtet sind. Für beide Impfstoffe konnte nachgewiesen werden, dass sie zur Produktion hoher Antikörperspiegel führen, der höchste Titer wird einen Monat nach Gabe der letzten Teilimpfung erreicht. Das beobachtete Nebenwirkungsprofil ist bei beiden Impfungen sehr ähnlich, die am häufigsten aufgetretenen Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Einstichstelle (Rötung, Schwellung, Schmerzen) und milde systemische Nebenwirkungen (subfebrile Temperatur, Kopfschmerzen). Beide Impfungen wurden von der europäischen Gesundheitsbehörde (EMEA, ECDC) als sicher eingestuft. 1. Der quadrivalente Impfstoff Gardasil, entwickelt von MSD: Adjuvans: Aluminiumhydroxyphosphat-Sulfat Impfschema: 0, 2 und 6 Monate, Verabreichung intramuskulär (0,5ml) Wirksam gegen HPV 6, 11, 16 und 18 Zulassung für Knaben von 9–15, Mädchen/Frauen von 9–26 2. Der bivalente Impfstoff Cervarix, entwickelt von GlaxoSmithKline: Adjuvans: Aluminiumhydroxid+Monophosphoryl Lipid A Impfschema: 0, 1 und 6 Monate, Verabreichung intramuskulär (0,5ml) Wirksam gegen HPV 16 und 18 Zulassung für Mädchen/Frauen von 10–25 universimed.com V I R O L O G I E Bisherige Daten zur Wirksamkeit der HPV-Impfung Für beide Impfstoffe belegen die vorliegenden Studienergebnisse eine sehr gute Wirksamkeit gegen die typspezifische HPV-Infektion. Zervixkarzinom Jährlich erkranken weltweit etwa 230.000 Frauen an einem Zervixkarzinom, wobei es in den letzten Jahren zu einer Steigerung der Inzidenz kam. HPV-Serotyp 16 und 18 verursachen 70% aller Zervixkarzinome. Diese entwickeln sich aus präkanzerösen Vorstufen, den zervikalen intraepithelialen Dysplasien (CIN I–III). Die Behandlung höhergradiger präkanzeröser Läsionen, die eine Progredienz in ein invasives Karzinom verhindern soll, macht die Entfernung des unteren Anteils des Gebärmutterhalses notwendig (Konisation). Diese Operation ist mit einem gering erhöhten Frühgeburtsrisiko (10–15%) verbunden, was für die meist sehr jungen Betroffenen mit noch bestehendem Kinderwunsch von Bedeutung ist. Klinische Studien belegen eine Wirksamkeit der Impfung für mindestens 4,5 Jahre. Die nachgewiesene Wirksamkeit der Impfung gegen eine typspezifische 12 Monate persistierende HPV-Infektion beträgt knapp 100%. Ebenso konnte bei HPV-negativen Frauen eine 100%ige Wirksamkeit gegen HPV-assoziierte zervikale intraepitheliale Neoplasien aller Schweregrade (CIN I–III, Adenocarcinoma in situ) in der Impfstoffgruppe beobachtet werden. Bei bereits HPV-infizierten Teilnehmerinnen ist die Impfung ebenso wirksam, in den bisher publizierten Arbeiten wird die Wirksamkeit zwischen 44 und 55% angegeben. Vaginale und vulväre intraepitheliale Neoplasien (VaIN und VIN) Verglichen mit zervikalen und vaginalen Präkanzerosen zeigen vulväre intraepitheliale Neoplasien eine wesentlich höhere Progressionsrate (10% vs. 2%) zu invasiven Karzinomen, es handelt sich also um sehr aggressiv wachsende Tumore. Zusätzlich zur raschen Progredienz der intraepithelialen Läsionen stellt deren Behandlung, die häufig in der Durchführung kosmetisch entstellender Operationen besteht, eine Herausforderung für universimed.com den Gynäkologen dar. Lange Nachbeobachtungszeiträume sind insbesondere aufgrund der hohen Rezidivraten erforderlich und bedeuten für die betroffenen Frauen häufig eine große psychische Belastung. Zur Inzidenz von vaginalen intraepithelialen Neoplasien gibt es bis jetzt keine verlässlichen Zahlen. Die Zunahme der Inzidenz des vulvären Carcinoma in situ (VIN III) ist jedoch durch entsprechende Daten, die eine Steigerung von bis zu 400% in den USA zwischen 1973 und 2000 dokumentieren, belegt. Im gleichen Zeitraum stieg die Rate von Vulvakarzinomen in den USA um 20%. Diese Entwicklung ist weltweit zu beobachten und scheint mit einer Zunahme von genitalen Infektionen durch die HPV-Typen 16 und 18 assoziiert zu sein. Die Infektion mit denselben Serotypen erklärt auch das in den letzten Jahren immer häufigere Auftreten von Vulvakarzinomen bei jüngeren Frauen vor dem 50. Lebensjahr. Die Mehrzahl der Karzinome in diesem Alter ist HPV-16-assoziiert, bei älteren Frauen entstehen Vulvakarzinome meist in Assoziation mit Lichen sclerosus. Erst kürzlich wurde die erste große Studie mit den aktuellsten Daten zur Wirksamkeit der HPV-Impfung gegen höhergradige vulväre intraepitheliale Neoplasien publiziert. Die Ergebnisse zeigten eine herausragende Wirksamkeit des Impfstoffes von 100% bei HPV-naiven Probandinnen. Bei Probandinnen, die bereits bei Studieneinschluss eine HPV-16- oder -18-Infektion, jedoch keine sichtbare genitale Läsion aufwiesen, zeigte sich dennoch eine gute Wirksamkeit der Impfung von 71%. Unabhängig davon, ob HPV-DNA in den VaIN-2–3- oder VIN-2–3-Läsionen nachgewiesen werden konnte, dokumentieren die gewonnenen Daten eine Wirksamkeit von 49% gegenüber den genannten Präkanzerosen. | schwerpunkt und zu konfluierendem Wachstum. Gelegentlich entstehen sehr große Tumorkonglomerate, welche als „Condyloma gigantea“ bezeichnet werden. Diese können, wenn sie unbehandelt bleiben, aufbrechen und zu Blutungen führen. Insgesamt hat die Erkrankung für die Betroffenen einen sehr negativen Einfluss auf die Lebensqualität, insbesondere auf das Sexualleben, und erfordert oft langwierige lokale Behandlungen. Im Herbst 2007 konnten erste Studienergebnisse zur Prävention von Kondylomen durch die Vierfachimpfung präsentiert werden. Die Auswertung der Daten einer großen Multicenterstudie mit 18174 Studienteilnehmerinnen ergab eine 98,8%ige Wirksamkeit des Impfstoffes gegen HPV-6/11-assoziierte Kondylome bei HPV-naiven Frauen. Bezüglich der Effektivität der Impfung bei bereits infizierten Frauen kann noch keine Aussage getroffen werden, da noch keine entsprechenden Ergebnisse vorliegen. Zusammenfassung Die bisher veröffentlichten Studien zu den HPV-Impfungen ermöglichen eine sehr positive Zukunftsperspektive, die zunehmende Reduktion der zervikalen, vaginalen und vulvären intraepithelialen Neoplasien und der entsprechenden invasiven Karzinome. Eine optimale Wirksamkeit der Impfung ist bei HPV-naiven, jungen Frauen gesichert, bezüglich der Wirksamkeit bei älteren, bereits HPVinfizierten Frauen sind weitere Daten aus den Langzeitbeobachtungen abzuwarten. Ebenso unbeantwortet muss die Frage nach der Notwendigkeit von Auffrischungsimpfungen bleiben, da Daten diesbezüglich noch fehlen. Die Möglichkeit der Krebsprävention durch die Verabreichung einer Impfung stellt jedoch ohne Zweifel einen Meilenstein in der gynäkologischen Onkologie dar. N Condyloma accuminata Etwa 1 bis 2% der sexuell aktiven Bevölkerung sind von HPV-verursachten Genitalwarzen betroffen. Die verursachenden Serotypen sind in über 90% zwei nicht onkogene HPV-Typen, HPV 6 und 11. Kondylome bilden sich in Form von kleinen Warzen im Anogenitalbereich aus, sie neigen zur Beetbildung Autoren: Dr. Lucia Six1, Univ.-Prof. Dr. Sepp Leodolter1, 2, Univ.-Prof. Dr. Elmar A. Joura1 1Universitätsklinik 2Leiter für Frauenheilkunde Klinische Abteilung für allgemeine Gynäkologie und gynäkologische Onkologie Medizinische Universität Wien inf080128 29 I