Das Unheil kommt in der Nacht: Vogelscharen fressen Äcker kahl

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Das Unheil kommt in der Nacht: Vogelscharen fressen Äcker kahl
Bauern verlangen angemessene Entschädigung für Ernteausfälle
„Sie kommen über Nach zu tausenden und fressen unsere Äcker
kahl.“ Landwirt Bodo Schröder vom Osterhof meint Pfeifenten und
Weißwangengänse, die jetzt verstärkt auf der Landseite der Deiche
in die Felder einfallen, um vor allem junge Raps- und
Getreidepflanzen abzurupfen und niederzutrampeln. „Weil den
Vögeln ihr ursprünglicher Lebensraum weggenommen wird, kommen
sie bereits kilometerweit ins Binnengebiet“, erklärt Schröder.
Schon im Winter 90/91 sind Schäden durch Enten und Gänse
entstanden. Daraufhin hat das Umweltministerium erstmals für die
Westküste 200.000 Mark Entschädigung gezahlt, berichtet
Pressesprecher Wolfgang Götze. Das war den Bauern jedoch zu
wenig. „Auch bei einem Totalschaden haben wir nur 300 Mark pro
Hektar bekommen“, erzählt Bodo Schröder, „der Verlust beträgt aber
rund 1500 Mark.“
Der Landwirt aus Oesterdeichstrich ist Vorsitzender einer etwa 50
Mitglieder zählenden Interessengemeinschaft der geschädigten
Dithmarscher Bauern. Außerdem gehört er dem Arbeitskreis „Entenund Gänseschäden“ an. Darin kümmern sich unter anderem auch
das
Nationalparkamt,
das
Umweltministerium,
die
Landwirtschaftsschule Bredstedt, Jäger und der WWF um das
Problem.
Bis zur Wurzel abgefressen.
Foto: Gesa Lampe
Über die Ursache des Vogeleinfalls gehen die Meinungen
auseinander. Die Landwirte vermuten, dass fehlende Bejagung und
eingeschränkte Vorlandbeweidung durch Schafe die Tiere ins
Binnenland treiben. „Sie mögen kein hohes Gras“, erklärt Bodo
Schröder. Seine Interessengemeinschaft fordert „Naturschutz, aber
nicht zum Nulltarif“. Sie will eine angemessene Entschädigung für
ihren Ernteausfall.
„Eine andere Möglichkeit wäre“, so Schröder, „dass wir für die Vögel
gesonderte Felder bestellen, diese jedoch nicht abernten.“ Einen
Erfolg dieser Maßnahme bezweifelt Wolfgang Paulsen von der
Landwirtschaftsschule Bredstedt: „Die Vögel lassen sich nicht
lenken: Einige haben sich an Flächen aus dem Vorjahr gewöhnt,
während andere unberechenbar neue Felder befallen.“
Wolfgang Götze sieht für den Vogeleinfall eine ganze Kette von
Gründen. Dazu gehören zunehmende Bestandszahlen beider Arten.
„Vor allem aber sind ökologische Spätschäden für das Problem
verantwortlich“, meint er. Die großen Eindeichungen hätten den
Seevögeln ihre ursprünglichen Äsungsgebiete weggenommen. Im
Gegensatz zu den Landwirten bezeichnet er die Vorlandbeweidung
durch Schafe als schädlich. „Durch ihre Einschränkung ist zu
erwarten, dass die Enten und Gänse in ein paar Jahren wieder ins
Vorland zurückkehren.“
Nach Einschätzung von Marlies Heyns-Swane von der Heider
Landwirtschaftsschule wurden in Dithmarschen bisher 400 Hektar
geschädigt. Die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor. Betroffene
Bauern
sollten
sich
zur
Schadensaufnahme
an
die
Landwirtschaftsschule oder das Amt für Land- und Wasserwirtschaft
wenden. „Im Winter 90/91 waren an der Westküste insgesamt 1000
Hektar
betroffen“,
so
Wolfgang
Paulsen
von
der
Landwirtschaftsschule Bredstedt.
Paulsen hat sich mit Abschreckungsmethoden befasst: „Die Gänse
lassen sich fernhalten, wenn man vor der Dämmerung einen ihrer
Artgenossen schießt und auf dem Feld liegenlässt. Dann kommen
Bussarde, von denen sich die Gänse abschrecken lassen.“
Allerdings dürfen die unter Artenschutz stehenden Tiere nur mit einer
Sondergenehmigung geschossen werden. Pfeifenten können
während der Jagdzeiten geschossen werden. Auf die Felder fliegen
sie jedoch erst nach der Dämmerung – und dann ist das Schießen
verboten.
„Der Erfolg anderer Maßnahmen ist sehr begrenzt“, resümiert
Paulsen, „da die Vögel schnell ihre Scheu verlieren.“ Die altbewährte
Vogelscheuche gehöre noch zu den wirkungsvollsten Methoden,
solange sie lärmt und flattert. Wolfgang Paulsen würde einheitliche
Richtlinien zur Entschädigung der Landwirte begrüßen. „In Holland
wird das schon seit zehn Jahren praktiziert“, meint er.
Wolfgang Götze vom Umweltministerium kann noch keine konkreten
Versprechungen machen: „Wir müssen längerfristig denken und
dafür Sorge tragen, dass die Tiere ihre Nahrungsgebiete
zurückbekommen, und die Landwirte entschädigt werden.“
Gesa Lampe – Dithmarscher Landeszeitung 1992
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