Schule des Hörens Band 16 Band 16 Schulbuch-Nummer 131.279 herausgegeben von Herbert Post P. I. Tschaikowsky Klavierkonzert Nr. 1 in b-moll, op. 23 SB_Nr:131.279 ISBN 3-902355-14-X Die vorliegende „Schule des Hörens“ Bd. 16 wurde mit Bescheid des Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, GZ 5.001/0007-V/9/06, vom 05. 03. 2006, für den Unterrichtsgebrauch an MU-Hauptschulen und allgemeinbildenden höheren Schulen empfohlen. Erschienen im Eigenverlag Copyright 2006 by Prof. Dr. Herbert Post, C APostdidaktische - Hörpartitur 6414 Mieming, Höhenweg 8 Tel./FAX 05264/ 6205 - [email protected] www.schule-des-hoerens.com Peter I. Tschaikowsky (1840-1893) Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 in b - moll, op.23 Die erste Erwähnung des Klavierkonzertes in b-moll findet sich in einem Brief Tschaikowskys an seinen Bruder Modest, vom 29. Oktober 1874. Noch einige Jahre zuvor äußerte sich Tschaikowsky gegenüber Hermann Laroche „nicht nur einmal, nicht zehnmal, ja mehr als hundertemale, dass er niemals ein einziges Klavierkonzert schreiben werde“.1) Es kam jedoch völlig anders: Tschaikowsky komponierte insgesamt vier Konzerte: Drei Konzerte für Klavier und eines für Violine. Sein erstes Klavierkonzert, in b-moll, das er in den letzten Monaten des Jahres 1874 komponierte, bezeichnete Tschaikowsky selbst als ein „ungewöhnlich schwieriges Klavierkonzert“.2) Am Weihnachtsabend spielte er es seinem Freund Nikolai Rubinstein, dem damaligen Direktor des Konservatoriums von Moskau, vor. Die Kritik war vernichtend. Drei Jahre später erzählte Tschaikowsky in einem Brief der „geliebten Freundin“, der überaus reichen Witwe Nadieshda von Meck, die soeben in sein Leben getreten war, alle Einzelheiten jenes Abends, die schmerzhaft in seiner Erinnerung hafteten. Kürzen wir den Brief ein wenig ab: “Da ergoß sich von Rubinsteins Lippen eine Sturzflut von Worten, zuerst leise, dann immer mehr und mehr in den Ton des donnerrollenden Jupiters übergehend. Es ergab sich, daß mein Konzert überhaupt nichts tauge, daß es unspielbar sei, seine Themen abgedroschen, plump und so ungeschickt, daß sie sich überhaupt nicht verbessern ließen. Als Tonwerk sei das ganze schlecht, gemein, ich hätte einiges von hier, anders von dort gestohlen...“3) Der Abend hatte zur Folge, dass Tschaikowsky die angebliche Widmung an Nikolai Rubinstein zurückzog. Im folgenden Monat orchestrierte er das Stück und widmete es Sergej Tanejew, strich diese Widmung durch und fügte statt dessen Hans von Bülow ein; er hoffte, dass Bülow, der sich begeistert über das Werk aussprach, das Konzert in einer Weise verbreiten könne, wie es dem jungen Pianisten Tanejew wohl kaum möglich gewesen wäre. Die Uraufführung fand am 25. Oktober 1875 in Boston statt. Den Klavierpart spielte damals, wie nicht anders zu erwarten war, Hans von Bülow. Die russische Erstaufführung fand 19 Tage später, mit Gustav Kross als Solisten, in St. Petersburg statt. Bald darauf brachte Tanejew das Werk in Moskau glänzend zu Gehör. Bemerkenswert ist, dass bei dieser Aufführung Rubinstein selbst am Dirigierpult stand. Er hatte sein Urteil inzwischen nicht nur revidiert, er führte dieses Werk in vielen Konzerten zum Triumph. In England wurde das Werk erstmals am 23. März 1876 aufgeführt. Den Solopart spielte Edward Dannreuther. 1) Laroche, Hermann: Peter Tschaikowsky. Aufsätze und Erinnerungen. Berlin 1997, 43. 2) Dabei spielte Tschaikowsky, nach Laroches Angaben, Klavier „mit Bravour und mit Befähigung zu allerschwersten Stücken.“ Aufsätze und Erinnerungen 36. 3) Pahlen, Kurt: Sinfonie der Welt. Zürich 1967, 336. Peter I. Tschaikowsky Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 in b - moll, op. 23 Exposition Allegro non troppo e molto maestoso Einleitungsthema Einleitung œœ œ J b b 3 Œ ‰ b & b b 4 œœ œ œ ff Melodieteil a („Klopfrhythmus“) 3 œœ œ J Melodieteil a œœ œ œ Melodieteil a œœ œ œ g7 bm7 Horn - tutti majestätisch 3 & bbbb b œ c7 A 4 & bbbb œ Ges-Dur Des-Dur b ‰ œœœ œ mf 5 œ Melodieteil b bbb b & b >œ . œ œ œ As-Dur Es7 œœ Melodieteil c œœ œ Des-Dur Vordersatz œ >œ . œJ œ œ œ J œ. œ œ. J Des-Dur Des-Dur esm esm Violine, Cello feierlich Des-Dur œ œ œ œ œ. As-Dur Nachsatz > œ œ . œ œ œ œ . œ œ œ œ œ >œ œ> 3 J J œœœ J >>> As-Dur Des-Dur As-Dur Hermann Laroche (1845-1904), Professor für Musikgeschichte und namhafter russischer Musikkritiker, war einer der engsten von Tschaikowskys lebenslangen Freunden. Sie studierten gemeinsam am St.Petersburger Konservatorium und waren zeitweise Kollegen am Moskauer Konservatorium. Über die Einleitung zum b-moll Klavierkonzert schreibt Laroche unter anderem: „Die Introduktion von Tschaikowskys Klavierkonzert ist übrigens in einer derartig festlich strahlenden Pracht gehalten, als würde sie sagen: „Freue dich, du Publikum! Nicht alles auf der Welt ist eine Göttliche Komödie, es gibt auch noch gute Musik, grandiose Gedanken ohne Aufgeblasenheit und eine schlichte Harmonik ohne Schwulst.“ Laroche, Hermann: Peter Tschaikowsky. Aufsätze und Erinnerungen. Berlin 1997, 89. 4 >œ . œ >œ . œ œ j‰ œ J œ J œ œ >œ . œJ œ œ J Vordersatz A1 4 & bbbb b Des-Dur Des-Dur 5 bbb b & b œ. c7 As-Dur esm Nachsatz œ œ œn œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ . œ œ ‰ œ œ œ œ J J œ 7 F-Dur B Es-Dur As-Dur Des-Dur Des-Dur Es-Dur g7 As-Dur Des-Dur Des-Dur Einleitungsthema A 4 & bbbb b ≈. œ œ .œ œ . œ œ . f Des-Dur >œ œ œ œ > >œ . œ . œ œ œ œ œ œ œ œ œ œ ‰ œ œ. J J J J Vordersatz Des-Dur esm esm Klavier feierlich Des-Dur accelerando >œ >œ >œ . > >œ >œ œ . > . œ œ œ > 3 œ > œ b b b œ œ .œ œ .œ œ .œ œ œ . œJ œ3n œ œ œ œ b & b Nachsatz 5 As-Dur h-verm7 Des-Dur b & b bbb œb œ œ œ . esm œœœ œ C-Dur Weiterführung As7 As-Dur Des-Dur œ œ3 œ œ œ3 n œ œ 3 œ œ n œ œ3 œ n œ œ3 œ fm fm Eduard Dannreuther (1844-1905) hat für den Klavierpart des ersten Satzes Änderungsvorschläge gemacht, die Tschaikowsky fast vollständig in seine zweite „vom Komponisten revidierte und korrigierte“ Auflage (1879) übernahm. Zur Vorbereitung der dritten Ausgabe (1889) zog er seinen Freund, den Pianisten Alexander Siloti, zu Rate. Dieser hat einige Kürzungen und Tempoänderungen vorgenommen. So war zum Beispiel die ursprüngliche Tempobezeichnung der Einleitung „Andante non troppo“. James Friskon hat zudem darauf hingewiesen, dass erst in dieser letzten Fassung die einleitenden Klavierakkorde hinzukomponiert wurden. Garden, Eduard: Tschaikowsky. Leben und Werk. Stuttgart 1986, 95. 5 poco riten. œ œ3 n œ œ œ3 n œ œ œ3 œ n œ œ œ n œ œ œ & b œœ ? bb b b b ggg Jœœ d-verm7 d-verm7 Solo W eiterführung des Kopfmotives a ng œ n œ œœ œ gg nn œœ bgg œ b œ œ J J J J‰ gg J ggg J bbb g J n œ b ‰ ‰ g j J & b bœ j j œ J n >œ b œ œ œ >n >œ b >œ bœ > b >œ b >œ œ >> a tempo 40 d-verm7 d-verm7 d-verm7 d-verm7 g-verm7 b œœ gg n œUœ œ œ œ gg b œ ggg œ g n œ n œ n œ œ b œ b g & b bbb œ j‰ J b œ œ œ j‰g J n >œ b œ œ œj b œ n œ œJ J J J J J >> > œ >> J J œ œ nœ g-verm7 g-verm7 g-verm7 g-verm7 g-verm7 g-verm7 Cadenza œ nœ bœ œ nœ bœ œ œ nœ bœ œ œ nœ œ g gg J J J J œ œ nœ œ œ n œ ? J J Jb œ œ œ J J J bœ œ œ bœ J J Jnœ bœ J J J nœ bœ J J J J bbb b & b g-verm7 g-verm7 g-verm7 es-verm g-verm7 Solo ∫ œœ b g & b bbb j‰ gg J ∫œ œ bœ œ es7 ggg n œœJ ‰ œ ∫ œ œ œj g Tempo I a-verm7 œ œ œ n œj pizz. j œœ œ nœ f a-verm7 Heute wird das b-moll Konzert meist in der dritten, verkürzten Fassung, aufgeführt. Eine Ausnahme in dieser Hinsicht bildet Andrej Hoteer, ein in Hamburg lebender russischer Pianist, der mit seiner Aufführung gleich aller drei Tschaikowsky Klavierkonzerte in der Urfassung 1996 in Moskau für Furore sorgte.