Dendriten: Fortsätze mit Rechenleistung

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Dendriten:
Fortsätze mit Rechenleistung
Dendrit im Gehirn einer Maus in Kontakt
mit einer Elektrode (Leuchtendes Objektvon oben). Credit: Credit: Courtesy of Spencer Smith
Wie Telefonleitungen verbinden die Fortsätze der Neuronen die Nervenzellen des
Gehirns untereinander und sichern damit deren Kommunikation. Doch diese
sogenannten Dendriten sind offenbar nicht nur passive Leitungen, wie Forscher
nun zeigen konnten: Die verzweigten Strukturen verarbeiten aktiv Informationen
und tragen damit zur Rechenleistung des Hirns bei, belegen ihre Experimente. Die
Entdeckung bereichert nun sowohl das Wissen über die Funktionsweise unseres
Denkapparats, könnte aber auch helfen, neurologische Erkrankungen besser zu
verstehen, sagen die Forscher.
Das Gehirn ist und bleibt das geheimnisvollste aller Organe: Wie seine faszinierenden
Funktionen entstehen, ist noch immer weitgehend unklar. Sicher ist, dass die komplexe
Verschaltung der Neuronen die Gesamtleistung hervorbringt. Neben den Axonen bilden die
Dendriten einen fundamentalen Bestandteil dieser Vernetzung. Es handelt sich um fein verästelte
Nervenzellfortsätze, die vom Zellkörper ausgehen und an ihren Enden Kontaktstellen, Synapsen,
ausbilden. Über sie wird das Neuron mit einer bestimmten anderen Zelle verknüpft und kann
somit Signale aufnehmen. Der Dendritenbaum einer einzigen Nervenzelle kann mehrere
Tausend synaptische Kontakte besitzen, über die verschiedene Signale zufließen.
Doch offenbar ist die Rolle der Dendriten mehr als nur simple Verdrahtung – zu diesem Ergebnis
kamen nun die Forscher um Spencer Smith vom University College London durch Versuche mit
Mäusen. Sie führten den Tieren mikroskopisch feine Elektroden in das Sehzentrum des Gehirns
ein, um mit einzelnen Dendriten Kontakt aufnehmen zu können. „Die Kontaktaufnahme einer
Elektrode mit einem Dendriten ist ungeheuer knifflig – das ist wie Angeln mit wenig Aussicht auf
einen Fang", sagt Smith. Doch die Mühe lohnte sich: Erwischten sie mit der Elektrode schließlich
doch einen Dendriten, konnten die Forscher dessen elektrische Signale erfassen.
Mehr als simple Verdrahtung
Um herauszufinden, ob in den Dendriten selbst eine Informationsverarbeitung stattfindet,
präsentierten die Forscher den Versuchstieren unterschiedliche visuelle Reize auf einem
Bildschirm und analysierten die Aktivität in den „geangelten" Fortsätzen. Ergebnis: die Dendriten
reagierten mit unterschiedlichen Signal-Mustern, je nachdem, was die Maus auf dem Bildschirm
sah. Um dieses Ergebnis zu bestätigen, injizierten die Forscher den Nervenzellen einen
speziellen Stoff, der farblich markiert, wo in der Zelle elektrische Aktivität stattfindet. So zeigte
sich, dass die Dendriten aktiv waren, während andere Teile der Nervenzelle ruhten – die Aktivität
war also das Ergebnis von Prozessen innerhalb der Dendriten.
„Alle Daten legen nahe: Die Dendriten sind keine passiven Leitungen, sie bilden offenbar selbst
Recheneinheiten", sagt Smith. Es scheint, als ob die Rechenkapazität des Gehirn weit höher ist,
als bisher angenommen, so der Neurobiologe. Die Forscher wollen nun herausfinden, welche
Rolle die neu entdeckte Fähigkeit der Dendriten im Netzwerk des Gehirns spielt. Möglicherweise
könnte eine Störung ihrer Aktivität auch die Ursache bestimmter geistiger Erkrankungen sein –
dieser Frage wollen Smith und seine Kollegen nun ebenfalls nachgehen.
Originalarbeit der Forscher:

Spencer Smith et al., Nature, DOI: 10.1038/nature12600
© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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