12 – Maxwell­Gleichungen und elektromagnetische Wellen Die Maxwell­Gleichungen sind die grundlegenden Gleichungen der Elektrodynamik. Sie sind ebenso fundamental wie die Newtonschen Axiome; darüberhinaus sind sie auch korrekt im Sinne des speziellen Relativitätsprinzips. Unter anderem lässt sich aus den Maxwell­ Gleichungen vorhersagen, dass elektromagnetische Wellen auftreten müssen. Diese Vorhersage stammt von James Clerk Maxwell (1831­1879), der zur vollständigen Formulierung der Maxwell­Gleichungen eine Vorhersage machen musste, die über das hinausgeht, was wir bislang schon diskutiert haben: Die Maxwellsche Ergänzung des Ampereschen Gesetzes um den Verschiebungsstrom. 12.1 – Amperesches Gesetz und der Verschiebungsstrom Nach Ampère verursacht ein elektrischer Strom ein Magnetfeld. Es gilt ∮ B⋅d s =0 I i Lassen sich Magnetfelder auch auf andere Weise erzeugen? Wir wissen bereits, dass ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld ein elektrisches Feld erzeugt. Kann dann – aus Gründen der Symmetrie – ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld auch ein Magnetfeld erzeugen? ­ Maxwell hat mit der folgenden Überlegung diese Frage mit JA beantwortet: Wenn das Ampèresche Gesetz für einen stromdurchflossenen Pfad angewendet wird, so wird die naheliegende Wahl des Integrationsweges ein konzentrischer Kreis um den Draht sein. Dieser Kreis schließt eine Fläche ein, nämlich eine Kreisscheibe. Allerdings könnten wir den Kreis auch als die geschlossene Kontour eines sackartigen Gebildes betrachten. In beiden Fällen entspricht die Kontour des Wegintegrals der Berandung der jeweiligen Fläche. I +++++ ­­­ ­­­ I +++++ ­­­ ­­­ Wir nehmen nun an, die sackartige Fläche geht durch den Raum zwischen den Platten eines geladenen Kondensators, der sich gerade entlädt. Das Ampèresche Gesetz liefert für die obere Flächenform ein Magnetfeld ungleich 0, wie wir schon wissen, denn der Strom geht durch die Fläche der Kreisscheibe. Für den unteren Fall geht kein Strom durch die Fläche. Das Ampèresche Gesetz liefert demnach für das Magnetfeld 0. Wir wissen aber, dass ein Magnetfeld existiert, denn solange ein Strom fließt, wird dieser ein Magnetfeld erzeugen, wie wir leicht nachmessen können. Wie können wir den Widerspruch bei der Anwendung des Ampèreschen Gesetzes auflösen? ­ Wir halten fest, das ein Stromfluss bedeutet, dass im Kondensator das elektrische Feld zeitlich veränderlich ist. Nehmen wir nun an, dass ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld ein Magnetfeld erzeugt. Wie müsste das Ampèresche Gesetz modifiziert werden? Die Ladung auf dem Kondensator sei Q, C seine Kapazität, A die Plattenfläche (einer Platte) und d der Plattenabstand; E sei das elektrische Feld im Kondensator über dessen Platten die Spannung V abfällt. Dann gilt: Q = CV = 0 A Ed = 0 AE d Ändert sich die Ladung auf den Platten, so gilt demnach dQ dE =0 A dt dt dQ/dt ist aber gleich dem Strom, der auf die Kondensatorplatten auffließt oder von den Platten abfließt. Es gilt also I= d dE dQ =0 A =0 E dt dt dt Die zeitliche Änderung des elektrischen Flusses E=AE ist also formal einem Strom äquivalent. Wir passen das Ampèresche Gesetz entsprechend an und erhalten allgemein: ∮ B⋅d s = 0 I i 0 d E dt Hörsaal­Übung: Ein Kondensator (luftgefüllt) mit 30 pF Kapazität und kreisförmigem Querschnitt (Radius r0) der Fläche A = 100cm2 wird mittels einer 70V­Batterie über einen 2­Widerstand aufgeladen. Im Moment des ersten Stromflusses ändert sich das elektrische Feld zwischen den Kondensatorplatten am schnellsten. (a) Wie groß ist in diesem Moment der Strom auf die Kondensatorplatten? (b) Wie groß ist die Feldänderungsrate? (c) Welches Magnetfeld wird zwischen den Platten induziert? Wir nehmen an, dass das elektrische Feld voll homogen ist und keine Streufelder ausserhalb des Kondensators auftreten. Wir schreiben nun das Magnetfeld ausserhalb des Kondensators ( B(r), r > r0 ) als Funktion des Entladestromes unter Verwendung von Teil (b) aus der Hörsaalübung. Es gilt E = /0 = Q/0A und I = dQ/dt, so dass wir erhalten: 2 2 0 I 0 0 r 0 dE 0 0 r 0 I B= = = 2r 0 r 20 2 r 2r dt Das ist derselbe Zusammenhang, den wir schon vorher unter Verwendung unserer “1.Version” des Ampèreschen Gesetzes abgeleitet hatten. Das B­Feld ausserhalb des Kondensator ist also genauso groß, wie das B­Feld, das durch den Stromfluss im Draht erzeugt wird. Maxwell hat deshalb den Begriff Verschiebestrom IV für die Interpretation seines Ergänzungsterms eingeführt: I V = 0 d E dt Die Namensgebung hat nur historische und keine sachliche Bedeutung. Weder repräsentiert IV einen fließenden elektrischen Strom, noch gibt es eine Verschiebung. 12.2 – Gauss'scher Satz für das Magnetfeld Uns fehlt noch ein Schritt zur Formulierung der Maxwell­Gleichungen. Dieser Schritt ist die Formulierung des Gauss'schen Gesetzes für das Magnetfeld. Für das elektrische Feld haben wir gelernt das gilt: Q ∮ E⋅d A = 0 Wie lautet die entsprechende Fomulierung für den Fluss des Magnetfeldes durch eine geschlossene Fläche? ­ Die Tatsache, dass keine magnetischen Monopole existieren (soweit man heute weiss) erzwingt geschlossene Magnetfeldlinien. Der Netto­Magnetfluss durch eine geschlossene Fläche ist deshalb 0. Wir halten deshalb fest: Das Gauss'sche Gesetz für das Magnetfeld ∮ B⋅d A = 0 12.3 – Maxwell­Gleichungen Mit dem um den Verschiebestrom ergänzten Ampèreschen Gesetz und dem Gauss'schen Gesetz für das Magnetfeld können wir nun die vier Maxwell­Gleichungen formulieren: Q ∮ E⋅d A = 0 ∮ B⋅d A= 0 d B dt d E B ⋅ d s = I ∮ 0 0 0 dt ∮ E⋅d s =− Ihre Formulierung in Worten lautet: Das verallgemeinerte Coulombsche Gesetz stellt eine Beziehung zwischen der elektrischen Ladung und dem elektrischen Feld her ● Für das magnetische Feld existieren keine Monopolladungen ● Zeitlich veränderliche Magnetfeld erzeugen ein elektrisches Feld ● Zeitlich veränderliche elektrische Felder und elektrische Ströme erzeugen ein Magnetfeld ● Die Maxwell­Gleichungen zeigen uns, dass wir für zeitabhängige Phänomene elektrische und magnetische Felder nicht unabhängig behandeln können. Sie bedingen sich gegenseitig. 12.3b – Differentielle Formulierung der Maxwell­Gleichungen Vom Standpunkt der praktischen Anwendung der Maxwell­Gleichungen zur Bestimmung von elektrischen und magnetischen Feldern ist die Integralform nur bedingt geeignet. Im Einzelfall muss der Integrationsweg “geschickt” gewählt werden (unter Ausnutzung von Symmetrien). Das ist aber nicht immer offensichtlich und einfach. Wir formulieren deshalb die Maxwell­Gleichungen auch in ihrer differentiellen Form. Dazu benötigen wir zwei Sätze aus der Vektoranalysis, die wir nicht ableiten werden, sondern lediglich verwenden: Nach dem Satz von Stokes gilt für ein Vektorfeld v(r) ∮ v⋅d s =∫ rot v⋅d A =∫∫ ∇ × v ⋅d A Der Satz von Gauss­Ostrogradski besagt, dass für ein Vektorfeld v(r) gilt ∯ v⋅d A=∫∫∫ div v dV =∫∫∫ ∇⋅v dV Wir wenden des Satz von Gauss­Ostrogradski auf die erste Maxwell­Gleichung an: Q ∯ E ⋅d A =∫∫∫ div E dV = 0 Betrachten wir nur ein infinitesimales Volumenelement dV und berücksichtigen weiter, dass die Ladungsdichte (in diesem Volumenelement) gegeben ist durch dQ/dV so folgt: div E = 0 Ein analoges Vorgehen für die zweite Maxwell­Gleichung ergibt div B= 0 Wenden wir nun den Stokesschen Satz auf die dritte Maxwell­Gleichung an: ∮ E⋅d s =∫∫ rot E⋅d A =− d B dt Für ein infinitesimales Flächenelement dA erhalten wir aus den beiden rechten Gleichungen d B d B rot E⋅d A =− ⋅d A rot E =− dt dt Analog ergibt sich für die vierte Maxwell­Gleichung (unter Berücksichtigung von j = I/dA) dE rot B = 0 j 0 0 dt Wir haben damit die differentiellen Ausdrücke zusammen. Die Maxwell­Gleichungen in differentieller Formulierung 0 div B = 0 =− ̇B rot E = div E ̇ rot B = 0 j 0 E 12.4 – Erzeugung elektromagnetischer Wellen Nach Maxwell wird im leeren Raum ein Magnetfeld erzeugt werden, wenn dort ein zeitlich veränderliches elektrisches Feld vorliegt. Nun erzeugt ein zeitlich veränderliches magnetisches Feld ein elektrisches Feld, das selbst zeitabhängig ist. Dies wiederum wird zur Ausbildung eines zeitabhängigen Magnetfeldes führen usw. Maxwell fand durch Umformung seiner Gleichungen, dass eine elektromagnetische Welle auftreten wird, die sich im leeren Raum fortpflanzt. Wir werden das im nächsten Abschnitt im Detail diskutieren. Jetzt betrachten wir dieses Phänomen zunächst qualitativ. Wir betrachten zwei Metalldrähte (Antennen), die jeweils mit den beiden Polen einer Wechselspannungsquelle verbunden sind. Im Bild liegt der +­Pol gerade oben und ein Strom fließt in das obere Leiterstück. Gleichzeitig fließt ein gleich großer Strom aus dem unteren Leiterstück. Die Leiterstücke sind deshalb (zeitabhängig) gegensinnig geladen und ein elektrisches Feld wir sich zwischen ihnen aufbauen (rot). I ∙ x x B x x + ~ ­ x x x I x ∙ E Dieser Aufbau kann nicht beliebig schnell erfolgen, da das Feld Energie trägt und diese nicht mit unendlicher Geschwindigkeit transportiert werden kann. Der Stromfluss in den Leiterstücken wird gleichzeitig ein Magnetfeld (in Blattebene hinein/heraus) erzeugen, das sich ebenfalls erst aufbauen muss. ∙ ­ ∙ x x x x B ∙ I E ~ + x I ∙ x Einen Moment später ist die Polung der Wechselspannungsquelle umgekehrt. Das elektrische und magnetische Feld in der Nähe der Leiterstücke muss dann die Richtung umkehren. Die Felder, die schon etwas weiter weg aufgebaut sind werden sich durch teilweise Rückkrümmung ihrer Feldlinien mit den neu entstanden Feldern verbinden und geschlossene Feldlinien bilden. Das gilt auch für das elektrische Feld, da im leeren Raum ja keine Ladungen als Quellen und Senken des Feldes vorliegen. Die am Anfang erzeugten Felder breiten sich nun immer weiter in den Raum aus, da sie aufgrund ihrer Zeitabhängigkeit sich gegenseitig bedingen. Eine elektromagnetische Welle hat sich von den Leiterstücken (Antenne) abgelöst und wandert in den leeren Raum fort. Interessant ist weniger das recht komplizierte Feld in der Nähe der Antenne, als vielmehr das (leicht messbare und nutzbare) Feld in größerem Abstand. Für dieses wird die Krümmung der Feldlinien immer kleiner. Für große Abstände erhalten wir eine Welle mit geraden Feldlinien – eine ebene Welle. Wir können weiterhin erkennen, das das elektrische und magnetische Feld immer senkrecht aufeinander stehen und ausserdem auch senkrecht auf der Ausbreitungsrichtung. Elektromagnetische Wellen (EM­Wellen) sind transversal im Vakuum. Weiter sind E und B in der Welle oszillierend aber auch in Phase, d.h. E und B erreichen jeweils zu gleichen Zeiten ihre Maximal­ und Minimalwerte. Oszilliert die Spannungsquelle mit einer harmonischen Zeitabhängigkeit, so gilt das auch für die Welle. Wir schließen mit einer weiteren Schlussfolgerung: Die Wellen wurden von Ladungsschwingungen in der Antenne verursacht. Die Schwingung der Ladung setzt voraus, dass die Ladungen beschleunigt werden. Wir halten deshalb fest: Beschleunigte Ladungen geben Anlass zu EM­Wellen. B y x z E 12.5 – EM­Wellen abgeleitet aus den Maxwell­Gleichungen Wir betrachten Raumgebiet, das frei von Ladungen und Strömen ist. In diesem Fall schreiben sich die Maxwell­Gleichungen wie folgt: ∮ E⋅d A =0 ∮ B⋅d A = 0 ∮ E⋅d s =− d B dt d E ∮ B⋅d s =0 0 dt Offensichtlich besitzen die Gleichungen eine hohe Symmetrie bzgl. E und B. Insbesondere kann man sehr schön erkennen, das Maxwells Ergänzung zum Ampèreschen Gesetz nötig ist, um diese Symmetrie zu erhalten. In unserem Raumgebiet sind wir weit ab von allen Quellen der EM­Welle und nehmen deshalb an, dass die Wellenfronten schon eben sind. Wir können eine harmonische, ebene Welle bspw. schreiben als: E = E y= E 0 sin kx − t B = B z= B 0 sin kx − t wobei gilt k= 2 , = 2 f , f = = v k v bezeichnet die (Phasen­) Geschwindigkeit der Welle. B y y x dx z E z Wir betrachten das grüne Rechteck in der Ebene des E­Feldes. Es habe die endliche Höhe z und die infinitesimale Dicke dx. Wir wenden die Lenzsche Regel in diesem Rechteck an um zu zeigen, dass die angenommen Feldorientierung korrekt sind. Die magnetische Flussänderung durch die Rechteckfläche induziert ein elektrisches Feld um das Rechteck. Im gezeigten Fall schrumpft B mit der Zeit an (Welle läuft nach rechts!). Demnach muss E rechterhand des Rechtecks größer sein, als linker Hand – wie gezeichnet – denn dann könnte E einen Strom im Uhrzeigersinn treiben, der ein Magnetfeld aufbaut, das das schrumpfende Magnetfeld stützt. Wir halten also fest, dass die folgende Orientierungsbeziehung gilt: × v in Richtung von E B Wir wenden nun die 3. Maxwell­Gleichung auf das Rechteck an ∮ E⋅d s =− d B dt und erhalten ∮ E⋅d s = E dE z − E z = dE z d B dB = dx z dt dt und damit also dE dB dE z =− dx z oder dx dt =− dB dt Da E und B Funktionen von Zeit t und Ort x sind, verwenden wir korrekterweise partielle Ableitungen: ∂E ∂B =− ∂x ∂t Einen analogen Ausdruck erhalten wir aus der 4. Maxwell­Gleichung, wenn wir uns ein Rechteck in der Ebene des Magnetfeldes mit Kantenlänge und Dicke dx denken. In der 4. Maxwell­Gleichung ∮ B⋅d s =0 0 d E dt integrieren wir links wieder im Gegenuhrzeigersinn und erhalten ∮ B⋅d s = B y − B dB y =−dB y Für die rechte Seite ergibt sich 0 0 d E dt = 0 0 dE dx y dt Wir setzen gleich und erhalten ∂B ∂E =−0 0 ∂x ∂t Dabei haben wir wieder – korrekterweise – partielle Ableitungen eingeführt. Wir verwenden nun unseren Ansatz für die Wellenausbreitung von E und B und setzen in die aus der 3. Maxwell­Gleichung erhaltenen Gleichung ein: E0 kE 0 cos kx − t = B0 cos kx − t oder = = v B0 k Da ja E und B in Phase sind, gilt zu jeder Zeit: E =v B Verwenden wir nun auch unseren Ansatz für die Wellenausbreitung und setzen in die aus der 4. Maxwell­Gleichung erhaltenen Gleichung ein: B 0 0 0 kB 0 cos kx − t = 0 0 E 0 cos kx − t oder = = 0 0 v E0 k Mit E0/B0 = v von oben folgt daraus für die Geschwindigkeit 0 0 v = 1 / v Bzw. aufgelöst nach v: v= 1 = 3,00 ×10 8 m/s 0 0 Das wiederum entspricht genau der für das Licht gemessenen Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vakuum! Die (Phasen­) Geschwindigkeit der EM­Welle ist die Lichtgeschwindigkeit. Hörsaal­Übung: Es ist zu zeigen, dass sich durch Kombination der aus der 3. und 4. Maxwell­Gleichung abgeleiteten Gleichungen ∂E ∂B ∂B ∂E =− und =−0 0 ∂x ∂x ∂t ∂t eine allgemeine Wellengleichung für die EM­Welle in der folgenden Form ableiten lässt: ∂2 E 1 ∂2 E ∂2 B 1 ∂2 B bzw. 2 = 2 = 2 0 0 ∂ x 2 ∂t ∂t 0 0 ∂x 12.6 – Polarisation Eine wichtige und nützliche Eigenschaft der EM­Welle ist, das sie polarisiert werden kann. Das Phänomen der Polarisation lässt sich an einer Seilwelle plausibel machen. Ein Seil kann in vertikaler Richtung in Oszillation gesetzt werden. Die Welle ist in diesem Fall linear polarisiert. Ein vertikaler Schlitz, in die Ausbreitungsrichtung der Welle gestellt, beeinflusst die Welle nicht. Liegt der Schlitz aber horizontal, so kommt die Welle nach dem Schlitz zum Erliegen. Offensichtlich ist nur eine transversale Welle polarisierbar. Wir haben gesehen, dass nach der Maxwellschen Theorie die EM­Welle transversal und damit polarisierbar ist. Die Polarisationsrichtung wird als die Richtung des E­Feld­Vektors definiert oder – alternativ – die Polarisationsebene als die Ebene, in der das E­Feld oszilliert. Die EM­Welle kann auch andere Polarisationszustände aufweisen. So kann der Fall eintreten, dass der E­Feld­Vektor in Ausbreitungsrichtung seine Schwingungsebene dreht. Ist dabei die E­Feld­Amplitude konstant, so spricht man von zirkular polarisiertem Licht. Dies wiederum kann links­ oder rechtszirkular polarisiert sein, je nachdem, ob der Umlaufsinn des E­Feld­Vektors in Ausbreitungsrichtung gegen oder mit dem Uhrzeigersinn ist. Variiert die Amplitude des E­Feldes bei ihrem Umlauf in Ausbreitungsrichtung so, dass zwei raumfeste Achsen vorhanden sind, entlang denen das E­Feld jeweils maximale bzw. minimale Maximalamplitude hat (und sind diese Achsen senkrecht aufeinander), so spricht man von einer elliptisch polarisierten EM­Welle. Elliptisch polarisierte EM­Wellen können durch die Überlagerung von zwei zueinander senkrecht orientierte, linear polarisierte EM­Wellen erzeugt werden. Die Phasenbeziehung und Maximalamplitude dieser EM­Wellen bestimmt dann, ob das Licht zirkular (Phasenverschiebung 90°) oder elliptisch polarisiert ist. EM­Wellen müssen nicht polarisiert sein. Unpolarisierte EM­Wellen zeichnen sich dadurch aus, dass alle möglichen Schwingungsebenen des E­Feldes in ihnen vorkommen. Bspw. ist das von einer Glühlampe ausgesandte Licht eine unpolarisierte EM­Welle. Polaroid: Linear polarisiertes Licht lässt sich aus unpolarisiertem Licht nach Durchtritt durch bestimmte Kristalle, wie Turmalin, erhalten. Meist aber werden heute Polaroid­Filter als Polarisatoren verwendet. Polaroid wurde 1929 von Edwin Land erstmals synthetisiert. Polaroid besteht aus langgestreckten Polymeren; es wirkt so wie ein “Vielfachschlitz” für das durchtretende Licht. Die mikroskopische Ursache dafür ist die durch den E­Feld­Vektor des Lichts in den Molekülen angeregte Schwingung der Elektronenhüllen. Diese beschleunigten Ladungen emittieren wiederum Licht, allerdings nicht in Richtung ihrer Schwingung (Dipolstrahler). Dieses so emittierte Licht ist Ursache der Lichtausbreitung im Medium. Liegt nun der E­Feld­Vektor senkrecht zu den Molekülachsen, so ist die Anregung dieser Schwingungen stark unterdrückt. Das Licht breitet sich dann kaum noch aus. Wie wir in Kürze sehen werden, ist die Intensität der Lichtwelle dem Quadrat der Feldamplitude proportional. Nach Durchtritt durch den Polarisator ist die Lichtintensität deshalb reduziert auf I = I 0 cos2 wenn der Winkel zwischen den ausgerichteten Molekülachsen (=Polarisatorachse) und der Schwingungsebene des E­Feld­Vektors ist. Wegen dieses Zusammenhangs kann ein Polaroid natürlich auch als Analysator für den Polarisationszustand des Lichtes verwendet werden. Werden zwei Polaroids als Polarisator und Analysator hintereinander mit gekreuzten Polarisatorachsen in den Lichtweg gestellt, so tritt (fast) kein Licht mehr durch sie hindurch. Polaroid 12.7 – Licht als elektromagnetische Welle und das EM­Spektrum Nach Maxwell breitet sich eine EM­Welle mit Lichtgeschwindigkeit aus. Das sich Licht wie eine Welle verhält war schon lange vorher bekannt (ca. 60 Jahre). Maxwell schloss daraus, dass Licht eine EM­Welle sein muss. Experimentell generiert und detektiert wurden EM­ Wellen erstmals von Heinricht Hertz (1857­1894) im Jahre 1887. Über eine periodische Funkenentladung bei ca. 1 Ghz erzeugte Hertz EM­Wellen und detektierte sie in einiger Entfernung über die in einer Drahtschleife durch den zeitlich oszillierenden B­Feld­Anteil erzeugte Induktionsspannung gleicher Frequenz. Sichtbares Licht repräsentiert nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum der EM­ Wellen. Hörsaal­Übung: Was ist die Wellenlänge (a) einer 60­Hz­EM­Welle (b) einer 105­MHz­Radiowelle (c) von Licht eines Lasers, der bei 4,74∙1014 Hz strahlt? EM­Wellen können sich nicht nur durch Vakuum (oder Luft) ausbreiten, sondern ganz generell in Leitungen, Hohlleitungen, dielektrischen Medien etc. In einem Medium der dielektrischen Permeabilität und der magnetischen Permeabilität µ ergibt sich für die (Phasen­) Geschwindigkeit einer EM­Welle v= 1 12.8 – Energie in EM­Wellen; Poynting­Vektor EM­Wellen transportieren Energie in der Form des elektrischen und magnetischen Feldes. Die im Einheitsvolumen in einem Raumgebiet vorhandene Energiedichte u der EM­Welle ist gegeben durch: 1 1 B2 2 u= 0 E 2 2 0 E und B meint dabei die jeweiligen Momentanwerte der Felder in einem kleinen Raumgebiet. Wir können dies allein über das E­Feld formulieren. Dazu verwenden wir B = E/c, sowie c = 1/(0µ0)1/2 2 1 1 0 0 E 2 u = 0 E =0 E 2 2 2 0 Die mit dem B­Feld assozierte Energiedichte ist offensichtlich genauso groß, wie die mit dem E­Feld assoziierte Energiedichte. Wir können u auch noch auf zwei andere Arten schreiben: nur als Funktion von B und als Produkt von E und B: B2 u = 0 E = 0 c B = 0 2 2 2 u= 0 E 2= 0 E c B = 0 0 EB Welche Energie wird demnach durch die EM­Welle pro Zeit durch eine Einheitsfläche hindurchtransportiert? ­ Dies wird durch den Poynting­Vektor S beschrieben ([S]=W/m2). Die Richtung von S ist die Ausbreitungsrichtung der Welle. Nehmen wir an, die Welle breitet sich in x­Richtung aus und tritt durch eine Fläche senkrecht auf der x­Achse. In der Zeit dt legt die Welle die Strecke dx = cdt zurück. Die dabei transportierte Energie ist die im Volumenelement dV = Adx = Acdt vorhandene. Die Energie in dV ist gegeben durch dU = u dV = 0 E A c dt 2 Demnach gilt für S: S= 1 dU =0 c E 2 A dt Das können wir umschreiben zu S = EB/µ0. Weiterhin gilt, dass S in Richtung der Ausbreitung zeigt. Diese ist aber die Richtung des Kreuzproduktes E B. Wir erhalten deshalb für den Poynting­Vektor S 1 S= E ×B 0 Dies ist der Momentanwert des Poynting­Vektors. Oftmals ist aber die im zeitlichen Mittel transportierte Energie relevant. Ist die Zeitabhängigkeit von E und B harmonisch mit den Maximalwerten E0 und B0 so gilt: 0 E¿ S= 2 0 1 2 0 c E 0 = ¿ 2 Dieser zeitgemittelte Wert von S ist die Intensität definiert als die im Zeitmittel durch eine Querschnittsfläche transportierte Leistung. Wir können also auch schreiben S = E eff B eff 0 2 2 mit E rms = E , B rms = B Hörsaal­Übung: Die von der Sonne auf die Erde übertragene Strahlungsleistung ist 1350 W/m2. Unter der Annahme, dass diese durch eine einzige EM­Welle transportiert werde ist zu berechnen, welchen Werten E0 und B0 das entspricht. Offensichtlich ist der numerische Zahlenwerte von B viel kleiner als der von E. Das liegt nur am verwendeten SI­Einheitensystem. Der Beitrag von B zur Energiedichte ist ebenso groß, wie der von E! 12.9 – Strahlungsdruck EM­Wellen tragen nicht nur Energie, sie tragen auch einen Impuls. Bei der Reflexion oder Absorption an einer Oberfläche wird die EM­Welle eine Kraft auf die Oberfläche ausüben als Ergebnis eines Impulsübertrages dp dp F= dt Die Existenz eines Strahlungsdruckes, also einer pro Einheitsfläche auf das bestrahlte Objekt wirkende Kraft, wurde ebenfalls von Maxwell vorausgesagt. Er zeigte, dass der übertragene Impuls bei vollständiger Absorption der Energie U gegeben ist durch p A= U c Bei vollständiger Reflexion hingegen wird der doppelte Impuls übertragen p R= 2 u c Mittels des zweiten Newtonschen Axioms bestimmen wir die Kraft. Es gilt F= dp dt Die im zeitlichen Mittel auf das Objekt mit Querschnittsfläche A übertragene Leistung ist dU = S A dt Der Strahlungsdruck PA (bei vollständiger Absorption) ist dann 1 dU S F 1 dp P A= = = = Ac dt c A A dt Wir fassen die Ergebnisse bei vollständiger Absorption bzw. Reflexion zusammen: S 2 S P A = , P R = c c Hörsaal­Übung: Wie groß ist der Strahlungsdruck der Sonne und welche Kraft wird demnach auf eine der Sonne zugewandte Handfläche ausgeübt? Der Strahlungsdruck kann auf Atome im Licht eines Lasers deutliche Auswirkungen haben. Bei einer Atommasse von 10­27 kg und einer Laserleistung von 1000 W/m2 ist ein Strahlungsdruck von 10­8 N/m2 hinreichend, um Atome und Moleküle zu verschieben. Man nennt eine solche Anordnung eine optische Pinzette. Sie finden Anwendung in der Biologie für die in­vivo Manipulation von Kleinstlebewesen oder auch für die Bestimmung der elastischen Eigenschaften der DNS.