BIRGL- UND KENLACHTUNNEL

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BIRGL- UND KENLACHTUNNEL
EIN WEITERER SCHRITT IM ZWEIGLEISIGEN AUSBAU DER TAUERNBAHN
ZWISCHEN SCHWARZACH-ST. VEIT UND SPITTAL/MILLSTÄTTERSEE
Bmstr. Ing. Karl Czopak
BIRGL- AND KENLACH TUNNELS
A FURTHER STEP IN THE TWO-TRACK DEVELOPMENT OF THE TAUERN RAILWAY LINE
BETWEEN SCHWARZACH-ST VEIT AND SPITTAL/MILLSTÄTTERSEE
Heavy growth of rail traffic has required development of
the Tauern railway as a two-track high-capacity facility.
It was originally only single-track for large portions of
the line.
The construction site lies in Salzburg province, near the
Schwarzach-St Veit railway junction, where the Tauern
railway leaves the western railway route to continue
southwards, crossing the main ridge of the Tauern
mountains.
The contract involves the construction of two tunnels, the
960m-long Birgl tunnel and the 314 m-long Kenlach
tunnel, as part of a new line to be built between the
Untersberg tunnel near Schwarzach-St Veit and the Kenlachgraben bridge near Loifarn station. The 757 m section
between the two tunnels passes through open country.
The two tunnels are situated in the contact zone between
two geological units separated by the Salzach fault,
which strikes along the river valley. This fault zone presented a civil engineering challenge right at the beginning of driving the Birgl tunnel, as the first 100 m of the
excavation passed through severely shattered silty-
EINFÜHRUNG
GESCHICHTLICHES
Die Überquerung des Alpenhauptkammes war Jahrhunderte lang ein gefahrvolles Unternehmen. Zu Beginn
des Industriezeitalters und zur Hochblüte des Bahnbaues
wurde im Jahre 1901 durch die k. u. k. Staatsbahn diese
Nord-Süd-Verbindung begonnen, um eine zweite Anbindung des Adriahafens Triest an den industrialisierten
Norden zu haben. Die durchgehende Verbindung konnte
am 5. Juli 1909 mit einem Festakt unter Kaiser FranzJoseph in Betrieb genommen werden. Nachdem die Tauernbahn im vorigen Jahrhundert über weite Strecken nur
eingleisig gebaut wurde, war durch die starke Zunahme
clayey material susceptible to water and showing looseground properties. This section was driven under the
protection of pipe-roofing.
Geotechnically, rock movements around the excavation
were continuously monitored by optical 3D measurement of displacement, and the results were used to plan
further driving operations. In addition, an attempt was
made – for the first time in the history of the pipe-roofing system – to measure displacements occurring ahead
of the drive. Another novelty was the advance exploration of fault zones by use of seismic-reflection techniques.
Another fairly unusual feature was the use of surface
miners – actually hard-rock surface cutters – for excavating the level bottom of the tunnel. Trench-cutting
machines were also used as a cost-optimising method
for digging the pipe-line trench for invert drainage.
Just before the end of excavation work for the Birgl tunnel, the safety services demanded an escape gallery to
be provided in the middle of the tunnel. This work, was
also very well integrated into the construction schedule.
des Verkehrs der Bedarf nach einer kapazitätsstarken
Verbindung gegeben. Dies hat in den letzten Jahrzehnten den Um- und Ausbau der Tauernbahn zu einer zweigleisigen Hochleistungsstrecke gefördert.
ÜBERSICHT
Die Tauernbahn ist eine der am stärksten frequentierten
innerösterreichischen Alpenquerungen auf der Verbindung von Salzburg im Norden nach Villach im Süden
des Alpenhauptkammes. Die eigentliche Tauernbahn bildet der Streckenabschnitt zwischen Schwarzach-St.Veit
im Bundesland Salzburg und Spittal am Millstättersee in
Kärnten. Die hier beschriebenen Bauarbeiten sind ein
Teil des Gesamtprojektes „Zweigleisiger Ausbau der
Tauernbahn“.
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Das gegenständliche Projekt besteht aus den beiden
Tunnel Birgltunnel und Kenlachtunnel sowie den dazugehörigen Streckenabschnitten vor den Tunnelportalen
und zwischen den beiden Tunnel.
Das Baulos beginnt bei km 2,060, gerechnet vom Beginn der Kilometrierung der Tauernbahn im Bahnhof
Schwarzach und reicht bis vor das Widerlager der neuen
Kenlachgrabenbrücke bei km 4,700. Die Höhenlage der
neuen Strecke liegt zu Baulosbeginn auf 637,48 m ü.A.
und endet bei km 4,700 auf H = 709,66 ü.A. Es ist also
eine Höhe von rund 72,18 m zu überwinden, was auf die
Länge von 2.640 m eine mittlere Steigung von ca.
27,3‰ ergibt. Diese Steigungsverhältnisse entsprechen
jenen einer Gebirgsbahn.
LAGEPLAN DES BAULOSES
Birgltunnel
Kentachtunnel
© 2003 · PORR-GRAFIKDIENST · P1203A05
Der Baulosbeginn bei km 2,060 liegt im Portalbereich
des Untersbergtunnels. Dieser Tunnel wurde in den Jahren 1989 und 1990 in einer ersten Bauphase neu errichtet, an dessen Bau PORR ebenfalls beteiligt war.
GEOLOGISCHER ÜBERBLICK
Das Projektgebiet bei Schwarzach im Salzachtal befindet sich im Grenzbereich zweier geologischer Einheiten
der Ostalpen. Die Salzach-Längstalstörung als Segment
der Tauernnordrandstörung trennt hier das Penninikum
im Süden, vertreten durch Gesteine der Klammkalkzone, vom nördlich gelegenen Ostalpin mit der Grauwackenzone.
Das Penninikum, das einen Großteil der Hohen Tauern
aufbaut, ist das geologisch tiefste Stockwerk der Alpen,
das durch junge Aufwölbung und Erosion als sogenanntes tektonisches Fenster (Tauernfenster) freigelegt wurde. Im Tauernfenster tritt ein durch die Alpidische Gebirgsbildung in der Tertiärzeit in große Erdkrustentiefen
versenktes und durch hohen Druck und Temperatur umgewandeltes System aus verfalteten und einander über-
GEOLOGISCHE ÜBERSICHT
Ostalpin
Bischofshofen
Grauwackenzone
PROJEKTSGEBIET
Schwarzach
Klammkalkzone u.a.
Ostalpines
Kristallin u.a.
Schieferhülle
Penninikum
© 2003 · PORR-GRAFIKDIENST · P1203A04
schobenen metamorphen Gesteinen auf. Zentrale Gneiskerne werden von Schieferhüllen aus Grünschiefern,
Phylliten und Serpentiniten ummantelt. Im Nordosten
wird es von nur schwach metamorphen Gesteinen, wozu
auch die im Kenlachtunnel aufgefahrene Klammkalkzone gehört, begrenzt. Sie besteht aus einer Wechselfolge
von Kalkschiefern, Kalkphylliten, Rauhwacken, Tonschiefern und Grünschiefern, in die metamorph überprägte Kalksteine und Dolomitbreccien eingeschaltet
sind. Eine mächtige gestörte Zone aus zerscherten Serpentiniten zeigt die Nähe zur Salzach-Längstalstörung
an. Diese bildet die Grenze zum Ostalpin und besteht
aus einer oder mehreren steilen, bis viele Dekameter
mächtigen Störungszonen, an denen es, im Lauf der
Heraushebung des Penninikums, zu Horizontal- und
Vertikalverschiebungen in Kilometerbeträgen gekommen ist. Im Bereich des Westportals des Birgltunnels
wurden Störungsgesteine (Kataklasite) in Form von zerscherten bis mylonitisierten Phylliten, in die bis mehrere
Meter große Scherkörper aus Kalkphylliten und anderen
Gesteinen eingeschaltet sind, aufgefahren.
Das Ostalpin wiederum ist ein Komplex aus mehreren
tektonischen Einheiten, zu dem unter anderem die Grauwackenzone und die Nördlichen Kalkalpen als höchstes
Stockwerk der Alpen, gehören. Die Grauwackenzone
besteht aus schwach metamorphen ehemaligen Sedimentgesteinen und Vulkaniten aus dem Paläozoikum.
Im Birgltunnel wurden hauptsächlich Kalkschiefer und
Kalkphyllite aufgefahren, die große Ähnlichkeit zu den
jüngeren Gesteinen der Klammkalkzone aufweisen. Beide Tunnelbauwerke liegen also in einer breiten Übergangszone, die durch ähnliche Gesteine, niedrigen
Metamorphosegrad und vergleichbaren Deformationsstil mit steil nach Norden fallender Hauptschieferung
und einigen Störungszonen gekennzeichnet ist.
DIE LAGE DER BAUSTELLE UND
BAUSTELLENEINRICHTUNG
Die Baustelle liegt im Norden, am Anfang der Tauernbahnstrecke, zirka 2 km westlich von Schwarzach im
Pongau. Nicht unweit, ca. 6 km östlich der Baustelle
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und südlich von St. Johann im Pongau, durchtost die
Großarler Ache die Liechtensteinklamm, eine der bekanntesten Klammen der Ostalpen. Ungefähr 4 km
westlich der Baustelle kommt man in das Gasteiner Tal,
dessen Eingang ebenfalls durch eine Klamm verengt ist.
Bedingt durch die Topographie der Bahnstrecke an der
nördlichen, steil abfallenden Talflanke, den Ausläufern
der Ankogelgruppe, zwischen Großarltal und Gasteinertal, war für eine Großbaustelle keine auch nur annähernd ebene Fläche für die erforderliche Infrastruktur
vorhanden.
Wegen der schwierigen Geländeverhältnisse und dem
Erfordernis, zwei Vortriebe so weit als möglich gleichzeitig zu betreiben, war eine zentrale Lage der Baustelleneinrichtung mit Büros und Werkstatt vorteilhaft und
somit im Bereich der Talmulde Birgl als einzig möglichen Standort zu situieren.
Die Baustelleneinrichtung umfasst die Bauleitungsbüros
für Arbeitsgemeinschaft und Bauherrn. Das Wohnlager
ist für den gesamten Belegschaftsstand der Vortriebsarbeiten ausgelegt. Wie meist üblich, wurden die Angestellten in der Umgebung der Baustelle in Fremdquartieren untergebracht.
auch eine zentrale Mischanlage für die Erzeugung des
Spritzbetons situiert, die beide Vortriebe zu versorgen
hatte.
In weiterer Folge war damit auch die Vortriebsrichtung
für beide Tunnel vorgegeben. Der Kenlachtunnel wurde
steigend von Ost nach West vorgetrieben. Der Ausbruch
des gesamten Birgltunnels, bis auf einen kurzen Abschnitt der Strosse, erfolgte fallend, von West nach Ost.
Dies hatte den zusätzlichen Vorteil, dass nur eine zentrale Stromversorgung, mit Anschluss an das Netz der
Salzburg AG, errichtet werden musste.
FOTO: PORR-ARCHIV
ORGANISATION UND BAULEITUNG
Der Auftraggeber für diesen Streckenabschnitt sind die
Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Bereich Infrastruktur, Abteilung Planung & Engineering. Der Auftrag
wurde der Arbeitsgemeinschaft Birgltunnel, in der die
Porr Tunnelbau GmbH die technische Geschäftsführung
inne hat, Anfang April 2002 erteilt.
Die Baustelle wird vor Ort durch die Ingenieurgemeinschaft 3G ZT-GmbH und Verbundplan betreut und überwacht. Die Ausführungsplanung für die Tunnel wurde
vom Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GmbH
Salzburg vorgenommen. In die Streckenplanung war
auch das Büro ILF - Beratende Ingenieure ZT GmbH
eingebunden.
Die geologisch-geotechnische Planung oblag der Gruppe Geotechnik-Graz 3G ZT-GmbH und dem Zivilingenieurbüro BGG-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Peter Waibel.
DAS PROJEKT
DER STRECKENABSCHNITT IM OSTEN
DES BIRGLTUNNELS
In diesem Abschnitt ist die eingleisige Streckenführung
im Zuge der Bauarbeiten auf eine zweigleisige Trasse
umzubauen, bei gleichzeitiger Trassenkorrektur durch
eine gestrecktere Linienführung. Das unmittelbar vor
dem neuen Birgltunnel liegende Thomersbachgrabenviadukt, auf dem die alte Trasse verläuft, verliert nach dem
Umbau seine Funktion und wird zum Teil abgetragen.
Die alte Trasse südlich des Birgltunnels wird nach Inbetriebnahme der neuen Bahngleise stillgelegt und abgetragen. Ein Teil der alten Trasse wird zu einer Rettungszufahrt bis zum Portal des Rettungsstollens umgebaut.
Lage der Baustelleneinrichtung mit Talmulde Birgl und geplanter
neuer Streckenführung, dahinter der Hof des Birglbauern
Die bei einem derartigen Projekt für die Großgeräte erforderliche Werkstatt wurde ebenfalls hier untergebracht. Da von diesem Punkt aus die Baustelle am besten mit Spritzbeton versorgt werden konnte, war hier
DER BIRGLTUNNEL
Der 960 m lange Birgltunnel zwischen Thomersbachgraben und dem Westhang in der Nähe des Birglbauern
steigt kontinuierlich mit 27,6‰. Im Bereich der Portale
wird die Tunnelröhre in Voreinschnitten in offener Bauweise errichtet. Das Portalbauwerk in offener Bauweise
beim Thomersbachgraben ist 8 m lang, jenes beim
Birglbauern ist 16 m lang. Der Querschnitt entspricht
dabei der Geometrie des Innengewölbes im bergmännischen Bereich.
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3
THEORETISCHE AUSBRUCHSGRENZE
SPRITZBETON
TUNNELABDICHTUNGSSYSTEM
INNENGEWÖLBE B30/u/WU/LPV
TECHNISCHER SPIELRAUM
12
35
VAR
3.75
R1i= 5,55 m
R2'= 7,55 m
NORDULME
ACHSE GLEIS 2
3.75
SOK
MÖRTELBETT
LÖSCHWASSERVERSORGUNG
SOHLPLATTE
B30/b/WU/LST
QUELLFUGENBAND
IN DER BLOCKFUGE
VAR
45
70
VAR
± 0.00
ENTWÄSSERUNGSBOHRUNGEN
KALKARMER
HARTGESTEINSSPLITT
– 0.60
30 30
55
WAGENACHSE
ISACHSE
= GENEIGTE GLE
ACHSE GLEIS 1
SÜDULME
9.25
7.85
70
10
FESTE FAHRBAHN
VERGUSSBETON
m
R1a= 5,80
0m
R3'= 13,6
HANDLAUF
VAR
60
ERDUNGSBUCHSE
+0,68 ÜBER SOK
BAHNACHSE
TUNNELACHSE
+7.85
KALKARMER HARTGESTEINSSPLITT
SOHLDRAINAGE PVC MZR DN 250
MIT SEITL. AUFFÜLLUNG AUS BETON
AUF MÖRTELBETT
ULMENDRAINAGE
PE-HD MZR DN 250
AUF MÖRTELBETT MIT SEITLICHER
AUFFÜLLUNG AUS BETON
RANDWEG u. KABELTROG GR. V
VLIES 500g/m2
© 2003 · PORR-GRAFIKDIENST · P1203A07
DER RETTUNGSSTOLLEN
Der in der ursprünglichen Planung nicht vorgesehene
Rettungsstollen wurde aufgrund eines neuen Sicherheitskonzeptes während der bereits laufenden Vortriebsarbeiten im Birgltunnel notwendig. Der Rettungsstollen
liegt in Tunnelmitte auf halber Strecke zwischen den
Portalen und hat eine Ausbruchsfläche von rund 15 m2.
Der Stollen ist begehbar, aber nicht befahrbar ausgeführt,
und ist damit eigentlich nur ein Fluchtstollen zu dem vor
dem Portal des Stollens liegenden Rettungsplatz.
DIE STRECKE ZWISCHEN BIRGLUND KENLACHTUNNEL
Im Anschluss an den neuen Birgltunnel wurde die kleine
Talmulde beim Birglbauern südlich der alten Bahntrasse
mit einem Großteil des Tunnelausbruchmaterials aus
dem Birgltunnel aufgefüllt. Auf der Schüttung verläuft
auch die neue Eisenbahntrasse. Vor dem Westportal des
Birgltunnels wurde eine Wegunterführung für die Hofzufahrt zum Gehöft Birgl errichtet.
Um die Zufahrt zum Birglbauern und zum Westportal
des Birgltunnels während der Bauarbeiten und der Auf-
schüttungsarbeiten der Birgl-Talmulde ständig offen zu
halten, musste eine neue Zufahrt provisorisch unter der
alten Bahnstrecke durch den alten Bahndamm errichtet
werden. Dazu war der Einbau einer Hilfsbrücke unter
dem in Betrieb befindlichen Streckengleis erforderlich.
Im Anschluss an die Birgl-Talmulde verläuft die neue
Trasse parallel zum bereits bestehenden Bahngleis und
überquert kurz vor dem Kenlachtunnel noch den
FOTO: PORR-ARCHIV
Der 936 m lange bergmännische Teil der Tunnelstrecke
wurde nach der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise
aufgefahren. Die maximale Überlagerung beträgt 94 m.
Birgltunnel – Westportal mit Wegunterführung
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FOTO: PORR-ARCHIV
REGELQUERSCHNITT BIRGLTUNNEL
Besondere Auflagen
Eine behördliche Vorschreibung war, in der Zeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr keine Sprengungen durchzuführen. Da dies naturgemäß für den Fortschritt der Arbeiten eine wesentliche Behinderung gewesen wäre, war
die Arbeitsgemeinschaft daran interessiert, diese Auflage möglichst nicht zum Tragen kommen zu lassen. Es
konnte mit den unmittelbar betroffenen Anrainern eine
Einigung erzielt werden, in den Nachtstunden normal
weiterzuarbeiten. Die Arbeitsgemeinschaft verpflichtete
sich im Gegenzug, dauerhafte Lärmschutzmaßnahmen
als Ausgleich zu setzen.
Mursangergraben. Zwischen dem Graben und dem Ostportal des Kenlachtunnels liegt ein rund 100 m langer
offener Einschnitt, dessen Nordflanke mit Schwergewichts- und Spornmauern gesichert wurde.
DER KENLACHTUNNEL
Zur Erzielung einer gestreckten Linienführung war im
Bereich des bestehenden Kenlachtunnels die Errichtung
eines neuen Tunnels erforderlich. Der neue Kenlachtunnel hat eine Länge von 314 m und eine Steigung von
25,9‰. Das Westportal des neuen Tunnels liegt unmitttelbar in der Nähe des bestehenden, alten Kenlachtunnels. Der Tunnel unterquert das Gehöft des Oberschwaigbauern in einer Tiefe von ca. 20 m.
Technische und organisatorische Besonderheit
Nachdem der Vortrieb im Kenlachtunnel als erstes fertiggestellt war, wurde hier zuerst mit dem Einbau der Betonauskleidung begonnen. Im Anschluss an den letzten
Gewölbeblock der offenen Bauweise musste der Schalwagen vom Kenlachtunnel zum Birgltunnel transportiert
werden. Um dies ohne die zusätzliche Mehrarbeit des
Abbaues und des Wiederaufbaues des kompletten Schalwagens zu verwirklichen, wurden die 125 Tonnen mittels
Schwerlasttransporter, einem Tieflader mit 11 Achsen,
DIE STRECKE IM WESTEN DES KENLACHTUNNELS
Im Westen des Kenlachtunnels liegt das Baulosende,
hier läuft die neue Trasse nach ca. 150 m beim Widerlager der neuen Kenlachgrabenbrücke schleifend in die
bereits in Betrieb befindliche Bahntrasse.
DER BAUABLAUF
Der Bauablauf war durch die zentrale Lage der Baustelleneinrichtung vorherbestimmt. Um die Baustelleneinrichtung in einer übersichtlichen Weise aufstellen zu
können, mussten umfangreiche Geländeanschüttungen
erfolgen. Von Baubeginn an war es daher notwendig, sofort Schüttmaterial zu gewinnen. Eine der ersten Maßnahmen war, mit dem Portaleinschnitt des Kenlachtunnels zu beginnen und die Vortriebsarbeiten im Kenlachtunnel voranzutreiben. Das Ausbruchsmaterial der ersten 100 m aus dem Birgltunnel war wegen der anstehenden Tonminerale in der Tauernnordrandstörung für
Schüttungen nicht geeignet.
Prinzipiell sollten beide Tunnelvortriebe zeitgleich abgewickelt werden. Aus bautechnischen Gründen, die im
unterschiedlichen Zeitbedarf für die Arbeiten bei den
Portaleinschnitten beider Tunnel lagen, war aber ein
gleichzeitiger Baubeginn nicht durchführbar. Die Arbeiten für den Portalanschlag beim Birgltunnel dauerten
aufgrund der umfangreichen Hangsicherungen für die
Portalwand mehrere Wochen.
Vorgesehen war, bei beiden Tunnel zuerst die Kalotte
auszubrechen und erst im späteren Nachgang den Strossenvortrieb durchzuführen. Im Birgltunnel musste aber
aus geotechnischen Gründen in der Anfangsstrecke von
zirka 120 m Länge durch die Tauernnordrandstörung sofort ein rascher Sohlschluss eingebaut werden, da hier
mit starken Verformungen gerechnet wurde.
Nach Durchschlag und anschließendem Strossen- und
Sohlausbruch kamen die Auskleidungsarbeiten mit Entwässerungseinbau, Tunnelabdichtung und Einbau der
Innenschale zur Ausführung. In weiterer Folge wurde
noch der seitliche Randweg mit integriertem Kabeltrog
in Gleitbauweise gefertigt.
FOTO: PORR-ARCHIV
DIE BAUDURCHFÜHRUNG
Transport des kompletten Schalwagens
vom Ostportal des Kenlachtunnels die 750 m lange
Strecke zum Westportal des Birgltunnels gefahren. Das
Entscheidende war nicht das Gewicht, sondern die Breite
des Schalwagens von 11 m bei einer Höhe von 8,50 m.
Die zur Verfügung stehende Fahrbahn direkt neben dem
Gleis der bestehenden Tauernbahn war die besondere
Problematik dieses Transportes, da der Schalwagen in
das Bahnprofil voll hinein ragte. Nur durch großzügiges
Entgegenkommen der ÖBB und absolute Maßarbeit der
beteiligten Mannschaften konnte der Transport während
einer Gleissperre in den Nachtstunden vom 2. auf 3. August 2003, von 22.00 bis 04.00 Uhr früh, plangemäß
durchgeführt werden. Trotzdem war es notwendig, die
Oberleitung der Bahn bei jedem Fahrleitungsmast auszuhängen, um den Transport überhaupt zu ermöglichen.
Nach dieser Sonderleistung konnte der Betonierbetrieb
im Birgltunnel vom Westportal plangemäß Richtung
Ostportal aufgenommen werden. Parallel zum Beto-
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nierfortschritt des Schalwagens waren vorauseilend die
Sohldrainage, die Beton-Sohlplatte, die Ulmenentwässerung und die Tunnelabdichtung laufend einzubauen.
DIE VORTRIEBSARBEITEN IM KENLACHTUNNEL
Der Kalottenvortrieb wurde am 14. August 2002 vom
Ostportal aus begonnen. Der Ausbruchsquerschnitt des
Kenlachtunnels reicht von rund 102 m2 in der Vortriebsklasse 5A bis zu 124 m2 in der Vortriebsklasse 7A mit
Rohrschirm. Die geologisch-geotechnischen Verhältnisse erlaubten einen Ausbruch der Kalotte mit einer
Fläche von ca. 51 m2 über die gesamte Tunnelstrecke,
ohne nachfolgendem Ringschluss. Als Hauptstützmittel
kamen 20 bis 30 cm dicker Spritzbeton, Tunnelgitterbögen Wx = 66 cm3 und ein oder zwei Lagen Baustahlgitter AQ 50 sowie die Systemankerung aus SN-Ankern
und IBO-Ankern mit 4–6 m Länge zum Einbau.
Wie bereits erwähnt, wurde eine großer Teil des anfänglich gewonnenen Ausbruchmaterials für die Anschüttungen der Baustelleneinrichtungsflächen benötigt. Die
restlichen Mengen wurden in der Anschüttung Birgldeponie und in der Dammschüttung für das neue Streckengleis ebenfalls auf der Birgldeponie benötigt.
Weil auf den letzen 15 m beim Westportal kataklasitische Gesteine vorliegen, kam hier der Kalottenvortrieb
Auffüllungen mit Beton erfordert. Die Sohle steht damit
praktisch sofort für die weiteren Arbeiten zur Verfügung.
Eine weitere, nicht alltägliche Ausbruchsweise war die
Herstellung der Sohlkünette, 1,00 m tief und 80 cm
breit, für die Drainage in der Mitte des Tunnelquerschnittes durch eine Grabenfräse für Fels. Dieses Gerät,
ein Track Trancher Vermeer T 755, erlaubt es, eine Künette im festen Gestein plangenau auszubrechen, ohne
das übliche und in diesen Fällen unvermeidliche Überprofil, das beim Sprengen eines Grabens entsteht. Das
Gerät hat 30 Tonnen Gewicht und eine Leistung von
250 PS. Trotzdem war es auf einer Strecke von ungefähr
60 m nicht möglich, den Graben mit der Felsfräse auszubrechen und es blieb nichts anderes übrig, als wie
üblich zu Sprengen.
DIE VORTRIEBSARBEITEN IM BIRGLTUNNEL
Mit Fertigstellung der umfangreichen Hangsicherungsarbeiten im Voreinschnitt des Westportals wurden die
Vortriebsarbeiten mit dem Einbau des ersten Rohrschirmes und nachfolgendem Kalottenausbruch am 5. Oktober 2003 von West nach Ost begonnen. Durch die hier
anstehende Tauernnordrandstörung mit geringer Gebirgsfestigkeit und Lockergesteinscharakter, mit dem
GEOLOGISCHER LÄNGENSCHNITT KENLACHTUNNEL
Westportal
Ostportal
Kalkschiefer-Kalkphyllit
Grünschiefe
Zerrüttetes Gestein mit entspr. Gesteinsfarbe
Kalkschiefer-Kalkphyllit
graphitisch (Schwarzphyllit-Tonschiefer)
Serpentinit
Störung
Kalk, Dolomit (z.T. Dolomitbrekzie)
Lockergestein im Allgemeinen
(Hangschutt, Hanglehm, Moräne, Anschüttung)
Müller-Fähnchen
(0-19°; 20-49°; 50-79°,80-90°)
Rauhwacke
Störungsgestein / Kataklasit
Bergwasserstand
im Schutze eines im Voraus aus dem westseitigen Voreinschnitt hergestellten Rohrschirms zur Ausführung.
Der Wasserandrang im Vortrieb war gering, und durch
den steigenden Vortrieb gab es auch keine bedeutenden
Auswirkungen auf die Ausbruchsarbeiten.
Nach Durchschlag der Kalotte am 16. Oktober 2002 erfolgte der Ausbruch der Strosse, wieder von Ost nach
West, und eines Teils der Sohle. Nur ein kurzes Stück
von 12 m Länge der untertägigen Tunnelstrecke unmittelbar beim Westportal, in der Kataklasitzone, erhielt
ein Sohlgewölbe.
Die letzen zirka 20–30 cm der Sohle im Kenlachtunnel
wurden nicht im üblichen Bohr- und Sprengbetrieb ausgebrochen, sondern mit einer Flächenfräse plangenau
abgetragen. Dieser Surface-Miner erlaubt es, bei Gesteinshärten bis rund 100 MPa eine fast vollkommen
ebene Ausbruchsfläche mechanisch abzutragen, die kein
Überprofil aufweist und somit keine Nacharbeiten durch
© 2003 · PORR-GRAFIKDIENST · P1203A06
äußerst wasserempfindlichen schluffig-tonigen, stark
zerscherten Material, war bereits in der Planung ein Vortrieb mittels Rohrschirm vorgesehen.
Zur Ausführung gelangte ein Rohrschirm nach dem ATHüllrohrsystem von Alwag-Techmo. Der Rohrschirm
besteht aus 29 bis 31 Stahlrohren mit 114 mm Außendurchmesser bei 6,30 mm Wanddicke. Die Rohre wurden mit einer leichten Steigung von 2,5° außerhalb des
Ausbruchrands der Kalotte im Abstand von 40–50 cm
eingebohrt. Die Länge der Rohre betrug 15 m. Nach
dem Verpressen der Rohre mit Zementsuspension wurden im Schutze des Rohrschirmes 12 m Kalotte mit Abschlagslängen von je 1 m ausgebrochen und gesichert.
Der Stützmittelausbau wurde unter dem Rohrschirm mit
30 cm Spritzbeton, zwei Lagen Baustahlgitter AQ 60,
fünf IBO-Brustankern à 15 m Länge sowie einer Systemankerung aus 6- und 8-m-IBO-Ankern eingebaut.
Der Ausbruch konnte mit dem Tunnelbagger vorgenom-
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FOTO: PORR-ARCHIV
Einbau des Rohrschirmes im Birgltunnel
AQ 50, Tunnelgitterbögen PS 95/20/30 und eine Systemankerung aus SN-Ankern von 4 bis 6 m Länge oder
4 m lange Superswellexanker zum Einbau.
In der Strecke bis Tunnelmeter 510 wurde parallel zum
Kalottenvortrieb die Strosse halbseitig mitgezogen. Ab
Tunnelmeter 510 bis zum Durchschlag bei Tunnelmeter
948 wurde nur die Kalotte vorgetrieben. Der Grund dafür lag darin, dass die restliche Ausbruchsmenge aus der
Strosse in der Deponie Untersberg einzubauen war. Es
wurde folglich nach Durchschlag der restliche Strossenausbruch von Ost nach West vorgetrieben. Der Durchschlag der Kalotte konnte am 12. April 2003 gefeiert
werden.
Die Vortriebsstrecke ab Ende der Tauernnordrandstörung bis zum Durchschlagspunkt beim Ostportal zeichnete sich weitgehend als trocken aus. Lediglich an singulären Scherflächen und Kluftkörpern war leicht rinnender punktueller Wasserzudrang zu beobachten.
Auch im Birgltunnel war bis auf den Abschnitt in der
Tauernnordrandstörung in der Sohle eine ebene Sohlplatte vorgesehen. Der Ausbruch für die Sohlplatte erfolgte
in der gleichen Weise wie im Kenlachtunnel mit einer
Flächenfräse, hier mit einem Surface Miner Parker 20 T
700. Dieses Gerät hat ein Arbeitsgewicht von 45 Tonnen
FOTO: PORR-ARCHIV
men werden, wobei das Öffnen der Ortsbrust in drei bis
fünf Teilflächen mit 10 cm Ortsbrustspritzbeton und
Baustahlgitter AQ 30 erfolgte. Als Sicherung der Kalottensohle wurden ebenfalls 30 cm Spritzbeton und zwei
Lagen Baustahlgitter AQ 60 eingebaut. Der Anschluss
des Sohlspritzbetons an den Kalottenspritzbeton erfolgte
mit einer Fußverbreiterung und einer Anschlussbewehrung, die im Fuß des Kalottenspritzbetons hinter einer
Holzabschalung eingespritzt wurde. Insgesamt wurden
sechs Rohrschirme à 15 m eingebaut.
Am Übergang der Tauernnordrandstörung in den kompakten Fels der Kalkschiefer konnte der Vortrieb mit
Rohrschirmeinbau beendet und auf einen KalottenSprengvortrieb übergegangen werden. Der Vortrieb in
dieser Übergangszone erfolgte im Schutze einer Rohrspießsicherung mit 3 m Länge.
In der Strecke unter dem Rohrschirm bis in den kompakten Fels bei Tunnelmeter 125 wurde anschließend die
Strosse mit Sohlgewölbe nachgezogen, sodass die Verformungen der Spritzbetonaußenschale rasch zum Stillstand kamen.
Das Bergwasser in der Tauernnordrandsstörung war im
Gesamten gesehen von geringem Einfluss auf die Vortriebsarbeiten. Da die tonig-schluffigen Materialeigenschaften kein Wasser durchlassen und als Wasserstauer
anzusehen sind, war ein Wasserzudrang nur an den
Kluft- und Harnischflächen im Übergangsbereich zu
den Kalkschiefern und Kalkphylliten am Rande der Störungszone zu verzeichnen. Die Bergwasserverhältnisse
beim Auffahren lagen hier zwischen tropfend und leicht
rinnend mit max. 0,3 l/s und zeigten eine rasch abnehmende Tendenz. Zeitgleich dazu war die in kurzer Entfernung zur Tunneltrasse liegende Trinkwasserquelle des
Gehöftes Birglbauer innerhalb kürzester Zeit trockengefallen. Durch eine vorausschauend bereits errichtete Ersatzwasserquelle war aber kein akutes Problem gegeben.
Der weitere Vortrieb verlief im kompakten und teils verfalteten oder bereichsweise zerscherten Kalkschiefer/
Kalkphyllit mit Abschlagslängen von 1,30 bis 2,20 m.
Als Sicherungs- und Stützmittel kamen in der Regel 15
bis 20 cm Spritzbeton, ein bis zwei Lagen Baustahlgitter
Laden der Ortsbrust
Sohlefräse im Birgltunnel
25
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FOTO: PORR-ARCHIV
und eine Leistung von 750 PS. Mittels eines Ladebandes
kann das gewonnene Fräsmaterial direkt auf den LKW
verladen werden. Die Arbeitsbreite beträgt 200 cm, die
maximale Frästiefe 30 cm. Die Abtragsarbeiten verliefen
sehr gut, im Mittel konnten täglich 250 m3 Felsmaterial
abgetragen und wegtransportiert werden.
Grabenfräse im Birgltunnel
Genauso wie der Graben für die Sohldrainage im Kenlachtunnel wurde auch im Birgltunnel mit einer Grabenfräse eine Künette gefräst. Das hier eingesetzte Gerät,
Tesmec TRS 950 SLO mit einem Einsatzgewicht von 27
Tonnen, hat eine Leistung von 260 PS. Täglich wurden
im Mittel 45 m Graben gefräst. Die Arbeiten verliefen
aber schleppend, da offensichtlich an der Grenze der
Leistungsfähigkeit gearbeitet wurde und das Gerät häufig mit Defekten ausfiel.
Zeit-Weg-Diagrammen, in querschnittsbezogenen Darstellungen und in längsorientierten Darstellungen. Die
nicht messbaren Verschiebungskomponenten (Vorverschiebungen) wurden mit dem Programm GeoFit (©3G
Gruppe Geotechnik Graz ZT GmbH) ermittelt und in
den Darstellungen berücksichtigt.
Auf Basis der Verschiebungsmessungen kann einerseits
eine Kurzzeitprognose des Gebirgsverhaltens erstellt
und andererseits das Systemverhalten (in diesem Fall
das Verschiebungsverhalten der Tunnellaibung) prognostiziert werden. Wichtigste Werkzeuge für diese Prognosen sind das jeweils aktualisierte geologische Modell
und das Prognoseprogramm GeoFit©. Eine laufende Beobachtung des Systemverhaltens durch Messung der
Verschiebungen und der permanente Vergleich mit der
Prognose gibt Aufschluss über die Stabilität des Tunnelbauwerkes und daher über die Effizienz der eingesetzten
Stützmittel und der angewandten Ausbruchsmethode.
Alternative Verschiebungsmessungen
Die Tauernnordrandstörung wurde im Schutz eines
Rohrschirmes durchörtert. In diesem geotechnisch äußerst anspruchsvollen Bereich waren die Vorverschiebungen von großem Interesse, um vorauseilende Auflockerungen zu minimieren und das Ausbruchsverhalten
somit nicht negativ zu beeinflussen. Im Zug eines Forschungsprojektes der Technischen Universität Graz, Institut für Felsmechanik und Tunnelbau, in Zusammenarbeit mit der Firma Alwag und mit Unterstützung des
Bauherrn, der ausführenden Arbeitsgemeinschaft und
DIE GEOTECHNIK BEIM AUFFAHREN
DES BIRGL- UND DES KENLACHTUNNELS
Die neue „Richtlinie für die geomechanische Planung
von Untertagebauarbeiten mit zyklischem Vortrieb“ der
Österreichischen Gesellschaft für Geomechanik sieht eine laufende Prognose und Kontrolle des Systemverhaltens zwischen Gebirge und gewählten Baumaßnahmen
zur Bestimmung der Standsicherheit des Tunnelbauwerkes vor.
Im Zuge des Auffahrens des Birgl- und des Kenlachtunnels wurden mehrere Methoden der Prognose und der
Kontrolle des Systemverhaltens durch Messung angewendet. Neben den „üblichen“ optischen 3D-Verschiebungsmessungen kamen auch alternative Verschiebungsmessungen und geophysikalische Methoden zum
Einsatz:
Die Abbildung zeigt einen Längenschnitt
durch den Rohrschirm sowie die aus den Winkelverdrehungen der
Ketteninklinometer errechneten Verschiebungen für verschiedene
Vortriebszustände (Positionen der Ortsbrust)
Optische 3D-Verschiebungsmessungen
Mittels optischer Verschiebungsmessungen werden die
Verschiebungen der Spritzbetonlaibung zur absoluten
Raumlage (dreidimensional) gemessen. Die Nullmessung erfolgt üblicherweise 1 bis 2 m hinter der Ortsbrust
oder 3 bis 6 Stunden nach dem entsprechenden Abschlag. Die Auswertung der Verschiebungen erfolgte in
des Ingenieurbüros wurden in mehrere Rohrschirme
Ketteninklinometer eingebaut, die es ermöglichten, die
Verformungen und Verschiebungen des Gebirges mehrere Zehnermeter vor und nach der Ortsbrust „online“ und
in Echtzeit vom Büro aus zu messen. Ziel des Forschungsprojektes ist es, Bemessungsregeln für die Dimensionierung von Rohrschirmen zu erstellen.
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Die Abbildung zeigt die Prognose des Systemverhaltens für einen Messquerschnitt in der Tauernnordrandstörung.
Die blaue strichlierte Linie zeigt den Verschiebungspfad für die Firste zufolge Kalottenvortrieb ohne temporäres Kalottensohlgewölbe.
Die grüne Linie zeigt den Verschiebungspfad der Kalotte bei Einbau eines Kalottensohlgewölbes. Die rote Linie zeigt die Verschiebungen
zufolge Strossen- und Sohlvortrieb. Als schwarze Linie mit Kreissymbolen sind die tatsächlich gemessenen Verschiebungen eingetragen.
Ein wichtiges „Nebenprodukt“ für die Prognose des Systemverhaltens war die Möglichkeit, erstmals vorauseilende Verschiebungen zu messen und damit die Rechenmodelle der Auswerteprogramme (Tunnelmonitor, GeoFit, Dedalos, etc.) zu überprüfen und zu kalibrieren.
Geophysikalische Methoden
Im Zuge des Ausbruchs des Birgl- und des Kenlachtunnels wurden alle etwa 100 m reflexionsseismische Messungen vom Ortsbrustbereich aus durchgeführt. Diese
tomographische Methode dient der Vorauserkundung
des aufzufahrenden Gebirges in geotechnisch relevanter
Hinsicht. Durch die räumliche Anordnung der seismischen Quellen (Erreger) und der Messaufnehmer (Geophone) können Reflektoren (z.B.: Störungszonen oder
Gebirgsartgrenzen) und Homogenbereiche in ihrer Lage, Ausdehnung und Orientierung sowohl vor der Ortsbrust als auch seitlich sowie oberhalb und unterhalb des
Tunnels erfasst werden. Als seismische Quellen dienen
Schläge mit einem Vorschlaghammer auf die Ortsbrust
oder die Tunnellaibung und Sprengungen mit schwacher
Ladung oder nur mit Zündern in Bohrlöchern im Bereich der Ortsbrust. Um verbesserte geometrische Infor-
mationen über die zu erkundenden geologischen Strukturen zu erhalten, werden jeweils zwei Messungen ausgeführt. Das heißt, nach der ersten Messung wird einige
Meter weiter vorgetrieben und eine weitere Messung
durchgeführt, wobei die Geophone immer an der gleichen Position angeordnet sind. Durch diese Vorgangsweise werden mögliche Reflektoren von zwei unterschiedlichen Ortsbruststationen aus abgetastet und sind
somit in ihrer Lage und Orientierung genauer erfassbar.
Legende
Tunnel, aufgefahren
Tunnel, projektiert
Die Abbildung zeigt exemplarisch die Auswertung
und Interpretation einer seismischen Messung in der
Tauernnordrandstörung.
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Die computergestützte Auswertung und die geophysikalische Interpretation der Messdaten erfolgt mit einer eigens für diese Anwendung programmierten Software,
die von der Abteilung Geophysik der Zentralanstalt für
Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien in Zusammenarbeit mit 3G Gruppe Geotechnik Graz ZT
GmbH erstellt wurde. Mit dieser Methode kann das geologische Modell prognostiziert und somit das Risiko
„unvorhersehbarer Ereignisse“ reduziert werden.
ZUSAMMENFASSUNG DER MESSUNGEN
UND BEOBACHTUNGEN
Im Kenlachtunnel lagen die Verschiebungswerte im Bereich von wenigen Zentimetern. Maßgeblich verantwortlich für diese geringen Beträge waren einerseits die geringe Überlagerung und andererseits günstige geologische Verhältnisse.
Beim Birgltunnel konnten die Maxima der Verschiebungen im Bereich der Tauernnordrandstörung beobachtet
werden. Insbesondere auf den ersten fünfzig Metern des
Vortriebs wurden die Verschiebungen zufolge Ausbruch
durch ein signifikant ausgeprägtes „Hangkriechen“
überlagert. Diese Kriecherscheinungen klangen erst mit
dem Einbau des temporären Kalottensohlgewölbes und
des endgültig vertieften Sohlgewölbes ab. Die maximalen Setzungen betrugen ca. 140 mm, die Querverschiebungen ca. 65 mm. In Längsrichtung konnten Verschiebungen von ca. 80 mm entgegen der Vortriebsrichtung
gemessen werden. In diesem Zusammenhang erscheint
auch interessant, dass die an Druckmessdosen gemessenen Ankerkräfte der Freispielanker im Bereich des
Westportals anfangs rasch anstiegen und im Zug des
Strossenvortriebs wieder absanken. Dies wird darauf zurückgeführt, dass durch den Vortrieb eine hohlraumnahe
Auflockerung stattgefunden hat und diese den ebenfalls
hohlraumnahe situierten Verpresskörpern der Freispielanker einen bestimmten „Schlupf“ in Kraftrichtung
erlaubte, wodurch die Spannungen im Ankerzugglied
sanken.
DIE VERMESSUNGSARBEITEN
Die Vortriebsvermessung
Für die Vortriebssteuerung wurde die Firma Geodata beauftragt. Der eingesetzte Motorlaser – System TALOS –,
ein mit einem Laserokular ausgerüsteter, motorisierter
Theodolit, ist seit einigen Jahren fast Standard im Tunnelbau. Es kann damit eine beliebige Anzahl vordefinierter Punkte in einem frei wählbaren Zeitintervall PCgesteuert nacheinander an die Tunnelortsbrust projiziert
werden. Dies erlaubt Flexibilität beim Stellen der Bögen
oder Anzeichnen von Bohrpunkten zur raschen Herstellung des Ausbruchprofils.
Die Profilkontrolle
Mit dem Tunnelscanner der Firma Geodata wurde die
Profilkontrolle des Sicherungsspritzbetons nach Fertigstellung des Vortriebs kontrolliert und dokumentiert.
Damit kann effizient und lückenlos die Oberfläche des
Spritzbetons auf Zentimetergenauigkeit angegeben werden. Es ist sowohl eine flächenhafte als auch eine Darstellung in Profilen der Oberfläche des Spritzbetons
möglich. Mit dieser Technik ist es möglich, Unterprofile
auf einfachem Weg zu erkennen ohne einen Profilwagen
einzusetzen und nur die in der Dokumentation dargestellten Punkte zielgenau zu bearbeiten.
DER BETONAUSBAU
Auf der Baustelle wurde keine Betonmischanlage für
die Herstellung des Auskleidungsbetons aufgebaut, da
in einer Entfernung von zirka 7 km zwei leistungsstarke
Transportbetonmischanlagen vorhanden sind.
Der Sohlaufbau
Der Kenlachtunnel erhält als Gleisbettung einen Schotteroberbau. Im Birgltunnel ist der Einbau einer Festen
Fahrbahn vorgesehen.
Unterhalb des Gleiskörpers liegt in beiden Tunnel eine
30 cm dicke, bewehrte Sohlplatte, die in den Auflagerbereichen auf 60 cm vergrößert ist. In den Strecken mit
Sohlgewölbe ist unter der Sohlplatte das Sohlgewölbe
mit Beton verfüllt. Die Sohlplatte ist in Blocklängen von
12 m unterteilt. Der Betoneinbau erfolgte mit einer
Autobetonpumpe mit Verteilermast, die Betonoberfläche
wurde mit einer 11 m breiten Rüttelbohle verdichtet und
geglättet. Die schienenfahrbare Rüttelbohle fährt auf
seitlich gelagerten 13 m langen Trägern, welche zugleich die Abschalung für die Ulmendrainage bilden.
Pro Arbeitstag wurde eine Sohlplatte betoniert.
Tunnelentwässerung
Der gesamte Kenlachtunnel wird vom West- zum Ostportal entwässert. In Tunnelmitte ist eine Sohldrainage
DN 250 eingebaut. Im selben Graben liegt unterhalb ein
PVC Rohr DN 400, das die anfallenden Oberflächenwässer aus dem Portalbereich im Westen durch den Tunnel zur Vorflut im Osten, dem Mursangergraben, leitet.
Unter der Sohlplatte dient eine 25 cm dicke Filterschicht
aus Hartgesteinssplitt zur Sohlentwässerung. Zur
Sammlung und Ableitung der zusickernden Bergwässer
sind die seitlichen Ulmendrainagen DN 250 vorgesehen.
Auch die Ulmendrainagen sind mit einem Filterpaket
aus Hartgesteinssplitt umhüllt.
Der Birgltunnel wird in gleicher Weise zum Ostportal
entwässert, es gibt aber keine Durchleitung von Oberflächenwässern und die Sohldrainage liegt seitlich unter
dem südlichen Randweg.
DIE TUNNELABDICHTUNG
Die Tunnelabdichtung in der Ausführung einer sogenannten Regenschirmabdichtung ist bis zu den Ulmendrainagen geführt. Das gesamte Abdichtungssystem besteht aus Abdichtungsträger, dem Schutzvlies mit Drainagewirkung und einer 2 mm dicken Abdichtungsfolie.
Der Abdichtungsträger ist eine 3 bis 5 cm dicke Spritzbetonschicht mit relativ ebener und weniger rauen Ober-
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fläche als der Sicherungsspritzbeton. Das 700 g schwere
Schutzvlies hat eine Dicke von etwa 5 mm. Die Abdichtung besteht aus 2 m breiten Kunststoffdichtungsbahnen aus Weich-PVC, die mit einer geprüften Doppelschweißnaht verbunden sind.
Trog für die Löschwasserleitung eingelassen. Die Randwege mit den Trogaussparungen sind in Gleitbauweise
hergestellt. Der Kabeltrog und der Löschwassertrog sind
mit 12 cm dicken Abdeckplatten zugedeckelt. Diese
Deckel sind für die Befahrbarkeit mit 25-Tonnen-LKW
bemessen.
Der Gewölbebeton Unter Tag
Die Betoninnenschale Unter Tag ist in der Regel 25 cm
dick. Die normale Länge eines Betonblockes ist 12 m.
Im Bereich der Tauernnordrandstörung sowie in Portalnähe wurde der Gewölbebeton mit einer Dicke von 40
cm ausgeführt. Nur drei Blöcke beim Westportal Birgltunnel in der Tauernnordrandstörung sind mit bewehrter
Innenschale ausgeführt, alle übrigen Gewölbeblöcke
sind unbewehrt. Die jeweils ersten Blöcke der bergmännisch hergestellten Abschnitte Birgl-Ostportal und Kenlach-Ost- und -Westportal sind mit einer Stahlfaserbewehrung verstärkt. Als Schalung wurde ein gleisfahrbarer Schalwagen mit einer 10 mm dicken Stahlhaut verwendet. Der Schalwagen besteht aus einem Unterwagen,
der die Schalungskonstruktion trägt. Die Schalung ist
selbsttragend ausgeführt und hat Betonierstutzen zur
Betoneinbringung und seitlich zwei Reihen Betonierfenster. In der Firste sind nur Betonierstutzen angeordnet.
Der Beton wird über eine Autobetonpumpe mit Verteilermast eingepumpt.
FOTO: PORR-ARCHV
FOTO: PORR-ARCHV
DIE PORTALBLÖCKE UND DIE OFFENE BAUWEISE
Die Gewölbeblöcke der offenen Bauweise und die Portalblöcke wurden mit dem selben Schalwagen wie bei
der Innenschale unter Tag betoniert. Die Gewölbeblöcke
der offenen Bauweise sind bewehrt. Bei der Betonierung
ist erdseitig eine Konterschalung eingesetzt. Diese Schalung ist aus Rahmenelementen einer Wandschalung zusammengesetzt. Zur Erzielung der Bogenform sind zwischen den Rahmenelementen keilförmige Profilhölzer
eingelegt. Auf jeder Seite sind dafür fünf Elemente à
2,50 m Länge und 8,50 m Höhe vorgesehen. Die Betonierung erfolgte mit der auch unter Tag eingesetzten
Autobetonpumpe mit Verteilermast.
Schalung für offene Bauweise
Betonausbau mit Schalwagen
Jeweils im Abstand von 48 m ist eine Rettungsnische
auf beiden Tunnelseiten situiert. Einige Nischen wurden
für technische Zwecke, wie Fernmeldeeinrichtungen
oder Signalausrüstung, größer ausgeführt. Die Nischen
werden grundsätzlich mit den Gewölbeblöcken mitbetoniert. Alle Nischen sind zugleich mit Putzschächten für
die Ulmendrainagen ausgerüstet. Im Birgltunnel befinden sich in den nordseitigen Nischen auch die Putzschächte für die Sohldrainage, zusätzlich ist in jeder
zweiten Nische an beiden Tunnelseiten ein Hydrant an
die Löschwasserleitung angeschlossen.
An beiden Tunnelseiten liegen Randwege als Fluchtmöglichkeit zu den Rettungsnischen oder zum Rettungsstollen. Im Boden der Randwege ist ein Kabeltrog integriert, im Birgltunnel ist am Nordulm zusätzlich ein
ZUSAMMENFASSUNG DER TUNNELBAUARBEITEN
Mit der Betonierung des letzten Gewölbeblockes in der
offenen Bauweise beim Birgl-Ostportal Anfang Dezember 2003 und dem Einbau der Randwege mit den Kabeltrögen sind die wesentlichen Tunnelbauarbeiten im Rohbau fertiggestellt.
Die anschließenden Einbauarbeiten für die Tragschichten in der freien Strecke, die Gleisumlegungsphasen mit
Inbetriebnahme der Neubaustrecke sowie die Stilllegung
und der Abbau des alten Gleises erfolgen noch im Rahmen des Auftrags der Arbeitsgemeinschaft und dauern
bis in das Jahr 2005. Der parallel dazu stattfindende
Einbau der Gleisfahrbahn und die Montage der elektrotechnischen Ausrüstung sind nicht Bestandteile des Auftrags.
Bei einem weiteren plangemäßen Baufortschritt wie bisher steht dem Gesamtfertigstellungstermin im Oktober
2005 nichts im Wege und ein neuer wesentlicher Schritt
in der Umbauphase der Tauernbahn auf durchgehenden
zweigleisigen Betrieb ist getan.
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FOTO: PORR-ARCHIV
FOTO: PORR-ARCHIV
Durchschlag beim Kenlach Westportal im Schutze eines Rohrschirms
Einbau eines Rohrschirms für den Portalanschlag beim Birgltunnel Westportal
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