Circoviren! Ein verändertes Krankheitsbild und warum es sich lohnt zu impfen. Frank Schreiber; Dr. med. vet. FVH, Leiter Veterinärabteilung Vital AG Während meiner nun bald 20-jährigen Täder Krankheit, sondern verständlicherweise z. tigkeit bei der Vital AG habe ich selten eine Bsp. seinem Futterlieferant die Schuld für die Krankheit erlebt, die in ihrer Vielfalt und Probleme zuschiebt. unterschiedlich starken Verlaufsform BeIm Zuchtbetrieb kommt es vermehrt zu normal triebe wirtschaftlich so stark traf, wie die entwickelten totgeborenen Ferkel. Aborte, Circoviruskrankheit. Mumien und Umrauschen können aber auch vorkommen. Häufig sind Tierhalter und Fütterungsberater Die Verschiebung des Krankheitsbildes, wie damit überfordert und auch für den Tierarzt soeben beschrieben, hat auffälligerweise stellt sie eine grosse Herausforderung dar. ebenfalls in den grossen schweinereichen Dabei hat sich das Krankheitsbild in den letzStaaten Europas stattgefunden. Man hat dort ten Jahren zum Teil stark verändert. die Krankheit auch umgetauft von ursprünglich Circovirus Syndrom auf neu Circovirus Krankheit (PMWS, neu Porcines Circovirous Unterschiedliche Anzeichen und hohe AbDisease PCVD). gänge … Die ersten Fälle ab Mitte 2004 waren geprägt durch das Bild des Kümmerns (PMWS = Porcine Multisystemic Wasting Syndrom). Dabei zeigten die meisten Tiere stark geschwollene Lymphknoten, zwei Drittel der Tiere zeigten chronisch therapieresistenten Durchfall und rund die Hälfte zeigten die typischen Anzeichen einer Atemwegskrankheit mit Husten und „Pumpen“, im schlimmsten Fall sogar Atemnot. Abgangsraten von 50 und mehr Prozent waren bei solch kranken Tiere an der Tagesordnung. Ich habe aber einige Fälle erlebt, bei denen schöne Ferkel nach dem Absetzen plötzlich sehr heftig Durchfall bekamen. Die Farbe war meistens intensiv ocraAbb. 1 gelb (Gallenflüssigkeit) und die Tiere magerten innerhalb von wenigen Tagen stark ab Was machen Circoviren mit dem Abwehrund starben innert kürzester Zeit; auch sprasystem ? chen sie auf keine der gängigen Therapien Das spezifische Abwehrsystem des Schweian. nes ist - wie bei allen Säugetieren - äusserst komplex und fein abgestimmt. Dabei spielen ... bis zu schlechten Leistungen zwei spezielle weisse Blutzellen eine besonSeit Beginn 2007 hat sich das Bild der Krankders wichtige Rolle. Man nennt sie dendritiheit gewandelt. Der Verlauf ist unauffälliger sche Zellen. Sie sind die Schaltstellen für eine geworden und wird häufig nicht richtig erschlagkräftige Krankheitsabwehr. kannt. Typische Bilder in der Mast sind vorüDie sternförmigen, klassischen, dendritischen bergehende Phasen mit schlechter FutteraufZellen sitzen an der Peripherie des Körpers nahme und „Kümmerer, die ums Verderben (Haut, Schleimhäute des Darmes oder der nicht sterben wollen“. Neben den schlechteBronchien), wo sie die Krankheitserreger abren Mastleistungen treten andere Probleme fangen und über verschiedene Mechanismen wie vermehrte Anfälligkeit für andere Krankdie Immunabwehr in Gang bringen (siehe heiten (z. Bsp. HPS, Lawsonien, Influenza) Abb. 1). und schlechte oder unzureichende Reaktion Eine weitere Zelle, die plasmazytoide, dendriauf Impfungen auf. Im Maststall ist diese Form tische Zelle bildet eine Substanz, die in der vor allem problematisch, weil der Mäster nicht Lage ist, Viren zu zerstören. Diese Substanz -3- Es erklärt aber auch, warum bei gleichzeitiger Circovirusinfektion die Tiere ganz allgemein schlecht auf sämtliche Impfungen reagieren. Impft man beispielsweise PCV2 (porcines Circovirus Typ 2) kranke Tiere gegen Lawsonien, so kommt es nur zu einem nicht ausreichenden Schutz gegen den Erreger der Lawsonien. heisst Interferon. Interferone werden durch den Kontakt mit Viren im Körper produziert und stellen einen wichtigen Pfeiler in der Virusbekämpfung dar (siehe Abb. 2). Konsequenzen und Massnahmen Antibiotika sind gegen Circoviren wirkungslos. Mit verschiedenen Managementmassnahmen kann man die Auswirkungen der Krankheit zwar eindämmen (vergleich Vital Aktuell vom Mai 2007) aber nicht ausmerzen. Die wirksamste Massnahme, um die schweren wirtschaftlichen Schäden nachhaltig zu reduzieren, ist der Einsatz der seit kurzem auf dem Markt verfügbaren Circovirusimpfstoffe. Die Wahl des Impfstoffes und der Impfstrategie muss spezifisch auf den Betrieb abgestimmt werden. Erste Erfahrungen mit den verschiedenen Impfstoffen geben aber doch gewisse Hinweise für die zu wählende Strategie. So scheint der Ferkelimpfstoff Circoflex vor allem in der Mast recht gut zu funktionieren. Idealerweise sollte dieser Impfstoff möglichst früh (ab der zweiten Lebenswoche des Ferkels) verabreicht werden. Je später er appliziert wird, je grösser wird die Gefahr, dass Ferkel bereits an Circoviren erkrankt sind. Das Impfen kurz vor Einstallen in den Mastbetrieb sollte nur eine Übergangslösung darstellen. Hier ist es empfehlenswert, die Tiere nach der Impfung mit einer Einstallmedizinierung zu schützen (Metaphylaxe). Für all die Betriebe, die bereits bei Saugferkeln Hinweise haben für Circoviren, ist der Muttersauenimpfstoff Circovac eine interessante Option. Diese Lösung könnte auch für den geschlossenen Zucht-/ Mastbetrieb zu guten Resultaten führen. Was hingegen gefährlich ist und zu falschen Erwartungen führen kann, ist die Impfung so zu planen, um grosse Fruchtbarkeitsprobleme auszumerzen. Abb. 2 Bei allen bisherigen bedeutenden Viruserkrankungen des Schweines wie z. B. Influenza oder Schweinepest löst der direkte Kontakt mit Virusmaterial die Bildung von Interferon aus. Bei Circoviren spielt dieser Mechanismus nicht (siehe Abb. 3). Circoviren sind sogar in der Lage die Interferonbildung zu hemmen. Gleichzeitig sind sie im Stand, sich in den klassischen, dendritischen Zellen zu verstecken, ohne dass diese die Immunantwort in Gang setzen können. Dies erklärt, warum eine Infektion mit Circoviren, sobald sie aktiv wird, immer zu einer negativen Beeinflussung des Immunsystems führt und somit das Angehen anderer Krankheiten fördert. Die folgende Tabelle gibt eine kurze Übersicht über die wichtigsten Eigenschaften und Wirkungsmechanismen, der im Markt verfügbaren Impfstoffe. Abb. 3 -4- Prinzip der Impfung gegen Circoviren Impfung der Muttersau mit Circovac® Impfung der Ferkel mit Ingelvac Circoflex® • Schutz des neugeborenen Ferkels • AK-Übertragung auf die Ferkel übers Kolostrum (indirekt) und in die Darmlymphknoten und das Blut (direkt) • Aktiver Immunitätsaufbau beim Ferkel ab zweiter Lebenswoche Impfschutz zwei Wochen nach Impfung während mindestens 17 Wochen (Schutz der Mast) Obwohl mit beiden Impfungen in der Schweiz noch nicht allzu lange gearbeitet wird, sind die Erfahrungen meist positiv. Auf Grund des heutigen Wissenstandes sind wir überzeugt, dass in Betrieben, welche von Circoviren befallen sind, die Impfung der richtige Weg aus der Sackgasse ist. Man muss sich aber stets bewusst sein, dass Impfen ohne Managementkorrekturen die Wirkung und den Nutzen in Frage stellen und zu grossen Enttäuschungen führen können. -5-