Gedächtnis im Alter - - lebensstilaenderung.de

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Gedächtnis im Alter -
Möglichkeiten und Grenzen
Alter, Gesundheit & aktiver Lebensstil
29. Oktober 2007
Marcel Proust 1922 übers Erinnern
(Sodom und Gomorra,1955, S. 241- 242, Frankfurt: Suhrkamp)
„Denn mit Störungen des Gedächtnisses ist eine Intermittenz [Unterbrechung], ein Versagen auch des Herzens verbunden... Zweifellos verleitet
uns die Existenz unseres Körpers...zu der Vermutung, daß alle Güter
unseres Innern...sich in unserm Besitz befinden.
Auf alle Fälle, wenn sie uns bleiben, so die meiste Zeit in einem unbekannten Bereich, in dem sie ohne Nutzen für uns sind...
Aber wenn wir des Rahmens der Empfindungen, in dem sie aufbewahrt
sind, wieder habhaft werden, so haben diese ihrerseits ganz die Macht,
alles abzustoßen, was unvereinbar mit ihnen ist, und allein in uns das
Ich wiederherzustellen, das sie einstmals erlebte.“
Erinnerungshilfe durch kontextuelle Hinweisreize
Die sieben Schwächen des Gedächtnisses
n. D.L. Schacter (2000). The seven sins..(S. 119- 137)
(1) Flüchtigkeit, weil sich verfügbare Information mit der Zeit
verändert
(2) Unaufmerksamkeit und geistiges Abdriften
(3) Blockade beim Erinnern: es liegt mir auf der Zunge, will
aber nicht zum Begriff werden
(4) falsche Zuordnung von Zeit, Ort und/ oder Person
(5) Suggestibilität und Beeinflussbarkeit durch imponierende
oder wichtige Persönlichkeiten
(6) Verfälschung des Erinnerns durch Überzeugungen,
Glaubenssätze oder herrschende Meinungen
(7) Perseverationen von Gedanken, Melodien und Vorstellungen oder Unfähigkeit, etwas vergessen zu können
Hirnstrukturen des KZG und des LZG
(Pinel, Biopsychologie, 1997, S. 392)
Linkshemissphärische
Zellennetze
enthalten
Welt- und
Allgemeinwissen
rechtshemissphärische
Netze bergen
die biographische,
affektive
Information
Drei Gedächtnissysteme mit
mehreren Abteilungen
Frontalhirn:
Exekutivinstanz
(1) Ultrakurzzeitsystem:
50 msec. – 1 sec.
Präzenzzeit
1
2
3
(2) KZG:
1 bis 20 Sek.
Präsenzzeit:
akustische,
visuelle
Reize
Aufgaben des
Kurzzeitgedächtnisses
Enkodierung der eingehenden Information mit
•Enkodierung
allen Strategien der Wahrnehmung, des
Lernens
• Abspeicherung in Zwischen- und Langzeitspeicher (Konsolidierung) oder Verdrängung
•Abrufen
Abrufen von expliziter oder prozeduraler
Information aus den Langzeitspeichern
Knochen verlieren
ab 30 Jahren
Mineralien
Bandscheiben
verschleißen
Muskulatur verliert
an Spannung und
Dichte
Krampfadern in beiden
Beinen (Venen)
sowie „Verkalkung“ aller
Arterien
Verlangsamung der
Informationsverarbeitung
Die großen
Gelenke
verschleissen
einige
SchwachSchwachstellen
des
alternden
OrganisOrganismus
Die Gehirnentwicklung
Pränatal und postnatal
Hirngewicht
in Gr.
1400
1200
1000
800
600
männlich
weiblich
400
Geburt
3
10
40
Alter in Jahren
70
90
Seattle-Langzeit-Studie 1956 – 1991:
Intelligenzleistungen bei Erwachsenen
Langzeitstudie
über die
intellektuelle
Entwicklung von
Erwachsenen
mit über 5000
Pbn in einem
Zeitraum von 35
Jahren
(K.W. Schaie, Amer.
Psychologist, 1994,
49, S. 308, Abb. 6)
IQ
115
100
85
70
81
88
Kann man
intellektuelle Verluste
ausgleichen?
Pbn mit Einbußen bei einem bis zu fünf
Intelligenz-Faktoren im Lebenslauf
74
81
88
K.W. Schaie, Gerontologist, 1989, 29, S. 484- 493, Abb. 4
Kognitives Training kompensiert bei 417 Pbn
den kognitiven Altersabbau
(Schaie, American Psychologist, 1994, 49, 304- 313)
• Alle 417 Pbn waren älter als 63 Jahre
und hatten seit 14 Jahren stetige
Leistungseinbußen.
• Training des induktiven Denkens
(Reasoning) und der Raumorientierung (Spatial Orientation) in fünf
einstündigen Sitzungen.
• Türkis: Training 1983/ 84
• Orange: Training 1990/ 91
• Trainingseffekte: Gewinn an T-Werten im Nachtest im Vergleich zum
Eingangstest.
• T-Wertgewinne liegen zwischen zwei
und sechs Punkten oder zwischen
drei und neun IQ-Punktwerten.
Space
Training
Reasoning
Stufenmodell der Verlangsamung der
Informationsverarbeitung im Alter
• Im Alter schwächen sich im Großhirn allmählich die Kontakte
zwischen Zellen und Zellen-Clustern ab.
• Auf diese Weis verringert sich schrittweise die Schnelligkeit
der Informationsverarbeitung.
• Dadurch wird auch die Funktionsweise des Kurzzeitgedächtnisses (KZG) eingeschränkt.
• Der Verlust an Speicherkapazität im KZG wirkt sich negativ
auf die „Güte“ der logischen Schlussfolgerungen, der Raumorientierung und auf die Verfügbarkeit des faktischen
Gedächtnisses (Wissen) aus.
Kaskadenmodell
Wie kann man das
Gedächtnis
fit halten?
Verbesserung des Gedächtnisses durch
Strategien der mentalen Aktivierung
• Kodieren: Strategien der Selektion, Wahrnehmung, Konzentration
• Speichern: Sinngebung, Lerntechniken,
Mnemotechniken
• Abrufen: Hinweisreize, Assoziationen, Kontextreize
Labyrithaufgabe: visuell-räumliches
Gedächtnis, Aufmerksamkeit
B. Croisile
(Hrsg.) (2006):
Unser
Gedächtnis (S.
206).
Darmstadt:
Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
Turm von Hanoi: gefordert
werden KZG und LZG (kognitive Strategien)
B. Croisile
(Hrsg.) (2006):
Unser
Gedächtnis (S.
221). Darmstadt:
Wiss.
Buchgesellschaft.
7
Schritte
Aufbau der SimA-Studie
Alter: 75 - 93 Jahre
•
•
•
•
•
SimA wurde im Jahre 1991 als Längsschnittstudie mit 375
selbständigen Pbn in Erlangen und Nürnberg durchgeführt.
Ziel: Erhaltung und Förderung von Selbständigkeit durch
das Einüben bestimmter Kenntnisse und Strategien.
Es wurden sechs Gruppen gebildet. Alle haben sich selbst
einer Gruppe zugeordnet.
115 führten ein Kompetenz-, 57 ein Gedächtnis-, 32 ein
Motoriktraining durch; 32 andere wählten ein Gedächtnis &
Motoriktraining, 36 ein Kompetenz & Motoriktraining.
103 bildeten die Kontrollgruppe ohne Spezialprogramm.
Die Übungsprogramme
•
•
•
•
•
Das Gedächtnistraining umfasste schnelle Informationsverarbeitung durch vielseitige Konzentrations- und Aufmerksamkeitsübungen wie Labyrith-, Stroop- oder Turmvon-Hanoi-Tests etc.
Das Kompetenztraining bestand aus Informationen &
Diskussionen zur Ernährung, zum Wohnen, zum Umgang
mit Ämtern & Ärzten, zur Krankheitsbewältigung.
Das psychomotorische Training förderte die allgemeine
Koordination durch Gymnastik, Familytennis- und Yogaübungen – jedoch kein kreislaufaktivierender Sport.
Jedes Übungsprogramm bestand aus zwanzig Einheiten von je zwei
Stunden, insgesamt 40 Stunden im Jahre 1991.
Die Übungen fanden in Gruppen unter Leitung eines Trainers 1x pro
Woche statt. Pflicht: zu Hause 1x pro Woche alleine üben.
Wirkungen des Gedächtnis- und des kombinierten GedächtnisMotoriktrainings; Ausgangswerte 1991:
Effektstärkemaß „d“ (n. Oswald et al. 1998, ZfGP 11, S. 209)
d
Kognitiver Status überprüft mit verschiedenen
Intelligenz- und Konzentrationstests
„d“ als Differenz des Vorher-Nachher-Leistungsvergleichs
Gedächtnis&Motorikgruppe
Gedächtnisgruppe
Kontrollgruppe
1992
1993
1994
1995
1996
Funktionelle Magnetresonanztomographie
mit reagierender Versuchsperson (fMRT)
MRT wird auch als Kernspintomographie bezeichnet.
Auflösung bis 0,02 mm.
Gemessen wird der Helldunkel-Kontrast : je heller
desto dichter sind die Zellen
oder das Gewebe.
Siemens Allegra Magnetom 3-9 Tesla
NeuroNeuro-Neogenese im Occipitalhirn bei zwölf 22-jährigen Studenten.
Gedächtnis im Alter
-
Beidseitige Vergrößerung der grauen Substanz. Keine Veränderung bei
Kontrollgruppe (N=12). Gemessen wurde die Veränderung der relativen
Dichte (gelber Bereich) durch die voxelbasierte Morphometrie
Scan 1 = Start
Scan 2 = drei Monate später nach
intensivem Training
Scan 3 = sechs Monate später ohne Training
Draganski et al., 2004, Nature, 427, 311- 312
Folgerungen
• Der normale kognitive Abbau im höheren Alter ab 74 Jahren
wird durch diverse fordernde Aktivitäten wie Reisen, Berufstätigkeiten, Sport, ehrenamtliche Tätigkeiten etc. verzögert
oder manchmal annulliert.
• Sportliche Aktivitäten zur Steigerung der Ausdauer, der Kraft
und der Koordination fördern besonders die Schnelligkeit der
Informationsverarbeitung im KZG.
• Ein funktionierendes KZG ist die Basis für alle Gedächtnisleistungen.
• Das KZG kann durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsaufgaben geübt und verbessert werden.
• Die Prüfung des unmittelbaren Gedächtnisses ist ein Prüfstein für eine Demenzdiagnose.
Wildor Hollmann (1995)
Körperliche Aktivität und Gesundheit. Vortrag anlässlich des 80.
Jubiläums der Anna Herrmann Schule in Kerpen bei Köln.
„Die Kombination von gezielter
muskulärer Aktivität mit
geistigem Training sollte optimal
sein zur Vorbeugung von
vorzeitigen Leistungsverlusten
des Gehirns im Alternsprozess.“
Kulturelle Aktivitäten zur Stimulation
des LangLang- und Kurzzeitgedächtnisses
• Scrabble, Ratespiele, Stadt-Land-Fluß-Spiele, Kreuzworträtsel, Sudoku-Aufgaben,...
• Brettspiele: Schach, Backgammon, Mühle, Go,...
• Kartenspiele: Bridge, Skat, Doppelkopf, Canasta,...
• Gedichte lernen, selber „dichten“ oder schreiben,...
• Anspruchsvolle Bastelarbeiten, Reparaturarbeiten,...
• Aktiver Sport mit Übungen der Kraft, Schnellkraft,
Koordination, Jonglieren, Balance, Aqua Jogging, Nordic
Walking, Wandern (3-5 Stunden),...
Literatur
• B. Croisile (Hrsg.): Unser Gedächtnis – Erinnern und Vergessen.
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2006, € 29,90 für
Mitglieder der WBG (Verlagspreis: € 39,90); bester Übungsteil.
• K. Gose & G. Levi: Wo sind meine Schlüssel? – Gedächtnistraining in
der zweiten Lebenshälfte. Reinbeck: Rowohlt, 1994; neu: 2004, € 7,90;
bestes Preis-Leistungsverhältnis.
• H.J. Markowitsch: Dem Gedächtnis auf der Spur. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, 2002 (2.Aufl. 2005), wissenschaftlich
hervorragend.
• B.F. Skinner (1983): Intellectual self-management in old age. American
Psychologist, Band 38, S. 239- 244, amerikanisch pragmatisch top.
• W.D. Oswald: SimA-basic-Gedächtnistraining und Psychomotorik.
Göttingen: Hogrefe Verlag, 2005, € 19,95; als Ergänzung brauchbar.
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