Utz Maas Sprachbau des Deutschen (Vorlesung SS 01

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Utz Maas
Sprachbau des Deutschen
(Vorlesung SS 01)
- vorläufige Fassung -
[Es handelt sich hier um die Folien zur Vorlesung aus dem SS 01 (mit einigen Ergänzungen),
die in vielen Fällen ohne die nur mündlich gegebenen Erläuterungen sicher nur begrenzt
verständlich sind. Sie werden hier für die Nachbereitung der Teilnehmer der Veranstaltung
zugänglich gemacht. Eine systematischere Bearbeitung als Skript ist für später vorgesehen.
Osnabrück, September 2001
U.M.]
Plan der Vorlesung:
Block I: Grundbegriffe
Block II: Pragmatische Begriffe (Struktur der Äußerung)
Block III: Syntaktische Begriffe I: Einfachsatz (Proposition)
Block IV: Syntaktische Begriffe II: Ausbauformen des Satzes
Block V: Lexikon / Wortbildung
2
1. Vorlesung: Vorklärung
Mit der typologischen Themenstellung geht es um eine Dezentrierung des Blicks auf die
eigene Sprache – wie es manchmal auch formuliert worden ist:
Deutsch als exotische Sprache zu betrachten
Das ist eine ganz praktische Frage: Insofern eine LV nicht nur im MA sondern auch im LA,
grundlegend für Veranstaltungen im Feld Sprache und Migration (Deutsch und
Kontaktsprachen).
Entsprechende Fragestellungen fachlich in unterschiedlichen begrifflichen "Matrices":
- kognitive Sprachwissenschaft ( Generative Grammatik):
was ist in allen Sprchen notwendig ? (Universalien)
- deskriptive Sprachwissenschaft:
was ist in allen Sprachen möglich ? (Instrumentarium einer Metasprache)
Zum Terminus Sprachbau:
< lat. stru-o "bauen", vgl. Struktur und Konstruktion
Fachgeschichte: Georg von der Gabelentz (1840 – 1893)
Eine strukturelle Analyse steht gegegen eine normative:
Struktur: trad. Terminus Organismus
Beispiel:
russ. na stole le at urnali [
dt. auf dem / einem Stuhl liegen die / ∅ Bücher
]
Vergleich:
Normativ: keine Artikel im Russischen (also ist Russ. "exotisch")
Deskript.: mehrebige Beschreibung:
Funktion Φ
A. {Artikel}dt
B. Funktion Φdt
{Artikel}dt
Funktion Φruss
?
Problem der statischen Beschreibung:
F. de Saussure: Sprache ist ein System
Α. Sommerfeld (20er Jahre): Sprachen tendieren dazu, Systeme zu sein
-Vgl.
Das Auto von Hans ist kaputt (a)
Dem Hans sein Auto ist kaputt (b)
.... weil er es nie in die Werkstatt bringt (a)
.... weil er bringt es nie in die Werkstatt (b)
Gegenstand Sprachbau: Struktur des Deutchen
- Besonderheit des Deutschen unter den Sprchen der Welt – Folie dafür: Allgemeine
(universale?) Züge des Sprachbaus ( "Prinzipien und Parameter" – Modell)
3
-
Grenzwert der Sprachentwicklung, extrapolierbar aus der Art, wie der Sprchbau in der
Entwicklung umgemodelt wurde ("genetische" Betrachtung):
Deutsch
Germanisch (Englisch, Dänisch ...)
Indo-Europäisch (Russisch, Latein ....)
"Nostratisch" (Finnisch, Arabisch ...)
- Grenzwert in der Kontaktentwicklung:
±stabile Struktur in mehrsprachigen Verhältnissen
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2. Vorlesung: Grundbegriffe der sprachlichen Artikulation
1. Artikulation 2. Artikulation Sprachliche Form
Inhaltsseite
Ausdrucksseite
Interpretation/ Bedeutung
Phonologie (Schrift)
(1) ermöglicht Ausdruck von Inhalt
(2) beschränkt mögliche Inhalte
(A) Hans + geh: + nachhause
(B) Hans ging nachhause
(B) ist in der sprachlichen Form bestimmter / spezifizierter:
PRÄTERITUM (ging)
¬PRÄSENS (ging) & ¬FUTUR (ging)
PARADIGMA { PRÄTERITUM ∨ PRÄSENS ∨ FUTUR }
Formbestimmung: Morphologie
Ideales Baukastenmodell: Formelement ↔ Inhaltselement
Türkisch (Nominales Paradigma): NUMERUS → PLURAL {-ler)
KASUS → LOKATIV {- de)
ev- „Haus“ : ev+de „in (dem) Haus“, ev+ler „Häuser“, ev+ler-de „in (den) Häusern“
agglutinativer Sprachbau (lat. gluten „Leim“):
1. Artikulation: WORT M+ M + M+ M + M + .... (M = Morphem)
türk. tanı tırılamadıysanız „wenn du nicht vorgestellt werden konntest“
tanı- „kennenlern:“ + - - REZIPROK + -tır- KAUSATIV+ -ıl- PASSIV+-amaIMPOTENTIAL + -di- PRÄTERIT –ys- KONDITIONAL + -anız 2.PLURAL
2. Artikulation: WORT
S+ S + S+ S + S + .... (S = Silbe)
Deutsch anders gebaut:
2. Artikulation: prosodische Kontur
WORT
S - °S ( S = prominente Silbe; °S = Reduktionssilbe)
Komplexe Wörter hierarchisch: X ( S - °S ) - °X ( S - °S )
W
°X
X
S
°S
X
°S
NB: NICHT-ADAPTIERTE KONTAKT-PRODUKTE Verona, Avocado usw.
Reduktionssilben artikulieren grammatische Morpheme: (K) (K)
Ergebnis des „germanischen“ Umbaus der ererbten Sprachstruktur (vgl. Latein):
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- Subsumption der Wortform unter den (expiratorischen) Akzent,
- Verlagerung des Unterscheidungspotentials auf die prominente Silbe ( S )
Neue Vokale (in S ): [
ç ] „Bücher“
Komplexe Ränder: glaub(en) < gi.loubHerbst < her.best (etym. vgl. lat. carp- „pflücken [ernten]“
Typologischer Gegenpol: isolierender Sprachbau
Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE
Zweite Artikulation: komplex: segmental × suprasegmental (6 Töne, Glottalisierung ...)
NB; Phonologisches Problem (der funktionalen Nutzung), nicht phonetisches Problem,
vgl. Tonverläufe im Deutschen:
Hans kommt↓
Hans kommt↑
Hans kommt → (wenn wir abfahren)
Zum Silbenbau:
S
S
A
R
N
E
Typologische Frage: Ist das Wort eine homogene Silbenkette?
Deutsch: Silbenbau ist akzentabhängig
Prominente Silbe ( S) anders als Reduktionssilbe (°S):
K = Konsonant, V = Vokal; eingeklammert = fakultativ
S
S
A
K
R
N
E
V
K/V
S
°S
A
(K)
Quantitative Baustrukturen
Eis [
]
See [
]
Sau [
]
Mond [
baue [
Bauer [
bauen [
R
N
E
K/V
(K)
]
]
]
]
6
Typologisch allgemeine Optionen ("⊂ " : ist Konstitutente von)
[V] vs. [V ] vs. [V ] .... ⊂ N, ⊂ R
[K] vs. [K ] vs. ... ⊂ A, ⊂ E, als "Gelenk" (Geminate)
im Deutschen:
- [V] vs. [V ] : matt [
] vs. Maat [
] vs. Maid [
]
NB: Die Quantität ist gekoppelt an qualitative Differenz:
bitten [
] vs. bieten [
] (± gespannt)
- keine [K ], auch nicht als Geminaten an Morphemgrenzen
annehmen { an + nehm + en } [
()
]
Ressourcen zur segmentalen (qualitativen) Differenzierung von
A, E ( = Konsonanten) und N ( = Vokale)
artikulatorische Phonetik
Vokale
Schematische Darstellung der Lokalisierung der Vokale
Eingekreistes Feld : Die Vokale des Deutschen
D: Die Konsonanten des Deutschen
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Schematische Darstellung der Lokalisierung des Konsonantinventars des Deutschen
Sprachbau des Deutschen wie Türkischen: 1. Artikulation mit komplexer Morphologie,
aber diese ist fusionierend:
- wie in (ich kauf-) : 1. Sg. Präs. Indik. Aktiv
- wie in (die Boot-) : Nom. Plur.
Von daher auch Segmentierungsprobleme:
- mehr fusionierend:
ich kauf – e (PRÄS. 1. SG)
vs. ich kauf – te (PRÄT. 1. SG)
- mehr agglutinierend:
ich kauf –∅ - (PRÄS. ) – (1. SG) vs. ich kauf – t- (PRÄT.) -e (1. SG)
Umbau des Sprachbaus:
i.e. Sprachen haben reiche Morphologie,
aber Englisch (mehr als konservat. Deutsch) auf dem Weg zum isolierenden Bau
Konsequenz:
Grammatische Artikulation nicht-morphologisch:
Dt. der Hund biß den Mann
den Mann biß der Hund
der Hund biß den Mann
Engl. the dog bit the man
the man bit the dog
Grammatikalisierung der Wortstellung im Englischen ≠ Deutschen:
Englisch S[ubjekt] – V[erb] – O[bjekt]
Deutsch V[erb]-zweit
(vgl. Vietnamesisch: Phonologisierung der Intonation auf Wortebene!)
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3. Vlsg.: Grammatikalisierung
Vorläufige Bestimmung von Grammatikalisierung:
Eine Formbestimmung F einer Äußerung in einer Sprache Si
ist GRAMMATIKalisiert,
- wenn F notwendig in einer Äußerung in einer Sprache Si ist
- wenn F „arbiträr“ ist: F ⊂ Si ≠ F ⊂ Sj.,
ist grammatikALISIERT
- als Ergebnis eines historischen Umbauprozesses in einer Sprache Si .
Grammatikalisierte Formbestimmungen im Deutschen:
Subjekt im (Aussage-) Satz: es regnet (??? wer oder was regnet?)
Tempus beim finiten Verb: die Erde ist rund (??? wann ist die Erde rund?)
Etymologie (Prozeß):
„Schwache“ Präteritumsbildung (?): kauf-te ich ... < kauf(en) tat ich
Analyse von Sprachstruktur:
Sprachliche Form (gebunden an Si) vs. außersprachliche Randbedingungen (Bedingungen für
das Sprachlernen / Funktionieren der Sprachpraxis)
SPRACHSTRUKTUR
RANDBEDINGUNGEN
2. Artikulation: diskrete Representation der
physiologischer Apparat (biologisch):
Zeichen (segmental vs. suprasegmental)
Artikulation / Perzeption
1. Artikulation: Lexikalisierung
kognitive Ausstattung (biologisch) :
Verdichtung von festen Zeichen
- Gedächtniskapazität
(direkte Interpretation)
- Inferenzmechanismen
1. Artikulation: Grammatikalisierung
kommunikative Steuerung („universal“):
Analytische Auflösung:
- Kooperation
Faktorisierung der Zeichen in Elemente
- Kontrollmechanismen sonst
(indirekte Interpretation: Kombinatorik)
soziale Institutionalisierung (kulturspezifisch)
- Morphologie: Komplexe Wörter
- Tradition
- Syntax: (Komplexe) Sätze
- gesellschaftliche Instanzen
Prozeß:
Ausbalanzierung der Faktoren, darunter: Reproduktion des Tradierten
Deutsch vs. Englisch (Ausdifferenzierung jünger als 2000 Jahre!):
E: Abbau der Flexion (Kasus, Verbalflexion) → Wortstellung fest
→ Fokusakzent frei
D: Konservative Flexion → Wortstellung relativ frei
→ Fokusakzent beschränkt (nur kontrastiv frei)
vgl. Italienisch: Fokusakzent # X V
Daher nötig „Inversion“
___________#
mi si è rotta la MACchina (vgl. la macchina si è ROTta)
“Natürliche” Erklärungen (Ikonizität) betreffen Randbedingungen der Sprache
Wo Sprache als Abbild fungiert, funktioniert direkte Interpretation
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(in der Sprache kann man lügen – ein Meßgerät kann nicht lügen!)
Modalitäten sprachlicher Äußerungen:
es regnet (ist WAHR genau dann wenn es regnet)
es kann regnen
es ist möglich, daß es regnet
es regnet nicht
Sprache ist ein Zeichensystem (keine kausale Verknüpfung mit dem Bezeichneten)
≠ Anzeichen (Husserl)
Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr
ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen
Gebäck
→ gebacken, backen, ..., Backofen, ... Bäcker ... FELD I: Wurzel / Stamm + Ableitung
→ Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle ... FELD II: Wortbildungsmuster
Demgegenüber ikonischer Rest in Äußerungen:
backe, backe Kuchen ... (Reduplikation → Intensität ....)
Spiel mit Ikonischem: Onomatopoiä
labial
u-Ton
i-Ton
the
murmur
xxxxxxx
xxxxxxx
of
innumerable bees
xxxxxxxx
xx
xxxx
xx
xxx
murder
beefs
Grammatikalisierung in Ontogenese:
Entwicklung von „natürlicher“ Interpretation zu grammatischer
LÖWE
WOLF
der Löwe beißt den Wolf
der Wolf wird vom Löwen gebissen
der Wolf beißt den Löwen
BEISSER
BEISSEN
GEBISSENER
Satzstruktur „ikonisch“ motiviert ≠ Grammatik des Deutschen (Subjekt ≠ Agens ...)
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4. Vlsg.: Strukturen der Äußerung und grammatische Struktur (Satz)
Äußerung steht im kommunikativen Zusammenhang: wird interpretiert ...
Äußerung hat eine Form (die wiedererkannt werden kann)
Form: Konstante in der Tradition, mit der jeweils Neues artikuliert werden kann ...
Satz: Form einer minimalen selbständigen Äußerung ???
He!
Sie da!
Ober!
Egon!
Verdammt nochmal!
OK!
Sätze?
(Kontextabhängig?) zu deutende Gesten
Konventionelle Gesten, vgl. <...!>
Sprache Si : Konvention
Satz im Deutschen (per Konvention): Subjekt + Prädikat ?
komm! Satz?
Grammatikalisierung des Imperativs:
komm: reiner Stamm imperativisch genutzt ? (aber Plural: komm+t wie ihr komm+t)
aber russ. id+i (Pl. id+ite, vgl. id+ut “sie kommen / gehen”)
Vgl. „Vokativ“, dt. Peter : Peter! ABER lat. Petrus : Petre!
arab.
Satz: Grammatikalisierte Struktur einer Äußerung, die eine Proposition artikuliert.
es regnet : [ [es]Subjekt + [regnet]Prädikat]Satz
Äußerung
es regnet
stimmt nicht!
Hans
Hans sagte, [daß es regnet ]Proposition
Egon
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Satz (Äußerung)
Proposition
(Satz-) Modalität
Indikativ / Imperativ ....
Gegenwart /Vergangenheit ...
Hans geht nachhaus
Hans
Haus
Satz (Äußerung)
Proposition
(Satz-) Modalität
geh: (Hans, Haus)
-t (Präs. Ind.)
Ich sah Hans nachhause gehen
nachhause gehend überlegte Hans sich eine Ausrede
Nicht als Satz ausgebaute propositionale Strukturen (engl. clause)
dt. Satzbasis
Hans kommt nachhaus
PROPOSITION komm: (Hans,Haus)
Hans
ORIGO: hin
geh:
Haus
ORIGO: her
komm:
dt. lexikalisiert gehen ≠ kommen
rus. idti „gehen = kommen“
berber. iddu + d „er kommt (nach hier)“
iddu + n „er geht (nach da)“
Grammatikalisierung
eines Direktionals
Grammatikalisierung I
Grammatikalisierung von satzmodalen Bestimmungen (Situierung der Proposition ....)
Grammatikalisierung II
Grammatikalisierung von propositionalen Bestimmungen
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Satz (Äußerung)
Proposition
(Satz-) Modalität
SATZBASIS
ORIGO
ich /du
jetzt
hier
aktuelles Tun
vs. NICHT- ich /du
vs. NICHT-jetzt
vs. NICHT-hier
vs. NICHT-Tun
„Güte“ der Äußerung/ Orientierung
Sicher
vs. NICHT-sicher
soziale Nähe
vs. Distanz
Relevanzmarkierung: Thema / Rhema
....
Satzmodalität:
Verankerung der geäußerten Proposition, sodaß sie interpretiert werden kann
es regnet
Der Löwe beißt
den Wolf
gib mir mal das
Salz
ich / du partizipieren nicht am Sachverhalt
jetzt / hier
Sachverhalt impliziert Tun nicht
Wahrheitsanspruch (Indikativ)
...
ich / du partizipieren nicht am Sachverhalt
jetzt / hier
Sachverhalt impliziert Tun nicht
Wahrheitsanspruch (Indikativ)
...
du partizipierst
jetzt / hier
Sachverhalt impliziert Tun (du)
Verpflichtung des Du (Imperativ)
....
Strukturen der Satzbasis (semantisch: Proposition) =
Satz abzüglich der Bestimmungen der Satzmodalität
Problem: Ausbau der Satzbasis: Komplexe Sätze, Textstrukturen ....
Grammatikalisierung: „Kalte“ Strukturen
E1
E2
Hans und Emma heirateten.
Sie bekamen ein Kind.
Hans und Emma bekamen ein Sie heirateten.
Kind
E1 vor E2
E2 weil E1
E3
Sie zogen in eine große Wohnung
Sie zogen in eine große Wohnung
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ikonisch: Abfolge in der Äußerung (im Text) spiegelt Abfolge der Ereignisse
Grammatikalisierung: „Warme“ Strukturen
E1
Nachdem Hans und Emma geheiratet hatten,
Hans und Emma bekamen ein Kind,
Bevor Hans und Emma ein Kind bekamen,
Hans und Emma heirateten,
E2
bekamen sie ein Kind.
nachdem sie geheiratet hatten.
heirateten sie.
bevor sie ein Kind bekamen.
Abfolge in der Äußerung (im Text) unabhängig von der Abfolge der Ereignisse
:
Grammatikalisierung unterscheiden von der semantischen Interpretation des
Grammatikalisierten.
Bespiel Kategorie der Person in der Verbalflexion:
er läuft" "dritte Person" (an Gesprächsituation nicht Beteiligter)
Aber so im Deutschen Defaultmarkierung: Da Verb im Prädikat fektiert werden muß, tritt
diese Markierung ein, wenn nichts anderes gefordert ist:
vgl. Kongruenz im Prädikat
Hans gefällt mir
Hans und Emma gefallen (*gefällt) mir
SO AUCH
daß Hans kommt, freut mich
ABER
daß Hans kommt und daß Emma geht, freut (*freuen) mich
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5. Vlsg.: Satzmodalität I
Grammatikalisierung satzmodaler Spezifizierungen:
Verb-Grammatik ? (→ Wortartenproblem)
Wort definiert durch lexikalischen Inhalt:
Haus,
Wasser,
Leben,
...
Das ist ein _______
Isolierender Sprachbau (Vietnamesisch, Ewe ...):
Keine Morphologie Semantische Elemente der ersten Artikulation als Wörter artikuliert.
Außerdem: Artikulation zweiter Ordnung: Syntax
z.B. [ A B C ]Satz
B ist Prädikat des Satzes
Deutsch ist eine Sprache mit Morphologie
Tempus
Grammatische Form
PRÄSENS
PRÄTERITUM
Modus
Grammatische Form
INDIKATIV
Morphologisch (grammatisch)
Ich kauf-e dieses Buch
Ich kauf-te dieses Buch
Lexikalisch (isoliert)
Morphologisch (grammatisch)
Er kauf-t dieses Buch
Syntaktisch
Morgen kaufe ich dieses Buch
Er kauf-t dieses Buch.
KONJUNKTIV
INTERROGATIV
(daß) er kauf-e dieses Buch
V2
kauf-t er dieses Buch?
V1
Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix (Suffix)
Wortarten:
X = Nomen, Verb, Adjektiv ....
StammX + AffixX
Z.B.: Nomen – Deklination
Verb – Konjugation
Wortarten liegen im Lexikon fest
Möglich: Morphologisch markierter Wortartenwechsel:
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Hans [verkauf-] V -t Egon ein Auto
Die Worte des [[Verkäuf-] V –er-] N -s überzeugten Hans
Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-] V -en
Seine [Berat-] V ung-] N überzeugte ihn
wir [lauf-] V -en jeden Morgen
der [Lauf-] N war anstrengend
die Wiese ist grün-]ADJ
die Wiese grün-] V –t
agglutinierende Morphologie
„Konversion“
Maximale morphologische Transparenz (australische Sprachen)
Lexikon (Wurzeln X) + Syntaktisch spezialisierte Stammbildung (Y) + Syntaktisch
spezialisierte Affixe (Z) :
WORT
[[X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y
wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten):
z.B. Prädikative Funktion ↔ Verb
Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari
- buru - prädikative: (1) „to heap up“ , (2) „to hold a fair (usually held on mountains)“,
(3) „to call something a mountain“,
- complement: „mountain“ ,
- prädikative: (1) „to make a house“, (2) „to acquire a house“,
(3) „to call something a house“
- complement: „house“
- he - prädikative: (1) „to answer in the affirmative“, (2) „to agree to something“
(3) „to grant something to someone“
- (Sentence partikel): „yes“
Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED).
Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i , -e ...
-a-i
groß-PRED-1S
„ich bin groß“
lel-jad -ko-a-e
seh:-PRES-3.PL-PRED-3S
„er sieht sie“
Vorläufige Typologie:
1) Sprachen mit einer Spezialisierung der Worte im Lexikon für ihre grammatische
(syntaktische) Funktion: Chinesisch
[möglich: Änderung der syntaktischen Funktionen analytisch: Nominalisuerung von Verben
mit Partikeln wie –de]
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2) Sprachen ohne Spezialisierung im Wortschatz: Pidgin ???
3) Morphologische Spezialisierung I (Spezifische "Endungen" für syntaktische Funktionen):
Mundari
4) Morphologische Spezialisierung II (Spezifische Stammbildungen, ggf. mit spezialisierten
"Endungen" / "Flexion"): Pama Njunga Sprachen (Australien)
5) Hybrid: Wie (4) aber mit "Konversionen", z.T. auch lexikalischen Spezialisierungen (wie
I): Deutsch
WEITER dazu in Teil V
Struktur der Satzbasis im Deutschen (→ Valenzgrammatik) :
Kopf: Verb (Prädikat); Ergänzungen: Nominale
NB: Terminologisches Problem
Semantik (Logik)
Proposition
!!! Prädikat
Argumente
Grammatik (Syntax)
Satzbasis
!!! Prädikat
Ergänzungen
Im Deutschen: syntaktisches Prädikat → Verb
er ist alt vgl. russ. on starij
er alt
Syntaktische Prädikate „projizieren“ Typen von Satzbasen (Valenzstruktur):
Verb
Valenz
Beispiel
regnen
0
es regnet
laufen
1
er läuft
schlagen
2
Hans schlägt den Hund
schenken
3
Hans schenkt Emma ein Buch
Sprachbau des Deutschen (und ähnlicher Sprachen: Französisch, Russisch, Arabisch ....)
Verb als Kopf der Satzbasis zieht die Markierungen der Satzmodalität an sich (SM → verbale
Kategorien)
ABER (s.o.)
- syntaktische Artikulationsformen (Satzmodus: V2 , V1 )
- lexikalische Ausdruckformen (Tempus und adverbiale Zeitbestimmungen)
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6. Vorlesung: Satzmodalität II
Satz (Äußerung)
Proposition
(Satz-) Modalität
Grammatikalisierung von Satzmodalität im Deutschen:
primär (aber nicht ausschließlich) als verbale Kategorie
vier Blöcke:
I.
Modus heute
II.
Zeit (Tempus)
III.
Person (Deixis sonst)
IV.
thematische Orientierung (Informationsstruktur)
DUDEN- (u.a.) Grammatik(en) des Deutschen:
Modus („Aussageweise“):
Indikativ, Konjunktiv (I + II), Imperativ
Heterogen:
NICHT-satzmodal: Subjunktion
Block III propositionaler Ausbau:
Hans behauptet, daß er davon nichts gewußt habe SUBJUNKTIV
Hans behauptet, davon nichts gewußt zu haben
INFINITIV
INDIKATIV
INDIKATIV
Synkretismus (Bedeutungsunterschied, aber kein Formunterschied)
Konjunktiv „zum Ausdruck eines Wunschs, einer Aufforderung .....“
Man nehme fünf Eier ...
In diesem Sinne ist terminologisch zu trennen:
- in den Subjunktiv, als Markierung eines syntaktischen Sachverhalts (abhängige
Proposition),
- in satzmodale Markierungen, die beim (Haupt-) Prädikat kontrastieren: Optativ,
Potential ...
In vielen Sprachen sind die entsprechenden Markierungen auch unterschieden; im Deutschen
(wie in den jüngeren indoeuropäischen Sprachen meistens) gibt es einen Synkretismus bei den
nicht-indikativischen Formen, die in vielen gramamtischen Darstellungen zu Unklarheiten
führt.
Satzmodale Artikulation der Beziehung:
I. zum Hörer
II. zum Gesagten (zur Proposition)
S
H
Proposition
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Dimension I der Satzmodalität: Beziehung zum Hörer
I. Hörer durch Äußerung gebunden:
I.1. in Bezug auf das geäußerte Szenario:
Bring den Müll runter!
RUNTERBRINGEN ! (Müll, Du)
I.2. in Bezug auf die Äußerung:
I.2.1. Wahrheitswert:
Hast Du den Müll runtergebracht? Proposition → WAHR / FALSCH
I.2.2. Ergänzung der Proposition
Was hast Du runtergebracht?
RUNTERBRINGEN (x?, Du)
Grammatikalisiert (Verbform) im Deutschen nur I.1.: Imperativ
Paradigma:
Default: Du - reiner Stamm bring (das runter)! vgl. du bring-st (das runter)
in einigen Fällen: Stammmodifikation (Umlaut)
hilf (ihm doch)! vgl. Stamm helf-en, aber du hilf-st
Markiert: Du + andere - Stamm + Endung 2.Plural
bring-t (das runter)! vgl. ihr bring-t das runter
In vielen Sprachen auch Du Singular markiert:
russ. Stamm !ita" „les:“:
!ita"# „lies !“ vgl. : !ita"# $ „du liest“
!ita"# „lest !“ vgl. : !ita"#
„ihr lest“
Grammatikalisiert :
- kein Subjekt (keine Kongruenz zum Prädikat !)
- Spitzenstellung des Verbs (kein Vorfeld)
Davon unterscheiden (nicht grammatikalisiert):
Sprechakte BEFEHL, AUFFORDERUNG, BITTE ...
- „indirekt“
Es zieht! (Aussagesatz), Kannst du das Fenster zumachen! (Fragesatz)
- Abschwächung („Höflichkeit“):
Mach bitte das Fenster zu!
Sei so nett und mach das Fenster zu!
Weitere Registerdifferenzen
Hast du mal ein Stündchen Zeit? vs. Hast du mal eine Stunde Zeit?
Soziale Konnotationen („weiblicher“ Sprachgebrauch), so generell in arabischer Welt (weiter
dazu SModus-Block III: Personale Artikulation) Fragen (1.2.):
- keine eigene Verbform (→ Indikativ, Konjunktiv)
- bei I.2.1. Spitzenstellung des Verbs (kein Vorfeld)
- bei I.2.2. Spitzenstellung (Fokus, s. Modus-Block IV) des Frageworts
als Sprechakt auch ohne diese grammatische Form (→ Intonation ...)
Weitergehende Grammatikalisierung in anderen Sprachen:
- oft Verb nicht im Indikativ (Potential, Dubitativ ..., s. n. Teil)
- bei I.2.1. Fragepartikel (initial oder als Markierung am Verb)
19
jidd. tsi bistu meschuge gevorn? „bist du verrückt geworden?“
mar. arab. %&$ $" "
' ?„bist du nach Osnabrück gefahren?“
russ.
"#
?„arbeitet (dein) Vater?“
- bei I.2.2. Fragewort manchmal nicht in Fokusposition (initial)
ägypt. arab.
#(
?„wo gehst (du) hin?“
#(" "
ägypt. arab. " ")
*+ %
?„was machst du gerade?“
" ")
( + %
? ( ( “ein Loch”)
Dimension II der Satzmodalität: Beziehung zur Proposition
Die Äußerung als Darstellung (Bühler) eines propositionalen Inhalts
Satzmodal: Güte der Darstellung, Verläßlichkeit für Hörer
epistemische Modalität (Evidenzialität) [griech. episteemee “Wissen”]
NB: Abgrenzung zu dispositiven Modifikationen
(„deontische Modalität“ Block Struktur der Satzbasis)
epistemisch es kann regnen
dispositiv Hans kann (schon) laufen
Grammatikalisierung evidenzieller Systeme: Tujuka (Südamerika)
+
, "“er hat Fußball gespielt”
Fußball spiel: INDIK.Autopsie „ich habe ihn Fußball spielen gesehen“
+
, " “ich habe es wahrgenommen, aber nicht gesehen (gehört ...)“
+
, ". “ich habe Spuren, aber es nicht selbst wahrgenommen (Fußabdrücke..)“
+
, ".
“ich habe die Information von jemand anderem“
+
, "*
“es ist anzunehmen, daß es so war“
Daneben weitere „nicht-indikativische“ Modalitäten
Potential „es ist möglich ...“ (so in Fragen benutzt“)
Dubitativ „es ist zweifelhaft“
z.T. kombiniert mit Einstellungen:
Optativ „es ist zu wünschen“ (ich wünsche ...)
z.T. mit weiteren Abstufungen: zu hoffen, zu befürchten ....
Komplexe Amalgamierungen, z.B. türk. –mi vs. -di
Kemal gel-di „Kemal kam (ist gekommen)“
Kemal gel-mi 1) „Kemal kam vermutlich“
2) „Kemal soll gekommen sein (= Ich habe es von andern gehört)
3) „Erstaunlich, daß Kemal gekommen ist“ (sog. Mirativ)
Im Deutschen nur möglich: Nicht-Indikativ → Konjunktiv
in gesprochener (Umgangs-) Sprache kaum noch gebräuchlich:
* Konj. I→ Konj. II:
Opposition Konj. I vs. Indik. nur 3. Sg. er komm-t vs. er komm-e
aber 1.Sg. usw. ich komm-e vs. ich komm-e → ich käm-e
* komplexe Prädikate:
A. periphrastische Bildungen
B. Partikel (adverbiale) Modifikationen des Prädikats
20
Zu A.
Periphrase: Modifizierendes Verb + Infinitiv (invariable Form des Verbs)
Käme er doch endlich ! → Würde er doch endlich kommen!
In solchen Fällen (Optativ, Potential ...) auch Spitzenstellung des Verbs (d.h. kein Indikativ),
vgl. auch
Käme Hans jetzt, könnten wir fahren (s. Block IV: Komplexe Sätze)
Modalverben
i.d.R. maximal differenziert in Flexion: Stammdifferenz für Numerus im Präsens.Ind. (alte
Präteritumbildung → Präteritopräsens)
Ich kann – wir können
ich muß – wir müssen ...
B. Partikel:
Es regnet vielleicht, Hans ist sicher schon da, Hans kommt bestimmt noch...
Besonderes Problem: Bezug auf Zukünftiges → Nicht-Reales (Mögliches)
s. SModalität Block III: Tempus
Potentialis als grammatische Form:
mar. Arab. ' " „ich habe geschrieben“
' " "'
„ich bin dabei zu schreiben (auch: ich schreibe gewöhnlich)“
"'
Subjunktiv: „daß ich schreibe“
auch: „ich schreibe vielleicht (demnächst)“
Indik.Futur / " "'
$ 0 * „Gott wart’s“
$ 0 * „ich werde schreiben“
Negation als Satzmodalität
es ist kein
Bier im Kühlschrank!
Äußerung
stimmt!
Hans
Egon
Was ist im Kühlschrank?
Eine Tüte Milch, 3 Joghurt, ein Paket Eier, ein Teller mit Käse ...
Wo ist: Kein Bier?
der Kühlschrank ist leer = es ist kein Bier im Kühlschrank ?
Satzmodalität: Erwartungen, Einstellungen gegenüber der Proposition
21
Propositional äquivalent:
Der Ofen ist kalt – der Ofen ist nicht heiß
Der Film war schlecht – der Film war nicht gut
Hans schläft – Hans ist nicht wach
Grammatikalisiert im Deutschen:
- Partikel nicht: beweglich (→ Skopus der Negation)
- eingekapselt in Negationswörter:
Hans mag Wein nicht – Hans mag keinen Wein
In vielen Sprachen verbale Modifikation:
türk. –mi- : gel-iyor-um „ich komme“ vs. gel-mi-yor-um „ich komme nicht“
berb. ur-: ) % " 1„ich habe geschwommen“ vs. ur-) % " 1„ich habe nicht g.“
Periphrasen mit Negationsverben:
engl. I sing vs. I don’t sing
finn. sano-n „ich singe“ vs. e-n sano „ich singe nicht“
arab. „Nominalsatz“ Zaid-un muhandiss-u „Zaid ist Ingenieur“
laisa Zaid-un muhandiss-a „Zaid ist nicht Ingenieur“
(klassisch) las-tu
" ''"
" 2"
NEG:PF-1S 1S-zweifel:IPF.IND in DEF-Sieg-Gen
„ich zweifle nicht an dem Sieg“
22
7.Vlsg. Zeitbestimmungen (Tempus)
-
was markiert: Tempus vs. Zeit
wie markiert: Grammatikalisierung (Verbalkategorie)
Tempus: satzmodale Bestimmung
(deiktische) Situierung der Äußerung: Äußerungsmoment (Sprechzeit[punkt])
deiktisch – gr. deig-(numi) „zeigen“, vgl. lat. (de)monstra(re) → Demonstrativ
Zeit, gr. chronos, lat. tempus Abkürzung t, ts = (Sprechzeit[punkt])
Zeit (von Sprache bezeichnet):
Äußere Zeit: Leben .... in der Zeit, chronologische Anordnung (vor </ nach >)
1) Kalendarische Zeit (Konvention):
absoluter Orientierungspunkt t0: ti < t0 oder ti > t0
christliche
Zeit
anno
domini
jüdische
t0 =
Zeit
Erschaffung
anno mundi der Welt
römische
t0 =
Zeit: anno
Gründung
ab
Roms
urbe
condita
muslimische
Zeit:
anno
hegirae
t0 = Christi
Geburt
ts(= ti)
+ 2001
ti= 3760
AM
ts(= tj)
5xxx AM
ti= 753
ab UC
t0 =
ts(= ti)
Auszug des 14xx AH
Propheten
von Mekka
nach
Medina
= 622 AD
Probleme der Umrechung: AD → Sonnenjahr, AM, AH → Mondjahr
2) Physikalische Zeit (Homogene Zeit: Meßdimension t):
Relation zwischen zwei Meß(zeit)punkten: Referenzzeitpunkt ti ( = t0 ) und tj
Referenzzeitpunkt ti
Meßzeitpunkt tj
tk
MeßVor (tk , t0)
zeitpunkt tk Vor (tk , ti )
tj
Vor (tj , t0 )
Nach (tj , tk )
ti
ti ( = t0 )
tl
t
Simul (tj , t0 )
Nach (tl , t0 )
Konstruktion beliebiger Relationen: Vorzeitig (tj), vorvorzeitig (tk), vornachzeitig (vor tl und
nach t0 ) usw.
23
Innere Zeit: inhomogene, gelebte Zeit, Älterwerden mit dem Körper, gerichtete Zeit: Geburt
→ Tod ...
Sprachliche Artikulation von Zeit
Problem: „Zeitwörter“ (Aristoteles → Schulgrammatik):
Wortart Verb definiert als „Zeit (mit-)bedeutend“
Problem 1: Lexikalisierung von zeitlichen Bestimmungen
Nomina: Alter, Jahr, Sommer, Tag ....
Adjektive / Adverbien: schnell, langsam, langwierig
Problem 2: zeitlichen Bestimmungen beim Verb ≠ Tempus
Dauer: er schläft, er schlief, er wird schlafen ... ≠ er schläft ein ...
Zeitlichkeit im Szenario: Verbalcharakter, Aspekt, s. Block III (Satzbasis)
Grunddimension: [± perfektiv]:
[+ perfektiv]:„abgeschlossen, punktuell ....“
[- perfektiv]:„nicht abgeschlossen, nicht- punktuell, andauernd ....“
Hans jagte einen Hasen [- perfektiv]:
Ablauf: Dauer, daraus folgt nicht: „H. hat ihn bekommen“
Hans erjagte einen Hasen [+ perfektiv]:
Abgeschlossenes Geschehen, daraus folgt: „H. hat ihn bekommen“
Vgl. er ist am jagen ABER *er ist am erjagen
Tempus / Aspekt, vereinfacht:
- Tempus dient der Verankerung der Interpretation einer Äußerung: eine referenzielle
Orientierung in der Zeit (mit einer "Ankerform" in der fortlaufenden Zeitgliederung
...),
- Aspekt artikuliert die Zeitstruktur des Szenarios, kann damit in einer komplexen
Sequenz ein Ereignis relativ zu anderen fixieren
entsprechend unterschiedlich sind die grammatischen Systeme:
- Tempsusysteme können sekundär qualtitativ die Zeitstruktur des Szenarios
artikulieren,
- Aspektsysteme können sekundär eine temporale Verankerung leisten.
Semantik von Tempusformen:
Üblicherweise nach dem Modell der physikalischen Zeitrelationen (s.o.), d.h. als Explikation
der Relation zwischen zwei Meßpunkten:
- Meßpunkt 1: als Referenzpunkt der Sprechzeitpunkt ts (Sprechzeit).
- Meßpunkt 2: das propositinale Ereignis te (Ereigniszeit)..
Komplexere Konstallationen ergeben sich durch einen sekundrären Referenzpunkt, die
Betrachtzeit tb , wobei tb ≠ ts .
Dann sind zwei Zeitrelationen zu klären:
Φ (tb , ts ) und Ψ (te , tb )
Sobald Hans von der Arbeit zurückkommt (te1), wird er das machen (te2).
NACH (te1, ts)
NACH (te2, tb), tb = te1
24
Typologie von Zeitmarkierungen in den Sprachen:
1) Zeitbestimmungen nicht grammatikalisiert
Wo nötig, werden Zeitverhältnisse lexikalisch artikuliert:
So häufig in Sprachen mit ausgebautem System der Evidenzialität:
Burmesisch (-te REALIS, -me IRREALIS ...)
Im B. keine Markierung der Person am Verb; Beispiele ohne Notation der Töne
saneinei-tain mje *,# "
Samstag-jeder Gras schneid:-REAL „(er) schneidet / schnitt das Gras jeden Samstag“ (*wird
schneiden)
mane *,
"
morgen
anfang:-IRREAL „(wir) werden morgen anfangen“
macithi sa-hpu-me
htin-te
Tamarind ess:-immer-IRREAL denk:REAL „(ich) denke, (er) könnte früher T. gegessen
haben“
2) Aspektuelle Zeitbestimmungen grammatikalisiert
Arabisch (Alt- / Schriftsprache)
Suffixkonjugation [+ perfektiv], Präfixkonjugation [-perfektiv]
Suffixkonjugation [+ perfektiv]:
...alla3
'
"
diejenigen-die leugnen: PF-3.PL „die ungläubig sind“
ra( " "* 0 *"
erbarm:PF-3.S.M-3SM DEF.Gott-NOM „Gott möge (wird) sich seiner erbarmen“
3
"
"
"
"
" $( "
wenn komm:PF-1S bittend-PL dann-nicht.sei:PF-3SM von DEF-Geiziger-GEN
„wenn wir bittend kommen werden / gekommen sind, war er (= Gott) nicht geizig / wird er
nicht g. sein“
Präfixkonjugation [-perfektiv]
"
"# % "
"4)+ "
vorbei.geh:PF-3SM bei-1S und-1S 1S-sitz:IPF-IND
„er ist an mir vorbeigegangen, als ich (da) saß“
Neuarabisch (z.T. schon alt): Ausbau von Tempusmarkierungen in periphrastischen
Ausdrücken!
3) Tempussystem grammatikalisiert
Situierung der propositionalen Zeit (te [= Ereigniszeit] relativ zu ts)
Oft sekundär in Verbindung mit Aspektunterschieden
Modellsprache Latein (Schriftsprache!!. ausgebaut in Verbindung mit komplexem
Rechtsystem!), orientiert auf Sprechzeit: Präsens
25
Zeitsemantik
Bezeichnung
Aspekt
[- perfektiv]
Vor-vor
Vor (te,ts)
SIMUL (te,ts)
(auch: zeitlos)
Vor-nach
Nach (te,ts)
Plusquamperfekt
Imperfekt/ Perfekt
Präsens
lauda-bam
laud-oo
Futurum exactum
Futur
lauda-boo
[+ perfektiv]
lauda-veram
lauda-vii
lauda-verim
Tempussystem im Deutschen:
Synthetische Formen, orientiert auf Präteritum
Zeitsemantik
Vor (te,ts)
Nicht-vor (te,ts)
Bezeichnung
Präteritum (*Imperfekt)
Präsens
(ich) kam, kauf-te
(ich) komm-e, kauf-e
Analytische (periphrastische) Formen:
1. werden + Infinitiv: ich werde kommen Futur
2. haben (sein) + Partizip II (perfektiv)
Resultativ (Perfekt)
× Tempus: - Präsens:
ich habe gekauft
- Präteritum: ich hatte gekauft
3. überkomplex: ich werde gekauft haben ....
Problem 1: Trennen: schriftsprachlicher Gebrauch und Umgangssprache.
Südddt. Präteritumsschwund:
Ich bin gestern ins Kino gegangen (*ich ging gestern ins Kino)
ABER (Märchenton): Da kam einmal ein böser Wolf ...
Problem 2: Aspektueller Ausbau des Systems: ich bin am laufen ... (n. Block)
Problem 3: Nicht-temporale Nutzung des Systems (Präteritumsformen als Distanzmarkierung,
Thieroff)
Ober: Wer war das Schnitzel?
Zum Vergleich: System des Russischen
1. Primär Tempussystem analog Deutsch:
Präteritum (vor) vs. Präsens (nicht-vor)
2. Überlagert durch aspektuelle Opposition im Verbalcharakter (lexikalisch fest und
Stammbildung / Wortbildung)
Zeitsemantik
der Flexion
vor (te,ts)
× Zeitsemantik
des Stammes
Präteritum
Nicht-vor
(te,ts)
Präsens (simul)
„Futur“ (nichtsimul)
[- perfektiv]
[+ perfektiv]
(ja) pisa-l
„ich schrieb“
(ja) , $-u
„ich schreibe“
(ja) na-pisa-l
„ich schrieb“
(ja) na-, $-u
„ich werde schreiben“
26
Futur bei [- perfektiv].Verben: (ja) bud-u , „ich werde schreiben“
Besonderheit: Aspektuelle Opposition quasi-grammatikalisiert durch Stammbildung:
lexikalisch
Perfektiv
qua Präfix
(ja) na-, $-u
„ich werde schreiben“
(ja) za-govor-ju
„ich (werde) anfangen zu
reden“
lexikalisch
(ja) , $-u
„ich schreibe“
Imperfektiv
qua Suffix –va-
(ja) govor-ju
„ich rede“
(ja) za-govori-va-ju
„ich fange (immer) an zu
reden“
27
8.Vlsg. Personmarkierungen (Referenzialität I)
Sprecher (S) – Hörer (H) als referenzieller Default
Äußerung
brrrrr!
*Egon ist kalt
Hans
Äußerung
laufen!
Hans
*Peter läuft
Egon
Personales Orientierungssystem der Äußerung:
1. Person (S)
2. Person (H)
3. Person (NICHT S/H)
S/H-Dyade:
ICH =: wer mit DU angesprochen wird
DU =: wer mit ICH antwortet
(Mensch =: Wer ICH sagen kann ....)
Referenzielle Interpretation der Äußerung:
1) nur durch S/H (komm! ...)
2) in S/H-Horizont eingelassen: durch „3. Person(en)“
zu 2) Allokutive Systeme (lat. ad+loqu- / locu- „an+reden“):
(a) ich gebe dir das Buch
(b) ich sage dir, daß Hans das Buch hat
(c) gestern war der Hans dir vielleicht voll.
(c = „ethischer Dativ“ u. ä)
Grammatikalisierung allokutiver Systeme, z.B. Baskisch
(Dimension der Beziehung S ↔ H, später)
28
Referenzielle Interpretation der Proposition
SATZMODALE SITUIERUNG
Ich sage dir hiermit hier und jetzt
?
PROPOSITION
P ( x, y , z)
?
x ≠ ICH/DU
x = ER
Wie identifiziere ich ER?
1) deiktisch: dieser da
2) deskriptiv (lexikalisch): die Frau mit dem Oberlippenbart ...
Sprachspezifisch:
Isolierung von deskriptiven Attributen, ggf. Grammatikalisierung
NUMERUS:
Singular: eine(r) vs. Plural: mehr als eine(r)
Singular: eine(r) vs. Dual: zwei vs.
Plural: mehr als zwei
Singular: eine(r) vs. Paucal: wenige vs. Plural: viele
Sonderproblem bei Numerus
Bei 1. und 2. Ps. kein „Plural“, sondern ICH und ander(e) / DU und ander(e)
Systeme mit inklusiv / exklusiv
Personalpronomina im Hawaiianischen (inklusiv = Einschluß von DU)
PERSON
1.Ps.
SINGULAR
5
2. Ps.
3. Ps.
ia
DUAL
PLURAL
inklusiv
exklusiv inklusiv
exklusiv
kaaua
maaua
kaakou
maakou
'
laaua
laakou
KLASSENSYSTEME
1. hierarchische Systeme, i.d.R. egozentrisch (Grade der ICH-Ähnlichkeit)
z.B. Belebtheits-Skla
MAX: ICH
> DU
> Person, aber ≠ ICH/DU
> Belebt, aber ≠ Person
> Unbelebt, mit evtl. weiteren Stufen
2. aggregierte Systeme
2a. Zerlegung:
29
z.B. Genus-Systeme
[+ belebt]
[- belebt]
[+feminin]
[-feminin] (maskulin)
(neutrum)
sie
er
es
2.b. aggregiert sonst,
z.B. Bantu (Swahili): Affixe an Nomina und Verb (Kongruenzmarkierung)
Person / Baum / Ding / Auge / Pfad / Zunge / Spiel / Ort
z.B. Chinesisch: Partikel bestimmen nominale Konstituenten:
Ehrbares / gewöhnliches Ding (auch Person) / stabförmiger (lang-runder) Gegenstand /
flacher-großer Gegenstand / durchlässiger Gegenstand (mit Durchgangsmöglichkeit) / Masse
(mit Spezifizierung des Umfangs: Pfund, Scheffel ...) / Teil von etwas / Anhäufung von etwas
/ Gruppe / Organisation / Abstraktes ...
Grammatikalisierung: Wie werden referenzielle Interpretationen markiert?
1. bei reicher Morphologie: Verbalaffixe, mit / ohne Synkretismen:
lat.
laudaa- „lob(en)“ Präs.Ind. 1.
2.
3.
Singular
laud-oo
laudaa-s
laudaa-t
Plural
laudaa-mus
laudaa-tis
lauda-nt
Arab. (Schriftsprache)
katab1.
« schreib :PF »
Singular
katab-tu
Dual
Plural
katab-naa
Deutsch
2.
feminin
maskulin
katab-ti
katab-ta
katab-tumaa
katab-tunna
katab-tum
feminin
katab-at
katab-ataa
katab-na
3.
maskulin
katab-a
katab-aa
katab-uu
Singular
Plural
1.
kauf-e
kauf-en
2.
kauf-st
[kauf-t]
3.
kauf-t
[kauf-en]
Gotisch
nim- „nehm:“ Präs.Ind.Akt.
Singular
Dual
Plural
1.
nim-a
nim-oos
nim-am
2.
nim-is
nim-ats
nim-iÞ
3.
nim-iÞ
nim-and
Dänisch
løb-e „lauf-en“: [ jeg / du / han / vi / I / de ] løb-er
Französisch
je port-e [( % ) ",67 ]
tu port-es [(t% ) ",67 ]
il port-e [( 8 ) ",67 ] usw.
Kleine Typologie der Artikulation von Personmarkierungen (P):
30
1) keine Morphologie, also keine Markierung am Kopf der Proposition:
Vietnamesisch, Chinesisch, Creolsprachen ...
P: Partikel
NB: Meist als Pronomen bezeichnet, obwohl Formen für ich, du nichts mit Proformen für
Nomina zu tun haben.
2) Morphologie, aber nicht für P genutzt:
Markiert am verbalen Kopf: Tempus / Aspekt / Modus
P: Partikel (u.U. klitisiert)
Japanisch, australische Sprachen ...
3) Morphologie, auch für P genutzt
Markiert am verbalen Kopf: Tempus / Aspekt / Modus × Person
- agglutiniert: Turksprachen ...
- fusioniert: indoeuropäisch, semitische Sprachen
Dynamik des Umbaus: In vielen Sprachen ist P nicht am Prädikat markiert (pazifischer
Raum), aber Abbau auch in den indo-europ. Sprachen (z.B. Dänisch).
P ist also nicht der harte Kern von Finitheit im satzmodalen Sinne, sondern nur eine mögliche
weitere Spezifizierung des Prädikats (oft auch amalgamiert mit weiteren nominalen
Kategorien: Numerus, Genus ...)
Grenzwert: P wird nur propositional durch die Aktantenstruktur markiert.
Weitere Dimension:
Beziehungsebene S / H / ER (Respekt / Höflichkeit)
1. Markierung von Aufwand / Distanz
Sg. → Plural : DU→ ihr, ICH → wir („Pluralis majestatis)
2Ps.→ 3.Ps.: Trete Er näher! (Konjunktiv!)
2Ps.→ 3.Ps. + Plural: Treten Sie näher!
Zusätzliche lexikalische Spezifizierung: Meine Dame, Euer Gnaden, mein Freund ....
Stilistische Optionen: das Auto, der Wagen, die Karre, die Scheißkarre ..
Grammatikalisierte Systeme in (ost-)asiatischen Sprachen:
Japanisch (Verbalendungen – Person nicht markiert):
1. Allokution
neutral
ehrerbietig
höflich
-(r)u
-(i)masu
Kopula: de aru
Kopula: de gozaimasu
Kopula: de arimasu
2. Propositionale Ebene
Demütig
neutral
respektvoll
elegant
gesteigert
o-...-suru
-(r)u
-(r)areru
o-...-ni naru
o-...-asobasu
Kopula: da
Kopula: de irassharu
mite iru / imasu “(ich, du, er ….) sieht“
hon da / desu / de aru /de gozaimasu / de arimasu „es ist ein Buch“
o-kaki suru / kaku / kakareru / o-kaki ni naru / o-kaki asobasu “(ich, du, er …) schreibt“
EINFÜGEN NOCH: BASKISCHE VERBALFLEXION MIT ALLOKUTIVSYSTEM
31
9. Vorlesung: Informationsstruktur / thematische Orientierung (Abschluß
Satzmodalität)
Trennen: Gesprochene und geschriebene Sprache (orate / literate Struktur)
Orat: Default: Physikalisch-physiologisch und kognitiv bestimmt:
Äußerung in der Zeit (inhomogene Abfolge ...) × Schranken des Kurzzeitgedächtnisses
#
t
[
G E D Ä C H T N I S
]
#
PRÄSENT
Folge: Planungsbrüche .... (Anakoluthe ...), wenn mündlich zu komplexe (literate!) Strukturen
Ergebnis: Orat = Reihung von propositionalen Strukturen, die explizit (Partikel ...) oder
implizit (kalte Strukturen!) aufeinander bezogen werden.
Literat: „zeitlose“, homogene Kette von Zeichen (im Raum!), grammatisch integriert (
Satz)
#
#
(Lesen =) synoptischer Blick
Rhetorische Übung: Periodenbau („Aufsatzerziehung“: Nebensätze ...., keine „Füllwörter“ ...)
Informationsstruktur (fundiert in oraten Bedingungen):
#
Altes: Thema
(Satzgegenstand)
Strukturierendes
Funktionselemente
t
#
t
#
Neues: Rhema
(Satzaussage)
Informationshaltiges
Lexikalisch Volles /
Propositional Ausgebautes
1) Prosodische Markierung (Akzentkontur):
FOKUS
#
32
# LAUF! #
# Emma LÄUFT #
#Emma kauft OBST #
#Emma kauft BLUmen #
#Emma will BLUmen einkaufen #
FOKUS bei Ergänzungsfragen (Szenario definiert, aber: kein Thema):
Im Deutschen Fokus initial
# WAS kauft Emma (ein) ? #
Wenn durch Akzent markiert, nicht notwendig, vgl. ägypt. Arab. (6. Vlsg.)
Fragewort manchmal nicht in Fokusposition (initial)
ägypt. arab.
#(
?
„wo gehst (du) hin?“
ägypt. arab.
#(" "
" ")
* + %
" ")
( + %
?„was machst du gerade?“
? ( ( “ein Loch”)
Nicht-Standard-Situationen:
1) Kontrast:
#Emma will Blumen EINkaufen # (... nicht VERkaufen)
2) Kein Szenario, kein Thema definiert (Was ist passiert?):
# das AUto ist kaPUTT #
(thetische Sätze, Satzfokus ...)
Anders mit Thema – Rhema – Struktur:
(„Was ist mit dem Auto los?“) - # das Auto ist kaPUTT #
2) Wortstellung
Orat: reihend: Folgeelement kommentiert vorausgehendes (Inferenz / kalte Struktur)
#A
B
C ...... #
#der Hans # # gestern hab ich ihn gesehen # ....
Grade der Integration:
1) Vorfeldbelegung und „Topik“-markierung:
#der Hans-den hab ich gestern gesehen #
2) Kasusintegration, Partikeltilgung (literat orientierte Edition)
#den Hans-den hab ich gestern gesehen #
#den Hans, den hab ich gestern gesehen #
#den Hans hab(e) ich gestern gesehen #
Typologische Beschränkungen der Abfolgebedingungen: Grammatikalisierung der
Wortstellung.
33
A) Sprachen mit freier Wortstellung: Syntaktische Beziehungen lokal „kodiert“
(morphologische Markierungen: Kasus u. dgl.)
B) Sprachen mit fester Wortstellung: Syntaktische Beziehungen global „kodiert“
(Wortstellung festgelegt)
Typ (A) bei Sprachen mit reicher Morphologie (australische Sprachen) – „nichtkonfigurationell“
Typ (B) bei Sprachen ohne Morphologie (isolierende Sprachen (Chinesisch ...) –
„konfigurationell“
Europäische Sprachen zwischen (A) und (B): Deutsch mehr bei (A), Englisch mehr bei (B)
Nur partiell festliegende Wortstellung im Deutschen, z.B. als Integrationsmuster des
Aussagesatzes:
#
finites Verb
X
Y
(infiniter Prädikatsteil) #
VORFELD
Vorfeldbelegungen:
Thema: Definit × Funktionselement (Pronomina ....): # er war gestern zuhause #
Situierender Rahmen: # gestern war er zuhause #
Literat: Ohne solche Beschränkungen:
# ein Mann, der ein Vermögen geerbt hatte, wollte sich damit zur Ruhe setzen #
cf. Orat:
# es war einmal ein Mann. Der hatte ein Vermögen geerbt. Damit wollte er sich zur Ruhe
setzen #
Anders in Sprachen mit fester Wortstellung, z.B. engl. SVO
Vgl.
Dt. # die Vase ist auf dem Tisch #
Russ. # vasa na stoL’E #
Engl. # the vase is on the table #
ABER
Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase #
Russ. # na stol’e VAsa #
Engl. # there is a vase on the table #
Im Dt. ( ≠ Engl.) „Spaltsätze“ literat:
„Was die Vase anbetrifft, die stand auf dem Tisch ....“
34
Kopfmarkierung der thematischen Orientierung: Diathese (Passiv)
(a) Thema: Peter
Dt. # Peter kaufte einen Wagen“
Russ. # P’otr ku pil ma $inu #
Engl. # Peter bought a car #
b) Thema: der Wagen
Dt. # den Wagen hat Peter gekauft“
Russ. # ma $inu ku pil P’otr #
Engl. # the car was bought by Peter # (# it is the car that Peter bought #)
Im Dt. (mehr noch im Russ.) Passiv literat ≠ Engl.
NB: Generelles Problem bei der oft angeführten sog. "Grundstruktur":
Verwechslung von
- "normal" i.S. von häufig u. dgl. (= normal 1),
- und "normal" i.S. Default-Repräsentant in einem Metadidakurs ("Zitierform" = normal
2)
Zur Unterscheidung vgl.
normal 1 bei Verbformen: fektierte Formen im Satzzusammenhang, z.B. läuft,
normal 2 bei Verbformen (vgl. Lemmatisierung im Wörterbuch u. dgl.): NICHT läuft usw.
sondern eine nominale Form laufen.
Ähnlich bei der Wortstellung:
- die Zitierform (normal 2) von Aussagesätzen im Deutschen (vgl. die Beispiele in
Grammatiken) hat die Wortstellung S V O,
- aber S V O ist nicht die häufigste Wortstellung in Texten (normal 1), z.B. wenn man
die Tageszeitung auszählt ...
35
10. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition
Satz (Äußerung)
Proposition
(Satz-) Modalität
Proposition: Das, was gesagt wird (in einer Äußerung / in einem Satz)
Hans kommt uns morgen besuchen.
Hans sagte, [daß er uns morgen besuchen kommt]Proposition
Paraphrasen:
Hans sagte, [daß er uns morgen besucht]Proposition
Hans sagte, [daß er morgen mal vorbei kommt]Proposition
Hans sagte, [daß er morgen auf dem Weg von Hamburg mal reinschaut]Proposition
Hans sagte, [daß er morgen bei uns ist]Proposition
....
unterschiedliche syntaktische Struktur, bei semantischer (pragmatischer) Äquivalenz
Proposition in der Logik (universal ≠ sprachspezifischer Strukturen):
Prädikation: Subjekt + Prädikat
(lat. prädicare „aussagen, behaupten, verkündigen ...“ > predigen !)
Hans ist ein Idiot
[ [Hans]Subjekt + [ist ein Idiot]Prädikatt ]]Propostion
Symbolische Notation:
Idiot (Hans)
Hans ε {IDIOTEN}
Tradition der Analyse über eine Normalform:
Hans schläft Hans ist schlafend
Schlafend (Hans)
Hans ε {SCHLAFENDE}
Prädikationsstypen der Sprachanalyse (Bloomfield):
- qualitative Prädikation
- narrative Prädikation
Qualitative Prädikation (exozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
SUBJEKT
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
36
Narrative Prädikation (endozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
ARGUMENTE
(nominale Ergänzungen)
Legende:
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
(Verb)
Kern der Satzbasis (obligatorisch)
Satelliten (fakultativ)
Endozentrisch:
Verbales Prädikat mit Markierungen der Aktanten („Argumente“) kann Satz bilden:
Lat. abeeoo „ich gehe jetzt“ (Plautus)
Arab. Grammatik
Verbalsatz
[katab-a]Satz „er hat geschrieben“
[katab-a Zaid-un]Satz „Zaid hat geschrieben“
Nominalsatz
[Zaid-un na+ +
]Satz „Zaid ist Schreiner“
Zusammengesetzter Satz („Topikalisierung“, Herausstellung)
[Zaid-un [katab-a]Verbalsatz ]Nominalsatz „der Zaid-der hat geschrieben“ (es war Zaid, der
geschrieben hat“
Subjekt qualitative Prädikation!
Nicht definiert über das Szenario der narrativen Prädikation
Subjekt 11. Vorlesung
Szenarien definiert durch („aufgespannt von“) Prädikat:
- lexikalische Bedeutung des Prädikats (Verb),
- Verbstamm (finite Endung Satzmodalität).
Szenario
Hans schläft
Emma träumt
Hans tanzt
Hans tanzt mit Emma
Hans trinkt Bier
Emma flirtet mit Hans
Hans verprügelt den Dackel
Emma schreibt einen Brief
Hans schenkt Emma einen Kaktus
Schlafen
Träumen
Tanzen I
Tanzen II
Trinken
Flirten
Prügeln
Schreiben
Schenken
Aktanten („Rollen“)
NB: Generische Form !
Schläfer
Träumer
Tänzer
Tänzer + Begleiter
Trinker + Getrunkenes
Flirter + Beflirteter
Prügler + Geprügelter
Schreiber + Geschriebenes
Schenker + Geschenktes +
Beschenkter
37
Aktanten(-rollen) definiert durch Szenario:
Was ist der gemeinsame semantische Nenner von er schläft, er tanzt, er prügelt ... ?
Rollen definierbar als Nominalisierungen des Verbs (= Szenario):
Szenario: V-[Stamm]
Rolle 1: V-er
Rolle 2: Ge-V-ter
Rolle 3: Be-V-ter
Weitere Rollen?
Makrorollen: Schematisierung der Beziehung zwischen Verb (Kopf der Prädikation) und
Aktanten (Satelliten der Prädikation)
Formale Struktur der Szenarien: Anzahl der Aktanten (Valenz) 5. Vlsg.
Syntaktische Prädikate „projizieren“ Typen von Satzbasen (Valenzstruktur):
Verb
Valenz
Beispiel
regnen
0
es regnet
laufen
1
er läuft
schlagen
2
Hans schlägt den Hund
schenken
3
Hans schenkt Emma ein Buch
Anders die grammatische Struktur der Satzbasis: sprachspezifisch
Im Dt. im Aussagesatz mind. zweigliedrig
Semantisch (narrative Prädikation):
Es regnet
[ [∅]Aktant + [regn:]Prädikat ]]Propostion
Es regnet
[ [es]“Subjekt“ + [regnet]Prädikat ]Satz
Grammatisch
Vgl. latein.
Semantisch (narrative Prädikation):
pluit „es regnet“
[ [∅]Aktant + [plu:]Prädikat ]]Propostion
Grammatisch
pluit
[ [pluit]Prädikat ]Satz
Problem 1:
Aktanten nicht einfach passiv bei der Definition des Szenarios:
Er beginnt mit seinem Buch
er fängt an zu lesen (schreiben) / *essen
Er beginnt mit seinem Hamburger er fängt an zu essen / *lesen (*schreiben)
Bedeutungskomplexe auch von nominalen Elementen (in Funktion von Aktanten) so, daß
Szenarien impliziert:
Hamburger (x)
Buch (x)
MÖGLICH essen (y, x) / UNMÖGLICH lesen (y, x)
MÖGLICH lesen (y, x) / UNMÖGLICH essen (y, x)
Sonderfall von elliptischen Strukturen:
Hans singt
Hans singt etwas (einen Schlager, eine Arie ...)
Hans ißt
Hans ißt etwas (einen Hamburger, einen Apfel ...)
38
Vgl. bei unspezifischen Bedeutungskomplexen sind Ellipsen nicht möglich: Hans *macht
TROTZ Hans macht etwas (Späße, den Abwasch ....)
Hans *sagt
TROTZ Hans sagt etwas (, daß er kommt ...)
Problem 2:
Nicht alle Elemente der Proposition sind szenario-spezifisch (valenzgebunden)
Hans ißt seinen Hamburger mit großer Hast
Hans liest das Buch im Schloßpark
In den Ferien nervt Emma Hans
Peripherie des Szenarios, „freie Angaben“, adverbiale Bestimmung
Nicht durch die Form (allein) zu definieren:
Präpositionalgruppen, Lokalangaben u. dgl. können valenzgebunden sein:
Hans denkt an seine Oma (denken ist „zweiwertig“: Präpositionalobjekt)
Emma wohnt in Osnabrück (wohnen ist „zweiwertig“, verlangt Ortsergänzung )
Problem 3:
Szenario impliziert eine bestimmte Perspektive:
Hans schenkt seiner Freundin Emma einen Blumenstrauß
MÖGLICH (KERN DER Proposition): Hans schenkt einen Blumenstrauß
Emma ist Empfänger(in) der Aktion Blumenstrauß-Schenken
Hans beschenkt Emma mit einem Blumenstrauß
MÖGLICH (KERN DER Proposition): Hans beschenkt Emma
Der Blumenstrauß ist Instrument (?) der Aktion Emma-Beschenken
Wortbildung ( Stammbildung):
Markiert Valenz, kann Valenz ändern
Problem 4:
(narratives) Szenario impliziert eine bestimmte Dynamik:
Hans hat den Wagen mit dem Heu beladen ( der Wagen ist voll / es gibt
(vielleicht) noch Heu)
Hans hat das Heu auf den Wagen geladen ( das Heu ist auf dem Wagen /
es gibt (vielleicht) noch Platz)
NB: Hier noch Komplikationen mit der Definitheit, s. Vorlesung XY
... das Heu auf den Wagen ≠ Hauf auf einen Wagen
diese haben mit dem Skopus der Prädikation zu tun:
... den Wagen mit Heu ( den ganzen Wagen)
... das Heu auf einen Wagen ( das ganze Heu)
Weiter zu diesen Bildungen (sog. Applikativen) in der Wortbildung, 25. Vlsg.
vgl. aspektuelle Dynamik (7.Vlsg.):
Zeitlichkeit im Szenario: Verbalcharakter, Aspekt,
Grunddimension: [± perfektiv]:
[+ perfektiv]:„abgeschlossen, punktuell ....“
39
[- perfektiv]:„nicht abgeschlossen, nicht- punktuell, andauernd ....“
Hans jagte einen Hasen [- perfektiv]:
Ablauf: Dauer, daraus folgt nicht: „H. hat ihn bekommen“
Hans erjagte einen Hasen [+ perfektiv]:
Abgeschlossenes Geschehen, daraus folgt: „H. hat ihn bekommen“
Vgl. er ist am jagen ABER *er ist am erjagen
Hier Grundproblem der Grammatikalisierung:
Eine semantische Kategorie
- ist grammatikalisiert, wenn sie prinzipiell universal ist, d.h. mit allen möglichen
Formen im Lexikon verbunden werden kann,
- sonst bleibt sie lexikalisch gebunden
Insofern sind aspektuelle Markierungen im Deutschen (andes als in den semitischen Sprachen
und z.B. auch im Russischen) nicht grammatikalisiert, vgl. ?erträumen, *erlachen,
*erschenken ...
In diesem Sinne ist öfters denn auch nur von Aktionsarten, nicht von Aspekt die Rede.
40
11. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition II: Subjekt
Verhältnis (außersprachliche) Defaultinterpretation vs. sprachgebundene (
grammatikalisierte) Interpretation
Mann
Bier
(1) Der Mann trinkt (ein) Bier
(2) Das Bier schwemmte den Mann weg
(Unfall in Bierbrauerei: Kessel geplatzt : ..... Mann starb)
Defaultinterpretation:
Mann
Bier
[belebt]
V-er im Szenario
(1) [unbelebt]
Ge-V-tes im Szenario
(2) Bier (x) MÖGLICH trink (y, x) M
Szenario = Trinken
(2) zeigt: Mit sprachlichen Mitteln möglich, Default zu „überschreiben“
Sprachbaudifferenzen: Bindung der Syntax an semantische (Default-) Interpretationen
Acehnesisch (Sumatra)
Keine Flexion, aber
- Wortbildungsaffixe [± Markierung der syntaktischen Funktion]
- Klitisierung von Funktionswörtern (Pronomia ...): Komplexe phonologische Wörter
1-wertige Verben („gespaltene Intransitivität“):
(a) proklitische Pronomina: P + V, P = Agens
(b) enklitische Pronomina: V + P, P = Patiens
2-wertige Verben:
(c) P1 + V + P2, P1 = Agens, P2 = Patiens
Komplexere Proposition : weitere Aktanten nicht am Prädikat (Verb) markiert, sondern
präpositional regiert.
(a) gopnyan ka=geu=jak
u=keude
3
INCH=3=geh: zu=Markt „er geht auf den Markt“
(b) gopnyan sakeet=geu
3
krank.sei:=3 „er ist krank“
(c) je=kap=keuh
3 = beiß:= 2 „es beißt dich“ (*du beißt es)
Dagegen Deutsch:
41
Szenarien
Szenario
Hans schläft
Emma träumt
Hans tanzt
Hans tanzt mit Emma
Hans trinkt Bier
Schlafen
Träumen
Tanzen I
Tanzen II
Trinken
Emma flirtet mit Hans
Hans verprügelt den Dackel
Flirten
Prügeln
Emma schreibt einen Brief
Schreiben
Hans schenkt Emma einen Kaktus
Schenken
Aktanten („Rollen“)
NB: Generische Form !
Schläfer (*Agens)
Träumer (*Agens)
Tänzer (Agens)
Tänzer (Agens) + Begleiter
Trinker (Agens) + Getrunkenes
(Patiens ??)
Flirter (Agens) + Beflirteter
Prügler (Agens) + Geprügelter
(Patiens)
Schreiber (Agens) +
Geschriebenes (*Patiens)
Schenker (Agens) +
Geschenktes (Patiens)+
Beschenkter
Makrorolle 1 („Hauptrolle): Privilegierter Aktant:
Formal: Kongruenz Subjekt ↔ finites Verb
Einen ApfelSG pflückt3SG der MannSG
Zwei ÄpfelPL pflückt3SG der MannSG
Einen ApfelSG pflücken3PL die MännerPL
Hauptrolle „Agens“, wenn (aktivisches) Handlungsszenario,
Hans tanzt absichtlich / bewußt / nach reiflicher Überlegung ... mit Emma
Imperative: Jetzt tanz mit Emma!
kein Agens bei „passivischem“ Szenario:
Emma träumt absichtlich / bewußt / nach reiflicher Überlegung ...
*träum! ( ANDERS: träum schön! ich wünsch dir, daß du schön träumst!)
? stirb, Schurke!
Vgl. es regnet (es = Subjekt)
Kongruenzprobleme: Formale Subjektrelation bei propositionalem Ausbau:
[Emma] SG gefällt3SG mir
[Emmas Dackel] SG gefällt3SG mir
[[Emma] SG und [ihr Dackel] SG] PL gefallen3PL mir
[Daß Emma kommt] gefällt3SG mir
[Daß Emma kommt] SG? und [daß ihr Dackel verschwindet] SG?] PL gefällt3SG mir
............
* gefallen3PL mir
Nebenrollen:
Im Deutschen nicht am Kopf markiert (vgl. 8. Vlsg.: Baskisch: bis zu 3 Aktanten + Allokutiv
am Kopf markiert)
Kasus- / Präpositional markiert (12. Vlsg.)
Extreme Dissoziierung von semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen:
Diathese
42
Hans verprügelt den Dackel
Szenario: Prügeln = Handlung:
Hauptrolle (V-er = Agens):
Prügler (Hans)
Nebenrolle (Ge-V-ter = Patiens): Geprügelter (der Dackel)
Der Dackel wird von Hans verprügelt
???Szenario: Prügeln = Handlung:
Hauptrolle (??? = Patiens):
Geprügelter (der Dackel)
Nebenrolle (??? = Agens):
Prügler (Hans)
Analyse gebunden an die sprachliche Form:
Der Dackel wird von Hans verprügelt
Szenario: Verprügelt.werden [=V*]= Vorgang:
Hauptrolle (V*-er = Patiens):
Geprügelter (der Dackel)
Nebenrolle (V*-von X = Agens):
Prügler (Hans)
Parallele Szenarien (Vorgang)
Naß werden
Träumen ....
Problem 1:
Handlungsszenario ist transitiv / Vorgangszenario ist intransitiv
Intransitiv =: keiner Ergänzung bedürftig Hans [träumt]
Transitiv =: einer Ergänzung bedürftig Hans [prügelt den Hund]
Zusätzliche (nicht valenzgebundene) Ergänzungen (fakultativ):
Hans verprügelt den Dackel mit der Klobürste
Passiv ist intransitiv mit fakultativer Ergänzung
Der Dackel wird verprügelt
Der Dackel wird mit der Klobürste verprügelt
Der Dackel wird von Hans verprügelt
Der Dackel wird von Hans mit der Klobürste verprügelt
Passivisches Szenario hat keine Agens-Rolle!
(Schrift-) Arabisch
Verb: )" „Machen“(Verbalnomen)
° )° ) " „er hat gemacht“ (= Zitierform: „machen“)
V-er: ) "
„Macher“ (= Partizip aktiv, Nomen agentis)
„Gemachtes » usw.
Ge-V-tes: ma ) "
Passivform :
9
9
" "
" "%
Aktivform:
Verb“
) " „es ist gemacht worden“
" "% +" „das Mädchen hat den Jungen geschlagen“
+" „der Junge wurde geschlagen“
" )"
"
##"
""
)
" „das auf den bekannten (Agens) bezogene
43
Passivform: " )" "
(Agens) bezogene Verb“
Subjekt im „Passivsatz:
##"
"
""
+*
" „das auf den unbekannten
) " „Stellvertreter des Agens“
"
Wenn Agens ausgedrückt werden soll
Handlungsszenario
Aktivsatz
„Symmetrie“ Passiv / Aktiv Ausnahmefall (Passiv i.e. einzelsprachlich erst entwickelt!)
Vgl. auch „Passivformen“ ohne diese Symmetrie:
Von intransitiven Verben: es wird getanzt
Bei transitiven Verben:
es wird Bier getrunken (Bier = Objekt?, vgl. man trinkt Bier)
Kopfmarkierung der thematischen Orientierung: Diathese (Passiv)
(a) Thema: Peter
Dt. # Peter kaufte einen Wagen“
Russ. # P’otr ku pil ma $inu #
Engl. # Peter bought a car #
b) Thema: der Wagen
Dt. # den Wagen hat Peter gekauft“
Russ. # ma $inu ku pil P’otr #
Engl. # the car was bought by Peter # (# it is the car that Peter bought #)
Nur im Engl. ist das Passiv eine äquivalente Ausdrucksform zum Aktiv
ABER
Vollständig ausgebildete Aktiv- / Passiv- Diathese als Folie für abstrakte
Subjektkategorie (frei von semantischen Festlegungen)
Qualitative Prädikation (exozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
SUBJEKT
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
Narrative Prädikation (endozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
ARGUMENTE
(nominale Ergänzungen)
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
(Verb)
44
Qualitative Prädikation in allen Sprachen möglich, meist auch nicht-verbal artikuliert (keine
verbale) Kopula, so auch in Acehnisch, Arabisch ....
Narrative Prädikation syntaktisch anders artikuliert: syntaktische Relationen semantisch
fundiert:
- ausschließlich so: Acehnisch Kategorie Subjekt nicht definiert!
- diffuser: Arabisch: privilegiertes Argument Argument syntaktisch definiert. Wenn per
Konvention auch „Subjekt“ genannt, dann aber ≠ Subjekt in qualit. Prädikation
Gegenpol:
Syntaktische Harmonisierung prädikativer Strukturen:
Formales Subjekts – Prädikatsschema:
- qualitative Prädikation
- Diatheseschema über der narrativen Prädikation
In den europäischen Sprachen literat überall:
Orat so im Englischen durchgeführt,
literat qua Lehnbildungen auch in den neuarabischen Schriftsprachen (Zeitungssprache):
) "
+ * "
"( '
"
bekannt.mach:PF.PASS-3SM von Seite-GEN DEF-Regierung-GEN daß
"Von Seiten der Regierung wurde bekannt gegeben, daß ..."
Fazit für die Subjekt-Definition:
Eine typologische Besonderheit von Sprachen wie dem Deutschen, in denen
- der Hauptaktant im intransitiven Szenario
- der Hauptaktant im transitiven Szenario
gleich markiert sind und das die Basis für ihre einheitliche Bezeichnung als Subjekt ist – das
ist selbstverständlich kein semantisches Kriterium ( = Rolle im Szenario).
Definierend kommt hier die Diathese hinzu; auf der Basis einer Paraphrasebeziehung von
aktiven und passiven Szenarien läßt sich der Neben-Aktant im transitiven Szenario mit dem
Hauptaktanten eines intransiven identifizieren.
Bedingung dafür ist eine entsprechende Modifikation am Kopf:
- unmarkiert beim transitiven Szenario (Kopf: schlagen),
- markiert beim intransitiven Szenario (Kopf: geschlagen.werden)
S. Kap. XY für die spiegelverkehrten Verhältnisse beim "Antipassiv" in Ergativsprachen:
- unmarkiert beim transitiven Szenario (Kopf: schlagen),
- markiert beim intransitiven Szenario (Kopf: mit.Schlagen.beschäftigt.sein)
Nochmal ein anderer Aspekt sind die herausgestellten Funktionen im Ausbau zu komplexen
Sätzen: Subjekt als syntaktische Achse ("pivot"), s. Kap. XY
45
12. Vlsg.: Kasus
Formale Analyse syntaktischer Beziehungen:
A
[A B]
hierarchische Beziehung
B
morphologisch artikuliert durch
kopfmarkiert Aα
A
oder
B
Bβ satellitenmarkiert
Definition von Kasus (morphologischer Kasus):
1) Satellitenmarkierung
2) Nominale Markierung
S
SB’
SM
SB
E1
E2
Präd
Nα
Nα
V
N
α = grammatische Kasus
β = adverbiale Kasus
γ = adnominaler Kasus (Genetiv)
Nγ
Peripherie
Nβ
46
α = grammatische Kasus
1) flektiert : Nominativ, Genetiv, Dativ, Akkusativ
Der Junge gedachte seiner Großmutter
Hans schenkte ihr einen Blumenstrauß
2) Partikel (präpositional)
Hans dachte an seine Großmutter
β = adverbiale Kasus
1) flektiert
er spielt den ganzen Tag Klavier
2) Partikel (Präpositional)
er spielt vor der Tür
γ = adnominaler Kasus (Genetiv)
1) flektiert
das Auto des Vaters
2) Partikel (präpositional)
das Auto von dem Vater
Unterschiedliche reiche Kasussysteme:
1) adverbial reich, z.B. Finnisch
Nominativ kirja “Buch”
Genetiv kirja-n “Buches“
grammatische Kasus (α)
Akkusativ (= Nominativ oder Genetiv)
Genetiv auch (γ)
Essiv (zeitweiser Zustand) kirja-na “als Buch”
Partitiv (Teil von) kirja-a “von einem Buch”
halbgrammatisch
Translativ (Übergang in) kirja-ksi “(wird) zu einem Buch”
(α und β)
Inessiv (innerhalb von) kirja-ssa „in einem Buch“
Elativ (heraus von) kirja-sta „aus einem Buch“
Illativ (hinein in) kirja-an „in ein Buch“ (überwiegend adverbial (fest))
Adessiv (in der Nähe von) kirja-lla „bei dem Buch“
(β)
Ablativ (von ... weg) kirja-lta „von dem Buch weg“
Allativ (in die Nähe von) kirja-lle „zu dem Buch“
Abessiv (ohne) kirja-tta „ohne das Buch“
Instruktiv kirjo-i-n „mit Büchern“ (marginal, hier nur Plural) (β)
Komitativ (zusammen mit) kirjo-ine „mit Büchern“ (gebrauchsbeschränkt, mit Possessiv:
kirjo-ine-en „mit seinen Büchern“ (β)
47
2) auch grammatisch arm, z.B. Englisch
grammatisch nur pronominal: (Rektus vs. Obliquus)
I
he / she
you
the man
saw
me
him / her
you
the man
präpositionale Option (“Dativ”)
I gave him the book
I gave the book to him
vgl. Kasusneutralisierung in norddt. Umgangssprache
(„Akkudativ“ = Obliquus)
Er hat den Mann das Buch gegeben
adnominal
Peter’s car - the car of my neighbour
“Sächsischer Genetiv” als Possessiv
vgl. Dt.
Mutters neuer Hut, Emmas neuer Freund ...
Basis:
Belebtheitshierarchie: Je höher in Hierarchie, je stärker markiert
Person (1/2 > 3) > Belebt > Unbelebt
Neutrum: Nominativ = Akkusativ ererbt (!!)
Im Deutschen so noch bei Genusklassen:
Der Mann sitzt im Stuhl
vs. Hans sieht den Mann
Das Bild hängt an der Wand vs. Hans sieht das Bild
Problem 2:
Nominativ nicht vom Verb regiert (keine semantische Funktion):
- Subjektskasus (Satzfunktion!, vgl. Diathese),
- Zitierform („Nennform“),
- Vokativ
Anders: semantisch „transparente“ Kasussysteme:
„Ergativsysteme“ (kein Subjekt“)
1. semantisch
Markierter
Kasus
intransitiv
„Subjekt“
Akkusativ
Ergativ
Nominativ
Absolutiv
semantischer
Hauptaktant
(Agens ....)
Nominativ
Ergativ
transitiv
semantischer
Nebenaktant
(Patiens ...)
Akkusativ
Absolutiv
48
2. formal
Markierter
Kasus
intransitiv
„Subjekt“
Akkusativ
Ergativ
Nominativ
Absolutiv
transitiv
formaler Hauptaktant formaler
(„Subjekt“)
Nebenaktant
(Obliquus)
Nominativ
Akkusativ
Absolutiv
Ergativ
Beispiel Dyirbal (Australien, Pama-Nyunga)
baji
ja¨a
":
KLASS Mann.ABS komm:PRÄT
„Der Mann kam hierhin“
":
balan
d’ugumbil
KLASS Frau.ABS komm:PRÄT
„Die Frau kam hierhin“
balan
d’ugumbil baNgul ja¨a§Ngu
balga§n
KLASS Frau.ABS KLASS Mann_ERG schlag:PRÄT
„Der Mann schlug die Frau“ („die Frau wurde von dem Mann geschlagen“)
Diathese (Valenzabstufung): „Antipassiv“:
#
#
+
"
"
":
KLASS Mann.ABS KLASS Frau-DAT
schlag:-ANTIPASS-PRÄT
„Der Mann schlug die Frau“ („der Mann prügelte auf die Frau ein“)
49
13. Vlsg.: Grundstruktur der Proposition III: Qualitative Prädikationen
Ausgangsposition: 10. Vorlesung:
Proposition in der Logik (universal ≠ sprachspezifischer Strukturen):
Prädikation: Subjekt + Prädikat
(lat. prädicare „aussagen, behaupten, verkündigen ...“ > predigen !)
Hans ist ein Idiot
[ [Hans]Subjekt + [ist ein Idiot]Prädikat]]Propostion
Symbolische Notation:
Idiot (Hans)
Hans ε {IDIOTEN}
Tradition der Analyse über eine Normalform:
Hans schläft Hans ist schlafend
Schlafend (Hans)
Hans ε {SCHLAFENDE}
Qualitative Prädikation (exozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
SUBJEKT
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
Narrative Prädikation (endozentrisch)
SATZ
SATZBASIS
ARGUMENTE
(nominale Ergänzungen)
SITUIERUNG
PRÄDIKAT
(Verb)
Qualitative Prädikation in allen Sprachen möglich. Eine Besonderheit von Sprachen wie dem
Deutschen, ist es, daß auch sie verbal artikuliert werden muß – mit einem semantisch leeren
Verbstamm ("dummy") als Träger der Finitheitsmarkierung des Prädikats. Es handelt sich
also bei der Kopula (< lat. copula "Strick", also das, was verbindet) um ein expletives
Element wie auch das "Subjekts-Dummy" es bei aktantenlosen Szenarien:
# Hans ist Schreiner # # Hans ∅ ( ∅ → ist) Schreiner #
# Es regnet #
# Es ∅ ( ∅ → es) regnet #
In vielen Sprachen ist eine verbale Form des Prädikats nicht erforderlich; dort kann die
qualitative Prädikation auch nicht-verbal (ohne verbale Kopula) artikuliert werden wie im
Acehnisch, Arabisch ....
50
Arabisch (Schriftsprache)
(
+" "
;; " "
(AR)
Mohammed-NS-INDEF Schreiner-NS-INDEF
„Mohammed ist Schreiner“
Juxtaposition: Vorangestellt ist das Subjekt (arab. mubtada
nachgestellt das Prädikat (ar. xabar „das Ausgesagte“).
„das Vorangestellte“),
Mar. Arab.
(
+
<9
(MA)
Mohammed
krank
„Mohammed ist krank“
Andere Sprachen haben in solchen Fällen eine nicht-verbalen Kopula, z.B.
Mar. Berber:
(
/
(MB)
d
Moha
KOP
Berber
„Moha ist Berber“
Anders bei identifizierender Prädikation, Mar. Arab.
(MA)
ana
huwa
l-ustad
1S
3SM
DEF-Lehrer
„ich bin der Lehrer“
vgl. mit nicht-referenzieller Prädikation:
(MA)
huwa
ustad
3SM
Lehrer
„er ist Lehrer“
Satz (Äußerung)
Proposition
Qualitative
Prädikation
(Satz-) Modalität
Default
Derartige "Nominalsätze", wie sie manchmal genannt werden, sind aber nur bei einer
(satzmodalen) Defaultinterpretation möglich.
Qualitative Prädikation mit anderer als Defaultinterpretation Verbalsatz
(MA)
(
+
kan
sei:PF.3.S.M Mohammed
„Mohammed war krank“
(MA)
(
+
<9
i-kun
3.S.M-sei:IPF
Mohammed
krank
„Mohammed ist möglicherweise krank“
<9
krank
In solchen Fällen handelt es sich um reguläre "Verbalsätze". im Arabischen (Schriftsprache)
impliziert das die verbale (satzinitiale) Wotstellung und auch auch die Kasusmarkierung des
Prädikativen Elements als Quasi-Objekt (Akkusativ auf –a):
51
(S.AR)
' "
(
+" "
sei.PF-3.S.M Mohammed-NS-INDEF
„Mohammed war Schreiner“
;; " "
Schreiner-AKK.S-INDEF
Probleme entfallen in Sprachen wie dem Deutschen, die die qualitative Prädikation auch im
Defaultfall verbal artikulieren Kopula, s. Übersetzungen
[ [Mohammed]Subjekt + [[ist]Kopula [Schreiner]Prädikativ]Prädikat]Propostion
Kopula hat keine Valenz ( narratives Szenario)
Prädikativ hat (wie Subjekt) keinen verbregierten Kasus (Nominativ als Default)
12. Vlsg: Kasusfragen. Problem 2:
Nominativ nicht vom Verb regiert (keine semantische Funktion):
Subjektskasus (Satzfunktion!, vgl. Diathese),
Zitierform („Nennform“),
Vokativ
Kasus des Prädikativums bei der qualitativen Prädikation
Allerdings auch im Deutschen Nominalsatzstrukturen als „Randgrammatik“ (N.Fries)
Du Idiot
Defaultsituierung:
Ich Idiot
Referenziell: Sprecher / Hörer
?? Er Idiot
??Hans Idiot
daher auch nicht einfach Ellipse der Kopula (Fries)
mit nicht-verbaler „Kopula“ (s.o. Berber):
Ich und Bier trinken?
Du und Bier trinken?
Er und Bier trinken?
Hans und Bier trinken?
In diesen Fällen hat die verbale Form im Prädikat eine nominale Markierung ("Infinitiv")
Vergl. Projekt Irina Nikolaeva (Konstanz):
- Auch mit komplexem Subjekt / Thema („Topic“):
Paris sehen und dann sterben!
Engl. To see Paris and to die!
Frz. Voir Paris et mourir!
Russ. Uvidet’ Pari i umeret’ !
Markierte Form des Subjekts / Themas („Topic“)
Ich und dich heiraten?
Engl. Me, marry you?
Frz. Moi, faire le premier pas! Jamais !
Russ. Mne
enit’ja ?
Nikogda!
1.S.DAT verheiratet.werden niemals
52
14. Vlsg.: Wort
Semantische Struktur SM ( Prädikat (Arg. 1 ...... Arg. N)
Syntaktische Struktur Worte Konstruktion (Satz u. Konstituenten)
Minimal: deskriptives Prädikat (Szenario)
a) synthetisch, z.B. Lakhota (Satz = Wort)
# A1+(A2+…)V (+X) # A1= Objekt (Patiens), A2 = Subjekt (Agens)
ma – yá – kte « du hast mich getötet »
1S.O. – 2S.S – töt:PRÄT
Aber auch :
∅ - ∅– kte „er hat ihn (es) getötet“
3S.O. – 3S.S – töt:PRÄT
b) analytisch, z.B. Chinesisch (Satz = mind. zwei Wörter)
# Thema (Subjekt) Rhema (Prädikat) #
T lái
le „er ist gekommen“
3S komm: PF
T d
w
3S schlag: 1S
„er schlägt mich“
J nti n h n rè „heute ist es sehr heiß“
Heute sehr heiß
Ausbaustufe I: deskriptive Argumente
a) appositiv zu synthetischer Satzbasis; S/A < O/P
wi háša ki mathó w
kte
„der Mann hat einen Bär getötet“
Mann DEF Bär INDEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT
mathó w
wi háša ki
kte
„ein Bär hat den Mann getötet“
Bär
INDEF Mann DEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT
b) analytisch
b1) Chinesisch
G b g i X nyì yì b n sh
„Gubo gibt Xinyi ein Buch“
Gubo geb: Xinyi ein KL Buch
B2) Deutsch (Mischtyp!, Verb-zweit)
Hans schenk- t Emma Blumen
Kongruenz
Blumen schenk- t Hans Emma
Kongruenz
Ausbaustufe II: morphosyntaktischer Ausbau der Konstituenten
Analytische Zerlegung: Funktionselement + lexikalisches Element
53
∅-
Männer
Der
Mann
Ein alter Mann
wird
hat
schlafen
schläft
schlafen
geschlafen
Verbal: Periphrasen: Hilfsverben, „leichte Verben“ („Funktionsverben“)
rhein. *& de:t $6
„er tut schlafen“
zur Aufführung kommen / bringen ...
pers. xâheš kardan „fordern“ (= „Forderung machen“)
âm kardan „verkünden“ (= „Verkündigung machen“)
Nominal: komplexe Nominalgruppe: Artikel, Attribute ...
Analytisch im Deutschen:
der Mann ...
Morphologisch (affigiert):
Arab. "'
" „das Buch“
mar.Arab. l-ktab „das Buch“, $"$ $[$ $] „die Sonne“
dän. mand-en [ma
] „der Mann!
Ausbaustufe III: deskriptiver (lexikalischer) Ausbau der Konstituenten
verbal (Trennbarkeit: Tmesis):
vorangehen – er geht voran
trennschleifen ...
autofahren – *er fährt auto (RS: er fährt Auto)
Inkorporation, n. Vorlesung
nominal: Attribute, Komposita
der gute alte Mann ...
Arab. "'
" "+ + +" „das neue Buch“
Haushaltsbuch, Donaudampfschifffahrtskapitänsmuützenbord...
Ausbaustufe IV: propositionaler Ausbau der Konstituenten
Hans sah das Unglück
Hans sah [daß das Auto gegen den Baum [fuhr] Prädikat]
n. Block: komplexe Sätze
Sprachentwicklung:
1) Sprachkontaktszenario:
bei extremen Differenzen
Abbau der Grammatik: Isolierende Artikulation (Pidgin)
spätere Entwicklung: Agglutinative Strukturen .... (Creolsprachen)
2) Sprachentwicklung:
Dynamik der zweiten Artikulation (Lautentwicklung) überformt erste:
54
Abbau der grammatischen Formen im Englischen
I
You
he
they
the man
the men
saw
me
you
him
the man
the men
isolierender Bau
55
15. Vlsg.: Referenzielle Fragen II (die Nominalgruppe)
I. Definition: Referenz
Kapitel 8
Satzmodale Bestimmung: Situierung des propositional Artikulierten:
Interpretation ( Identifizierung) der Argumente / Proposition, Aktanten / Satzbasis
Personales Orientierungssystem der Äußerung:
1. Person (S)
2. Person (H)
3. Person (NICHT S/H)
Gerichtetes Orientierungssystem (EGO-zentriert)
Semantische Dimensionen:
BELEBTHEIT
ICH
ORIGO-NÄHE
(DEIXIS)
PROXIMAL
BESTIMMTHEIT
MAXIMUM
DU
Person
DISTAL
Belebt
Unbelebt
MINIMUM
In diesem Sinne sind die 1. und 2. Person immer definit – nur bei der 3. Person ist die
Differenzierung von ± finit möglich.
Das ist besonders auch im Pronominalsystem deutlich, vgl. bei der 3.Ps. er (sie) vs. man
Dem entsprechen die Möglichkeiten im Prädikat zu einer unspezifischen Personmarkierung,
die typologisch allerdings sehr verschieden artikuliert sind:
vgl. im Dt. es wird getanzt (kein Passiv im semantischen Sinne der Schulgrammatik!)
Spachen wie das Finnische haben dazu eine eigene Verbform (in den Gramamtiken manchmal
"4. Person" geannt, andere sprechen von "Passiv" – hier ist kein Ausdruck von Agens
möglich)
vgl. FIN
sano-n sing.PRÄS-1S "ich singe"
sano-i-n sing-PRÄT-1S "ich sang"
sano-ta-an sing.PRÄS-PASS-INDEF "es wird gesungen"
sano-tti-in sing-PASS.PRÄT-INDEF "es wurde gesungen"
56
Informationsstruktur
#
Kap. 9
t
Altes: Thema
(Satzgegenstand)
Strukturierendes
Funktionselemente
#
Neues: Rhema
(Satzaussage)
Informationshaltiges
Lexikalisch Volles /
Propositional Ausgebautes
Orat: reihend: Folgeelement kommentiert vorausgehendes
#A
B
C ...... #
#der Hans # # gestern hab ich ihn gesehen # ....
Grade der Integration:
1) Vorfeldbelegung und „Topik“-markierung: Topik = Thema / Bekannt
#der Hans-den hab ich gestern gesehen #
2) Kasusintegration, Partikeltilgung (literat orientierte Edition)
#den Hans-den hab ich gestern gesehen #
#den Hans, den hab ich gestern gesehen #
#den Hans hab(e) ich gestern gesehen #
Topikmarkierung: [+ definit]
Wortstellung im Deutschen, z.B. Integrationsmuster des Aussagesatzes:
#
finites Verb
X
Y
(infiniter Prädikatsteil) #
VORFELD
Vorfeldbelegungen:
1) [+ definit]
# Peter war gestern zuhause #
# er war gestern zuhause #
# der Mann war gestern zuhause #
2) [- definit]
# ein Mann, der ein Vermögen geerbt hatte, wollte sich damit zur Ruhe setzen #
Außerdem: Ohne Vorfeldbelegung ("thetisch"), ohne Thema
thetische Äußerung: # kommt Peter gestern nachhause, ist da .... #
Situierender Rahmen: # gestern war er zuhause #
Semantik der Definitheit: Identifizierung der Argumente
A Hans hat heute morgen irgendeinen Papagei im Park gesehen
57
B Ich habe heute morgen einen Papagei im Park gesehen
C Ich habe heute morgen den Papagei im Park gesehen
A
B
C
nicht identifiziert, weder für S noch für H : [ - SPEZIFISCH] [ - DEFINIERT]
identifiziert für S, aber nicht für H :
[ + SPEZIFISCH][ + DEFINIERT]
identifiziert für S und für H :
[ + SPEZIFISCH][ + DEFINIERT]
z.B.
A: keine Ahnung, ob es überhaupt ein Papagei war
B: Sprecher hat den Papagei identifiziert
C: unser Papagei, der gestern weggeflogen ist ...
Identifizierung im (sprachlichen) Kontext: anaphorisch
# es war einmal ein Mann. Der (dieser Mann) hatte ein Vermögen geerbt. Damit wollte er
sich zur Ruhe setzen #
Inszenierung der Identifizierung, NICHT: Abbildung von Außersprachlichem
(definit ≠ bekannt)
Hol mir mal den Hammer !
A: der Hammer liegt da (H sieht ihn, kennt ihn ....)
B: H muß in Nebenraum gehen, war noch nie da, kennt den Hammer nicht:
Wenn du nach dem Hammer suchst, findest du ihn (NICHT: einen Hammer ...)
Mittel literarischer Inszenierung, Beispiel Camus, Die Pest (dt. 1966)
[Anfang Kap. 1]
Die seltsamen Ereignisse, denen diese Chronik gewidmet ist, haben sich 194.. in Oran
abgespielt. ... Zugegeben, die Stadt selber ist häßlich. Sie sieht so gesetzt aus, daß ..... Unsere
Mitbürger arbeiten viel, aber nur, um reich zu werden. Sie befassen sich hauptsächlich mit
Handel und mit dem, was .... Die Wünsche und Begehren der Jüngeren sind heftig und kurz,
während die Laster der Älteren sich auf die Zusammenkünfte der fanatischen Kugelspieler
beschränken ....
[Anfang Kap. 2]
Am Morgen des 16. April trat der Arzt Bernard Rieux aus seiner Wohnung und stolperte
mitten auf dem Flur über eine tote Ratte. Im Augenblick schob er das Tier beseite, ohne es
zu beachten, und stieg die Treppe hinunter. Aber auf der Straße fiel ihm ein, die Ratte sei dort
oben nicht recht am Platz ...
Semantische Bindungen der Interpretation, nicht formal (
Weltwissen):
A. Am Bahnhof habe ich ein Taxi genommen. Der Fahrer war Türke ...
B. Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war ein Mann.
C. Ich bin gerade in New York angekommen. Der Flieger hatte drei Stunden Verspätung ...
Identifizierende Prädikationen
vgl. mit C: Ich war gerade auf einer Hochzeit. Die Braut war der Mann.
der Mann, den du identifizieren kannst
Fehlen eines Identifizierungsproblems:
- singuläre Referenz:
58
der Mond war heute nacht sehr hell
*der Hans war heute nacht nicht zuhause (NORM: Hans war nicht zuhause)
- generische Referenz:
der Löwe ist ein Säugetier (Löwen sind Säugetiere)
Sonderproblem Eigennamen:
Tendenziell i.S. einer damit vorgenommenen Identifizierung genutzt (Rückgriff auf den
Taufakt, der den Namen zu einem Charakteristikum der Person macht). Aber dabei Namen
seriell (wieviel Hans gibt es in diesem Raum, in Osnabrück, in Niedersachsen ...?); vgl. auch
standesamtliches Problem, daß nur ein anerkannter Name (Serie!) registriert wird.
In diesem Sinne im Deutschen (Hochsprache) Eigennamen intrinsisch definit, als Gegenstück
zu den korreferenziell definiten Pronomina.
Typologisch so auch in vielen Sprachen morphologische Gemeinsamkeiten von Pronomina
und Eigennamen (in australischen Sprachen oft Akkusativparadigma, wo bei Nomina sonst
ein Ergativparadigma – sog. "split ergativity").
Im Deutschen aber temdenziell Gruppierung mit Substantiven. Deutlich so beim attributiven
Ausbau einer NG: der schöne Hans (*schöner Hans)
vgl. aber schöner er (wie in Anzeigen: Guterhaltener Er sucht ebensolche Sie)
Dem entspricht die Generalisierung der Artikelmarkierung in der Umgangssprache:
der Hans kommt heute ...
II. Grammatikalisierung: Typologische Fragen
Nominalgruppe (NG) [±mehrwortig] (expandiert) im Deutschen:
einfach ("pronominal"): er / sie / es
komplex (NG )
N [+deskriptiv]
attributiv
ausgebaut
DET
+
N
Attr
+
N
d-er
alte
Mann
Grammatikalisierung (Funktionselement):
Verallgemeinerung einer Markierung: Semantische Abstraktion formales Merkmal
Phonologische Schwächung
dt. [+def] : best. Artikel [+ ]/[+ ] der ≠ Demonstrativ [ + ] der
dt. [-def] : unbest. Artikel [ ]/[ ] ein ≠ Zahlwort [
] ein , Grenzfall "Null-Artikel"
Hans fährt mit dem Auto seines Vaters
Hans fährt mit einem alten Auto
Hans fährt *auto
Differenz:
Der Apfel hängt am Baum
Der Apfel hängt an dem Baum (an welchem?)
Grenzfall: formale Markierungen:
er kann ihm nicht *das geringste vorwerfen
wie wir *im folgenden sehen werden
59
Markierung der NG durch Artikelwörter:
Hans fährt mit keinem alten Auto
Hans fährt mit meinem (*dem meinen) alten Auto
Typologie:
Alle Sprachen haben Mittel referenzielle Beziehungen deutlich machen, aber nur einige
Sprachen haben ein grammatikalisiertes System:
Kap. 9, Russisch:
Dt. # die Vase ist auf dem Tisch #
Russ. # vasa na stol’e #
Engl. # the vase is on the table #
ABER
Dt. # auf dem Tisch ist eine Vase #
Russ. # na stol’e vasa #
Engl. # there is a vase on the table #
Grammatikalisierung nach der Ego-Skala: Pronomen > Nomina ...
Markierungsysteme:
- nur definite Form markiert,
- nur indefinite Form markiert
- definite und indefinite Form markiert
nur definit, z.B. Altgriechisch ho anthropos "der Mensch" / anthropos "ein Mensch"
"ein Fell"
nur indefinit, z.B. Berber ilis "das Fell" / " "
Markierung oft gebunden an grammatische Funktionen, z.B.
Türkisch, Persisch .... : Indefinit markiert (türk- bir), definit nur am Objekt markiert:
Kasussystem:Bespiel el- "Hand" (Endungen mit Vokalharmonie zum Stamm)
Absolutiv -∅: el
Akkusativ –I: el-i
Genetiv –In: el-in
Dativ –E:
el-e
Lokativ –dE: el-de
Ablativ – dEn: el-den
Akkusativ nur bei definitem Objekt markiert:
bilet
sat-ıyor-lar
FahrkarteABS verkauf:-PRÄS-3.PL "sie verkaufen Fahrkarten"
bir
mavi kuma
ist-iyor
INDEF blau Stoff.ABS woll:-PRÄS.3.S "sie will einen blauen Stoff"
mavi kuma -ı
seç-ti
blau Stoff-AKK.DEF wähl:-PRÄT.3.S "sie wählte den blauen Stoff"
D.h. im Türkischen gibt es einen direkten Zusammenhang von thematischer Organisation des
Satzes und Definitheitsmarkierung:
Auszugehen ist von der Defaultartikulation des Themas als Subjekt – dieses ist daher im
Defaultfall [+ definit]. Hier braucht nur der markierte Fall eine morpho-syntaktische
Markierung: INDEF bir, so.
60
Spiegelverkehrt ist es beim (direkten) Objekt, das im Defaultfall [- definit] ist. Hier braucht
nur der markierte Fall eine morpho-syntaktische Markierung: die definite Variante des
Akkusativs wie bei kuma -ı Stoff-AKK.DEF.
Ausdifferenzierung der Bestimmtheitsmarkierung: Wort vs. Affix
dän. mand-en "der Mann" / en mand "ein Mann"
S.Arabisch definit: °l-° vs. indefinit °-n°
"'
" "'
" "das große Buch (NOM)"
'
" " '
" " "ein großes Buch (NOM)"
Fusionierung von grammatischen Markierungen:
Deutsch Artikelwörter:
- Possessive (s.o.): ital. la mia macchina - (*der) mein Wagen
- Demonstrative: mar. arab. had-l-' - dieses (*das) Buch
Starke / schwache Flexion der Adjektive im Deutschen:
d-er gute Wein
∅ gut-er Wein (will lagern)
ein gut-er Wein
≠ flexionslose Form: prädikativ, adverbial: der Wein schmeckt gut-∅
Vgl. Russ.
"Langform" der Adjektive: attributiv / prädikativ, "Kurzform"prädikativ:
novo-je iskusstvo "(die) neue Kunst"- iskusstvo novo "die Kunst ist neu"
r'
eka burna-ja "der Fluß ist wild" – sevodnja r'
eka burna "heute ist der Fluß wild" Zur Grammatikalisierung:
Die chronologische Sequenz bei der Herausbildung von Artikelsystemen:
I.
Die semantische Funktion Definitheit wird grammatikalisiert – also mit
bestimmten schon vorhandenen Ausdruckmitteln artikuliert; in den germanischen
Sprachen z.B. mit den demonstrativen Formen (*d- / *s-),
II.
Eine bestimmte Formen (ein Formenparadigma) wird spezialisiert für die
Artikulation der semantischen Funktion Definitheit.
Die Stufe I läßt sich schon im Gotischen fassen – II gilt dort nicht: Das macht die Analyse der
Formen im Text oft schwierig (s. Teil II dieser Einführung). In der konservativen
Orthographie des Deutschen ist das noch genauso: der kann Artikel, Demonstrativ,
Relativpronomen ... sein. Im gesprochenen Deutsch ist das anders, so.
Die Stufe II ist dagegen im Engklischen schion in mittelenglischer Zeit erreicht, vgl. heute:
Artikel: the (invariable Partikel)
Demonstrativ: this ... (< alte zusammengesetzte Formen th[ ]+s[ ])
Relativ: wh- (that)
61
16: Vlsg.: Wort II
Morphologisch: WORT
STAMM + AFFIXE
Lexikon
Grammatik
14. Vlsg. minimaler Satz = Wort in kopfmarkierten Sprachen
Minimal: deskriptives Prädikat (Szenario)
synthetisch, z.B. Lakhota (Satz = Wort)
# A1+(A2+…)V (+X) # A1= Objekt (Patiens), A2 = Subjekt (Agens)
ma – yá – kte « du hast mich getötet »
1S.O. – 2S.S – töt:PRÄT
Aber auch :
∅ - ∅– kte „er hat ihn (es) getötet“
3S.O. – 3S.S – töt:PRÄT
mehrwortiger Satz: Ausbaustufe mit deskriptiven Argumenten
appositiv zu synthetischer Satzbasis; S/A < O/P
wi háša ki mathó w
kte
„der Mann hat einen Bär getötet“
Mann DEF Bär INDEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT
mathó w
wi háša ki
kte
„ein Bär hat den Mann getötet“
Bär
INDEF Mann DEF 3S.O-3S.S-töt:PRÄT
Weiterer Ausbau syntaktisch: Komplexe Konstituenten
die Tür
die große Tür
die große Tür des Hauses ....
Komplexere Stämme: Inkorporation (weiter: Wortbildung, Block V)
Haustür
Sprachbau: Isolierend ↔ synthetisch ↔ polysynthetisch
Deutsch: Inkorporation uneingeschränkt bei Nomina, beim Verb:
vorlaufen - er läuft vor
trennschleifen – er trennschleift (*er schleift trenn)
eislaufen – ?er läuft eis
autofahren – er fährt auto (O: Auto fahren – er fährt Auto)
staubsaugen - ? er saugt staub (O: er saugt Staub)
kegelschieben - ? er schiebt kegel (O: er schiebt Kegel)
fotokopieren – *er kopiert foto (er fotokopiert)
Rückbildungen: das Laufen > das Eislaufen, das Saugen > das Staubsaugen
Verbalnomen > Infinitiv: er will eislaufen, er will staubsaugen ...
Inkorporation eines Stammes: lexikalische Bedeutung, nicht referenziell:
er will autofahren
?er will mit dem Roller autofahren ...
62
er will das schnelle Auto fahren
das Auto, das seinem Vater gehört ....
Inkorporation in polysynthetischen Sprachen:
Tiwa (Indianersprache, USA)
ti-khwian-mu-ban
1.S-Hund-seh:-PRÄT "ich sah einen (den) Hund"
men-mukhin-tuwi-ban
2.D-Hut-kauf:-PRÄT "ihr beide kauftet einen (den) Hut"
in-khwian-wia-che-ban
seuanide-ba
ARG-Hund-geb:-PASS-PRÄT Mann-INSTR "der Hund wurde mir von dem Mann gegeben"
Besonders komplex: Eskimo (Fortescue 1984)
- Numerus /Kasus/ Person = Possessiv NOMEN
- Numerus /Modus/ Person = Aktant
VERB
kann quasi beliebig komplex sein:
Lex1+ Lex2+ ... + grammat. Marker1+ grammat. Marker2+ ...+ grammat. Markern
grammat. Markern entscheidet über mögliche Affixe
ilinnia-qqik-kiartur-tin-nigar-tu-ssaq
lernen-befördern-gehen.und-verursachen-PASS-INTR-PZP.FUTUR
Keine Modusmarkierung, ∅ als Kasusendung = Absolutiv
Nomen "einer der geschickt werden soll, um ihm beim Lernen zu helfen"
aliikkus-irsu-i-llammas-sua-a-nira-ssa-gukku
Unterhaltung-besorg:-mit-INTRANS-einer-gut.dazu-groß.sein-sagen-FUTUR-1S-3S-KOND
Modusmarkierung, Personal- = Aktantenmarkierung
Verb: "wenn ich sagen sollte, daß er ein guter Unterhalter ist"
Invers: Analytischer Bau (mehrwortige Konstituenten) - Pazifischer / Ozeanischer Raum
z.B. Jaminjung (Nordaustralien( Schultze-Berndt 2000)
Prädikat semantisches "Koverb" + grammatisches (finites) Verb ("leichtes Verb")
bulug-mayan=biya yurru-yu
ti
trink:-KONT=jetzt 1.P.inkl-sei:PRÄS Tee "laßt uns jetzt Tee trinken"
vgl. rhein. +6
+7 ' ("tun wir Tee trinken")
Dynamik im Deutschen analytischer Bau:
PRÄDIKAT: Funktionselement + Inhaltselement
leichtes Verb + Infinitiv (Status I: ohne zu)
Komplexer Satz:
Hans versprach einzukaufen
Komplexes Prädikat: Hans wird einkaufen
Hans muß einkaufen
63
Hans läßt einkaufen
Hans geht einkaufen .....
In anderen Sprachen einwortig, vgl. Wortbildung im Marokk. Arabischen
°( 4° "verrückt"
verbal: ( 4"er ist verrrückt" (stativ)
( 4"er ist verrrückt geworden" (inchoativ)
(
4"er hat NN verrrückt gemacht" (kausativ)
Analytische Bildung Funktionsverbgefüge im Deutschen:
leichtes Verb + Präp.Gruppe + XY
A Unsere Gruppe kommt jetzt in Schwung FVG
B Unsere Gruppe beruft sich auf ihr Recht
C Unsere Gruppe trifft sich vor dem Rathaus
C: ...auf dem Dachboden, hinter der Scheune .. Adverbial.
B: ... denkt an (*auf) ihr Recht, spricht von (*auf) ihr Recht Präp.Objekt
Leichte Verben:
Erweiterung des Paradigmas um Aspektunterschiede + Valenzaufstufung
DURATIV: stehen
ICHOATIV: geraten / kommen / nehmen
KAUSATIV: bringen / setzten / stellen / halten
nur formal multiverbiert: nicht attribuierbar
Unsere Gruppe kommt jetzt in ?großen Schwung
Unsere Gruppe stellt die Absprche in ?große Frage
Inhaltselement nicht referenziell:
Unsere Gruppe kommt jetzt in *den Schwung
Unsere Gruppe kommt jetzt in *ihn (*der Schwung / der Wald ...)
Unsere Gruppe kommt jetzt da hinein (der Schwung / der Wald)
*Wohin kommt unsere Gruppe jetzt?(*der Schwung / der Wald)
Daher kein Artikel als referenzielle Markierung:
ggf. Artikel formal in "Kontraktion":
zum (*zu dem) Abschluß / zum (*zu dem) Erliegen / zur (*zu der) Anwendung ... kommen
ABER
zu (*zum/ *zu dem) Bewußtsein / zu (*zum/ *zu dem) Fall / zu (*zum/ *zu dem) Gehör ...
kommen
ins (*in / ?in das) Belieben / ins (*in / *?in das) Benehmen ... stellen
ins weniger normkonform als zum !
ABER
in (*in die) Aussicht / in (*in den+) Abgang ... stellen
64
Die Dynamik der Inkroporation wird bei Sprachen wie Persisch besonders deutlich, bei denen
sich die syntaktische Inkorporation noch nicht morphologisch (auf der Wortebene) auswirkt –
jedenfalls nicht in der Orthographie:
Neue Verben werden hier mit nominalen Elementen und "leichten Verben" wie kardan
"machen" gebildet, also nach dem Muster einer akkusativischen Ergänzung, z.B. mit ehzaar
"Aufforderung" ehzaar kardan "auffordern". Aber bei solchen "zusammengesetzten Verben",
wie sie in der persischen Grammatik heißen, belegt das nominale Element im Prädikat keine
Valenzposition im Szenario, vielmehr ist der Ausdruck als ganzes ein transitives Verb, z.B.
man-o (< man-raa) ehzaar
kard
1.S-AKK
Aufforderung mach.PRÄT.3S
"er forderte mich auf"
Vor diesem Hintergrund sind die sog. Funktionsverbgefüge im Deutschen zu analysieren: Bei
der Inkorporation sind die nominalen Elemente im Deutschen unspezifisch, also nicht
referenziell zu markieren (anders oben Tiwa):
Auto fahren vs. ein schnelles Auto fahren
Prinzipiell die gleichen Verhältnisse finden sich beim Ausbau einer NG: Bei der
Inkroporation in ein Nominalkompositum ist keine referenzielle Markierung möglich, wie sie
die komplexe NG erlaubt:
das Haus des Vaters vs. das Vaterhaus
65
17. Vlsg.: Valenzänderungen
Sachverhalt
Sachverhaltsdarstellung
(Proposition / Satzbasis)
GRAMMATIK1
(Valenz)
LEXIKON
GRAMMATIK1
(Szenario: Rollen)
Vater
Mutter
Kind
Blumen
Prädikat (Erg1 + Erg2 + Erg3)
Verb: geben
Rollen HA: [Geb]er
NA1 : Ge[geben]es
NA2 : Be[geben]er (Empfänger)
Diathese I (Problem Subjekt: rolleninvariant)
Der Vater gibt der Mutter die Blumen (Subjekt: [Geb]er)
Die Blumen werden der Mutter vom Vater gegeben (Subjekt: Ge[geben]es)
Die Mutter bekommt die Blumen Kind vom Vater gegeben (Subjekt: Be[geben]er)
"Agentivitätsgefälle" als Defaultfall:
HA: max,
Belebtheitsgefälle:
HA, NA2: max, NA1: min
Valenzreduktion:
3 > 2 Der Vater schenkt der Mutter Blumen (Subjekt: [Schenk]er)
Der Vater schenkt Blumen
(Subjekt: [Schenk]er)
Der Vater beschenkt die Mutter
(Subjekt: [Schenk]er)
NA2 belebter als NA1; aber NA1 nicht festgelegt auf Inhalt der (Trans-) Aktion ("Patiens")
Valenzreduktion:
2 > 1 Der Vater kocht die Suppe (Subjekt: [Koch]er)
Der Vater kocht
(Subjekt: [Koch]er)
Die Suppe kocht
(Subjekt: Ge[koch]tes)
kochen ist ein "ergatives" Verb,
66
Baskisch
aita-k {ERG} salda {-∅ ABS} bero-tzen du "Der Vater kocht die Suppe"
aita-k {ERG} bero-tzen du "Der Vater kocht"
salda {-∅ ABS} bero-tzen da "Die Suppe kocht"
Hans gedenkt seiner (NA1 im Genetiv)
es wird seiner gedacht / seiner wird gedacht (kein HA !)
1 > 0 Die Mutter tanzt (Subjekt: [Tänz]er)
Es wird getanzt
NB zur Valenzreduktion:
Das Makroszenario bleibt dabei erhalten:
Der Vater kocht Der Vater kocht etwas (Suppe, Mus … )
Eine solche ellliptische Bezihung besteht nicht beim "Einsparen" von Spezifizierung in der
Peripherie:
Der Vater denkt NICHT Der Vater denkt irgendwo (in seinem Büro, im Park … )
Daß es auch hier einen Ort gibt, an dem der Akteur sich aufhält, ist eine Sache des
Weltwissens, die nicht in der grammatischen Form symbolisch fest ist.
PROBLEMFELD 1: DIATHESE II ("Medium" / Reflexiv)
Pseudotransitiv:
Valenz 2:
Der Chef verbittet sich solche Bemerkungen
Der Junge erhofft sich gute Noten
Valenz 1:
Das Kind schämt sich
Die Mutter ziert sich
Der Unfall hat sich ereignet
Das Buch liest sich gut (Quasi-Passiv, "ergatives" Verb, s.o.)
Valenz 0 (Passiv)
Es wird sich nicht geschämt
Es wird sich nicht geziert
Es wird sich nicht beeilt
Unterscheiden von KOREFERENZ (Reflexivität)
Die Mutteri wäscht den Jungen / sich (*die Mutteri)
Der Vateri schmückt den Weihnachtsbaum / sich (*den Vateri)
Sachverhalt: 2 / 1 Akteur
Sachverhaltsdarstellung: 2 Akteure ("Partizipanten")
NB: Reflexivpronomen im Dt. nur sich (Akk = Dat)
ich wasche mich ( reflexiver Gebrauch des Personalpronomens)
Standardbedingung: Referenzidentität von Subjekt und weiterem Satzglied
67
Valenzänderungen und Szenariodifferenzen: [± agentive] Szenarien
Hans öffnet die Tür [+ agentiv]
the door opens
[+ agentiv]
die Tür öffnet sich
vgl. aber auch [+ agentiv]:
Hans öffnet sich dem Therapeuten (sich = sein Herz ...)
Typologisch:
Sprachen unterschiedlich variabel:
Englisch sehr variabel:
The garage parks fifty cars
"In der Garage können fünfzig Autos parken" => geparkt werden
(parken ist "ergatives" Verb:
Hans hat sein Auto geparkt
(Subjekt: [Park]er)
Das Auto ist auf dem Gehweg geparkt (Subjekt: Ge[park]tes)
russ. Reflexiv: invariabel –sja
Viktor v'
ertit kol'
eso "Viktor dreht das Rad"
Viktor v'
ertitsja "Viktor dreht sich"
kol'
eso v'
ertitsja "Das Rad dreht sich"
Passiv / "Reflexiv"-abstufung:
ork'
estr ispolijajet sonatu "das Orchester spielt eine / die Sonate"
sonata ispolijajetsja
"die Sonate wird gespielt"
sonata ispolijajetsja ork'
estrom "die Sonate wird von einem Orchester gespielt"
Mar. Arabisch:
"er hat (etwas) gewaschen"
vs.
"/ "er hat sich gewaschen" & "er ist gewaschen worden"
) "er hat verkauft"
vs. " ) "er ist verkauft worden" & "es hat sich verkauft (verkaufen lassen)"
/
Finnisch:
keine Diathese wie Dt. u.a.
Pekka maala-a
talo
Pekka mal:-PR.3.S Haus.A "P. bemalte das Haus"
talo
on
Peka-n maala-ama
Haus.N sei:3.S Pekka-G mal:VN "das Haus ist von P. bemalt worden"
wörtl. "Das Haus ist <im Zustand von> Peters Malen"
"unpersönliches Passiv" (Einsparung des HA)
talo maala-ta-an "man bemalt das Haus / das Haus wird bemalt (*von X)"
68
PROBLEMFELD 2: WEITERE (NICHT VALENZGEBUNDENE) ERGÄNZUNGEN
VERB
Szenario (Rollen)
valenzgebundene Ergänzungen
Hans singt Schlager
ADVERBIALE
freie Ergänzungen
in seiner freien Zeit
den ganzen Tag
(a) Präposition als höheres Prädikat:
in ([Hansi singt Schlager] , [seinei freie Zeit])
(b) adverbialer Akkusativ (NB: Synkretismus mit NA1)
Sonderprobleme bei Dativ (Synkretismen mit NA2):
(a)
(b)
Valenz: 3
Der Vater gibt der Mutter (NA2) die Blumen
Valenz: 2
Der Vater trägt den Koffer
Der Vater trägt der Mutter (NA ??) den Koffer "dativus commodi"
Diathese-Test:
Der Mutter wird vom Vater der Koffer getragen
Die Mutter bekommt vom Vater den Koffer getragen
Mutter: NA2
ANDERS
Hans verbrennt das Manuskript
Das Manuskript verbrennt ihm
*er bekommt das Manuskript verbrannt
NUR: er bekommt das Manuskript von seinem Vater verbrannt
das Manuskript wird verbrannt
das Manuskript wird ihm (von seinem Vater) verbrannt
POSSESSIV
Hans hat ein Bein gebrochen
Hans hat das Bein gebrochen
Hans hat sein Bein gebrochen
Hans hat sich ein Bein gebrochen / Hans hat ihm ein Bein gebrochen
"Dativus iudicantis"
Du schreibst mir zu selten Deinen Eltern
Allokutiv:
Da kommt dir der Hans neulich in die Kneipe ....
69
18. Vlsg.: Ausbauformen der Satzbasis: Modifikatoren
1. Modifikation von Konstituenten
S
SB’
SM
SB
E1
E2
Präd
N
N
V
N
Peripherie
Adverb
Attribut
1.1. Ad-nominale Modifikation : Attribut
Spezifizierung (Einschränkung) der Bedeutung eines Partizipanten (narrative Prädikation)
oder relationalen Terms (qualitative Prädikation)
Ich habe ein Auto gesehen
Ich habe ein rotes Auto gesehen
Hans ist Lehrer
Hans ist ein schlechter Lehrer
Im Deutschen eigene Wortart Adjektive, attributiv und prädikativ zu gebrauchen, aber
prädikativ heute unflektiert [reiner Stamm] (anders regional: Süden: Österreich ...)
Hans fährt mit einem schnellen Auto
Das Auto ist schnell (* das Auto ist ein schnelles)
Viele Sprachen ohne Wortart Adjektiv, z.B. Berber
- prädikativ mit Substantiv (> Nominalsatz) oder mit finitem Verb (> Verbalsatz):
" (
#
3.S.F-froh.sei:PF Mutter
"Die Mutter ist fröhlich"
70
#
Mutter
+
" 9 "
KOPULA
F-krank-F*
“ Die Mutter ist krank (= eine Kranke) ”
-attributiv als Partizip (invariabel) zum Verb (oder auch als appositives Nomen)
#
Mutter
" ("
=""/
PZP-froh.sei:-PZP*
3.S.F-IPF-sing:
Die fröhliche Mutter singt”
1.2. Ad-verbale Modifikation: Adverb
Spezifizierung des Ereignisses / Vorgangs (artikuliert durch die Proposition)
Hans läuft
Hans läuft schnell > [lexikalische Inkorporation] Hans rennt
Daher Prädikation über der "Verbalgruppe"
Hans aß schnell einen Hamburger
> Hans aß einen Hamburger & das geschah schnell
e = Ereignis, ts = Sprechzeit, te = Ereigniszeit
∃ e (te < ts) [Hans aß einen Hamburger] e & [schnell] e
Keine eigene morphologische Form des Adverbs im Deutschen (= reiner Stamm wie in
prädikativer Funktion)
Sonderfall: lexikalisch spezialisierte Adverbien: heute, bald, gern ....
evtl. in attributiver Funktion mit Ableitungssuffix:
ein baldiger Termin
der heutige Tag ...
*das gernige Geschenk --Adverbien ebenfalls typologisch markiert, z.B. Mar. Arabisch
PräpGruppe Mar. Arab. " "
"schnell"
mit-DEF-Schnelligkeit
Intensivierung durch "inneres Objekt", so Standard Arabisch
9
" "*
9 " "er schlug ihn heftig"
schlag:PF-3.S.M-3.S.M Schlag-AKK-INDEF
2. Komplexer liegen die Problem bei mehreren Prädikationen, die nicht als Modifikationen
von Konstituenten in der Proposition geordnet sind: Koprädikationen
Ein besonderer Fall davon:
Depiktive: qualitative Nebenprädikation
Emma kam müde zuhause an
≠ die müde Emma kam zuhause an (attributiv)
≠ Emma kam mit schleppenden Schritten zuhause an (adverbial)
Emma kam zuhause an & war dabei müde
71
Emma trinkt den Kaffee schwarz
≠ Emma trinkt den schwarzen Kaffee (attributiv)
≠ Emma trinkt den Kaffee hastig (adverbial)
Emma trinkt Kaffee & der Kaffe ist dabei schwarz
Schwierigkeit der syntaktischen Analyse:
S
SB’
SM
SB
E1
E2
Präd
N
N
V
Peripherie
Depiktiv
(Objektsprädikativ)
Problem: Prädikation über einer Nicht-Konstituente!
Syntaktisch aber auch: Kein unabhängiges Szenario (keine neuen Argumente) gegenüber der
(Matrix-) Proposition
Depiktive kommen in vielen Sprachen nur eingeschränkt oder gar nicht vor.
z.B. Berber
"1"
+
find:PF-1.S-3.S.F
KOPULA
“ Ich fand sie krank”
"
9 "
F-Kranke-F*.S
Syntaktische Analyse als Fusion zweier Strukturen (narrative und qualitative Prädikation):
72
SATZ
S. BASIS
PRÄDIKAT
"
S:MODALITÄT
ARGUMENTE
ARG1
ARG2
"1
"
SUBJEKT
+
9
PRÄDIKAT
S.BASIS*
3) Anders liegen die Verhältnisse bei der Verknüpfung von Prädikaten mit den gleichen
Aktanten: Ko-Subordination, die in einigen Sprachen als "serielle Verben" diskutiert werden
und einen Übergang zu komplexen Prädikaten bilden, s. Vlsg. XY
Generell geht es hier um Formen des Propositionalen Ausbaus: also propositinaler Struktren
innerhalb einer Proposition (der sog. Matrix). Der Grenzfall liegt immer da vor, wo die
Struktren nicht mehr prädikativ sind – bei einer wortartbezogenen Analyse also nominal sind,
keine Argumente haben können.
Diese Fragen wieder in Block V bei der Wortbildung:
Wasser ist nicht prädikativ im hier benutzten syntaktischen Sinne (nur im Sinne eines
semantischen Prädikats von einem referenziellen Term: Wasser (x), s. Kap. XY),
laufen ist dagegen syntaktisch prädikativ: es spannt ein Szenario auf: Hans läuft .
In beiden Fällen kann in Sprachen wie dem Deutschen mit den Mitteln der Wortbildung eine
Änderung der syntaktischen Wertigkeit vorgenommen werden:
zu Wasser kann ein denominales Verb gebildet werden: wässern,
zu laufen ein deverbales Nomen: der Lauf.
73
Block IV: Ausbauformen des Satzes: Komplexe Sätze
19. Vlsg.: Komplexe Sätze im Überblick
TEXT
S1 ^ S2 ^ … ^ Sn
SB × SM
Si
SB: einfach oder komplex (Modifikatoren ...)
Hier sind unterschiedliche Perspektiven zu trennen.
- In dieser Argumentation gehe ich von einem Ausbau einfacher syntaktischer
Grundstrukturen aus; d.h. in einfachen Strukturen sind die (syntaktischen) Potentiale
zu bestimmen, an denen der Ausbau ansetzen kann. Das entspricht der oraten
Sprachpraxis, bei der derartige Ausbaumöglichkeiten relativ beschränkt sind.
- Bei den meisten grammatischen Darstellungen wird demgegenüber von sequenziell
aggregierten Strukturen ausgegangen, die in einen Satz integriert werden (bei
generativen Arbeiten über eine Transformation). Das entspricht der literaten
Sprachpraxis, wie sie taditionell in der Schule eingeübt wird, wo Kinder auch heute
noch am Ende der Grundschulzeit in der "Aufsatzerziehung" dazu angehalten werden,
aus einer Kette von einfachen Sätzen komplexe Satzgefüge zu machen – wie man
tradtionell in der Lateinschule den Periodenbau übte (einschließlich er komplexen
Interpunktion: Kommata, Semikolon ....).
In sprachtypologischer Hinischt überlagern sich diese beiden Perspektiven notwendig da, wo
Sprachen sich in einem literaten kulturellen Umfeld entwickelt haben. Komplexe
hypotaktische Strukturen, besonders der Ausbau satzinterner Konstituenten (etwa beliebig mit
finiten Relativsätzen ausbaubaren NGs), sind ein Indiz für literate Verhältnisse, während in
oraten Kulturen der komplexe Ausbau eher (für die Verarbeitung im Arbeitsspeicher
erleichternd) als Anbau ("Adjunktion") am rechten Rand einer Satzbasis erfolgt (s. Vlsg. XY).
Es lassen sich so Typen und Grade des komplexen Ausbaus unterscheiden:
1. Komplexität durch Koordination (Verknüpfung paralleler Konstituenten):
1.1. Was wird koordiniert
1.1.1.Satzebene
Si
S1 & … & Sn
[[Hans spült] S und [Emma sieht fern]S]S
1.1.2. Konstituentenebene
[[Hans] NG und [Emma] NG sehen fern] S
[Hans [sieht fern] VG und [trinkt Bier] VG ] S
1.2. Wie wird koordiniert
1.2.1. & kann leer sein: Juxtaposition (prosodische Integration)
Hans lümmelt sich in den Sessel, legt die Füße hoch, sieht fern (,) / (und) trinkt Bier
1.2.2. & als Partikel (Koordination): syndetisch
[[Hans spült] S und [Emma sieht fern] S] S
Analyseproblem:
- & als Operator über den koordinierten Sätzen (wie 1.2.2.)
- oder nur über dem angeschlossenen Teil:
74
[[Hans spült] S [und [Emma sieht fern] S] S'] S
Dann sind aber die beiden koordinierten Sätze nicht äquivalent!
Übergang zur Subordination.
Typologisch: (Lisu, Tibeto-Burma)
ale nya thsibe thyea asa xe
athe
dea
Ale TOP spielen Banjo Asa &.TOP Messer schmieden
"Ale spielte Banjo und Asa schmiedete ein Messer"
Koordination als kalte vs. warme Struktur: Semantische Markierungen
(A) [[Hans spült] S [und [Emma sieht fern] S] S'] S
(B) [[Hans spülte die Vase] S und [Emma trocknete sie ab] S] S
(C) [[Hans hob Emma hoch] S und [sie konnte die Vase vom Schrank holen]S] S
(A) & = aber, und dabei (während dessen) ....
(B) & = danach, und dann ...
(C) & = daher, und deswegen ...
Koordinierende Partikel (gr. syndesmoi): aber, denn, trotzdem, indes ...
2. Ko-Subordination: Verknüpfte gleichrangige Elemente, die (von denen eines) nicht
selbstständig ist.
2.1. Koordinatenreduktion (Ellipse):
[[Hansi spült] S [und [ [*eri →∅ ]sieht fern] S] S']S
2.2. Markierung von Referenz- (dis-) Kontinuität ("switch reference"):
Arrernte (Pama-Nyunga, Australien)
artwe
alyelhe-me-le petye-me
Mann.ABS sing:-PRÄS-R.I komm:-PRÄS
"Der Mann kommt und singt (dabei)" (=kommt singend)
artwe
alyelhe-me-rlenge ayenge
petye-me
Mann.ABS sing:-PRÄS-R.I
1.S.NOM komm:-PRÄS
"Ich komme während der Mann singt"
2.3. Narrative Verkettung, SM-Neutralisierung:
Türkisch
kalk-tı-k
ve git-ti-k
aufsteh:-PRÄT-1.P und geh:-PRÄT-1.P
"wir sind aufgestanden und gegangen"
kalk-ıp
ve git-ti-k
aufsteh:-KONV und geh:-PRÄT-1.P
Übergang zur Subjunktion: kalk-ıp kann nicht alleine Prädikat sein!
3. Subjunktion: Propositionaler Ausbau einer Konstituente
Matrix ^ abhängige Satzbasis (Proposition)
75
3.1. WAS wird ausgebaut?
3.2. WIE wird ausgebaut
3.3. WO wird ausgebaut3.1. Alle Konstituenten außer Prädikat (komplexe Prädikate können
keine Propositionen enthalten!)
S
SB’
SM
SB
E1
(Satz-)
Gliedsatz
E2
Präd
Peripherie
N
V
Adverbialsatz
N
Attributsatz
3.1.1. Gliedsätze
Daß Hans den Abwasch macht, freut Emma (= Subjekt)
Emma hört, daß Hans den Abwasch macht (= Objekt)
3.1.2. Adverbialsätze
Emma sieht fern, wenn Hans den Abwasch macht
Emma sieht fern, damit Hans den Abwasch macht
3.1.3. Attributsätze
Emma, die nicht gerne fernsieht, macht den Abwasch
3.2.1. (A-) Syndetisch
Hans sagt, er kommt morgen
Kommst du heute nicht, kommst du morgen
vs.
Hans sagt, daß er morgen kommt
Wenn du heute nicht kommst, kommst du morgen
76
3.2.2. "Finitheitsskala" des Ausbaus:
MAX: unabhängige SM-Bestimmung
Emma, die hoffentlich bald nachhauskommt, macht den Abwasch
Hans kann heute nicht kommen, weil er ist krank (NOCH KEINE NORM)
ABGESTUFT I: Subjunktiv ("Konjunktiv")
Emma möchte, daß Hans den Abwasch machte
ABGESTUFT II: Infinitiv / Partizip
Referenzkontinuität (Kontrolle durch Argument in Matrix)
Hans versprach, den Abwasch zu machen (Matrixsubjekt ist Kontrolleur)
Hans sah Emma den Abwasch machen (Matrixobjekt ist Kontrolleur)
immer wieder auf den Fernseher schielend machte Hans den Abwasch
Diese Konstruktionen verlangen einen syntaktischen Angelpunkt ("engl. "pivot"), der
gewissermaßen die Achse für die Matrixkonstruktion wie abhängige Konstruktionen bildet. In
Hinblick darauf ist in vielen Darstelngen von einer syntaktischen Kontrolle die Rede, die von
einer semantischen i.S. der Interpretation des komplexen Satzes zu unterscheiden ist. S. dazu
Vlsg. XY.
MINIMUM: Verbalnomen
Nominal Evtl. Argumente possessiv / genetivisch artikuliert
Sein dauerndes Abwaschen nervte Emma
adverbale Ergänzungen nicht umgangssprachlich:
sein aufgeregtes an der Krawatte Zerren nervte sie
sein den Fernseher Abstellen ärgerte sie
3.3. "Verarbeitungsprobleme" bei Einbettung
Propositionaler Ausbau im Nachfeld
als Nachbemerkungen angehängt
BESSER: sein aufgeregtes Zerren an der Krawatte nervte sie
ihr Mann, der noch den Abwasch gemacht hatte, gähnte
ihr Mann gähnte, der noch den Abwasch gemacht hatte
In Hinblick auf die Probleme der Einbettung, insbesondere die Bewertung ihrer Komplexität,
sind aber die Zusammenhänge mit der Wortstellung in der jeweiligen Sprache grundlegend:
Die Verhältnisse sind anders in Sprachen, in denen der Kopf (tendenziell) den Satellitten
folgt, gegenüber solchen mit umgekehrter Wortstellung..
Zu den kopffinalen Sprachen (im Satz: verbfinale Stellung) gehören Sprachen wie das
Türkische, das Arrernte u.a., bei denen formal gesehen jeder Ausbau als "Einbettung"
angesehen werden kann – und tatsächlich komplexe Ausbauformen in der gesprochenen
Sprache auch eher marginal sind.
Das Deutsche hat sich auf eine Wortstellung hin entwickelt, bei der die Satelliten dem Kopf
folgen – im Aussagesatz mit der Verb-zweit-Stellung. Hier sind dann Erweiterungen vom
Kopf aus gesehen Nachträge, was eine viel größere Flexibilität und ein größeren Grad an
77
hyptaktischem Ausbau auch in der gesprochenen Sprache ergibt, der sich historisch aber auch
erst in der Zeit einer rasch zunehmenden Literarisierung der Gesellschaft ausgebildet hat.
Deutlich ist das insbesondere beim Ausbau von NGs: Im Deutschen folgen sie dem
(nominalen) Kopf und sind von daher sehr viel freier – in der gesprochenen Sprache aber in
der Regel doch nur am rechten Satzrand zu finden.
Im Türkischen sind attributive Konstruktinen (in der traditionellen Sprche, wie sie der anderer
nicht-literat ausgebauter Turksprachen entspricht) nicht finit und auch nur minimal mit
Satelliten zum Prädikat ausgbaut.
78
20. Vlsg.: Haupt- und "Nebensätze" I
Was ist ein Nebensatz – nebensächlich?
Hans ist nachhause gekommen, als er sein Experiment abgeschlossen hatte.
THEMA
RHEMA
Wann kam Hans nachhause?
Als er sein Experiment abgeschlossen hatte, kam Hans nachhause
Formales Kriterium: Wortstellung
Hans hat sein Experiment abgeschlossen, als er nachhause gekommen ist
Vf-2
Vf-letzt
"Nebensatzwortstellung" sprachgeschichtlich jung:
ahd. her fragen gistuont (Hilebrandslied)
ahd. ther engil imo nahte (Otfired)
Mhd. – frnhd. archaisierender literar Stil (vor allem Epik):
diu edele küneginne vil sere weinen began (Nibelungenlied)
Kunstpatina seit 18. Jhd.
einen saubern Feierwams er trägt (Goethe)
keiner den Becher gewinnen will (Schiller)
Ie. Sprachen alt:
Wortstellung relativ frei, aber Default V-letzt (ggf. in in jedem Teilsatz),
Kunstprosa dagegen mit "scrambling" (vor allem Latein!)
Entwicklung aber schon Latein / Griech.:
Nachfeld des Verbs als rhematischer Bereich genutzt.
Seit Mittelalter / Frühe Neuzeit in den meisten ie. Sprachen
S
#XVY#
z.T. verstärkt durch gleichzeitigen Abbau der Flexionsformen, dann wie im Englischen
S
#SVO#
"Gespaltene Wortstellung" (HS ≠ NS) wie im Deutschen Ausnahme: i.e. aber auch
typologisch generell.
Dabei deutlich:
V-2 markiert den (indikativischen) Aussagesatz,
"Nebensatzstellung" der so nicht markierte, bewahrte alte Zustand
Problematisch: Generativistische Tradition (seit Bierwisch 1963):
"Grundwortstellung" im Dt. # S O V #
79
-
und transformationelle Ableitung der anderen Stellungen (= Ableitung als Rekapitulation
der Sprachentwicklung)
Allerdings mit zunehmend analytisch gebildeten Prädikaten: Rahmenstellung mit dem das
Szenario (SB) aufspannenden infiniten Prädikatsteil in Endstellung und dem finiten Teil (SM)
in Zweitstellung:
er wird von den seinem Arbeitgeber nicht bezahlt werden können
In den germanischen Sprachen sonst allerdings nicht so:
engl. he will not be paid by his employer
Wie im Deutschen im Niederländischen:
hij werd door zijn broer geholpen
er wird durch seinen Bruder
geholfen ("ihm wird von seinem Bruder geholfen")
Aber seit Ahd. verbreitet nur "kleiner Rahmen", vgl.
wio sol ich anderen geben drost (Notker)
welt ir nu genesen von dem ewigen tode (Berthold)
Israel ist geflohen vor den Philistern (Luther)
Dagegen typologisch üblich:
Markierung der Hypotaxe:
- durch verknüpfendes (einleitendes) Element (syndetisch)
- durch Sonderform des Verbs im abhängigen Satz (Finitheitsabstufung)
Übliche Sichtweise:
in der Tradition des rhetorischen Unterrichts: Abstufung eines "Hauptsatzes" zum
"Nebensatz" (Subjunktion "Unterordnung")
[S1] + [S2] → [HS ^ NS]S
statt: Ausbau eines Satzgliedes:
Als er sein Experiment abgeschlossen hatte, kam Hans nachhause
Vf-2
Im Deutschen dominant: Markierung durch Wortstellung;
daher Verbform sekundär.
In anderen Sprachen: abhängiger Satz (subjungiert)
(dt. Grammatiktradition: Konjunktiv), z.B. Latein
Subjunktiv
ignoro
quid dicere velis
ich.weiß.nicht was sagen du.willst (Subj. Präs.; Ind.Präs. vis "du willst")
"ich weiß nicht, was du sagen willst"
ignoravi
quid dicere velles
ich.habe.nicht.gewußt was sagen du.willst (Subj. Ipf.;
Ind.Ipf. volebas "du willst")
80
"ich wußte nicht, was du sagen willst (wolltest)"
-
Neutralisierung der Tempusmarkierungen ("consecutio temporum")
Subjunktiv ohne semantische Funktion:
Gleichzeitigkeit
Vorzeitigkeit
Matrixsatz
Präsens (Futur)
Vergangenheit
Präsens (Futur)
Vergangenheit
abhängiger Satz
Subj. Präsens
Subj. Imperfekt
Subj. Perfekt
Subj. Plusquamperfekt
Konjunktiv im Deutschen als Modus (s. Block Satzmodalität)
an deiner Stelle täte ich das auch
≠ an deiner Stelle tue ich das
Hans trüge niemals so ein Jackett
≠ Hans trät niemals so ein Jackett
Hätte ich doch nur den Schlips gekauft!
≠ Ich hatte (doch nur) den Schlips gekauft
Modus auch bei nicht-faktiven Verben:
(A) Hans berichtet, daß Emma auf Mallorca ist
(B) Hans berichtet, daß Emma auf Mallorca sei (wäre)
B
A
Emma ist nicht auf Mallorca
Emma ist auf Mallorca (jedenfalls ist das möglich)
Bei faktiven Verben (die den Sachverhalt in der abhängigen Proposition vorausetzen) ist kein
Konjunktiv möglich:
(A) Hans weiß, daß Emma auf Mallorca ist
(B) *Hans weiß, daß Emma auf Mallorca sei (wäre)
Daneben eine Klasse von nicht-faktiven Verben, bei denen kein derartiger modaler
Unterschied gemacht werden kann:
(A) Hans behauptet, daß Emma auf Mallorca ist
(B) Hans behauptet, daß Emma auf Mallorca sei
B
A
Emma ist auf Mallorca oder nicht
Emma ist auf Mallorca oder nicht
Von daher unangemessene normative Vorschrift:
- zum Konjunktiv in abhängigen Sätzen (insbesondere bei indirekter Rede)
- ebenso wie Vorschrift zur Tempusdifferenzierung beim Konjunktiv
(im Deutschen beides nach dem Modell des latein. Subjunktivs)
Dt. (gesprochene Sprache)
Indikativ: ich arbeite
Konjunktiv: ich arbeitete / ich würde arbeiten
81
Abbau des Subjunktivs in anderen germanischen Sprachen,
vgl. Reste im Engl.
he goes – he go there
it is urged that the transfer be expendited
formal: Subjunctiv = Infinitiv (Stamm)
Dagegen bewahrt in den romanischen Sprachen:
pg. sinto
que o senhor esteja doente
ich.bedaure daß der.Herr sei krank (= es tut mir leid, daß Sie krank sind)
Indikativ: o senhor é doente "Sie sind krank"
Im gesprochenen Frz. weitgehend neutralisiert, z.T. abgebaut in der Umgangssprache:
je m'
étonne qu'
il ait fait
cela
ich bin.erstaunt daß er hat gemacht das
Indikativ: il a fait cela "er hat das gemacht"
Russ. analytische Neubildung mit der Partikel by (< byl, alte Verbform) + Präteritum (< altes
Partizip Prät.) zeitliche Interpretation kontextabhängig
on pisal by "er würde schreiben"
In der Subjunktion klitisiert an ( )$ "daß": ( )$
1 $
$
#
T
#
er nicht er.wünscht daß+SUBJ ich tanz:PRÄT mit Tamara
"er will nicht, daß ich mit Tamara tanze"
Problem:
Subjunktionsparadigma konkurriert mit infiniten Formen beim propositionalen Ausbau vcn
Satzkonstituenten
82
21. Vorlesung: Finitheitsstufen des Ausbaus
Schlüsselkategorie Infinitiv
1. Verbalnomen: das Laufen fällt ihm schwer
2. infiniter Prädikatsteil: Hans will morgen kommen
3. Nebenprädikat: Hans verspricht, morgen zu kommen
Verbalnomen (Masdar): deverbale Wortbildung
- behält verbale Valenz
- morpho-syntaktisch substantivisch
Sanskrit
$ak-e:ma
könn:-OPT.1P
tva:
2S.A
sam-idh-am
zusammen-entzünd:-A
„ mögen wir dich entzünden können“
Sanskrit pura: va:c-a*
pra-vad-it-oh
bevor Wort:-P.A hervor-sag:-NOM-ABL
„ vor dem Erheben der Stimme“
Grammatikalisierung des Infinitivs I: Verbalperiphrasen
sie hat gestern mit ihm getanzt
OBS
tanzen: intransitiv (sie tanzt)
haben: transitiv (sie hat einen neuen Hut)
Komplexes Prädikat im Deutschen;
Hilfsverb (Auxiliar: SM) + infinites Verb/Valenz (SB)
SM
Hans hat Emma einen Blumenstrauß geschenkt
SB
Problem: Infinite Verbformen werden zu "vollen" Prädikaten:
(1) Russische Präteritum-Formen
(Stamm pisa- "schreib-", vgl. im Präs. ja pisa-ju "ich schreibe")
Singular
Plural
mask.
pisal
fem.
pisal-a
pisal’ -i
neutr. pisal-o
83
RUSS.
mi pisa -l’ -i
1P schreib:-PRÄT-P
„ wir schrieben“
RUSS-ALT jes -mi
pisa -l’ -i
sei:PRÄS-1P schreib:-PZP II-P
„ wir haben geschrieben“ (= wir sind geschrieben habende)
vg. heute Nominalsatz:
RUSS. mi star-i
1P alt-N.P
„ wir sind alt“
(2) arabisches Verbalsystem I (ererbtes System = Schriftsprache)
(ägyptisch, Stamm $ „ los.geh:“ , Formen der 1.Sg.)
Form
Semantik
Perfektiv
Imperfektiv
Präfixkonjugation
Suffixkonjugation
$"
"" $
arabisches Verbalsystem II (erweitert:gesprochene Sprache)
(ägyptisch, Stamm $ „ los.geh:“ , Formen der 1.Sg. bzw. Sg. mask.)
A. limitative Verben
Präfixkonjugation
Partizip (-fin)
Suffixkonjugation
(+ fin)
(+fin)
IPF-Habitual b-a-m$
„ ich gehe
(regelmäßig...)“
IPF-Simul
ma$ „ ich gehe los/ ich bin
dabei loszugehen“
Perfektiv
m$ "
„ ich bin
(Resultativ)
losgegangen“
B. nicht-limitative Verben (ägyptisch, Stamm '
Sg.mask.)
„ aufsteig:“ , Formen der 1.Sg. bzw.
Präfixkonjugation
Partizip (-fin)
(+ fin)
IPF-Habitual b-a-rkib „ ich steige
/ Simul
(regelmäßig) ein / bin
dabei einzusteigen“
Perfektiv
Resultativ
rakib „ ich bin aufgestiegen“
(= ich bin auf (dem Pferd / in
dem Bus ..)
Suffixkonjugation
(+fin)
rikib-t
„ ich
eingestiegen“
bin
84
Nominalsatzstruktur:
ÄGYPT. ana ma$
1S los.geh:PZP.M.S
„ ich bin dabei loszugehen“
ÄGYPT. ana )
1S müde.M.S.
„ ich bin müde“
2. Infiniter propositionaler Ausbau
Hans verspricht seiner Mutter, Emma im nächsten Jahr zu heiraten
KONTROLLE
Hans
bittet seine Freundin, ihn
im nächsten Jahr zu heiraten
KONTROLLE
Ausbau nur als "Verbalgruppe",
kein Subjekt, das an finites Veb (Kongruenz1) gebunden ist
OBS Anders transformationelle Ableitungen aus "zugrundeliegenden Sätzen!
Im Dt. in der Regel Abgrenzung zum infiniten Prädikatsteil durch die (Status-) Markierung
mit zu; ABER
Hans geht ungern Socken kaufen
Emma läßt Hans seine Socken selbst kaufen
Wenn keine Kontrollbeziehung in der Matrix definiert ist
finiter Ausbau
Hans erzählt seiner Mutter, daß Emma im nächsten Jahr heiratet
Differenziertere Finitheitsskala des Ausbaus, z.B. Portugiesisch:
PORT.
pass -ei
sem me
ver -em
vorbei.geh:-PRÄT.1S ohne 1S.*N seh:SUBJ-3P
„ ich ging vorbei, ohne daß sie mich sahen“
PORT.
pass -ei
sem ver
o -s homen -s (los)
vorbei.geh:-PRÄT.1S ohne seh:INF DEF-P Mensch-P (3PM)
„ ich ging vorbei, ohne (die Menschen / sie) zu sehen“
85
Subjunktiv-Paradigmen im Portugiesischen (ver „ sehen“ )
PERSON
1.S
2.S
3.S
1.P
2.P
3.P
PORT.
PRONOMINA Subj./
eu
tu
ele (M) / ela (F)
nos
vos
eles (M) / elas (F)
Obj.-Kas.
me
te
o/a
os / as
INFINITIVO
PESSOAL
ver
ver-es
ver
ver-mos
ver-des
ver-em
FUTUR
POTENTIAL
vir
vir-es
vir
vir-mos
vir-des
vir-em
depois de eu sair
de casa, vei -o
nach von 1S.N verlass:SUBJ.1/3 von Haus komm:PRÄT-3S
o meu amigo
DEF.M POSS.1S Freund
„ nachdem ich das Haus verlassen hatte, kam mein Freund“
4. Sprachen ohne Infinitive, z.B. Arabisch (mar. Arab.)
1. komplexe Prädikate: Koverben
ken-t
ka-n-xdem
MA
sei:PF-1S DUR-1S-arbeit:
„ ich war am arbeiten“
MA
ken-t
xdem-t
sei:PF-1S arbeit.PF-1S
„ ich hatte gearbeitet“
9"
ka-n-xdem
MA
aufsteh:PF-1S
DUR-1S-arbeit:
„ ich fing an zu arbeiten“
MA
gles-t
ka-n-xdem
sitz:PF-1S
DUR-1S-arbei:
„ er war dabei an zu arbeiten“
$"
MA
n->(
geh:PF.1S
1S-fall:IPF
„ ich wäre fast gefallen“
MA
bat
i-xdem
Nacht.verbring:PF.3S
3S-arbeit:
„ er hat die ganze Nacht gearbeitet“
i-xdem
MA
q9
könn:PF.3S
3S-arbeit:
„ er hat arbeiten gekonnt“
MA
i-xdem
b/a
woll:PF.3S
3S-arbeit:
„ er will arbeiten“
MA
ma sxi-t-$
ne- $
NEG sich.trenn:PF-1S-NEG 1S-geh:IPF
„ ich wollte nicht weggehen“
MA
kan-u
b/a -u
i-dir-u
sikuk
l -)$a -hum
sei:PF-3P woll:PF-3P 3-mach:IPF-P Couscous für-Abendessen-3P
„ sie wollten einen Couscous für ihr Abendessen machen“
-
86
MA
MA
kan
ka -i -qej:el
ka -i -xdem
)la
sei:PF-3S DUR-3S-den.ganzen.Tag.tu:IPF DUR-3S-arbeit:IPF für
„ er hat jeden Tag für seine Familie gearbeitet“
ma tli-t-$
/ -t
ne-m$
) -hum
NEG weg.geh:PF-1S-NEG woll:PF-1S 1S-geh:IPF mit-3P
„ ich wollte nicht mehr mit ihnen gehen“
1. komplexe Sätze: Asyndetische Subjunktion
MA
MA
MA
Finitheit:
" "
ne-m$
) -hum
sag:PF-1S zu-3SM 1S-geh:IPF mit-3P
"ich sagte ihm, daß ich mit ihnen gehe"
"
"
i-m$
) -hum
sag:PF-1S zu-3SM 3S-geh:IPF mit-3P
"ich sagte ihm, mit ihnen zu gehen"
$ ""
i-(
"
seh:PF-1S-3SM 3SM-öffn:IPF DEF-Tor
"ich sah ihn das Tor aufmachen"
-
semantisch (Satz, Äußerung: SM)
morphologisch (Satzbasis, Proposition: SB)
Dynamik der Herausbildung komplexer Prädikate
S
SB
SIT
PRÄD
X
sem. Finitheit
SB
PRÄD’
S
SB
SIT
PRÄD
PRÄD’
PRÄD
sem. Finitheit
ulidat-u
Kinder.P-3P
87
Typologische Korrelation (die sich aus der genetischen Herleitung erklärt)
komplexe Sätze
komplexe Prädikate
Matrix-Satz
Abhängiger S.
Mans
Mum
Vf
Vf
Vf (Koverb)
Vf
↔
Vf
Vinf
Vf (Auxiliar)
Vinf
↔
Masdars partizipieren nicht an dieser Gramamtikaliserungsentwicklung !
88
22. Vorlesung: Konditionalgefüge
(Abschluß Block IV: 23. Vlsg. Propositionaler Ausbau von Attributen)
1. Semantisch
Protasis
Antezedens
Bedingung (??)
wenn die Sonne scheint,
Apodosis
Konsequenz (Sukzedens)
Bedingtes (??)
erwärmt sich die Luft
NB: Terminologisches:
gr. pro- "hinauf", apo- "weg"
rein formal manchmal auch: Vordersatz (=Protasis) vs. Nachsatz (Apodosis)
Semantische Interpretation der Verknüpfung:
A) kausale Verknüpfung:
weil die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft
Sonnenschein ist Ursache für das Erwärmen der Luft
ABER
wenn das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tank
??weil das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tankweil
*das Leuchten des Lämpchens ist Ursache für den Mangel an Benzin
B) zeitliche Verknüpfung
(dann) wann die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft
(dann) wann das Lämpchen leuchtet, ist kein Benzin mehr im Tank
Etymologie:
wenn Nebenform zu wann, Unterscheidung erst seit 18. Jhd. (Grammatikervorschrift!)
vgl. auch weil die Weile (zeitlich, vgl. alldieweil ....), kausal erst seit Fr. Nz. (Grammatiker
d. 18.Jhd.)
Ob die konditionale Verknüpfung kausal interpretiert wird, hängt von der Semantik der
Interpretation ab
grammatische Struktur ist formal, nicht direkt semantisch zu interpretieren
Sprachvergleich: Kausalität wie Zeit kulturspezifisch!
Logik: (materiale) Implikation A → B
Wahrheitstabelle
A→B
W
1
F
2
W
3
W
4
A
W
W
F
W
B
W
F
W
W
Problematische Interpretation
Implikation ist nur dann nicht wahr, wenn Protasis wahr, aber Apodosis falsch:
(2) die Sonne scheint & die Luft erwärmt sich nicht
sie ist wahr sonst, z.B. auch
89
(3) die Sonne scheint nicht & die Luft erwärmt sich
(4) die Sonne scheint nicht & die Luft erwärmt sich nicht
2. Formale Struktur
2.1. Konditionalsatz ⊂ Adverbialsatz, aber ≠ Matrix + "Gliedsatz"
Die Sonne scheint, obwohl es regnet
Die Sonne scheint
Die Luft erwärmt sich, wenn die Sonne scheint *Die Sonne scheint
2.2. Konditionale Satzstruktur ≠ "Konditionalsatz" (wenn-Satz ...)
a) asyndetisch
scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft
b) Adverbial + Attributsatz
Unter der Bedingung, daß die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft
Gesetzt den Fall, daß die Sonne scheint, erwärmt sich die Luft
c) Parataktisch
Die Sonne kann scheinen. Dann erwärmt sich die Luft.
Die Sonne scheint? Dann erwärmt sich die Luft.
d) Nominalisierung als Adverbial
Bei Sonnenschein erwärmt sich die Luft
Konditionale Interpretation anderer Konstruktionen:
Wer A sagt, (der) muß auch B sagen
Wenn jemand A sagt, dann muß er auch B sagen
Wortstellungsproblem bei asyndetischer Artikulation
1) hypotaktisch
scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft
V2
V1
2) parataktisch
scheint die Sonne, erwärmt sich die Luft
V1
V1
Geltungsansprüche:
1) V in Protasis: Indikativ
1a) Präsens:
A war evtl. noch nicht der Fall, A & B kann jetzt oder in Zukunft der Fall sein
Wenn Hans kommt, essen wir zusammen zuabend
1b) Präteritum:
A war der Fall, ebenso B
Wenn Hans kam, aßen wir zusammen zuabend
Auch: Wenn Hans gekommen ist, haben wir zusammen zuabend gegessen
ABER: Handelt es sich bei einer Aussage über Vergangenes um ein Bedingungs- oder um ein
temporales Verhältnis? (wenn = wann?)
2) V in Protasis: Konjunktiv (NUR Konjunktiv II, AUCH in Apodosis)
*Wenn Hans komme, essen wir zusammen zuabend
90
2.1. Einfaches Präteritum
A war nicht der Fall, kann aber in Zukunft der Fall sein, ebenso B
Wenn Hans käme, könnten wir zusammen zuabend essen
Variante: "Konjunktiv Futur" (?!)
Wenn Hans kommen würde, könnten wir zusammen zuabend essen
2.2. Zusammengesetztes Päteritum (Plusquamperfekt)
A war nicht der Fall, ist nicht der Fall und wird es auch in Zukunft nicht sein, ebenso B
Wenn Hans gekommen wäre, hätten wir zusammen zuabend gegessen
Fazit:
Konjunktiv hat hier semantische Funktion (Potentialis) – kein reiner Subjunktiv!
Vgl. absolut:
Käme er doch!
Wenn er doch nur käme!
Das hätte er auch anders machen können!
Hier stellt sich das Problem der semantischen Interpretation der Tempusformen: In der
Grammatik handelt es sich um formale Markierungsysteme, die Differenzen in einem
Paradigma artikulieren.
Präteritum ist
• zeitlich zu interpretieren, wenn die entsprechende Nute eine zeitliche Interpretation
verlangt,
• sonst als formale Distanzmerkierung (hier: nicht faktisch / real)
Dabei ist von einer Markiertheits-Opposition auszugehen: realis als markierter Fall – wo das
nicht vorliegt, liegt keine Festlegung auf einen Irrealis (Kontrafaktisches) vor
NB: In den Grammatiken 2.2. "irrealer Konditionalis", daraus folgt nicht, daß 2.1. "Realis"
ist! 2,2, markierter Fall, 2.1. unmarkiert.
Konjunktivform markiert: Proposition ist nicht der Fall
Wenn ich wählen kann, nehme ich das Steak ( S nimmt das Steak)
Wenn ich wählen könnte, nähme ich das Steak ( S nimmt das Steak nicht)
Andere Sprachen haben Konditional als eigene grammatische Form:
Frz. (gebildet vom Futurstamm:
Un accident aurait eu lieu à X … il y aurait dix morts. (FUT: aura)
Est-ce que je leur ressemblerais? (FUT: ressembleras)
Moi, j'
aurais massacré …
Im Bedingungsgefüge nur in der Apodosis nach si "wenn":
In der Protasis immer Indikativ (keine semantische Funktion!)
1) Indikativ in der Apodosis, Präsens / Perfektformen:
1a) A war evtl. noch nicht der Fall, A & B kann jetzt oder in Zukunft der Fall sein
Si tu admets cette opinion, tu as tort (PRÄSENS)
1b) A kann der Fall gewesen sein, A & B ebenfalls:
Si tu as admis cette opinion, tu as eu tort (PASSÈ COMPOSÈ)
2) Conditionel in der Apodosis, präteritale Formen:
2a) A war nicht der Fall, A & B sind nicht ausgeschlossen
Si tu admettais cette opinion, tu aurais tort (Imparfait)
Si je gagnais le gros lot, je le partagerais avec vous
91
"dt." Fehler: *Si je gagnerais le gros lot, je le partagerais avec vous
2b) A war nicht der Fall, A & B sind auch in Zunkunft ausgeschlossen
Si tu avais admis cette opinion, tu aurais eu tort (Plusquamperfekt)
vgl. auch
N'
étaient les hirondelles qui chantent, on n'
entendrait rien
Aber Konjunktiv absolut und nach best. Subjunktionen:
Vienne une invasion, le peuple est écrasé (Balzac)
Pourvu qu'
en somme je vive, c'
est assez
In best. Fällen auch Conditionel als semant. Markierung:
Au cas òu une complication se produirait, faites-moi venir
D.h. Tempusdifferenz fungiert im Dt. wie im Frz. als Distanzmarkierung von der Faktizität,
nicht unbedingt zeitlich (Thieroff)
Das Modell für diese Systeme, soweit sie von Gramamtikern kodifiziert worden sind, liefert
das klassische Lateinische, das Modus- und Tempusmarkierungen kombiniert (markierter
Term kursiviert):
- Indikativ vs. Konjunktiv (ohne faktischen Gletungsanspruch)
- Präsens vs. Präteritum (Distanzmarkierung)
I. Indikativisch:
Si hoc diciis, mentiiris "Wenn Du das sagst, lügst du"
Si hoc diixisti, mentiitus es "Wenn Du das gesagt hast, hast du gelogen"
II. Nicht-indikativisch (Konjunktiv)
II.1. Potential (Präsenssystem): Der Sachverhalt wird als möglich dargestellt
Si hoc dicaas, mentiaaris "Wenn Du das sagtest, würdest du lügen"
Si hoc diixeriis, mentiitus siis "Wenn Du das gesagt hättest, hättest du gelogen"
II.2. Potential (Präsenssystem): Der Sachverhalt wird als kontrafaktisch dargestellt
Si hoc dicerees, mentiireeris "Wenn Du das sagtest, würdest du lügen"
Si hoc diixissees, mentiitus essees "Wenn Du das gesagt hättest, hättest du gelogen"
NB: Im Deutschen ist die Differenz von II.1. und II.2 eine Frage der Interpretation, die nicht
mit der sprachlichen (gramamtischen) Form symbolisch fest ist.
Anders sind die Verhältnisse in Aspektsystemen, die aber ebenfalls Neutralisierungen in
Konditionalgefügen kennen:
A. Mar. Arabisch
In Protasis immer Perfektiv
1. Protasis mit ila eingeleitet
1a) Apodosis imperfektiv
1a1) indikativisch markiert, A & B ist der Fall
4 +"
$ "(
' ""
?
' ""4 >" "*
wenn fang:PF-3.PL INDEF:ein IND-3S-plünder:IPF IND-3-töt:IPF-PL-3SM
wenn sie einen fangen, der plündert, töten sie ihn"
1a2) nicht indikativisch markiert: Eventualis
/ " "*
")>"* "" '
wenn woll::PF-2S-3SF 1S-geb:IPF-3SF-zu-2S
"wenn du sie willst, gebe ich sie dir"
92
2. Protasis und Apodosis mit kun eingeleitet, in Apodosis ebenfalls Perfektiv:
A & B sind nicht der Fall (gewesen) und werden es auch nicht sein: "Irrealis"
'
' ?
'
wenn schweig:PF.3SM wenn entkomm:PF.M
"wenn er geschwiegen hätte, wäre er entkommen"
'
'
"< "
$ " 1?
*
< )"
wenn sei:PF.3SM in-Kopf-1S INDEF-Verstand von hier NEG rück.kehr:PF-1S
"wenn ich etwas Verstand in meinem Kopf hätte, wäre ich nicht hier zurückgekommen"
Wo, wie hier eine Neutralisierung von Kontrasten vorliegt (in der Protasis sind keine
Kontraste möglich, muß die Perfektivform stehen), haben die "gesetzten" Formen auch ihre
semantische Interpretation nicht, die sie in Nuten mit entsprechenden Kontrasten haben.
NB: In anderen arabischen Varietäten ist das z.T. anders: Im ägypt. Arabischen sind Kontraste
im Konditionalgefüge möglich.
B. Russisch: Tempussystem + Aspekt
Semantische Markierung des Nicht-Indikativs durch PRÄT + by
1) Protasis + Apodosis indikativisch:
A & B sind der Fall oder werden der Fall sein
jesl'
i on
razbud-'
it
en-y
ona
rass'
erd-'
it-sja
wenn 3SM.NOM weck:PRÄS-3S Frau-AKK 3SF.NOM ärger:PRÄS-3S-REFL
"wenn er seine Frau weckt, wird sie ärgerlich"
2) Protasis + Apodosis konjunktivisch:
A & B sind nicht der Fall und werden nicht der Fall sein ("Irrealis")
jesl'
i by on
razbud-'
il
en-y
ona
rass'
erd-'
il-a-sja by
wenn KONJ 3SM.NOM weck:PRÄT-MS Frau-AKK 3SF.NM ärger:PRÄT-FS-REFL KONJ
"wenn er seine Frau weckte, würde sie ärgerlich"
93
23. Vlsg. Propositionaler Ausbau von Attributen
S
SB’
SM
SB
E1
(Satz-)
Gliedsatz
N
E2
Präd
Peripherie
N
V
Adverbialsatz
Attributsatz
Terminologisches:
Attributsatz : Relativsatz (RelS)
Definitionen:
[NP – RelS]NP Relativkonstruktion als (nominale) Konstituente im Matrixsatz
[NP – RelS]NP Kopf der Relativkonstruktion
[NP – RelS [RelM - S]S ]NP Markierung der Relativkonstruktion
[NP – RelS [...RelNP ...]S ]NP korrelative NP (korrelativ zum Kopf) in der
Relativkonstruktion
[NP – RelS [...RelPräd ...]S ]NP Prädikat der Relativkonstruktion
94
Semantisch:
- restriktive Attributsätze:
Relativkonstruktion als Einschränkung der semantischen Domäne des Kopfes:
in einem Auto, das keine Sitze hat, zu fahren, ist unbequem
≠ in einem Auto zu fahren, ist unbequem
- nicht-restriktive (appositive) Attributsätze:
Relativkonstruktion ändert die semantischen Domäne des Kopfes nicht:
das Auto meines Bruders, das keine Sitze hat, ist unbequem
= das Auto meines Bruders ist unbequem
im Deutschen konkurrierend mit Attributsätzen ( finite Prädikate, A):
Partizipialkonstruktionen ( infinite Prädikate: B):
(A) der Mann, der schwer schnaufte, kam endlich ins Ziel
(B) der schwer schnaufende Mann kam endlich ins Ziel
Stellung:
(A) Attributsätze im Nachfeld des Kopfes
(B) Partizipialkonstruktionen im Vorfeld des Kopfes (wie adjektivische Attribute)
Verknüpfungsform:
(A) syndetisch bei Attributsätzen: RelM = Relativpronomina
(B) asyndetisch in NP integriert
Grundfrage: Sind Attributivsätze elementar?
vgl. Ableitung von adjektivischen Attributen aus Relativsätzen:
??die rote Blume ... ← die Blume, die rot ist, ....
dagegen:
- in gesprochener Sprache RelS eher selten (infinite Konstruktionen schriftsprachlich)
- im Spracherwerb eher spät (schulisch gelernt?)
- typologisch: nur eingeschränkt
komplexe Ausbauform!
Sprachen ohne Schriftkultur (Schule!):
Warlbiri (Australien)
"@ A
# '
,
"A
'
",
,
"A
1S-ERG
AUX Emu.ABS speer:PRÄT während-AUX Wasser.ABS trink:PRÄT
"ich habe das Emu gespeert, das Wasser getrunken hat (= während es ...)"
# ' "@ '
",
,
"A
A
,
"A
"@
Emu.ERG während-AUX Wasser.ABS trink:PRÄT DEM AUX speer:PRÄT 1S-ERG
" das Emu, das am Wasser trinken war, habe ich gespeert (= das Emu war in dieser Zeit am
Wasser trinken, das habe ich gespeert)"
- parataktische Verknüpfung von zwei Sätzen,
- relativer Anschluß im Nachfeld ("Nachbemekrung")
- pronominale Verweiselemente als Verknüpfung
95
Besonderheiten im Deutschen:
1. Stellung: beliebige "Einbettung"
Verdacht: Schriftsprachliche Editionsübung, s.o. Warlbiri
2. syntaktische Funktion in der Matrix: keine Beschränkung über der Funktion der
Relativkonstruktion im Satz:
Subjekt:
der Mann, der schwer schnaufte, kam endlich ins Ziel
Objekt:
ich habe den Mann, der schwer schnaufte, gestern wieder getroffen
Objekt einer Präposition:
vor dem Mann, der schwer schnaufte, stand ein Kind
Attribut in einer NP:
der Hut des Mannes, der schwer schnaufte, flog davon
typologisch oft eingeschränkt, oft nur bei Subjekt
3. syntaktische Funktion im Relativsatz: keine Beschränkung über der Funktion der RelNP im
Relativsatz:
Subjekt:
ich habe den Mann, der schwer schnaufte, gestern wieder getroffen
Objekt:
der Mann, den ich gestern getroffen habe, war dein Onkel
Objekt einer Präposition:
der Mann, von dem ich dich grüßen soll, war dein Onkel
Attribut in einer NP:
der Mann, dessen Hut davon geflogen ist, war dein Onkel
typologisch oft eingeschränkt, oft nur Subjekt
4. Finites Prädikat, damit möglich: unabhängige satzmodale Spezifizierung:
(M.AR)
)>"
2"2
"$
"/
#+ "
give:IMP-1S. DEF-soap with-REL 1S-wash:INJ hand-1S
“ gib mir Seife, mit der ich meine Hände waschen kann”
(M.AR)
)>"
2"2
"$
' " "/
#+ "
give:IMP-1S. DEF-soap with-REL IND-1S-wash: hand-1S
“ gib mir die Seife, mit der ich meine Hände wasche”
In vielen Sprachen nur infiniter Ausbau der Attribute, also nur propositional als Satzbasis
ausgebaut, nicht aber mit eigener satzmodaler Bestimmung.
Türkisch:
kadın-ın çocuk-a ver-di -i
patates-i
ye-di-m
Frau-GEN Kind-DAT geb:PZP-POSS Kartoffel-AKK.DEF ess:-PRÄT-1S
"ich habe die Kartoffeln gegessen, die die Frau dem Kind gegeben hat"
(= "der Frau ihre dem Kind gegebene Kartoffeln habe ich gegessen"
Türk. Wortstellung: V-letzt, Modifikationen / Ergänzungen vor dem Kopf
s. aber unten (3 Ende)
96
4. Syndetische Relativkonstruktion:
RelM = Relativpronomen
[NP – RelS [RelM ....RelPräd]S ]NP
Kongruenz:
Numerus, Genus
Rektion: Kasus
die Frau, der ich gestern das Buch gegeben habe, war deine Tante
FEM. SG
DATIV
Ältere germanische Sprachen:
Relativpartikel {daß}: as. <the> [= ], ahd. <the> [+ ]:
Heliand: allaro barno besta thero the io giboran wurdi
"aller Kinder das (=deren) beste(s), das (=daß) je geboren wurde"
Tatian: gisahun thiu
the her teta
"sie sahen diese (Dinge), die (= daß) er tat"
So süddt. (fest: Schwyzertütsch): wo
der Mann, wo ich ihn gesehen habe,
der Mann, wo er gestern nachhaus gekommen ist, ...
Jiddisch: vos
me hot geredt vegn Meshiek, vos (er) vet kumen un makhn a gan-eydn oyf der erd
"man hat von dem Messias geredet, der (= daß er) kommen und ein Paradies auf der Erde
machen wird"
der roymisher prokurator hot gehekhert di stayern, vos Yidn hobn (zey) gedarft tsoln
"der römische Prokurator hat die Steuern erhöht, die (=daß) die Juden (sie) haben zahlen
müssen"
In der hdt. Schriftsprache so auch Attributsätze nach bestimmten abstrakten Köpfen (ALT:
Verbalnomina < Verb + daß-Komplementsatz)
der Glaube, daß alles besser wird (< man glaubt, daß alles besser wird)
mhd. do het er zwivel genuoc, daz in der lewe wolde bestan
aber heute auch: im Falle, daß er kommt, ...
So auch im Türkischen, s. o. (3); Subjunktor ki "daß" ( < Persisch):
Modifikation im Nachfeld
bir
zaman gel-ecek
ki,
insan-lar hür ol-acak
INDEF Zeit komm:FUT.3S SUBJ Mensch-PL frei sei:FUT
"es wird eine Zeit kommen, da werden alle Menschen frei sein"
Pseudo-RelM im Arabischen:
Relativkonstruktion asyndetisch:
"*
+
"#"9
"*
in-3SM Lehrer
IND-3SM-schlag:IPF Schüler.PL-3SM
"es gibt einen Lehrer, der seine Schüler schlägt"
97
* %
"
+
"#"9
"*
3SM DEF-Lehrer DEF IND-3SM-schlag:IPF Schüler.PL-3SM
"das ist der Lehrer, der seine Schüler schlägt"
vgl.
"
+
+
' % # "ein guter Lehrer"
"' % # "der gute Lehrer"
4. Einkoppelung des Relativsatzes
im Dt.: vollständiger Satz, aber
- abhängige Wortstellung
- Relativpronomen als Verknüpfung
In vielen Sprachen (s.3) kein autonomes Prädikat
in der Literatur meist: "pronominale Wiederaufnahme"
im Englischen Integration durch Lücken ("gap"), vor allem wenn asyndetisch:
the man (whom) I saw "der Mann, den ich gesehen habe"
auch bei Objekt einer Präpostion ("preposition stranding"):
the man I went with (*whom) "der Mann, mit dem ich gesehen habe"
Dagegen auch in Sprachen ohne Integrationsmarkierungen wie im Deutschen vollständige
Satzstruktur:
äg.Ar. )
"'
"
% " " "" '
(
gefall:PF-2S DEF-Stift DEF zeig:PF-1S-zu-2S gestern
"hat dir der Stift gefallen, den ich dir gestern gezeigt habe?"
sog. "pronominale Wiederaufnahme"
98
24. Vorlesung: Wortbildung I
Traditionell:
Grammatik: Regularitäten in einer Sprache bim Bilden von Sätzen
Lexikon: idiosynkratischer "Rest"
Problem aber: Regularitäten auch in der Wortstruktur, außer beim typologischen Extrempol:
isolierender Sprachbau
Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE
vgl. auch im Deutschen: Partikel wie und, ob, auf, in …
Motiviertheit in einem semantischen Feld vs. in der Form (morphologische Transparenz):
Bindungen, Vernetzungen im System,(kognitive Entlastung!): Feldstrukturen
Gebäck
FELD I: Wurzel / Stamm als Invariante (Ableitung, Flexion … )
→ gebacken, backen, … Backofen, … Bäcker …
FELD II: Wortbildungsmuster als Invariante (+ "Füllung" mit Stämmen … )
→ Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle …
I. Probleme der Form (Morphologie)
Probleme der Transparenz typologisch:
Ideales Baukastenmodell: Formelement ↔ Inhaltselement
Türkisch (Nominales Paradigma): NUMERUS → PLURAL {-ler)
KASUS → LOKATIV {- de)
ev- „ Haus“ : ev+de „ in (dem) Haus“ , ev+ler „ Häuser“ , ev+ler-de „ in (den) Häusern“
agglutinativer Sprachbau (lat. gluten „ Leim“ ):
1. Artikulation: WORT M+ M + M+ M + M + .... (M = Morphem)
türk. tanı tırılamadıysanız „ wenn du nicht vorgestellt werden konntest“
tanı- „ kennenlern:“ + - - REZIPROK + -tır- KAUSATIV+ -ıl- PASSIV+-amaIMPOTENTIAL + -di- PRÄTERIT –ys- KONDITIONAL + -anız 2.PLURAL
Zusatzproblem: Ausrichtung von erster und zweiter Artikulation:
WORT S+ S + S+ S + S + .... (S = Silbe)
NB: Schulterminoloigie vermeiden: "Endsilben" wie –er in Maur + er [
Grenzfall: Fusioniernde Morphologie mit Segmentierungsproblemen:
Haus {Gen.Sg.} vs. Häus-er {*Dat.Pl} ABER Häus- nur PL !
Transparenzproblem ist psynculogisch zugänglich:
Tempus
Grammatische Form
Morphologisch
PRÄSENS
Ich kauf-e dieses Buch
PRÄTERITUM
Ich kauf-te dieses Buch
7]
99
Unterschiedliche Präferenzen der Segmentierung (Typenprojektion)
- mehr fusionierend:
ich kauf-e {PRÄS.1.SG} vs. ich kauf-te {PRÄT.1.SG}
- mehr agglutinierend:
ich kauf- ∅- {PRÄS} -e {1.SG} vs. ich kauf-t- {PRÄT} –e {1.SG}
Kinderscheibungen (in narrativen Texten, also Indikativ)
er ging-e, er gang-e, er lief-e ...
WORT PRÄT-Stamm + PES.Endung {-e}
II. Semantische / grammatische Funktion der Wortbildung
Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix /Suffix)
Wortarten: Stammx + Affixx (dabei x = Nomen, Verb, Adjektiv ...)
z.B. Nomen: Deklination
Verb: Konjugation
Wortarten liegen im Lexikon fest,
aber möglich: Wortartenwechsel
Hans [verkauf-] V –t Egon ein Auto
Die Worte des [[Verkäuf-] V –er-] N –s überzeugten Hans
Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-] V –en
Seine [Berat-] V –ung-] N überzeugte ihn
wir [lauf-] V –en jeden Morgen
der [Lauf-] N war anstrengend
die Wiese ist [grün-]ADJ
die Wiese ist [grün-] V -t
agglutiniernde Morphologie
Konversion
Maximale morpholigsche Transparenz (australische Sprchen)
Lexikon (Wurzeln X) + syntaktisch spezialisierte Stammbidlung (Y) + syntaktisch
spezialisierte Affixe (Z):
WORT [[ X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y
wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten): z.B. für die
prädikative Funktion (d.h. also Verben)
Formale Verallgemeinerung: Kategoriales Schema der Wortbildung, in der Symbolsieirung
wie Bruchrechnen:
A × B
A
= B
in der gleichen Weise mit Variabeln für Wortarten:
100
V × N
V
= N
Mit der üblichen Bruchschreibweise (1 / 2 … ):
-ung: N/V
[schieb-]V × [-ung-]N/V = [Schieb-ung]N
Deutsch ist in dieser Hinsicht extrem variabel, Beispiele
N/N
Kind-lein
Linguist-in
Bematen-tum
Sport-ler
N/V
Grab-ung
Rauf-erei
Lackier-er
Öffn-er
Schmied-e
Fall-∅ (Konversion ?!)
N/A
(das) Schön-e (Konversion ?!)
Schlau-heit
Apath-ie
Bigott-erie
V/V
fall-en
lieb-el-n
V/N
fall-en (Konversion ?!)
bündel-n
V/A
wach-en (Konversion ?!)
A/A
dort-ig
A/N
polizei-lich
haar-ig
blei-ern
instinkt-iv
A/V
101
rege-∅ (Konversion ?!)
brauch-bar
find-ig
nasch-haft
Komplexe Bildungen:
z.B. verbal [[[streb-]V -er-]N -n]V
Wortbildung durch interne Modifikation ("symbolische" Modifikation, Sapir)
vgl. Ablaut im Deutschen: lauf-en vs. lief ...
Maximal: Arabisch
1. funktionsinvariant ("Verbalsämme")
EINFÜGEN SCHEMA DER 15 BILDUNGSMUSTER
2. Wortartenmarkierung
Masdarbildung /Verbalnomen) durch Syllabierung
mar. Arab. Wurzel (Radikale) ° 9° "krank-" (als semantisches Merkmal)
- verbal {KK K}
9 "er war krank"
- nominal {K KK}
<
9 "Krankheit"
Konversionsproblem: Grenzfall Spachen ohne wortarten, z.B. Mundari
Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari
- buru - prädikative: (1) „ to heap up“ , (2) „ to hold a fair (usually held on mountains)“ ,
(3) „ to call something a mountain“ ,
- complement: „ mountain“ ,
- prädikative: (1) „ to make a house“ , (2) „ to acquire a house“ ,
(3) „ to call something a house“
- complement: „ house“
- he - prädikative: (1) „ to answer in the affirmative“ , (2) „ to agree to something“
(3) „ to grant something to someone“
- (Sentence partikel): „ yes“
Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED).
Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i , -e ...
-a-i
groß-PRED-1S
„ ich bin groß“
lel-jad -ko-a-e
seh:-PRES-3.PL-PRED-3S
„ er sieht sie“
Reduktionssilben artikulieren grammatische Morpheme: (K) (K)
Ergebnis des „ germanischen“ Umbaus der ererbten Sprachstruktur (vgl. Latein):
- Subsumption der Wortform unter den (expiratorischen) Akzent,
- Verlagerung des Unterscheidungspotentials auf die prominente Silbe ( S )
Neue Vokale (in S ): [
ç ] „ Bücher“
Komplexe Ränder: glaub(en) < gi.loubHerbst < her.best (etym. vgl. lat. carp- „ pflücken [ernten]“
102
Typologischer Gegenpol: isolierender Sprachbau
Vietnamesisch: WORT = MORPHEM = SILBE
2. Artikulation: komplex: segmental × suprasegmental (6 Töne, Glottalisierung ...)
NB; Phonologisches Problem (der funktionalen Nutzung), nicht phonetisches Problem,
vgl. Tonverläufe im Deutschen:
Hans kommt↓
Hans kommt↑
Hans kommt → (wenn wir abfahren)
Sprachbau des Deutschen wie Türkischen: 1. Artikulation mit komplexer Morphologie,
aber diese ist fusionierend:
- wie in (ich kauf-) : 1. Sg. Präs. Indik. Aktiv
- wie in (die Boot-) : Nom. Plur.
Von daher auch Segmentierungsprobleme:
- mehr fusionierend:
ich kauf – e (PRÄS. 1. SG)
vs. ich kauf – te (PRÄT. 1. SG)
- mehr agglutinierend:
ich kauf –∅ - (PRÄS. ) – (1. SG) vs. ich kauf – t- (PRÄT.) -e (1. SG)
Umbau des Sprachbaus:
i.e. Sprachen haben reiche Morphologie,
aber Englisch (mehr als konservat. Deutsch) auf dem Weg zum isolierenden Bau
Konsequenz:
Grammatische Artikulation nicht-morphologisch:
Dt. der Hund biß den Mann
den Mann biß der Hund
der Hund biß den Mann
Engl. the dog bit the man
the man bit the dog
Grammatikalisierung der Wortstellung im Englischen ≠ Deutschen:
Englisch S[ubjekt] – V[erb] – O[bjekt]
Deutsch V[erb]-zweit
(vgl. Vietnamesisch: Phonologisierung der Intonation auf Wortebene!)
xxxxx
Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr
ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen
103
Gebäck
→ gebacken, backen, ..., Backofen, ... Bäcker ... FELD I: Wurzel / Stamm + Ableitung
→ Gehänge, Geburt, Gestalt, Gehölz, Geselle ... FELD II: Wortbildungsmuster
Demgegenüber ikonischer Rest in Äußerungen:
backe, backe Kuchen ... (Reduplikation → Intensität ....)
Spiel mit Ikonischem: Onomatopoiä
xxxxxxx
Isolierender Sprachbau (Vietnamesisch, Ewe ...):
Keine Morphologie Semantische Elemente der ersten Artikulation als Wörter artikuliert.
Außerdem: Artikulation zweiter Ordnung: Syntax
z.B. [ A B C ]Satz
B ist Prädikat des Satzes
Deutsch ist eine Sprache mit Morphologie
Tempus
Grammatische Form Morphologisch (grammatisch)
PRÄSENS
Ich kauf-e dieses Buch
PRÄTERITUM
Ich kauf-te dieses Buch
Lexikalisch (isoliert)
Morgen kaufe ich dieses Buch
XXXX
Morphologische Markierung im Deutschen: Stamm + Affix (Suffix)
Wortarten:
X = Nomen, Verb, Adjektiv ....
Z.B.: Nomen – Deklination
Verb – Konjugation
StammX + AffixX
104
Wortarten liegen im Lexikon fest
Möglich: Morphologisch markierter Wortartenwechsel:
Hans [verkauf-] V -t Egon ein Auto
Die Worte des [[Verkäuf-] V –er-] N -s überzeugten Hans
Der Verkäufer wollte ihn nicht [berat-] V -en
Seine [Berat-] V ung-] N überzeugte ihn
wir [lauf-] V -en jeden Morgen
der [Lauf-] N war anstrengend
die Wiese ist grün-]ADJ
die Wiese grün-] V –t
agglutinierende Morphologie
„ Konversion“
Maximale morphologische Transparenz (australische Sprachen)
Lexikon (Wurzeln X) + Syntaktisch spezialisierte Stammbildung (Y) + Syntaktisch
spezialisierte Affixe (Z) :
WORT
[[X + Y]Stamm Y + Z]Flexion Y
wobei die Wurzeln z.T. auch syntaktisch spezialisiert sind (Wortarten):
z.B. Prädikative Funktion ↔ Verb
Sprachen ohne Wortarten, z.B. Mundari
- buru - prädikative: (1) „ to heap up“ , (2) „ to hold a fair (usually held on mountains)“ ,
(3) „ to call something a mountain“ ,
- complement: „ mountain“ ,
- prädikative: (1) „ to make a house“ , (2) „ to acquire a house“ ,
(3) „ to call something a house“
- complement: „ house“
- he - prädikative: (1) „ to answer in the affirmative“ , (2) „ to agree to something“
(3) „ to grant something to someone“
- (Sentence partikel): „ yes“
Morphologische Markierung des Prädikats (→ syntaktische Funktion): Affix -a- (PRED).
Daran Markierungen für die Aktanten im Szenario (Satzbasis): -i , -e ...
-a-i
groß-PRED-1S
„ ich bin groß“
lel-jad -ko-a-e
seh:-PRES-3.PL-PRED-3S
„ er sieht sie“
Anderes Extrem: morphologisch komlexe Wörter zerlegbar in Elemente mit lexikalisch
autonomen Eingensachften (Komposition [der Stämme])
Sprachbau: Isolierend ↔ synthetisch ↔ polysynthetisch
Viele Spachen ohne Komposition (z.B. Arabisch, alt + neu)
105
Deutsch: Komposition produktiv, markiert durch eine spezifische prosodische Kontur:
WORT
S - °S ( S = prominente Silbe; °S = Reduktionssilbe)
Komplexe Wörter hierarchisch: X - °S ) - ( S - °S )
W
°X
X
S
°S
X
°S
Deutsch: Inkorporation uneingeschränkt bei Nomina:
Determinativ-Komposita
Schweine-Schitzel
Kalbsschnitzel
vgl. mit gleichem Interpretationsmuster (!) Jägerschnitzel
Possessiv-K. ("bahuvrihi")
Dick-kopf
Rot-kehlchen
Kopulativ-K
Hemd-bluse
Strumpf-hose
Komplexer beim Verb:
vorlaufen - er läuft vor
trennschleifen – er trennschleift (*er schleift trenn)
eislaufen – ?er läuft eis
autofahren – er fährt auto (O: Auto fahren – er fährt Auto)
staubsaugen - ? er saugt staub (O: er saugt Staub)
kegelschieben - ? er schiebt kegel (O: er schiebt Kegel)
fotokopieren – *er kopiert foto (er fotokopiert)
Rückbildungen: das Laufen > das Eislaufen, das Saugen > das Staubsaugen
Verbalnomen > Infinitiv: er will eislaufen, er will staubsaugen ...
Felder der verbalen Wortbildung (Ableitung vs. Komposition, "Halbpräfixe" usw.), 25.Vlsg.
Inkorporation in polysynthetischen Sprachen: verbaler Charakter unselbständiger
Morpheme:
Besonders komplex: Eskimo (Fortescue 1984)
- Numerus /Kasus/ Person = Possessiv NOMEN
- Numerus /Modus/ Person = Aktant
VERB
kann quasi beliebig komplex sein:
Lex1+ Lex2+ ... + grammat. Marker1+ grammat. Marker2+ ...+ grammat. Markern
106
grammat. Markern entscheidet über mögliche Affixe
ilinnia-qqik-kiartur-tin-nigar-tu-ssaq
lernen-befördern-gehen.und-verursachen-PASS-INTR-PZP.FUTUR
Keine Modusmarkierung, ∅ als Kasusendung = Absolutiv
Nomen "einer der geschickt werden soll, um ihm beim Lernen zu helfen"
aliikkus-irsu-i-llammas-sua-a-nira-ssa-gukku
Unterhaltung-besorg:-mit-INTRANS-einer-gut.dazu-groß.sein-sagen-FUTUR-1S-3S-KOND
Modusmarkierung, Personal- = Aktantenmarkierung
Verb: "wenn ich sagen sollte, daß er ein guter Unterhalter ist"
107
25. Vorlesung: Wortbildung II
24. Vorlesung: Form Bedeutung: Semasiologie
komplementär: Bedeutung
Form: Onomasiologie
Onomasiologie: Artikulation von Konzepten:
"Sprache denkt vor" Sprache / "Weltbild", 26. Vlsg.
Potentiell inkongruent: Wort formal / konzeptuell
konzeptuell
ins
formal
ins
konzeptuell
formal
Idiom: mehrwortiges (
einen Streit
sterben
Gras
*Blumen
Brot
beißen
*kauen
beißen
anfangen
vom Zaun brechen
*vom Tisch *nehmen
formal) Wort (
konzeptuell)
Invers: Lexikalisierung : mehrkonzeptuelles Wort
weißes Pferd: Schimmel
schwarzes Pferd: Rappe
Komplexität zeigt sich nur in syntaktischen Konsequenzen, nicht an der Form selbst:
Schimmel : *schwarzer Schimmel, der Schimmel stand *schwarz am Horizont
Formal komplexe Wörter: analytisch transparent
1) Komposita: mehrere Stämme - Inkorporation
Haustür, Autotür, Gartentür ....
Dickkopf, Rotkehlchen ....
2) Ableitungen (vor allem Suffixe): Stammbildung
Kindchen, rötlich, tröpfeln ...
(1) oder (2)? (Halb-) Präfixe : Augment (< lat. aug-ee-oo "ich vermehre")
hinfallen, hinlaufen, hinschwimmen...
megagut, megaschlecht, megadoof, megaout ...
Bei Verben: Abtrennbarkeit des Augments (Tmesis [griech. tem-n-oo "ich schneide"])
er fällt hin, er läuft hin, er schwimmt hin ...
108
Beispiel Bewegungsverben
Satellit
Augment (morphologisch)
Weg: Richtung, Ort ...
hin
weg
vor(an)
Kern
Stamm (lexikalisch)
Fortbewegungsart
laufen
schwimmen
gehen
fahren
kommen
laufen
schwimmen
gehen
fahren
kommen
laufen
schwimmen
fahren
gehen
kommen
Deutsch: Verbal artikuliert: Bewegungsart
Satellitenartikuliert: Weg
Gegentyp: Spanisch (Talmy, 1985)
verbal artikuliert: Weg,
Komposition nur beschränkt nutzbar: Art artikuliert evtl. duch syntaktische Satelliten
die Flasche schwamm in die Höhle / der Mann ging ins Haus
la botella entró a la cueva (flotando) / el hombre entró a la casa
die Flasche schwamm aus der Höhle / der Mann ging aus dem Haus
la botella salió de la cueva (flotando) / el hombre salió de la casa
die Flasche schwamm an der Höhle vorbei / der Mann ging an dem Haus vorbei
la botella pasó por la cueva (flotando) / el hombre pasó por la casa
die Flasche schwamm weg von der Höhle / der Mann ging weg von dem Haus
la botella se fué de la cueva (flotando) / el hombre se fué de la casa
die Flasche schwamm zur Höhle zurück / der Mann ging zu dem Haus zurück
la botella volvió a la cueva (flotando) / el hombre volvió a la casa
die Flasche schwamm durch die Höhle / der Mann ging durch das Haus
la botella cruzó la cueva (flotando) / el hombre cruzó la casa
extremer noch: Arabisch
Lexikalisierung:
Konzeptuell: Faktorisierung
Formal: morphologisch ± analytisch (Gegenteil: fusioniert)
109
Bewegungsverben (Talmy):
spanisch
Figur
Verb
Satellit
deutsch
Verb
Satellit
Figur
Bewegung
entrar
Weg
Verursachung
(flotando)
Weg
Bewegung Art
schwimmen
hinein
andere Lexikalisierungsmuster
Figur
Weg
Verb
Satellit
hinein
Grund Art
Bewegung Art
werfen
Grund
Verursachung
Verursachung Grund
Lexikalisierung der Figur (vgl. engl. to go)
der Mann geht in das Haus
der Hund *geht in das Haus
das Auto *geht in die Garage
Verb
Satellit
Weg
hinein
Figur
gehen
Bewegung Art
Grund
Verursachung
Ökonomie der Spracharchitekur
je komplexer die Lexikalisierung – je umfangreicher das lexikalische Inventar
"Selektionsbeschränkungen": z.B. blond / gelb
ein *blondes Auto, eine *blonde Blume ...
Problem der Fachsprachen:
[von Tieren] klaftern, schnüren, wechseln ...
"verdeckte" Beschränkungen
Schimmel [ weiß], *schwarzer Schimmel
Verbalcharakter:
Hans sah (zufällig, *absichtlich) Emma auf der Promenade
Hans beobachtete (zufällig, absichtlich) Emma auf der Promenade
Hans schlief gestern fünf Stunden (lang)
vgl. *Hans schlief plötzlich
Hans schlief gestern fünf Stunden (lang)*ein
Hans schlief plötzlich ein
VORGANG
HANDLUNG
(nicht perfektiv)
PERFEKTIV
Problem der nicht-monotonen Bedeutungserschließung:
stolpern [PERFEKTIV], aber
Hans stolperte gestern fünf Stunden lang durch den Wald ITERATIV
laufen [nicht perfektiv]
Hans lief plötzlich Zustandsänderung: er konnte plötzlich laufen
110
Satelliten ändern den Verbalcharakter ("Aktionsarten")
laufen: NICHT PERFEKTIV
Emma lief gestern fünf Stunden um den Rubbenbruchsee
*Emma lief gestern fünf Stunden lang los
Emma lief gestern fünf Stunden lang hin (und sechs Stunden zurück)
s. Aspektmarkierungen im Russischen:
so produktive analytische Ressourcen (Aspekt im Russischen grammatikalisiert ≠ Deutsch)
Valenzänderung als Szenario-Perspektivierungen:
er lud Heu auf den Wagen
(Grund: Wagen)
er belud den Wagen mit Heu (Grund: Heu)
er warf Bücher nach ihm
(Grund: andere Person) vgl. engl. to throw
er bewarf ihn mit Büchern (Grund: Bücher), vgl. engl. to pelt
Diese Perspektivenänderungen waren schon in der XY Vorlesung besprochen
(Kasusmarkierung, Definitheitsmarkierung u.s.w.). In Hinblick auf die steuernden
Veränderungen in der Wortbildung des propositionalen Kopfes spricht man hier auch von
Applikativen: insbesondere bei semantisch leeren Präfixen wie be - , gewissermaßen eine
Diathese-Variante.
Im Deutschen sind diese applikativen Modifikationen schwach produktiv: Sie erlauben es
durch die Inkorporation einer Präposition, das dadurch sonst in der Peripherie regierte Nomen
im Kern der Satzbasis als Aktant zu artikulieren, während der Default-Nebenaktant dafür in
der Peripherie artikuliert wird, vgl.
er klebt ein Pflaster Farbe über die Wunde
er überklebt die Wunde mit einem Pflaster
Diese Strukturmuster können aber ihrerseits passiviert werden, vgl.
über die Wunde wird von ihm ein Pflaster geklebt
die Wunde wird von ihm mit einem Pflaster überklebt
Sekundäre Spezialisierungen:
Emma *lernt (> lehrt) Hans Französisch
arab. °) °:
)
" "er weiß",
)
" "er hat gelehrt" (= macht wissen, Kausativ),
")
" "er hat gelernt" (= ist gelehrt worden, Passiv bzw. hat sich gelehrt, Reflexiv ),
Definition von Produktivität:
innerhalb der Grenzwerte:
MAXIMUM: universal im Lexikon
MINIMUM: (einzel)wortgebunden
Flexion
Lexikalisierung
häufig, evtl. mit regulärer Verteilung,
vgl. Feldbildungen:
alogisch, amusisch, anomisch, anormal, amoralisch, amorph ...
produktiv auch für Neubildungen,
111
s.o. mega- : megacool, *schnock megaschnock
megaedel, ?megagedämpft, ?megatapfer, ?megaaufrichtig,
megatransparent (Bluse, ?Overheadfolie … )
Übergangszone Syntax / Lexikon
Isolierende Sprachen haben nur syntaktische Ressourcen: Satellit = Präposition
Chines.
píng-zi pi o
guò shí-tóu páng-bi n
Flasche schwimm: vorbei Fels
Seite
"Die Flasche schwamm an dem Feld vorbei"
Spezialisierung der Satelliten in den germanischen Sprachen, auch wo Etymologie bei
Präpositionen noch transparent:
I [ran out] of the house
ich rannte (heraus) aus dem Haus
russ. Ja iz doma
vgl. russ. Ja v dom
"ich rannte in das Haus (hinein)"
Wo Sprachen keine komplexe Wortbildung erlauben, syntagmatische Modifikation:
Koverben im Arabischen
losgehen: er ging los, ägypt. (
$
weiteressen: er aß weiter, ägypt. t
#'
Sprachbaudifferenzen:
Wo "Inkorporationsmöglichkeiten" bestehen, "Exkorporation" als Vordergrundmarkierung:
Kaddo (Kaliforien)
+
"#"+ '" *
Pulver-3S-find:-PRÄT "er fand etwas Pulvriges"
% + $+
Salz
"#"+ '" *
Pulver-3S-find:-PRÄT "er fand etwas Salz"
Der Mann rannte zurück in den Keller hinunter
Span.
el hombre corrió a-l sótano
el hombre volvió a-l sótano corriendo ( zurück)
el hombre bajó a-l sótano corriendo ( hinunter)
el hombre entró a-l sótano corriendo ( hinein)
112
26. Vlsg. Grammatik und Denkstruktur, RE: Tempus und Aspekt
1. Ausgangsüberlegung: Grundbegriffe
1. Artikulation - Inhaltsseite
Interpretation/ Bedeutung
2. Artikulation - Ausdrucksseite Phonologie (Schrift)
Sprachliche Form
(1) ermöglicht Ausdruck von Inhalt
(2) beschränkt mögliche Inhalte
Gegenstand: Grammatikalisierung
Eine Formbestimmung F einer Äußerung in einer Sprache Si
ist GRAMMATIKalisiert,
- wenn F notwendig in einer Äußerung in einer Sprache Si ist
- wenn F „ arbiträr“ ist: F ⊂ Si ≠ F ⊂ Sj.,
ist grammatikALISIERT
- als Ergebnis eines historischen Umbauprozesses in einer Sprache Si .
Analyse von Sprachstruktur:
Sprachliche Form (gebunden an Si) vs. außersprachliche Randbedingungen (Bedingungen für
das Sprachlernen / Funktionieren der Sprachpraxis)
SPRACHSTRUKTUR
RANDBEDINGUNGEN
2. Artikulation: diskrete Representation der
physiologischer Apparat (biologisch):
Zeichen (segmental vs. suprasegmental)
Artikulation / Perzeption
1. Artikulation: Lexikalisierung
kognitive Ausstattung (biologisch) :
Verdichtung von festen Zeichen
- Gedächtniskapazität
(direkte Interpretation)
- Inferenzmechanismen
1. Artikulation: Grammatikalisierung
kommunikative Steuerung („ universal“ ):
Analytische Auflösung:
- Kooperation
Faktorisierung der Zeichen in Elemente
- Kontrollmechanismen sonst
(indirekte Interpretation: Kombinatorik)
soziale Institutionalisierung (kulturspezifisch)
- Morphologie: Komplexe Wörter
- Tradition
- Syntax: (Komplexe) Sätze
- gesellschaftliche Instanzen
Sprache ist ein Zeichensystem (keine kausale Verknüpfung mit dem Bezeichneten)
≠ Anzeichen (Husserl)
Saussure: Zeichensysteme sind arbiträr
ABER: Bindungen, Vernetzungen im System (kognitive Entlastung!): Feldstrukturen
Grammatikalisierung: „ Kalte“ Strukturen vs. "warme" Strukturen
kalt insbes. bei ikonischen Strukturen:
z.B. Abfolge in der Äußerung (im Text) spiegelt Abfolge der Ereignisse
Grammatikalisierte Strukturen
- unterschiedlich warm : Sprache "denkt vor"
- ABER: Sprache instrumental: grammatische Struktur kann "überschrieben" werden
113
grammatische Bedeutung: Default-Interpretation
Weltbildproblematik (Whorf: "sprachliches" Zeit-Denken bei Hopi und Europäern[Standard
Average European])
Wdh. grammatikalisierte Zeitmarkierungen
Tempus- vs. Aspektsysteme
Tempus: deiktisch, Äußerung interpretiert durch Verankerung in der (sprach- /äußerungsexternen) Zeit: Fixpunkt ist die Äußerungszeit ( Satz / satzmodal)
Aspekt: Konturierung der Textstruktur (sprachintern Satzbasis / propositional); aber
nutzbar für die Artikulation relativer Zeitinterpretation (Taxis)
Von beidem zu trennen: lexikalisierte Zeitmarkierungen – als feste Wörter (gestern, morgen
… ) oder auch morphologisch isoliert: Aktionsartenmarkierung.
Übergangszone zur Grammatik:
- Aspekt als Stammbildungskategorie (Russisch, s. Vlg. XY),
- temporal spezialisiertes Verb im komplexen Prädikat (arab. kaana "sein" als temporale
Markierung einer Periphrase)
1. Tempus (deiktisch):
x = ti (ti < t0)
t0
x = tj(tj > t0)
x = tk(tk < tj)
Zeit (t)
Äußerung
Tempus-Fenster
Taxis-Fenster
1. Aspekt (Textperspektivierung):
Taxis: vor
Äußerung
Vordergrund (PF)
Hintergrund (IPF)
Taxis: nach
Perfektiv: Perspektive auf ein Ereignis als abgeschlossenes (schließt an vorangehendes und
folgendes an ( Taxis)
Imperfektiv: Hintergrundsfolie für Ereignisse (
evtl. mit Binnenperspektive des Ablaufs)
Beispiel: Vergleich
Deutsch (Tempussystem: Präteritum vs. Nicht-Präteritum)
und marokkanisches Arabisch (Aspektsystem: Perfektiv vs. Imperfektiv)
114
(aus Colin, Chrestomathie marocaine, Paris 1955)
Marokkanisches Arabisch
ASP
1
2
)
+" 4 ) +
bei-1PL Regel.S
" "
$"% (+
in-wo-SUBJ bau:PF.3SM INDEF-ein
PF
wenn jemand ein Haus gebaut hat,
oder nur ein Zimmer, oder sogar nur
eine Hütte,
PERF
(¬PRÄT)
IPF
wenn das fertig ist,
¬PRÄT
IPF
dann macht er für die Handwerker
ein Festessen
¬PRÄT
IPF
und er lädt seine Nachbarn ein,
¬PRÄT
IPF
daß auch sie essen (kommen).
¬PRÄT
PF
(VORZ)
es war (einmal) ein Mann (, der war)
benachbart mit Jha
PRÄT
PF
und Gott hatte es so gefügt,
PF
daß dieser Mann ein paar Groschen
zusammengebracht hatte
PLQPF
(PRÄT)
PLQPF
(PRÄT)
PF
und ein neues Haus gebaut hatte.
PF
(An dem) Tag, an dem es fertig
geworden war,
lud er seinen Nachbarn Jha ein,
PLQPF
(PRÄT)
PLQPF
(PRÄT)
PRÄT
daß er das Haus anzusehen komme,
(KONJ)
INDEF-Haus und-nicht nur Zimmer
3
4
"%
und-nicht bis-Hütte
( ' ""'
wann IND.HAB-3SF-fertig.sei:IPF
' "")
+
IND.HAB-3SM-mach:IPF Festessen
"" )
5
6
7
"
für-DEF-Handwerker-PL
%"") <9
) "
9
"
und-3SM-einlad:IPF zu-Nachbar.PL-3SM
"' "
(
"*
3-ess:IPF-PL bis-3.PL
'
% (+" <
"<
sei:PF.3SM IN-DEF-Mann
" % <
8
TEMP
¬PRÄT
$"9 <%" /
%" (
Deutsch
(¬¬AKT) bei uns ist es eine Regel, daß,
) "(
PZP-benachbart.sei: mit Jha
%"
0*
und-bring:PF.3SM Gott
+ '" <
"<
)
DEM-DEF-Mann sammel:PF.3SM
$" # "
INDEF-Geld.DIM-PL
10
11
12
13
14
15
16
17
%"
% (+" 9"9 < + +"
und-bau:PF.3SM IN-DEF-Haus neu-F
* <'
Tag
"
fertig.sei:PF-3SF
) <9
) " "
(
einlad:PF.3SM zu-Nachbar-3SM Jha
"
"$
9"9 <
3SM-komm:IPF 3SM-seh:IPF DEF-Haus
' "$
"* #
wie-INTER-3SF
% $
# " %"
ob gut-F
und-nicht nein
(
komm:PF.3SM Jha
%" 4 ' ""
"9"9 <
und fortsetz:PF.3SM DUR-3SM-spazier:IPF
> 0%") <9%"
PF
IPF+IPF
(SUBJ)
(¬¬AKT) wie es sei,
(KONJ)
(¬¬AKT) ob es schön sei oder nicht.
(KONJ)
PF
Jha kam
PRÄT
PF+IPF
und spazierte ausdauernd durch das
Haus, in der Länge und Breite, nach
rechts und links,
PRÄT
PF
und er roch den Essensduft (auch
noch) nicht,
PRÄT
PF
als er bei der Toilette angekommen
war;
PLQPF
(PRÄT)
PF
da wendete er sich an den Hausherrn
PRÄT
PF
und sagte zu ihm:
PRÄT
%"$
Länge und-Breite und-rechts und-links
18
%" "$
"$
und-NEG-riech:PF.3SM-NEG*
("" " ' "
19
20
21
Geruch-F.KS-DEF-Essen-F
(
%2
bis
ankomm:PF.3SM zu-DEF-ZimmerDEF-Wasser
) +9 < "
" ""
" 9"9 <
dann wend:PF.3SM in-Herr-DEF-Haus
%"4
"
und-sag:PF.3SM zu-3SM
115
22
*+
+ "
"*
"
DEM.F mach:PF-2S zu-3SF DEF-Tür
PF
"Bei dem hier hast du die Tür ein
bißchen sehr schmal gemacht!"
PERF
PF
er sagte zu ihm:
PRÄT
+# "* 9% #4"
23
24
25
26
27
28
29
30
31
von-3SF eng.DIM-F sehr
4
"
sag:PF.3SM zu-3SM
(¬¬AKT) "Wieso das denn?
%"' " $
und-wie-was
$""+1
/ % (+ FUT
"*
NEG FUT 3SF-eintret:IPF zu-3SF nur einer
4
"
(
sag:PF.3SM zu-3SM Jha
%"
/"
und-wenn woll:PF-2P
"+ 1 " " +
2-hinein.tu:IPF-PL DEF-Tisch
' / + "+ "
wie FUT 2-mach:IPF-PL
/ " "$
wenn NEG woll:PF-2P-NEG*
+ ' >">
{RS} " "4
DEM DEF-Schüssel{RS} 3SM-PASS-drehIPF
"*
32
RS DEF.REL in-3SF
" 9"9 < *
33 ) +
da Herr-DEF-Haus versteh:PF.3SM
Es wird da nur einer eintreten!"
FUT
Jha sagte zu ihm:
PRÄT
PF
"Und wenn ihr wollt
¬PRÄT
IPF
den Eßtisch hineintragen,
(INF)
FUT
+IPF
PF
was werdet ihr machen,
FUT
wenn ihr nicht wollt,
¬PRÄT
IPF
daß die Schüssel runterfällt?"
¬PRÄT
+IPF
PF
(¬¬AKT) die darauf ist,
¬PRÄT
PF
Da verstand der Hausherr die
Bedeutung (dessen),
PRÄT
IPF
was Jha ihm zu verstehen gab.
PRÄT
PF
Er sagte zu ihm:
PRÄT
---
"Ah, mein Freund,
---
PF
daß ich das vergessen habe!
PERF
(¬PRÄT)
(¬PRÄT)
" ) "
34
35
36
37
38
DEF-Bedeutung-F
) " $ ' "" )
4
"
% +"
VOK-Kind-1S
*" /
"
PRÄS-1S nur vergess:PF-1S
"")$# )
40
( "" "
44
+# "'
das Festessen der Hausvollendung.
""9 <
IN-DEF-Mahl von-Beendigung-DEF-Haus
%"<"
43
(¬¬AKT) Heute nachmittag (gibt es) bei uns
+"
in-DEF-Nachmittag bei-1P
39
42
(
sag:PF.3SM zu-3SM
% (+"9"9#
41
"
zu-was IND-3SM-bedeut:IPF Jha
/ + "2 >
<"'
und-PRÄS-1S FUT 1S-schick:IPF nach-2S
weil 3SM-komm:IPF DEF-Leute
/ " "'
möchte:PF-1P-2S
"$ <
( "
2S-beehr:IPF Ort-1P
) +49
da
"4+
"'
mit-Gegenwart-2S
( "/ <9
erreich:PF.3SM Jha DEF-Ziel
'
DEF.REL sei:PF.3SM
' "" )
"
DUR-3SM-zeig:IPF zu-3SM
---
FUT
+IPF
IPF
Ich werde dich dann holen lassen,
PF
möchten wir von dir,
¬PRÄT
IPF
daß du unseren (Wohn-)Ort
beehrst."
Da hatte Jha die Absicht erreicht,
¬PRÄT
PF
PF
(VORZ)
+ IPF
FUT
weil, wenn dann die Leute kommen ¬PRÄT
die er ihm (die ganze Zeit) gezeigt
hatte
Grundlegend:
Szenariotypen (vom Kopf der Propostiion "projiziert"): [± dynamisch]
PLQPF
(PRÄT)
PLQPF
(PRÄT)
116
[- dynamisch] ohne interne Zeit (primär nicht verbal?), nur extern situierbar:
Osnabrück ist eine Stadt in Niedersachen
Osnabrück hat einen Dom
Derartige Propositionen in vielen Sprachen nicht verbal artikuliert (> Nominalsätze). Sie
können aber auf ein zeitliches Intervall beschränkt werden, das dann zeitlich verortet werden
kann:
Vor zehn Jahren lag Osnabrück noch an der Hase ...
[+ dynamisch] spannt eine interne Zeitstruktur auf, die dann wieder auf ein zeitliches Intervall
abgebildet werden kann:
er ist am laufen, er war am laufen ... (am V-en: DURATIV; PROGRESSIV)
er ergreift die Hand, er hat die Hand ergriffen (er-V: PERFEKTIV ..)
Diese Struktur ist in den semitischen Sprachen primär (in den synthetischen Formen
grammatikalisiert) – die externe temporale Situierung geschieht in der Periphrase mit kan,
allerdings auch mit einer Futurpartikel / + , die zunehmend in die Verbform inkorporiert
wird (z.B. 29). Aber damit liegen nur Möglichkeiten für die Artikulation eines Textes vor –
was in diesem mit diesen Formen gemacht wird, ist eine andere Frage. So in diesem Beispiel
die für eine narrative Struktur primäre Artikulation von Vorder- / Hintergrund.
Vgl. hier die [- dynam] nominalen Strukturen: (1 – im Dt. auch wiederzugegen als "Wir haben
eine Regel, daß ...").
Dabei kann aber die aspektuelle Differenzierung auch auf einer Ebene genutzt werden: z.B.
Imperfektiv im Vordergrund in Verbindung mit einer Indikativ-Markierung (z.B. 4
' "")
– hier in Verbindung mit einer Habitualis-Bedeutung).
Insofern ist die hier illustrierte Artikulation von Vorder- / Hintergrund durch die
Aspektmarkierungen nur eine erste vergröbernde Annäherung. Bei einer Feinanalyse muß für
jede Text-Nute bestimmt werden, welche Kontraste dort möglich sind (vgl. auch Kap. XY
Neutralisierung in Konditionalgefügen u. dgl.).
Aber es ist auch so deutlich, daß mit einem solchen grammatischen System eine narrative
Struktur anders "vorgedacht" ist als bei einem Temporalsystem wie dem deutschen (s.
Berman / Slobin 1994).
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