14 - Ernst-Pepping

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MITTEILUNGEN DER ERNST-PEPPINGGESELLSCHAFT
Heft 14, Januar 2007
ISSN 1438-9487
Pepping auf CD
Verehrte, liebe Mitglieder unserer Gesellschaft!
Fast sechzig Jahre nach ihrer Uraufführung kehrt Peppings Dritte Symphonie
(symbolisch) heim in die Philharmonie: Am 25. April 1948 hoben Robert
Heger und das Berliner Philharmonische Orchester das noch zu Kriegszeiten
entstandene Werk aus der Taufe. Die Aufführung spaltete die anwesenden
Kritiker: „Eine künstlerische Tat, die der deutschen Symphonik wieder Richtung
gibt“, urteilte der Berliner „Tag“; zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte der
Autor im Berliner „Tagesspiegel“: „Hier zeichnet sich klar der Weg in die
Zukunft ab, der Weg zu einer spezifisch deutschen Neoklassik“. Andere
„progressive“ Kräfte hingegen (unter ihnen Hans Heinz Stuckenschmidt) sahen
hier einen Weg eingeschlagen, „der zu immer konservativeren Ergebnissen
führt“: „Pepping ist mit diesem Werk zu einer Altmeisterlichkeit gelangt, die
ihren Stilkreis bewußt eng zieht (...) Die Partitur wirkt als Kompendium
vielstimmiger Satzkunst, als ein einziges Schulbeispiel strengen und mitunter
freien Kontrapunkts.“ Letztere Stimmen haben sich behaupten können, und
auch Peppings Erwartungen an ein breites Publikum, das (so glaubte er) die von
ihm angestrebte „komplizierte Einfachheit“ wohl zu schätzen wisse, wurden
letztlich enttäuscht. Wenige Jahre später wurde es – wie um viele von Peppings
Orchesterkompositionen – still um das Werk.
Nunmehr haben sich Uri Rom und das Junge Orchester der Freien Universität
Peppings letzter und stilistisch wahrscheinlich markantester und bedeutendster
Symphonie angenommen und bringen diese am Sonntag, 18. Februar 2007 (um
20 Uhr im Kammermusiksaal der Philharmonie) zu Gehör. Zur Aufführung
gelangen drei weitere um das Kriegsende entstandene Werke: „Yizkor“ (In
Memoriam) für Viola und Streichorchester (1947) des israelischen Komponisten
Oedoen Partos, „Ma Tovu“ (aus der „Liturgischen Kantate“) des ebenfalls aus
Israel stammenden Paul Ben Haim (1950) und die „Vier letzten Lieder“ von
Richard Strauss (1948). „Nach dem Krieg“ lautet auch der Titel des Konzertabends, für den kein Geringerer als der israelische Botschafter, Herr Shimon
Stein, die Schirmherrschaft übernommen hat. An diesem Sonntag findet –
entgegen der ursprünglichen Planung – auch unsere Jahresversammlung statt.
Eine weitere höchst erfreuliche Nachricht: Im Paul-Gerhardt-Jahr 2007 wird
Peppings Liederbuch nach Gedichten des Barockdichters vielfach musiziert
werden. Die Gesellschaft erreichte eine Vielzahl von Anfragen nach der –
inzwischen leider vergriffenen – Ausgabe. Diesen Notstand zu beseitigen, ist
unser nächstes Anliegen. Bitte teilen Sie uns Aufführungen rechtzeitig mit. Wir
veröffentlichen sie gerne unter den Terminen auf unserer Homepage.
Möge Sie die umfangreiche Ausgabe für das Ausbleiben der letzten
„Mitteilungen“ entschädigen.
Im Gedenkjahr erschienen mehrere
Aufnahmen von Peppings Werken
bei den Labeln cpo, Cantate und im
Berliner Pape-Verlag.
Rezensionen im Innenteil.
Ernst Pepping zum Gedenken – ein Jahresrückblick
Eine Vielzahl von Veranstaltungen würdigte Pepping anlässlich seines 25.
Todestages am 1. Februar 2006. Termingerecht erinnerte der Rundfunk BerlinBrandenburg in zwei Sendungen an den Komponisten.
Den Auftakt unserer Konzertreihe (mit allerdings bescheidenem Pepping-Anteil) bildete eine Chorvesper mit dem Titel
„Ode to Light“ – Eine Passionsgeschichte am Sonnabend, 4. Februar 2006 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche. Es
sang der Mendelssohn-Kammerchor unter Leitung von Morten Schuldt-Jensen, an der Orgel spielte Michael Schönheit,
Gewandhausorganist. Es erklangen viele Komponisten des 20. Jahrhunderts, wie z. B. Reger, Ligeti, Dupré, unter anderem
auch Ernst Pepping mit seiner kleinen Motette „Herr neige deine Ohren“, ein inhaltlich dichtes Programm, was in der gut
besuchten Kirche großen Anklang fand.
H. H.
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 2
Aktuell
KMD Prof. Dr. Peter Schwarz (Fortsetzung von Seite 1)
Am 4. Juli 2006 verstarb in Berlin unser langjähriges
Vorstandsmitglied Peter Schwarz im Alter von 69
Jahren.
„Lust hab ich ghabt zur Musika“ – unter diesem Titel stand
die „offizielle“ Eröffnungsveranstaltung am 5. Februar in der
Franz-Schreker-Bibliothek der Berliner Universitätsbibliothek,
deren Schwerpunkt ein (mit Lichtbildern illustrierter) Vortrag
zum Leben Ernst Peppings von Anselm Eber bildete. „Lust
hab ich ghabt zur Musika“ – dieses Prädikat verdiente auch
die musikalische Umrahmung durch Inés Villanueva (Sopran)
und Peter Uehling (Klavier) sowie durch Akiko Yamashita
(Klavier).
Ein Leben ging zu Ende, das von Fürsorge für seine
Familie und Weggenossen und von immerwährender
intensiver nachschöpferischer Arbeit an der Musik
geprägt war.
Nach Studium u. a. bei Michael Schneider und Wolfgang Fortner in Detmold wurde er Kantor und Organist
an der gerade neu erbauten Kaiser-FriedrichGedächtniskirche in Berlin-Tiergarten, ein Amt, das er
40 Jahre innehatte.
Als Organist und Dirigent der von ihm 1965 gegründeten Berliner Cappella sowie des ars-nova-ensembles
hat er sich in zahllosen Konzerten und Gottesdiensten
neben Aufführungen traditioneller Musik wie kaum ein
anderer Kirchenmusiker der Pflege der Neuen Musik
gewidmet. So kamen auf der einen Seite die
oratorischen Werke von Bach, Mozart, Brahms u. a. zu
Gehör, andererseits – und hier lange Zeit in der mit
Frank Michael Beyer veranstalteten Reihe „musica
nova sacra“ – die ganze Breite der Musik des 20.
Jahrhunderts: Strawinsky, Eisler, Ligeti, Yun, Beyer,
Nono, Dallapiccola, Britten, Zechlin, Henze, Berio,
Siebet – und auch Pepping. Bei letzterem widmete er
sich besonders der „Missa Dona nobis pacem“ sowie
einigen Orgelwerken, darunter dem Concerto II, das er
noch für ein Konzert im Mai dieses Jahres vorbereitete,
zu dessen Ausführung ihm dann aber die Kraft fehlte.
Begegnungen mit Peter Schwarz waren immer anregend, ideenreich, liebevoll – nie hätte Langeweile
aufkommen können. Bei seinem unbändigen schöpferischen Arbeitsdrang machten ihm bürokratische
Sachzwänge oft schwer zu schaffen, und er hat es
dadurch manchmal seinen Gesprächspartnern nicht
leicht gemacht.
Peter Schwarz erlebte die letzten Jahre seines Amtes in
der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche nicht ohne
Verletzungen und wurde dennoch mit einem festlichen
Gottesdienst verabschiedet. Seine letzte Wirkungsstätte
war dann für Jahre die Kirche Zum Heilsbronnen in
Berlin-Schöneberg.
Für sein Lebenswerk wurde er mehrfach ausgezeichnet, so für seine Verdienste um das Musikforum
Berlin-Israel und seine künstlerischen Kontakte zu
Polen.
Bis zuletzt hat der von schwerer Krankheit
Geschwächte und Gezeichnete alle geplanten Aufgaben noch zu Ende geführt bzw. Freunde und Weggenossen um deren Erfüllung gebeten.
Eine große Gemeinde nahm in einem bewegenden
Gottesdienst Abschied von einem Menschen und
Künstler, den viele liebten und der unaussprechlich
viel bewegt hat.
C. S.
An nicht weniger als drei Abenden war LKMD i. R. Christian
Schlicke, einer der Initiatoren der Konzertreihe, maßgeblich
beteiligt. Seiner Anregung – die Idee geht zurück auf eine
Aufführung, die Pepping selbst einmal besucht und als „hinreißend“ erlebt hat – ist ein überaus gelungener Konzertabend
am 18. Februar in der St.-Matthäuskirche (Berlin-Tiergarten)
zu danken: Im Wechsel gelangten die fünf Sätze der „Missa
Hercules Dux Ferrariae“ von Josquin Desprez und Peppings
„Hymnen für Orgel“ zur Aufführung. Die Gegenüberstellung
beeindruckte, nicht zuletzt dank der hervorragenden Leistung
des Ensembles Peter Schwarz unter seinem (bereits von
Krankheit gezeichneten) Leiter. Christian Schlicke musizierte
die – gelegentlich zur Sprödigkeit neigenden – Hymnen mit
großer Überzeugungskraft.
Nur eine Woche später erwies sich Christian Schlicke einmal
mehr als ein exzellenter Kenner von Peppings Musik, der er
sich auch emotional stark verbunden fühlt. Die rund hundert
Besucher, die zur Gesamtaufführung des „Großen Orgelbuches“ ins entlegene Spandauer Johannesstift gekommen waren, erlebten einen lebendigen und mitreißenden Vortrag, der,
unterstützt durch eine farbenreiche und nuancierte Registrierung, die den Stimmungsgehalt der einzelnen Choräle – zur
Weihnachts-, Passions- und Osterzeit – verdeutlichte, zweifellos als ein Höhepunkt der Konzertreihe bezeichnet werden
darf. Der Applaus war langanhaltend und sehr herzlich. A. E.
Das Pepping Gedenkjahr war Anlass für das Vocalensemble
der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, sich in intensiven
Proben mit den „ Sechs kleinen Motetten“ von Ernst Pepping
zu beschäftigen. Am Sonntag, den 30. April hat das
Vocalensemble unter der Leitung von KMD Helmut Hoeft
mit deren Aufführung zur musikalischen Gestaltung des Abendgottesdienstes in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
beigetragen und damit einen kleinen, aber wertvollen Beitrag
zum Berliner Gedenkfest geleistet. Ergänzt wurde das gottesdienstliche Programm durch Christian Schlicke, der
ausschließlich Orgelwerke von Ernst Pepping spielte, sowohl
als Prae- und Postludium, als auch zur Einleitung zu den
Gemeindeliedern.
H. H.
Ernst Pepping und seinen Schülern galt ein Orgelkonzert am
6. Mai in der Schöneberger Kirche Zum Heilsbronnen.
Florian Wilkes hatte (in Vertretung für den erkrankten Peter
Schwarz) ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, in dessen Mittelpunkt Peppings „Concerto II“ stand.
Von großer Ausdruckskraft die Werke der beiden anwesenden Pepping-Schüler Frank Michael Beyer (Lobgesang „Wurze
des Waldes“) und Helmut Barbe („Preces“). Diesen wie auch
der Sonate I von Paul Hindemith und den ganz zu Unrecht im
Schatten des „Großen Orgelbuchs“ stehenden Choralvorspie-
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 3
Schatten des „Großen Orgelbuchs“ stehenden Choralvorspielen des „Kleinen Orgelbuchs“ war Wilkes ein ausgezeichneter Interpret. Der Abend hätte gewiss mehr Zuhörer verdient.
A. E.
Zwei der bekanntesten Werke Ernst Peppings, die immer
wieder Choristen und Hörer in ihren Bann ziehen,
gelangten am Mittwoch, dem 28. Juni im Konzertsaal
Bundesallee der UdK zur Aufführung: Die Evangelienmotette „Jesus und Nikodemus“ (1938) und die Deutschen
Bänkellieder „Lob der Träne oder Der Welten Lauf“
(1940/48). In der weitgehend makellosen Widergabe durch
den Kammerchor der UdK unter Leitung von Christian
Grube bestätigte sich erneut die unverbrauchte Wirkung
beider Werke auf die Hörer, und Peppings herrlicher
Humor in seinen Bänkelliedern entlockte dem überaus
verständigen Publikum so manches Schmunzeln.
Weitgehend unbekannt hingegen dürften die von beiden
Chorwerken eingerahmten Klavierlieder aus dem Liederkreis „Vaterland“ (nach Gedichten von Friedrich Georg
Jünger) und aus dem „Haus- und Trostbuch“ (beide im
ersten Nachkriegsjahr 1946 entstanden) selbst manchem
Pepping-Kenner gewesen sein. In der überzeugenden
Interpretation durch Inés Villanueva (Sopran) und Peter
Uehling (Klavier) hinterließen alle zwölf ausgewählten
Lieder starke Eindrücke und brachten so manche erfreuliche kompositorische Überraschungen, die bei etlichen
Hörern den dringenden Wunsch nach Widerbegegnung
mit diesen Werken ausgelöst haben dürften. Zum Schluss
erklangen, wiederum gesungen vom Kammerchor der
UdK unter Christian Grube, neun Volksliedsätze aus den
Sammlungen für drei und vier Stimmen von 1957. Diese,
für Peppings Verhältnisse nicht sehr schwierigen Werke,
entfalten jedoch ihren Zauber und ihren Charme erst so
recht, wenn sie auf solch hohem stimmlichen und musikalischen Niveau vorgetragen werden – eine Verbeugung
Peppings vor dem deutschen Volkslied und eine Werbung für die Satzkunst Ernst Peppings durch diesen hervorragenden Chor.
Viele Hörer dürften Prof. Rainer Cadenbach für seine
kenntnisreichen und mit Sensibilität vorgetragenen Einführungen dankbar gewesen sein und selbst die zahlreichen Pepping-Kenner werden von ihm manche neue
Information erhalten haben.
R. W.
In der Berliner Luisenkirche fand am Sonntag, 2. Juli 2006
eine Chorvesper mit Werken Ernst Peppings und seines
Schülers Winfried Petersen statt, zusätzlich erklangen
Werke alter Meister aus dem Schweriner Umfeld. Marina
Zagorski dirigierte das Schweriner Vocalensemble vor
einer leider kleineren Besucherzahl, die aber aufmerksam
Teilen der Deutschen Messe Peppings lauschte oder sich
von den Klangbildern des Gesang des Lebens (1970),
Zyklus von 4 Gedichten von Karl Heinz Robrahn, von
Petersen beeindrucken ließ.
H. H.
*
Herzlichen Dank allen, die sich mit großem Engagement
für das Zustandekommen und Gelingen der Konzertreihe
eingesetzt haben!
Die Redaktion
Pepping auf CD
Im April 2006 erschienen Peppings Symphonien beim
Osnabrücker Label „cpo“ (Werner Andreas Albert,
Nordwestdeutsche Philharmonie). Etwa zeitgleich legte das
Stuttgarter Label „Cantate“ eine Neueinspielung der
„Missa Dona nobis pacem“ durch Bernd Stegmann und
das Berliner Vokalensemble vor. Der Berliner Pape-Verlag
veröffentlichte Peppings „Kleines Orgelbuch“ in der Interpretation von George Bozeman. Auszugsweise geben wir
hier einen Teil der Rezensionen wieder. Zuletzt finden Sie
eine bereits vor längerer Zeit erschienene Besprechung
des dritten Bandes unserer „Pepping-Studien“.
Ein Muss für Pepping-Fans. NWD legt Gesamteinspielung der Sinfonien vor.
Minden (mt). Ein Blick in die einschlägigen Schallplattenkataloge betätigt, dass mit Pepping auch ansonsten Chor
assoziiert wird: Weniges ist dokumentiert, und dann
vorrangig Musik, die der menschlichen Stimme anvertraut
ist. Da mutet es fast wie eine kleine Sensation an, dass
jetzt das Osnabrücker Entdeckerlabel „cpo“ eine Gesamteinspielung der Sinfonien Ernst Peppings vorlegt und um
ein Klavierkonzert ergänzt. Ausführende dieser diskographischen Heldentat sind die Nordwestdeutsche Philharmonie (NWD) unter Werner Andreas Albert, einem Dirigenten, der sich in der Vergangenheit zum König des
abseitigen Repertoires gemausert hat.
Auf zwei CDs werden die zwischen 1939 und 1944 entstandenen und zwischen 1992 und 1995 im Auftrag des
Westdeutschen Rundfunks eingespielten drei Sinfonien
vorgestellt. Das Ergebnis kann sich hören lassen und auch
darüber hinaus ist die Doppel-CD eine kleine Fundgrube:
Das Booklet informiert ausführlich über Umstände der Entstehung, bleibt allerdings vage, wenn es um satztechnische
Einzelheiten geht, die hier von einigem Interesse wären.
Vielleicht nahm der Autor an, die traditionellen Bahnen
verhaftete Kompositionsweise brauche keine detaillierten
Erläuterungen: Damit hat er zumindest teilweise recht.
Erstaunlich die Verweigerungshaltung des Komponisten
den Strömungen des 20. Jahrhunderts gegenüber, die aus
den vier vorgelegten Instrumentalwerken spricht. So ist die
erste Sinfonie ein viersätziges, überaus verspieltes und den
Geist der Wiener Klassik atmendes Werk. Haydn in die
Moderne versetzt ist das: Kein Wunder, dass Karl Böhm
die Uraufführung dirigierte.
Für die Zweite Sinfonie von 1942 setzte sich kein Geringerer als Wilhelm Furtwängler ein: Man spürt, dass die
Eindringlichkeit des langsamen Satzes bei diesem Dirigenten in besten Händen war. An anderer Stelle (3. Satz)
hört man allerdings auch, dass Einfälle sich totlaufen und
der Erfindungskraft des Komponisten Grenzen gesetzt sind.
Trotzdem ist die Zweite Sinfonie das bedeutendste Werk
und für einen Test in Sachen Repertoiretauglichkeit unbedingt geeignet. Aber auch hier bleibt Pepping Traditionalist,
lässt kaum etwas von den bedrohlichen Ereignissen der
Weltgeschichte in die Komposition einfließen. Wie kann
ein in Berlin ansässiger Tonsetzer im Angesicht von Krieg
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 4
Aktuell
und Zerstörung derart unbekümmert komponieren, fragt
man sich.
Nicht zuletzt angesichts einer dritten Sinfonie (1944), die
den Untertitel „Die Tageszeiten“ trägt und wiederum
gelassen, fast heiter daherkommt, als habe es Zwölftonmusik und Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Hörenswert
ist diese Musik in ihrer zum Teil ausdrucksstarken Art
dennoch: Dies gilt erst recht für das wenig mehr als
zwanzigminütige Klavierkonzert, das wie ein früher
Hindemith wirkt und von Volker Banfield imposant in
die Tasten geschlagen wird. Die Nordwestdeutsche Philharmonie ist hier ein ausgesprochen präsenter Begleiter, in
den Sinfonien ein aufgeweckt und kompetent agierendes
Orchester. Dass ihm die erste Sinfonie am besten liegt,
verwundert nicht. Von der zweiten immerhin kann man
sich anhand dieser Aufnahme einen ausgezeichneten
Eindruck verschaffen.
Doch festzuhalten bleibt: Werner Andreas Albert ist nicht
Furtwängler und die NWD nicht die Berliner
Philharmoniker. Trotzdem: Für alle Pepping-Fans ist diese
CD ein Muss, für den sinfonischen Raritäten-Sammler
ebenso. Für die übrigen Hörer gibt es einmal angenehme,
dann wiederum etwas kantige Musik zu erleben. Keine
schlechte Mischung.
Udo Stephan Köhne, Mindener Tagblatt
Symphonien aus schwieriger Zeit
Als Symphoniker im engeren Sinn – also als Komponisten,
der sich intensiv und über einen längeren Zeitraum
hinweg mit der Gattung Symphonie auseinandersetzt –
kann man Ernst Pepping nicht bezeichnen. Er schrieb
seine drei Symphonien während des Zweiten Weltkrieges,
also in einer schwierigen Zeit, in der viele Komponisten
emigriert waren oder sich mit dem Nazi-Regime eingelassen hatten. Nach 1945 war Pepping, der konsequent an
seinem eigenen Stil festhielt, dann bald ein kaum mehr
gefragter Komponist. Ein wenig an Sibelius erinnernd,
beendete Pepping die kompositorische Tätigkeit 13 Jahre
vor seinem Tod – in Erinnerung bleibt er vor allem als
Erneuerer der Kirchenmusik und als Hochschullehrer (zu
seinen Schülern zählte unter anderem Aribert Reimann).
Mit dieser Doppel-CD rückt cpo den Instrumentalkomponisten Pepping in den Blickpunkt: Neben den drei
Symphonien erklingt das 1950 komponierte Klavierkonzert,
den Solopart spielt Volker Banfield. Werner Andreas
Albert leitet die Nordwestdeutsche Philharmonie in den
1992-95 entstandenen Aufnahmen.
Alle Symphonien halten an der dreisätzigen Form fest,
die Dritte trägt den Titel ‚Die Tageszeiten‘, ohne daß
Pepping sie als Programmusik verstanden wissen wollte.
Die 1939 komponierte erste Symphonie zeichnet sich
durch einen ausgedehnten ‚Molto Adagio‘-Abschnitt aus,
um den sich die relativ knappen übrigen Sätze gruppieren.
Peppings Stil, dies wird schon beim Hören des ersten
Satzes klar, ist schwer zu charakterisieren. Er schrieb eine
relativ zugängliche, klare Tonsprache, die trotz Anklänge
an den Neoklassizismus in keine der Schubladen des (an
Sch
Schubladen nicht armen) 20. Jahrhunderts paßt. Am ehesten könnte man noch eine Parallele von der ersten
Symphonie zu Mahlers Vierter ziehen – allerdings ohne
die ‚Himmlischen Längen‘, Peppings Werk dauert 32
Minuten.
Das Engagement der Nordwestdeutschen Philharmonie
für diese selten zu hörende Musik wird leider durch ein
leicht verwaschenes Klangbild getrübt. Die sonst in dieser
Hinsicht meist exzellenten cpo-Produktionen erfahren hier
einen ‚Ausreißer‘ – die Balance zwischen Streichern und
Bläsern könnte besser sein, das Holz wird bisweilen fast
zugedeckt. Schade, denn rein musikalisch gibt es nichts
auszusetzen: Auch die zweite Symphonie, ein in der
Länge deutlich gewachsenes Werk, erfährt eine präzise
und mitreißende Interpretation. Das 1942 entstandene
Werk wirkt schroffer, herber und nicht so leicht
zugänglich wie die ‚ältere Schwester‘. Gemeinsam haben
beide Werke eine Tendenz zu kontrapunktischer
Schreibweise, die bisweilen etwas gezwungen wirkt – vor
allem die Partitur der Zweiten dürfte in dieser Hinsicht
ein Fest für Analytiker sein. Im direkten Vergleich
hinterlässt die zweite Symphonie den gelungeneren
Eindruck, wird aber selbst noch von der Dritten
übertroffen, die Pepping 1944 (also unter denkbar
ungünstigen Umständen) komponierte.
Obwohl die Sätze Titel wie ‚Der Morgen‘ oder ‚Die
Nacht‘ tragen, darf man eine ‚Morgenstimmung‘ a la Grieg
ebensowenig erwarten wie ein chopineskes Nocturne im
Finale. Kontrapunktische Künste durchziehen auch dieses
Werk, ansonsten hebt es sich aber durch eine feinfühlige
Instrumentation und originelle Harmonik von den ersten
beiden Symphonien ab. Vieles spricht dafür, dass
Peppings letzte Symphonie seine beste ist – gravierend
sind die Unterschiede jedoch nicht. Das Orchester leistet
erneut interpretatorisch vorzügliche Arbeit, auch die
genannten klanglichen Defizite lassen sich weiterhin
feststellen.
Kompakt und verspielt präsentiert sich schließlich das
Klavierkonzert, traditionell dreisätzig gebaut, wobei erster
und letzter Satz wiederum unterteilt sind. Banfield, der
für cpo bereits einen Koloss wie das Busoni-Konzert
gestemmt hat, bereitet das bei aller handwerklicher
Meisterschaft doch eher harmlose Konzert keinerlei
Schwierigkeiten, Albert und die Nordwestdeutsche Philharmonie begleiten souverän. Als unbedingt hörenswertes
Meisterwerk würde ich das Klavierkonzert aber nicht
bezeichnen. Optimal ist das Klangbild auch hier keineswegs, doch besser als bei den Symphonien.
Fazit: Wer den Komponisten Ernst Pepping kennenlernen
möchte, ist mit diesen beiden CDs gut bedient. Die
ordentlichen Interpretationen des Orchesters wurden
allerdings klanglich defizitär eingefangen. Für allgemeiner
interessierte Hörer muss man festhalten, dass Pepping ein
fähiger, aber nicht herausragender Komponist war. Wer
ausschließlich Meisterwerke sammelt, wird sich diese
Veröffentlichung wohl nicht anschaffen. Ein höchst erfreulicher Aspekt ist hingegen der ausführliche Booklet-Text
von Anselm Eber.
Michael Loos; Quelle: www.klassik.de
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 5
Verborgene Größe
Wirklich bedeutende Musik, so will es in der eventgeprägten musikalischen Gegenwart scheinen, kann nur dort zu
finden sein, wo die arrivierten Werke der anerkannten
Komponisten aufgeführt werden. Das gilt vor allem für
die Musik der älteren Vergangenheit, in gewisser Weise
auch für jene des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart.
Außerdem wird Größe allzu leichtfertig im ‚Großen’
gesucht – kleinere Gattungen, ästhetische Nebenwege und
musikalische Nischen werden kaum einmal nach
verborgenen Schmuckstücken ‚durchforscht’. Doch gibt
es gerade hier wundervolle Arbeiten zu bestaunen, wird
bei der Beschäftigung mit diesen Kompositionen die
‚Musikgeschichte der Heroen’ in ihrer ganzen Fragwürdigkeit bloßgestellt:
Bernd Stegmann und das Berliner Vokalensemble widmen sich mit der vorliegenden Platte dem chormusikalischen Schaffen Ernst Peppings (1901-1981). Schon zuvor
traten Dirigent und Ensemble durch Veröffentlichungen
mit Musik von Arnold Mendelssohn, Hugo Distler und
Helmut Barbe hervor, die sich sämtlich durch ein hohes
musikalisches Niveau und eine tiefgründige, innovative
und wohlüberlegte Programmzusammenstellung auszeichneten.
Ernst Pepping, der vielleicht bedeutendste kreative Kirchenmusiker des deutschen Protestantismus im 20. Jahrhundert,
hinterließ ein umfangreiches Werk, vorwiegend im
Bereich der Chormusik angesiedelt, jedoch auch durch
größere Orchesterwerke dokumentiert. Zudem äußerte er
sich in mehreren Buchveröffentlichungen zur ästhetischen
Dimension seines Schaffens, das in jene kirchenmusikalische Erneuerungsbewegung eingebettet war, die
sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts unter
anderem barocken Vorbildern zuwandte. Peppings
Kompositionsweise ist grundsätzlich polyphon angelegt,
verbleibt meist in einer kirchentonartlich geprägten Tonalität und erreicht dabei gleichzeitig eine charakteristische
Farbigkeit des Klanges.
Im Zentrum der vorliegenden Platte steht die 1948 uraufgeführte fünfsätzige ‚Missa Dona nobis pacem’. Schon
die Reaktionen nach dem ersten Erklingen dieser Musik
verwiesen auf den verstörenden, für die von Verunsicherung und Zukunftsangst gekennzeichnete Nachkriegszeit
angemessene Art der Vertonung des Messtextes. Pepping
selbst lehnte eine irgendwie aktuelle, direkte ästhetische
Verbindung zwischen seiner Musik und der realen
Lebenswelt jedoch stets ab.
In der Messe treten uns spröde, zerklüftete Abschnitte
gegenüber, die außerordentlich vielfältig gestaltet und mit
einem hohen formalen und kompositionstechnischen
Anspruch versehen sind. Komplexe Fugen beeindrucken
den Hörer, in den anderen Kompositionen der Platte – es
sind dies die Motetten auf biblische Texte ‚Jesus und
Nikodemus’, ‚Ein jegliches hat seine Zeit’ und ‚Uns ist
ein Kind geboren’ – treten jedoch auch lyrische Momente
in den Vordergrund, wird eine beinahe meditative
Vierstimmigkeit entfaltet.
Diese in manchen Aspekten auch für den heutigen Hörer
herausfordernde Musik verlangt nach künstlerisch und
intellektuell bestens gerüsteten Interpreten – und findet sie
im von Bernd Stegmann souverän geformten und
geleiteten Berliner Vokalensemble. Der schmal besetzte
Chor verfügt über ein schönes Melos, das vor allem in
den Sopranen immer wieder aufglänzt. Die herausfordernde
Musik Peppings wird neben der notwendigen
stimmlichen Disposition von den einzelnen Sängern hörbar
auch gedanklich bewältigt – ein nicht unwesentlicher
interpretatorischer Aspekt. So gelingen auch tonal
schwierige Figuren und Anschlüsse sehr souverän,
beweisen sich auch hier die sehr geschlossenen Register
des Chores. Das Ensemble ist erkennbar am Ideal
differenzierter Klangentfaltung orientiert. Im Ergebnis
heißt das: Es wird ein sehr fein abgestimmtes dynamisches
Tableau entfaltet, das auf einer aktiven, strukturierten
Phrasierung basiert. Einzig die Textverständlichkeit leidet
hin und wieder unter der Hinwendung zur klanglich
delikaten Vielgestaltigkeit.
Doch handelt es sich insgesamt um eine absolut
kompetente Interpretation der Werke: Peppings Musik ist
von Stegmanns Auffassung und Umsetzung musikalischtechnisch, intellektuell und ästhetisch durchdrungen
worden und hat die Vielschichtigkeit der Kompositionen
zutreffend ausgeleuchtet. Dabei wurde die nicht
unerhebliche Aufgabe bewältigt, eine sich gewissermaßen
verbergende Musik zugänglich und verständlich zu
machen.
Dr. Matthias Lange; Quelle: www. klassik.com
Ernst Pepping: „Missa Dona nobis pacem“
Der 1979 gegründete Chor arbeitet semiprofessionell und
singt auf höchstem Niveau. Er besitzt einen klaren Chorklang, ist schlank geführt, klingt homogen, singt intonationssicher, aber manchmal etwas statisch. Chor und
Chorleiter haben diese Aufnahmen alles in allem sehr gut
gemeistert.
Astrid Belschner; rbb Kulturradio am Mittag
Ernst Pepping: Symphonien und Klavierkonzert
Volker Banfield, Klavier; Nordwestdeutsche
Philharmonie, Werner Andreas Albert
cpo 2006, Best.-Nr. 777 041 – 2
Ernst Pepping: Missa Dona nobis pacem, Jesus und
Nikodemus, Ein jegliches hat seine Zeit, Uns ist ein
Kind geboren
Bernd Stegmann, Berliner Vokalensemble
Cantate 2006, Best.-Nr. C58027
Ernst Pepping: Kleines Orgelbuch, Concerto I;
Hugo Distler: Dreißig Spielstücke für die Kleinorgel
oder andere Tasteninstrumente
George Bozeman, Orgel
Pape 2006, Best.-Nr. LC 08430
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 6
Aktuell
„Für die Zeit – gegen den Tag“
Bekannt ist Ernst Pepping vor allem für seine Chormusik und
sicherlich ist er – neben Hugo Distler – der wichtigste Komponist für evangelische Kirchenmusik im 20. Jahrhundert. Von
Chorleitern und Organisten geschätzt, wird er vom Publikum
eher verhalten aufgenommen, was sich an der geringen
Anzahl von Konzerten und Einspielungen seiner Werke
ablesen lässt. Viele Vorurteile gegenüber dem Menschen
Ernst Pepping auszuräumen und den Bekanntschaftsgrad
seines vielschichtigen und umfangreichen Oeuvres zu fördern,
das hat sich die Ernst-Pepping-Gesellschaft zur Aufgabe
gemacht. Als Organ dienen ihr die Pepping-Studien, deren
dritter Band hier besprochen werden soll.
Kurz notiert …
Als neue Gesellschaftsmitglieder begrüßen wir sehr
herzlich Herrn Dr. Hans-Eberhard und Frau Heike
Bosse (Neunkirchen).
Es verstarb unser Gesellschaftsmitglied Prof. Ernst
Arfken.
Im Alter von 99 Jahren starb am 25. Februar 2006
Frau Agnes Klaffke, geb. Kaempf, Sekretärin und Heimleiterin an der Berliner Kirchenmusikschule zwischen
1935 und 1946.
Vielfach ist für das heutige Pepping-Bild die Frage nach
seinem Verhalten im Dritten Reich entscheidend, zumeist
verbunden mit vorschnellen Urteilen. Aufschluss über die
damalige Lebenssituation Peppings gibt der Aufsatz
„Anpassung, Verweigerung, innere Emigration? Ernst Pepping
im Nationalsozialismus“ von Burkhard Meischein. Mit dem
nötigen Abstand des Historikers nähert sich Meischein der
Problematik, reflektiert über den Begriff ‚innere Emigration’
und kommt zu einem, natürlich nicht widerspruchsfreien
Gesamtbild, das als typisch für eine Vielzahl von nicht
emigrierten Künstlern im Dritten Reich gelten kann. Naturgemäß setzen sich mehrere Essays mit dem Chorschaffen
Peppings auseinander. Erwähnenswert erscheint hier der
Beitrag „Ernst Peppings Chorzyklus Der Wagen. Entstehungsgeschichte, Form und Rezeption“ von Anke Tillmann. In
kompakter Form präsentiert sich alles Wissenswerte rund
um ein bedeutendes a capella Werk des 20. Jahrhunderts.
Schade ist nur, dass der analytische Anteil ein wenig unter
der gebotenen Kürze leidet. Ebenso spannend ist der Blick
auf Peppings Instrumentalwerke, wie ein Aufsatz von Manuel
Gervink beweist. Er behandelt die drei Symphonien (!)
Peppings und stellt diese in den Kontext der Gattungstradition.
Der weithin unbekannte Pepping der 20er Jahre wird unter
anderem bei Michael Heinemann in seinem Essay „Ernst
Pepping: eine Positionsbestimmung“ thematisiert. Hier zeichnet sich das Bild eines jungen, ungestümen Komponisten
ab, der den Vergleich mit dem ‚Bürgerschreck’ Hindemith
nicht zu scheuen braucht. Ein kleines Kuriosum ist der
Aufsatz „Brückenbau zwischen Ernst Pepping und Hanns
Eisler?“ von Gerd Rienäcker. Wie der Autor mehrfach
erwähnt, hat es zwischen Pepping und Eisler so gut wie
keinen Kontakt gegeben und der Aufsatz handelt von allerlei
Differenzen in politischer, weltanschaulicher und ästhetischer
Hinsicht. Die Gemeinsamkeiten erschließen sich allerdings auf
den zweiten Blick: Beide Komponisten sitzen gewissermaßen
zwischen den Stühlen ... ein durchaus lesenswerter Beitrag!
Wenige Tage vor seinem 99. Geburtstag verstarb am
29. Dezember 2006 Herr Dr. Eberhard Zohlen.
Insgesamt zeichnet sich im dritten Band der Pepping-Studien
ein facettenreiches Bild des Menschen und Musikers Ernst
Pepping ab, das Lust darauf macht, sich näher mit diesem
vielfach unterschätzten Komponisten zu beschäftigen. Es
gibt noch viel zu entdecken ...
Freitag, 23. Februar 2007, 19.30 Uhr,
Dorfkirche Berlin-Marienfelde
Musik der 1950er Jahre. Werke von Ahrens,
Hessenberg, Reda und Pepping (Zwei Fugen in cis)
Christian Schlicke, Orgel
Claus Woschenko; Quelle: Die Tonkunst online / 0407
„Für die Zeit – gegen den Tag“. Die Beiträge des Berliner
Ernst-Pepping-Symposiums 9.-13. Mai 2001. Hrsg. von
Sven Hiemke, Köln: Dohr 2002
In unserer letzten Mitgliederversammlung wurde Frau
Christiane Richter in den Vorstand der Gesellschaft
gewählt. Sie übernimmt künftig das Amt der Schatzmeisterin.
Die Mitgliedsbeiträge für das vergangene Jahr wurden
vor wenigen Tagen abgebucht.
Peppings Orchestervariationen über einen Liedsatz
von Senfl („Lust hab ich ghabt zur Musika“) gelangten
am 1. und 2. Juli 2006 in Frankfurt am Main durch das
Jugend-Musik-Ensemble der Dreikönigskirche unter
Christian Münch zur Aufführung.
Am Karfreitag, 14. April 2006 wurde Peppings
„Passionsbericht des Matthäus“ in Hamburg aufgeführt
(Kantorei St. Katharinen, Kammerchor Fontana d'Israel;
Leitung: Andreas Fischer und Isolde Knittel).
Florian Wilkes spielte am 3. Dezember 2006 in der
Berliner St.-Hedwigskathedrale u. a. Orgelwerke von
Ernst Pepping.
Die nächste Mitgliederversammlung findet, wie schon
erwähnt, am Sonntag, 18. Februar 2007 um 15.30 Uhr
statt. Eine Einladung ging Ihnen bereits zu. Um 20.00
Uhr erfolgt in der Berliner Philharmonie die Aufführung
von Peppings Dritter Symphonie. Kartenvorbestellungen
sind unter Tel. 030 – 36 75 14 84 oder im Internet
([email protected]) möglich.
Termine
Freitag, 18. Mai 2007, 20.00 Uhr,
St.-Nikolaikirche (Stadtmuseum), Berlin-Mitte
Martin Luther – Paul Gerhardt. Orgelkonzert
Werke von Pepping, Bach, Buxtehude u. a.
Christian Schlicke, Orgel
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 7
Archiv
1944 – Das Jahr der Entstehung der Dritten Symphonie
Ernst Pepping: Handschriftliches Werkverzeichnis für Oskar Söhngen zum 5. Dezember
1945 (Ausschnitt)
Als Pepping seine Dritte Symphonie seinem
Verleger am 18. September 1944 annoncierte,
war bereits abzusehen, dass eine Drucklegung
und Aufführung zu Kriegszeiten nicht mehr
erfolgen würde. „Wir haben hier auch eine
Sinfonie – mit Paukenschlag –, die man die
„Tageszeiten“ nennen könnte“, antwortete
Ludwig Strecker am 27. September 1944 aus den
Kellerräumen des Verlages, „nur ist leider kein
Unterschied mehr zwischen Morgen, Mittag
oder Nacht, sondern alles nur ein fortgesetzter
Alarm und dazwischen auch Angriffe. (…) Daß
Sie an einer neuen Sinfonie arbeiten, hat uns
alle sehr interessiert. Ich bewundere Sie für die
Konzentrationsmöglichkeit, die uns hier nicht
mehr vorstellbar ist. Das Manuskript allerdings
empfehlen wir Ihnen vorerst bei sich unterzubringen. An sich hätten wir hier natürlich
gute Aufbewahrung[s]möglichkeiten, nur ist die
Reise zu gefährlich.“ Wenige Wochen später
wurden die Mainzer Verlagsgebäude Opfer der
Bombenangriffe.
Wie überhaupt bei allen zu Kriegszeiten komponierten Werken lässt sich auch im Falle der Dritten Symphonie der
historische Kontext ihrer Entstehung kaum erahnen. Zur Komposition, entstanden zwischen Februar und August 1944,
erklärte der Komponist ausdrücklich, dass es sich hierbei primär um absolute Musik handele; die Überschriften seien
allenfalls als „Phantasieanhaltspunkte“ zu verstehen (Schreiben an Richard Baum vom 6. 8. 1948). Als symphonisches
Pendant zu seinem 1940 komponierten Chorzyklus „Das Jahr“, in dem Pepping das ländliche Leben im Wandel der
Monate schilderte (so oder ähnlich dürfte es Pepping im Johannesstift, am Rande Berlins gelegen, dessen Räume er von
1934 bis zu seinem Tod bewohnte, erlebt haben), bleibt bei den „Tageszeiten“ jeder Zusammenhang mit dem eigenen
Tagesablauf des Komponisten im letzten Kriegsjahr rein spekulativ: „Die Symphonie entstand am Ende des Krieges auf
dem Höhepunkt der Luftangriffe, zu einer Zeit, da jeder neue Morgen ein neues Geschenk war“, so Peppings einzige
Bemerkung zu den Umständen der Entstehung.
Zwar erreichte der Krieg das Johannesstift spät: In seinem handschriftlichen (Oskar Söhngen in Dankbarkeit zum 5.
Dezember 1945 überreichten) Werkverzeichnis datierte Pepping erste „schwere Luftangriffe auf Berlin“ auf den 22./23.
November 1943; nur kurz darauf wurde auch Spandau Ziel der Angriffe. Erleichtert reagierte Wilhelm Strecker auf
Peppings (wie üblich) knappen Spandauer Lagebericht (im Schreiben vom 9. Dezember 1943), „heute Nachricht von
Ihnen zu erhalten, denn man hörte hier, daß auch Spandau bei den letzten Angriffen hart betroffen worden sei. Möge es für
Sie so gut bleiben, denn es ist schon genug Unersetzliches vernichtet worden.“
Gleichwohl geriet die Kirchenmusikschule von 1943 an zunehmend unter Druck. Am 5. Februar 1943 wurde Gottfried
Grote zur Wehrmacht einberufen. Auf Vorschlag des Evangelischen Johannesstifts („im Einvernehmen mit Herrn Grote
und nach Rücksprache mit den Herren Oberkonsistorialrat Dr. Söhngen und Oberkonsistorialrat Gruhl“) übernahm
daraufhin Pepping kommissarisch die Leitung der Schule; eine hochoffizielle Ernennung durch das zuständige Dezernat
beim Stadtpräsidenten von Berlin hat indessen nie stattgefunden, da Pepping, seit 1940 in seiner Funktion als Pädagoge an
der Kirchenmusikschule uk- (= unabkömmlich) gestellt, eine entsprechende Qualifikation niemals nachgewiesen hat. (Die
1921 am Staatlichen Lehrerseminar in Essen erworbene „Berechtigung zum öffentlichen Schuldienst“ hatte Pepping 1928
an das Preußische Staatsministerium verkauft.) Die Situation verschärfte sich noch einmal im Sommer 1944: Wie alle
Musikschulen und Konservatorien musste auch die Berliner Kirchenmusikschule (durch Erlass des Landeskulturwalters
von Berlin vom August 1944) mit einer kurz- oder mittelfristigen Schließung rechnen, ferner stand – gemäß einer
Anordnung des Reichswissenschaftsministers vom 1. September 1944 – eine Mobilmachung aller Schüler und
Schülerinnen aus dem Bereich des berufsbildenden Schulwesens („soweit sie sich im einsatzpflichtigen Alter befinden und
nicht anderweitig erfasst werden oder bereits erfasst worden sind“) wie auch der „freiwerdenden, an anderer Stelle nicht
unbedingt notwendigen Lehrkräfte der Musikschulen, Musikseminare und Konservatorien für den Einsatz in der
Rüstungsindustrie oder zu anderen unmittelbar kriegswichtigen Aufgaben“ unmittelbar bevor. Zu den eindrucksvollen
Zeugnissen, die die Situation an der Kirchenmusikschule im letzten Kriegswinter schildern (der Schulbetrieb konnte trotz
Einschränkungen fast bis zuletzt aufrecht erhalten werden), gehört ein Schreiben Peppings an die der Schule noch
verbliebenen (und sämtlich dienstverpflichteten) Schülerinnen vom 17. November 1944. Dieses jüngst der Gesellschaft
überlassene Dokument fügen wir hier bei.
Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft Heft 14 Seite 8
Doch auch Pepping selbst geriet – angesichts der von offizieller Seite nachdrücklich geforderten Nachweise über seine
pädagogische Befähigung – in Bedrängnis. Mehrere Versuche der Stiftsverwaltung und des Oberkirchenrats, einen
Verzicht der Unterlagen zu erwirken, blieben erfolglos. Der entsprechende Schriftverkehr zog sich über einen Zeitraum
von mehr als einem Jahr in die Länge und verlief im Herbst 1944 schließlich im Sande. Ein letztes Schreiben in der
Angelegenheit datiert auf den 5. Oktober 1944: „Ob die verbrannten Akten der Reichsmusikkammer einen Nachweis
meiner deutschblütigen Abstammung enthalten haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Beiliegend überreiche ich Ihnen den
übersandten Vordruck unterschrieben zurück. Über Zeugnisse zum Nachweise meiner fachlichen und pädagogischen
Befähigung verfüge ich nicht, die Privatmusiklehrerprüfung habe ich nicht abgelegt, die staatliche Anerkennung besitze
ich nicht. Ich schlage vor, mich – was das Fehlen des Lebenslaufes und des polizeilichen Führungszeugnisses anbelangt –
als einen jener ‚wohlbegründeten Ausnahmefälle‘ anzusehen, deren Existenz in den ministeriellen Bestimmungen Berücksichtigung gefunden hat.“ (Pepping an den Berliner Stadtpräsidenten am 5. 10. 1944, EZA 7/2643)
Inzwischen hatte offenbar Oskar Söhngen dafür Sorge getragen, dass Pepping auf die „Gottbegnadetenliste“ des
Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda vom Spätsommer 1944 gelangte. Nunmehr in seiner Eigenschaft
als Komponist „dienstverpflichtet“ – seine uk-Stellung als Pädagoge blieb indessen weiter bestehen, ein glücklicher
Umstand verhinderte seine Heranziehung zum Volkssturm im Frühjahr 1945 –, blieb Peppings Schaffenskraft bis zum
Kriegsende ungebrochen. Im Zuge der „Totalisierung des Krieges“ gewissermaßen jeder Aufführungsmöglichkeit beraubt
– so scheiterte schon im September 1943 eine fest terminierte Dresdner Aufführung des Streichquartetts, für 1944 geplante
Aufführungen durch Fritz Heitmann, Ernst Kaller und Udo Dammert haben offenbar nicht mehr stattgefunden –,
komponierte Pepping fortan für die Zeit danach: Es entstand die „Serenade für Orchester“; über der Komposition der
vierten Klaviersonate drangen sowjetische Truppen ins Johannesstift vor.
Die Rettung der Manuskripte, insbesondere das der Dritten Symphonie war ihm ein wichtiges Anliegen: Man sei, so die letzte
Mitteilung nach Mainz vom 16. März 1945, „nachgerade an den Gedanken gewöhnt, alles übrige Eigentum abzuschreiben.
Wenn hierzu auch die Manuskripte von nicht erschienenen Werken gehörten, so wäre dies sehr bitter.“ Während die
meisten Autographe sorgsam in unterirdischen Gängen versteckt waren, scheint die Dritte Symphonie verschiedene Wege
genommen zu haben: Kurz vor deren Uraufführung drei Jahre nach
dem Krieg – vorausgegangenen waren zähe Auseinandersetzungen mit
dem Verlag Schott, die Pepping schließlich bewogen, beim Verlag
Bärenreiter zu publizieren, außerdem eine langwierige Herstellung und
Auslieferung der Aufführungsmateriale und der Studienpartitur –
schrieb Caritas Grote an Agnes Klaffke (am 2. April 1948): „Nun
kommt erst die Uraufführung von Peppings 3. Sinfonie die Tageszeiten.
Du weißt doch noch, wie wir das Manuskript gehütet haben in der
Russenzeit. Zuletzt lag’s im Hängeboden über der Küche.“
Pepping selbst dokumentierte die letzten Kriegsmonate in einem Brief
an seinen Freund und Kollegen Adolf Brunner vom 19. Februar 1949:
Programm zur Uraufführung der Dritten Symphonie
(Berlin 1948)
„Das Herbst 1943 komponierte ‚Streichquartett‘ war das letzte Manuskript, das der Post übergeben werden konnte. Was hernach entstand,
blieb in meinen Händen, das heisst, griffbereit in der Aktentasche. Die
vielgeübte und schliesslich virtuos beherrschte Technik bei Alarmen:
Fenster aushängen (von 5 Zimmern und Küche), Türen öffnen,
Klavichord in den Korridor tragen (auch den Gummibaum nicht
vergessen), 3 Koffer, Aktentasche mit Papieren und Manuskripten,
Hund und Frau in den Keller schaffen, dies alles zuweilen mehrmals
am Tage. Nun, diese Aktentasche war auch in meiner Hand, als die
ersten Russen nachts in den Keller kamen, als wir am nächsten Tag
unsere Wohnung verliessen und sie nach 4 Wochen wieder
aufsuchten. So blieben die ‚Symphonie III Die Tageszeiten‘, die
‚Serenade für Orchester‘ und die ‚Sonate IV für Klavier‘ der
Nachwelt erhalten. Der Schlusssatz des letzten Werkes wurde nach
der Neuetablierung der Wohnung geschrieben (wir hatten in den
letzten Kriegstagen sämtliche Möbel in den Keller geschafft), die
wegen der ausgiebigen Plünderungen längere Zeit in Anspruch nahm.“
Impressum: Mitteilungen der Ernst-Pepping-Gesellschaft (ISSN 1438-9487), im Auftrag der Ernst-Pepping-Gesellschaft
hrsg. von Anselm Eber, Malplaquetstr. 8, 13347 Berlin, Tel.: 030 – 45028051, E-Mail: [email protected].
Erscheinungsweise: zweimal jährlich. Vertrieb: kostenlos für die Mitglieder der Gesellschaft.
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