Der aktuelle Stand der weltpolitischen Klimadebatte Dr. Manfred Treber, Germanwatch TU Dresden, 20.4.2006 Germanwatch e.V. Ziel: Strukturen im "Norden" verändern, um Lebensbedingungen der Menschen im "Süden" zu verbessern • • • • 1991 gegründet ca. 500 Mitglieder, Fördermitglieder und Kampagneros 15 MitarbeiterInnen in Büros in Bonn und Berlin Arbeitsschwerpunkte: – RioKonkret: Klimaschutz und -verantwortung, Emissionshandel, Verkehr, nachhaltiges Investment – TradeWatch: Ernährungssicherung, Agrarhandel und Leitsätze für multinationale Unternehmen – Entwicklungspolitik: Informations- und Lobbyarbeit in der "klassischen" Entwicklungszusammenarbeit und globalen Strukturpolitik 1 Folgend zur neuen naturwissenschaftlichen Entwicklung ... ist zumeist noch vor dem Stadium von Gewissheit, fernab von deterministischem Eintreten Die Wahrscheinlichkeit, 2 Grad Erwärmung zu überschießen (Quelle: Meinshausen, 2006) 2 These: Die Auswirkungen der Klimaänderung sind stärker, als bisher von der Wissenschaft vorausgesagt Klimawandel: Indizien - Ursachen - Folgen Ein Blick auf einige Großexperimente mit der Menschheit im Rahmen des CO2-Anstiegs und des globalen Klimawandels 3 Experiment mit dem Lebensraum von Zig-Millionen Menschen: Desintegration des Grönland- Eisschildes Quelle Schellnhuber Greenland Ice Sheet 4 West Antarctic Ice Sheet Greenland Ice Sheet Quelle: Schellnhuber 5 Abb. 2: Eisverluste der Antarktis von 2002 bis 2005 in Kubikkilometer pro Jahr. Quelle: IPCC, TAR, Sea level rise. www.grida.no 6 Was passiert mit der Sahara? • Afrika - der verletzlichste Kontinent • weltweit: seit 2001 mehr Umwelt- als Kriegsflüchtlinge • Mehr Dürre? Grün? Achterbahn? Quelle: Geoscopia, NASA 7 Ab 2080 der Amazonas Regenwald Steppe? • • • • Fehlende Eisen-Düngung von Sahara-Winden Abholzung lokale Klimaveränderung (Albedo-Veränderung) globale Klimaveränderung 8 Großexperiment mit der Trinkwasserversorgung von mindestens 500 Mio Menschen • Was passiert mit dem asiatischen Monsun? • Doppelter Eingriff in ein bistabiles System 9 Worst Case Scenario for Monsoon Development Roller-Coaster Trajectory Wet Regime Bistability Dry Regime Zickfeld et al. 2005, GRL 32, 15707 (see also Ball 2005, Nature, August 15th) Folie: Schellnhuber Das lange übersehene Großexperiment: die Versauerung der Weltmeere • Experiment mit der wichtigsten Eiweißquelle von 2 Mrd. Menschen • Rein chemo-physikalisches System 10 Quelle: Turley et. al, 2005 Quelle: Turley et. al, 2005 11 Quelle: Turley et. al, 2005 Quelle: Turley et. al, 2005 12 Free downloading at www.defra.gov.uk/environment/climatechange/internat/sciencesassess.htm Tipping Points in the Earth System Quelle: Schellnhuber 13 Das klimapolitische Ziel: Gefährlichen Klimawandel vermeiden Kyoto-Protokoll sollte als Teil einer Langzeitstrategie mit folgenden Eckpunkten verstanden werden: • Weltweite Temperaturerhöhung sollte 2°C nicht überschreiten • Jahrzehntelange, weltweit zu koordinierende Aufgabe liegt vor uns • Mindestziel bis 2050: -50% THG-Emissionen weltweit, -80% in Industrieländern (gegenüber 1990) • Ziel bis spätestens 2100: weltweit keine Netto-Emissionen mehr • => Sehr ehrgeizige Ziele, (weiteres) Umsteuern darf nicht verzögert werden Treibhausgas-Emissionsziel 1990 2008-12 2020 2050 2100 Die Debatte, ob es einen menschgemachten Klimawandel gibt, ist vorbei • Die großen Debatten jetzt: • Ab wann ist er in großem Maßstab gefährlich? • Wieviel Treibhausgas-Reduktion notwendig? • Wieviel Anpassung an den Klimawandel? 14 Was ist zu tun? (Schellnhuber, 2006) Leitlinien: 1. Vermeiden des Nicht-Beherrschbaren 2. Gestalten des Unvermeidbaren Nun Schwenk von der Darstellung der Herausforderung des Klimawandels zur internationalen Klimapolitik 15 These Mit den neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen muss eine Trendwende der weltweiten Emissionen innerhalb 10 bis 15 Jahren eintreten, um die Aussicht, unter dem 2 Grad Limit zu bleiben, nicht nur Wunschdenken sein zu lassen. Kyoto-Protokoll 1997 • Dritter Klimagipfel (COP3) tagte in Dezember 1997 in Kyoto (Japan) • Protokoll mit Emissionszielen für Industrieländer • Praktisch alle Industriestaaten (auch USA) unterzeichneten Protokoll sehr bald • Ratifizierung durch meiste Staaten blieb zunächst aus, denn: – Das politische Kyoto-Protokoll musste noch in ein "Gesetzbuch" übersetzt werden, das die Details regelt. – Enorme Widerstände der fossilen Industrie (sie stellten fest, dass Einstieg in treibhausgasbegrenzte Zukunft naht) 16 • Kyoto-Protokoll seit 16. 2. 2005 in Kraft, Ergebnisse des Klimagipfels in Montreal: „3 i“ i. Implementation: Marrakesh Accords ii. Improvement (CDM-Verfahren) iii. Innovation: Die Verhandlungen um ‚Post 2012‘ beginnen Mitte Mai 2006 in Bonn Ergebnis des Klimagipfels in Montreal: Drittes „I“ von Dion : Innovation Verhandlungen um ‚Post 2012‘ beginnen Mitte Mai 2006 in Bonn: • Dialogue on Long Term Cooperative Action • Ad Hoc Gruppe zu Art. 3.9 Kyoto Protokoll • Behandlung des Waldschutzes • (COP/MOP 2) Art. 9 KP - First Review des KP 17 Bleibt die EU Zugpferd? These: Die Rolle des Treibers kann kein anderer Akteur als die EU einnehmen • Zugpferd EU für internationalen Klimaschutz essentiell • Emissionsziele und Erneuerbaren-Ziele bis 2020 notwendig • Bis Ende Juni 2006 müssen die Mitgliedsstaaten Vorschläge für NAP 2 einreichen • Kann Emissionshandel ab 2008 zielführend umgesetzt werden? Zur Erinnerung: Langfristige Ziele • Gefährlichen Klimawandel vermeiden! • > 2°C globaler Temperaturanstieg gegenüber vorindustriellem Niveau nicht tolerierbar (offizielle EU-Position, EU-Staatschefs Frühjahr 2005) • Jüngste wissenschaftliche Ergebnisse: Klimasensitivität höher als bisher geschätzt => ehrgeizigere Emissionsziele notwendig, um 2°C-Limit einzuhalten 18 Einbezug der USA in den internationalen Klimaschutz • Keine Ratifizierung von Kyoto durch USA absehbar • Einbezug der USA auf anderem Wege – Progressive Bundesstaaten, Kommunen, Unternehmen – Mittelfristig evtl. auch auf Bundesebene Politikwechsel: Gouverneur Schwarzenegger (Kalifornien) spricht sich für cap&trade System aus New York, Connecticut, New Jersey, Vermont, Maine, New Hampshire, Delaware und Maryland wollen verbindliche Emissionsziele setzen (-10 % bis 2018) Einbezug des Flugverkehrs • Klimaschädlichster Verkehrsträger • Emissionen des internationalen Flugverkehrs durch Kyoto unberücksichtigt! • Übernahme von Klimaschutzpflichten notwendig: – Freiwillig bereits jetzt möglich: z.B. Atmosfair – Verbindlich (sollte spätestens ab 2008 erfolgen): z.B. Einbezug in EU-Emissionshandel, Emissionsabgabe etc. 19 Einbezug des Flugverkehrs in den Europäischen Emissionshandel - alle von EU-Flughäfen ausgehenden Flüge - Berücksichtigung der besonderen Klimawirksamkeit der Flugzeugemissionen Ausblick Mit den Ergebnissen von Montreal sind Prozesse gestartet worden, die die mittelfristige Antwort auf die große Herausforderung ‚menschgemachter Klimawandel‘ liefern müssen. Es muss schneller gehen als bei Kyoto, und mit wirkungsvolleren Ergebnissen. Die nächsten 10 bis 15 Jahre zählen! 20 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 21