Beschreibung von Phasenübergängen in finiten

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ABCDE
Beschreibung von Phasenübergängen in
finiten Systemen durch die Nullstellen der
Zustandssummen
Diplomarbeit im
Studiengang Diplom-Physik
vorgelegt von:
Oliver Mülken
Betreuender Gutachter:
Zweiter Gutachter:
Prof. Dr. Dr. Eberhard R. Hilf
Prof. Dr. Karl Haubold
Oldenburg, 21. März 1999
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1
2
Phasenübergänge in thermodynamischen Systemen
2.1 Definition von Phasenübergängen nach Ehrenfest
2.1.1 Phasenübergänge . . . . . . . . . . . . .
2.2 Kritische Exponenten und Phänomene . . . . . .
2.2.1 Kritische Exponenten . . . . . . . . . . .
2.2.2 Kritische Phänomene . . . . . . . . . . .
2.2.3 Skalengesetze . . . . . . . . . . . . . . .
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3
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6
7
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Phasenübergänge und die Nullstellen der Zustandssummen
3.1 Darstellung der Zustandssumme durch deren Nullstellen
3.2 Innere Energie und spezifische Wärme . . . . . . . . . .
3.3 Beschreibungen von Yang und Großmann . . . . . . . .
3.3.1 Yang und Lee 1952 . . . . . . . . . . . . . . . .
3.3.2 Großmann et al. 1967 - 1969 . . . . . . . . . . .
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15
4 Phasenübergänge in finiten Systemen
4.1 Nullstellen und Näherungen für finite Systeme . . . . . . . . . . . . .
4.2 Struktur und Thermodynamik finiter Systeme . . . . . . . . . . . . .
4.3 Multi-Normal-Moden Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.1 Das Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.3.2 Nullstellen des Multi-Normal-Moden Modells . . . . . . . .
4.4 Ausblick auf die Ergebnisse der numerischen Nullstellenberechnungen
21
22
24
27
28
29
31
5
Nullstellenbetrachtung für Argon-Cluster
5.1 Nullstellen des Ar6 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.2 Nullstellen des Ar7 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
34
37
6 Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
6.1 Bestimmung der Nullstellen idealer Bose-Gase . . . . . . . . . . . .
6.1.1 Nullstellen eines 50 Teilchen BEC . . . . . . . . . . . . . . .
6.1.2 Nullstellen eines 80 Teilchen BEC . . . . . . . . . . . . . . .
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3
I
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II
INHALTSVERZEICHNIS
6.1.3 Nullstellen eines 100 Teilchen BEC . . . . . . . . . . . . . .
Interpretation der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
50
7
Interpretationsversuch der analytischen Fortsetzung von β
7.1 Äquvalenz von Zeitmittel und Ensemblemittel . . . . . . . . . . . . .
7.2 Analytische Fortsetzung und kanonische Zustände . . . . . . . . . . .
7.2.1 Zusammenhang mit den komplexen Nullstellen . . . . . . . .
53
53
54
55
8
Vorschlag, Zusammenfassung und Ausblick
8.1 Vorschlag zur Klassifikation von Phasenübergängen in finiten und
thermodynamischen Systemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.2 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
A Mathematische und physikalische Grundlagen
A.1 Mathematische Grundlagen der Beschreibung meromorpher Funktionen durch Nullstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.1.1 Satz von Mittag-Leffler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.1.2 Mathematische Herleitung der Nullstellendarstellung der Zustandssumme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.2 Grundlegendes der statistischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . .
A.2.1 Zustandssummen der einzelnen Ensemble . . . . . . . . . . .
A.2.2 Fugazität und Temperatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.2.3 Unit-Circle-Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A.2.4 Die Zustandssumme als Polynom . . . . . . . . . . . . . . .
63
6.2
B Artikel
59
60
63
64
65
67
67
69
70
71
73
Abbildungsverzeichnis
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
Phasenübergänge und die freie Energie . . . . . . . . . . . . . . .
Beispiel für einen kontinuierlichen Phasenübergang . . . . . . . .
Phasendiagramm für ein (T, p, N)-System . . . . . . . . . . . . .
ρT -Diagramm nach van-der-Waals und mit kritischem Exponenten
Spezifische Wärme berechnet mit Hilfe von kritischen Exponenten
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4
5
5
6
8
3.1
3.2
3.3
Nullstellenverteilung eines 3-Phasen-Systems . . . . . . . . . . . . .
Mögliche Nullstellenverteilung in der komplexen β-Ebene . . . . . .
Phasenübergänge und Potenzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
18
19
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
Spezifische Wärme beim Phasenübergang . . . . . . . . . . . . .
Diskrete Verteilung der Nullstellen βk für finite Systeme . . . . .
Energetisch tiefste Konfigurationen von Argon-Clustern . . . . . .
Korrelationsfunktion für Ar6 bei unterschliedlichen Temperaturen
Isomere des Ar6 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Isomere des Ar7 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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25
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27
5.1
5.2
5.3
5.4
Nullstellen des Ar6 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spezifische Wärme in Abhängigkeit von der ersten Nullstelle
Nullstellen des Ar7 -Clusters . . . . . . . . . . . . . . . . .
Spezifische Wärme in Abhängigkeit von der Nullstellen . . .
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6.1
6.2
6.3
6.4
6.5
6.6
6.7
6.8
6.9
Erste Nullstelle eines 50-Teilchen Bose-Gases .
Nullstellenverteilung eines 50-Teilchen BEC . .
Spezifische Wärme pro Teilchen . . . . . . . .
Erste Nullstelle eines 80-Teilchen Bose-Gases .
Nullstellenverteilung eines 80-Teilchen BEC . .
Spezifische Wärme pro Teilchen . . . . . . . .
Erste Nullstelle eines 100-Teilchen Bose-Gases
Nullstellenverteilung eines 100-Teilchen BEC .
Spezifische Wärme pro Teilchen . . . . . . . .
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7.1
Fluktuationen der potentiellen Energie . . . . . . . . . . . . . . . . .
58
A.1 Abbildung von β auf den Einheitskreis . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
III
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1
”Der Mensch hat dreierlei Wege klug zu
handeln: erstens durch Nachdenken, das
ist das edelste; zweitens durch Nachahmen, das ist das leichteste; drittens durch
Erfahrung, das ist das bitterste.”
Einleitung
Konfuzius
In der Natur ist ein und derselbe Stoff in unterschiedlichen Erscheinungsformen
anzutreffen. So findet man Wasser als Dampf, in flüssigem Zustand oder als Eis. Diese drei Aggregatzustände des Wassers sind klassifizierbar durch ihre makroskopischen
Eigenschaften, die für die drei Zustände verschieden sind. Dies ist genau die klassische Definition einer Phase beschrieben durch die verschiedenen Werte eines Ordnungsparameters. Die drei Zustände des Wassers lassen sich z.B. durch deren Dichte
unterscheiden. Als Phasenübergang bezeichnet man die Transformation von einem
Zustand in einen anderen.
Die Physik der Phasenübergänge stellte die theoretische Physik immer wieder vor
Probleme. Eine erste einigermaßen zutreffende Beschreibung von Phasenübergängen
kam von Ehrenfest. Dieser hat versucht, Übergänge durch Unstetigkeiten in den Ableitungen der thermodynamischen Potentiale zu klassifizieren. Ein Phasenübergang zweiter Ordnung wird demnach beschrieben durch die Unstetigkeit der ersten Ableitung,
während die erste Ableitung stetig ist. Hiermit läßt sich z.B. der Flüssigkeits-GasÜbergang klassifizieren. Auch der Supraleitungsübergang paßt in dieses Schema.
Die Anzahl der Übergänge, die sich nicht auf diese Weise einordnen lassen, ist
jedoch sehr groß. So folgen der λ-Übergang in flüssigem Helium, der OrdnungUnordnung-Übergang in binären Legierungen oder der Übergang von Ferromagneten
am Curie-Punkt nicht diesem Schema. Die spezifische Wärme CV = ∂T U, die sich
aus der partiellen Ableitung der inneren Energie U nach der Temperatur T ergibt,
divergiert am Phasenübergangspunkt. Die Experimente zeigen weiterhin ein nichtanalytisches Verhalten am Übergangspunkt. Durch die Ehrenfest’sche Definition lassen sich diese Phänomene nicht annehmbar erklären. Dies führte dazu, daß die Klassifikation der Phasenübergänge neu überdacht werden mußte. In den sechziger Jahren
haben Wilson, Kadanov und andere dieses unanalytische Verhalten als Ausgangspunkt
für eine neue Theorie der Phasenübergänge genommen. Sie beschrieben das Verhalten
am kritischen Punkt durch geeignete Ordnungsparameter, die einem Potenzgesetz gehorchen, dessen Exponent in den meisten Fällen keine ganze Zahl ist. Mit dieser noch
heute gültigen Theorie ließen sich alle möglichen Arten von Übergängen klassifizieren.
Im Jahr 1952 stellten Yang und Lee [1, 2] eine neue Beschreibung der Phasenübergänge vor. Da sich die thermodynamischen Größen aus den Ableitungen des natürlichen Logarithmus der statistischen Zustandssummen ergeben, schlugen Yang und
Lee vor, Phasenübergänge durch Nullstellen der Zustandsummen zu beschreiben. Al1
2
Kapitel 1. Einleitung
lerdings stößt man hier auf das Problem, daß die Nullstellen i.A. komplex sind. Yang
und Lee konnten zeigen, daß der Phasenübergangspunkt nur durch reelle Nullstellen
bestimmt wird. Genauer gesagt wird der kritische Punkt durch einen Schnitt der (komplexen) Nullstellenverteilung mit der reellen Achse beschrieben. Reelle Nullstellen
bzw. Nullstellenverteilungen erhält man aber nur im thermodynamischen Limes. Für
finite Systeme existiert dieser Limes nicht. Das bedeutet, daß die Nullstellen komplex
sind. Der Realteil wird durch die inverse Temperatur β = 1/T beschrieben. Beim Imaginärteil stößt man jedoch auf Interpretationsschwierigkeiten. Rein formal hat dieser
Imaginärteil die Dimension einer Zeit. Allerdings ist nicht klar, welche physikalische
Bedeutung diese Zeit hat.
Die Grundlagen der heutigen Theorie der Phasenübergänge ist kurz, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, im ersten Kapitel dargestellt. Im nächsten Abschnitt werden die Theorien von Yang und Lee und von Großmann et al. dargelegt. Die mathematischen Grundlagen der Beschreibung meromorpher Funktionen durch Null- und auch
Polstellen finden sich im ersten Teil des Anhangs.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen endlichen und thermodynamischen
Systemen werden in Abschnitt 4 herausgestellt. Die Beschreibung von Phasenübergängen in finiten Systemen durch die Nullstellen wird erläutert, ebenso, wie das MultiNormal-Moden Modell. Dieses einfache Modell beschreibt die thermodynamischen
Eigenschaften von Molekülen oder Clustern mit verschiedenen stabilen Isomeren. In
Kapitel 5 wird am Beispiel von Argon-Clustern gezeigt werden, daß auch in finiten Systemen die Beschreibung von Phasenübergängen durch die Nullstellen keine Nachteile
gegenüber der ”herkömmlichen” Beschreibung hat. Im Gegenteil bieten die Nullstellen
einen direkteren, wenn auch durch die analytische Fortsetzung abstrakteren, Zugang
zu der Physik am kritischen Punkt.
Folgend wird die Theorie auf endliche Bose-Einstein Kondensate angewandt. Hierbei wird untersucht, wie die Nullstellenverteilung in der komplexen Ebene liegt und
wie diese Beschreibung mit den herkömmlichen Berechnungen übereinstimmt.
Desweiteren wird in Abschnitt 7 ein Interpretationsversuch für die analytische
Fortsetzung der inversen Temperatur gegeben. Hier gelangt man zu einer Möglichkeit, Phasenübergänge durch den zeitlichen Verlauf der potentiallen Energie v(t) des
untersuchten Systems zu bestimmen.
Der Anhang enthält die fundamentalen mathematischen Grundlagen dieser Arbeit,
wie den Satz von Mittag-Leffler und die Weierstraß’sche Produktformel. Zusätzlich
werden weitere mathematischen und physikalische Grundlagen kurz dargestellt. Im
zweiten Teil des Anhangs findet sich eine Kopie eines Artikels über die Berechnung
thermodynamischer Eigenschaften von finiten Bose-Einstein Kondensaten mittels Rekursion, der während dieser Diplomarbeit entstanden ist und in der Zeitschrift Physical
Review A veröffentlicht wird.
In dieser Arbeit wird das ”natürliche” Einheitensystem verwendet, d.h. die Naturkonstanten ~, kB und c werden gleich 1 gesetzt. Die n-te partielle Ableitung einer
Größe y ist durch das Symbol ∂xn y dargestellt.
2
Phasenübergänge in
thermodynamischen Systemen
2.1 Definition von Phasenübergängen nach Ehrenfest
Ein System Σ wird thermodynamisch beschrieben durch ein Potential
G(A1 , A2 , · · · , An ), dessen partielle Ableitungen αi := ∂Ai G den thermodynamischen Größen entsprechen. Die Ai sind die makroskopisch vorgegebenen Variablen,
sie können in homogenen Systemen extensive bzw. intensive (unabhängig von der
Teilchenzahl) Observablen, wie z.B. das Volumen V bzw. die Temperatur T und der
Druck p sein. Den Ai lassen sich die zugehörigen kanonisch konjugierten Variablen
αi zuordnen. Das totale Differential des allgemeinen Potentials G(A1 , A2 , · · · , An ) ist
X
dG =
dAi ∂Ai G.
(2.1)
i
Durch die gemessenen Größen des Systems, wie z.B. die Entropie S, das Volumen
V oder die Teilchenzahlen Nj , wird dieses Potential bestimmt. In diesem Fall nennt
man das thermodynamische Potential die innere Energie U(S, V, Nj ) des Systems. Die
kanonisch konjugierten Größen zu den festgehaltenen Variablen sind T S, p V
und µj Nj . Diese ergeben sich aus den partiellen Ableitungen des Potentials. z.B.
für die innere Energie
T := ∂S U
−p := ∂V U
µj := ∂Nj U
die Temperatur
der Druck
das chemische Potential.
P
Das totale Differential ist dU = T dS − P dV + j µj dNj .
2.1.1 Phasenübergänge
Bei einem System, das in zwei Phasen anzutreffen ist, sind am Phasenübergangspunkt
beide Phasen im Gleichgewicht, d.h. daß auch die thermodynamischen Potentiale G1
und G2 der beiden Phasen am Übergangspunkt gleich sind, G1 = G2 . Allerdings bedeutet dies nicht, daß auch die Ableitungen identisch sein müssen. Genau hieraus ergibt sich die Klassifikation der Phasenübergänge nach Ehrenfest. Die Ungleichheit der
ersten Ableitungen von G,
∂Ai (G2 − G1 ) 6= 0,
3
(2.2)
4
Kapitel 2. Phasenübergänge in thermodynamischen Systemen
ist charakteristisch für Phasenübergänge erster Ordnung.
Als Phasenübergänge n-ter Ordnung bezeichnete Ehrenfest solche, deren n-te partin
elle Ableitungen ∂Ai des Potentials am Übergangspunkt ungleich sind, während jedoch
alle niedrigeren Ableitungen gleich sein müssen,
n
n
∂Ai G1 6= ∂Ai G2
m−1
m−1
(2.3)
gleichzeitig: ∂Ai G1 = ∂Ai G2
Tc
b)
F (T, V, N )
T
Tc
T
Tc
T
2
∂T F (T, V, N )
∂T F (T, V, N )
Tc
(2.4)
∂T F (T, V, N )
F (T, V, N )
a)
∀m≤n
T
Tc
T
Abbildung 2.1: Phasenübergänge unterschiedlicher Art und das hypothetische Verhalten der thermodynamischen Veränderlichen für die Freie Energie
F (T, V, N). a) mögliche Kurven der Freien Energie und deren erster Ableitung
bei Auftreten von Phasenübergängen erster Ordnung. b) mögliche Kurven von
F (T, V, N) und deren erster und zweiter Ableitung bei Auftreten von Übergängen zweiter Ordnung.
Physikalisch bedeutet dies, daß sich die kanonisch konjugierten Größen bei Phasenübergängen erster Ordnung sprunghaft verändern. Am Übergangspunkt hat die
entsprechende Variable eine Unstetigkeit (siehe Abb. 2.1). Bei Übergängen höherer
Ordnung sind die ersten Ableitungen gleich, was zur Folge hat, daß sich die thermodynamischen Variablen, wie Temperatur T oder Druck p kontinuierlich ändern. Unstetigkeiten zeigen sich bei den hypothetischen Phasenübergängen zweiter Ordnung
2
erst in den zweiten Ableitungen, wie z.B. der spezifischen Wärme CV = −T ∂T F
2
(F (T, V, N) ist die Freie Energie) oder der Kompressibilität Ks = −1/V ∂P U.
Allerdings zeigt sich, daß die Ehrenfest’sche Definition von Übergängen höherer
Ordnung die experimentellen Befunde nicht annehmbar wiedergibt. Vielmehr ist es so,
2.1 Phasenübergänge
5
daß die entsprechenden Größen, die einen Sprung am Übergangspunkt machen müßten, dies nicht tun, sondern Singularitäten aufweisen (siehe Abb. 2.2). Die Diskrepanz
2
F (T, V, N )
∂T F (T, V, N )
Tc
T
Tc
T
Abbildung 2.2: Beispiel für einen kontinuierlichen Phasenübergang, wie er sich
im Experiment zeigt.
zwischen den Experimenten und dem theoretischen Modell führte dazu, daß heute nur
noch zwischen diskontinuierlichen Übergängen, d.h. Phasenübergängen erster Ordnung, die immer noch so definiert werden wie oben geschehen, und kontinuierlichen
Übergängen, die sich durch Singularitäten in den zweiten Ableitungen auszeichnen,
unterschieden wird. Ein Beispiel hierfür ist die Transformation zwischen zwei Phasen
unterschiedlicher Symmetrie, wie z.B. verschiedene kristalline Strukturen im Festkörper. Hat ein System eine bestimmte Anordnung seiner Bestandteile, so wird durch eine
leichte Verschiebung einiger Teile die ursprüngliche Symmetrie zerstört und man erhält stattdessen eine andere Symmetrie. Bei diesem Prozeß wird das Volumen, das sich
aus der partiellen Ableitung der freien Enthalpie ∂p G(p, N, T ) = V ergibt, kontinuierlich verändert. Eine Klassifikation der Phasenübergänge muß die oben genannten
Phänomene am Übergangspunkt korrekt wiedergeben.
p
p
Schmelzdruckkurve
kritischer
Punkt
pc
fest
kritischer
Punkt
pc
flüssig
Tc
Dampfdruckkurve
Tripelpunkt
Sublimationskurve
gasförmig
Tc
T
Vc
V
Abbildung 2.3: Phasendiagramm für ein (T, p, N)-System
Typischerweise läßt sich aus der Zustandsgleichung ein Phasendiagramm wie in
Abb. 2.3 erstellen. Durch die Sublimations-, Schmelzdruck- und Dampfdruckkurve
werden die einzelnen Phasen eines System, wie in diesem Fall Wasser, unterteilt. Im
6
Kapitel 2. Phasenübergänge in thermodynamischen Systemen
Gegensatz zur Schmelzdruckkurve, für die gilt limT →∞ p(T ) = ∞ , endet die Dampfdruckkurve in dem Punkt (Tc , Vc , pc ) (bzw.(A1c , · · · , AN c ) in der allgemeinen Form,
s.o.), dem kritischen Punkt.
In dem Bereich, der jenseits des kritischen Punktes liegt, ist es nicht mehr möglich,
zwischen den beiden Phasen zu unterscheiden, die vorher durch die Dampfdruckkurve getrennt waren. Dies bedeutet aber, daß die ersten Ableitungen des Potentials, die
ja gerade die thermodynamischen Größen p und T angeben, und auch alle höheren
Ableitungen ab diesem Punkt wieder stetig werden müssen.
Aus dem experimentellen Verhalten des Systems am kritischen Punkt
(A1c , · · · , AN c ) kann man auf die Art der Phasenumwandlung schließen und eben dieses unanalytische Verhalten als Ausgangspunkt der neuen Theorie nehmen.
2.2 Kritische Exponenten und Phänomene
2.2.1 Kritische Exponenten
Als Parameter, die den Sprung an der Phasenübergangslinie beschreiben, nimmt man
diejenigen Al , bzw. (Al −Alc ), die besonders gut zur Beschreibung des Systems geeignet sind, da sie die physikalischen Veränderungen beim Phasenübergang wiedergeben,
wie z.B. die Dichte ρ für den gas-flüssig Phasenübergang oder die Magnetisierung M
für magnetische Übergänge. Diese bezeichnet man als Ordnungsparameter. Sie sind
am kritischen Punkt gleich Null, sonst ungleich Null. Die Art, wie sich der Parameter der Null am Übergangspunkt annähert, ist charakteristisch für das System. Nun ist
es keineswegs so, daß für jedes System nur ein Ordnungsparameter existiert, sondern
es können verschiedene Größen ähnlich gut zur Beschreibung des Phasenübergangs
geeignet sein.
ρ
van-der-Waals Kurve, α = 0.5
Kritischer Exponent α = 0.37
ρc
Tc
T
Abbildung 2.4: ρT -Diagramm nach van-der-Waals und mit kritischem Exponenten
In einem (T, p, N)-System ist ein möglicher Ordnungsparameter die Differenz
2.2 Kritische Phänomene
Exponenten
7
Ordnungsparameter
α
CV
β
(M2 − M1 )
β
(ρ2 − ρ1 )
γ
κT
δ
(p − pc )
ν
ξ
η
K(~r, t)
Relation
CV
spezifische Wärme
Magnetisierung
(M2 − M1 ) ∼ β
(ρ2 − ρ1 )
Dichte
κT
Kompressibilität
(p − pc )
Druck
∼ −α
Korrelationslänge
Korrelationsfunktion
ξ
K(~r, t)
∼ (−)β
∼ −γ
∼ ±|ρ2 − ρ1 |δ
∼ −ν
∼ |~r|−(d−2+η)
Tabelle 2.1: Die verschiedenen kritischen Exponenten, die zugehörigen Ordnungsparameter und die Abhängigkeit des Ordnungsparameters vom Exponenten
(ρ2 − ρ1 ) zwischen den Dichten ρi = ρ(Ti ), d.h. den Dichten bei den Temperaturen
T1 für die Phase 1 und T2 für die Phase 2. Das Gebiet, in dem der Ordnungsparameter
nicht Null ist, ist in der van der Waals-Gleichung parabelförmig (siehe Abb. 2.4).
Die Experimente zeigen jedoch, daß sich das Gebiet nicht mit einem gewöhnlichen Polynom beschreiben läßt. Es stellte sich heraus, daß die Art wie der Ordnungsparameter gegen Null geht zwar einem Potenzgesetz gehorcht, der Exponent jedoch
nichtganzzahlige Werte annehmen kann. Ganz allgemein gilt
(ρ2 − ρ1 ) ∼ β ,
mit :=
T − Tc
,
Tc
(2.5)
wobei β typischerweise Werte zwischen 12 und 13 annimmt (hierzu [3], [4], β ist hier
nicht die inverse Temperatur). Man nennt β einen kritischen Exponenten oder auch
Lyapunov-Exponenten. Dieser beschreibt in welcher Weise sich der Ordnungsparameter am kritischen Punkt der Null annähert.
2.2.2 Kritische Phänomene
Erstaunlicherweise zeigt sich eine große Universalität der kritischen Exponenten [3–
7]. Für die scheinbar unterschiedlichsten Systeme ergeben sich dieselben Exponenten.
Die Anzahl der kritischen Exponenten bleibt sehr begrenzt. So findet man z.B. für
flüssige und magnetische Systeme die gleichen Exponenten. Hierbei wird, genauso
wie bei den flüssigen Systemen die Dichte ρ, die Magnetisierung M = (M2 − M1 ),
mit M1 = 0, als Ordnungsparameter benutzt, der die gleiche Abhängigkeit von zeigt
wie ρ
M ∼ β .
(2.6)
8
Kapitel 2. Phasenübergänge in thermodynamischen Systemen
Ein anderes Beispiel für die große Universalität der Exponenten ist die spezifische
Wärme CV . Wie für die Dichte ergibt sich auch hier eine sehr ähnliche Abhängigkeit
von der kritischen Temperatur Tc (siehe auch Abb. 2.5). Wegen der Form der Kurve
nennt man die Übergänge auch λ-Übergänge.
CV ∼ α für T > Tc
CV ∼ (−)α für T < Tc .
In magnetischen Systemen sind die totalen Differentiale der inneren und der GibbsFreien Energie
dU = T dS + HdM
dG = −SdT − MdH.
Für die spezifische Wärme bei konstantem Magnetfeld CH = ∂T U erhält man die
gleiche Abhängigkeit von wie für CV
CH ∼ α für T > TC
CH ∼ (−)α für T < TC
CV
Tc
T
Abbildung 2.5: Schematische Darstellung der spezifischen Wärme berechnet
mit Hilfe von kritischen Exponenten
Die Universalität der kritischen Exponenten beschränkt sich nicht nur auf flüssige
und magnetische Systeme. Auch für supraleitende oder suprafluide Systeme findet man
entsprechende Exponenten.
Die kritischen Exponenten λ lassen sich allgemein definieren als
ln f ()
,
→0 ln λ := lim
(2.7)
wobei f () ein Ordnungsparameter des Systems ist. Hieraus folgt sofort die übliche
Notation, f () ∼ λ . Das bedeutet jedoch nicht, daß sich f () = const. · λ schreiben
2.2 Skalengesetze
9
läßt. In der Realität kommen hierzu in den allermeisten Fällen noch Korrekturterme,
die f () komplizierter werden lassen, je weiter man sich von Tc entfernt,
f () = C1 λ (1 + C2 y + . . . )
(y > 0).
Für die kritischen Exponenten spielen die zusätzlichen Terme allerdings keine Rolle;
dies folgt allein schon aus der Definition 2.7. Mit dieser Definition ist es relativ leicht,
die Lyapunovexponenten für verschiedene Größen zu berechnen, z.B. für die spezifische Wärme, oder die Magnetisierung. Hierzu benötigt man natürlich immer noch ein
geeignetes theoretisches Modell, das in der Nähe des kritischen Punktes gut mit den
Experimenten übereinstimmt.
Leider beschränken sich die momentan gängigen, analytisch rechenbaren Modelle
nur auf zwei Dimensionen. Eines dieser Modelle ist das Ising-Modell, welches ferromagnetische Systeme modelliert. Teilchen mit Spin sitzen auf diskreten Gitterpunkten
und wechselwirken nur mit ihren nächsten Nachbarn. Genaue Darstellungen dieses
Modells finden sich in jedem Standardlehrbuch der statistischen Physik [8–10]. Das
Ising-Modell ist analog zu dem Lattice-Gas-Modell für flüssige Systeme. In zwei Dimensionen gelingt es noch, das Ising-Modell analytisch zu lösen [11]. Es zeigt sich ein
kontinuierlicher Phasenübergang mit einem kritischen Exponenten α = 0. Allerdings
weiß man aus den Experimenten, daß der kritische Exponent der spezifischen Wärme
für ferromagnetische Systeme im Bereich von 13 liegt.
Es zeigt sich, das die Raumdimension entscheidend ist bei der Berechnung der
Exponenten. Dies gilt nicht nur für die Dimension des Raumes, sondern auch für die
Dimension des Parameters. Im Ising-Modell hat der Parameter nur eine Dimension, da
sich die Wechselwirkung auf parallel stehende Spins bezog. Eine weitere Abhängigkeit
der kritischen Exponenten ergibt sich aus der Reichweite der Wechselwirkung. Die
Reichweite wird definiert über Potenzen des Abstandes der Wechselwirkungspartner
r−(d+2+x) , wobei d die Dimension des Raumes ist und x die Art der Wechselwirkung
angibt. Ist x > 0 spricht man von kurzreichweitiger Wechselwirkung, für x < 0 von
langreichweitiger Wechselwirkung.
2.2.3 Skalengesetze
Daß alle kritischen Exponenten nur von den Dimensionen des Raumes, des Parameters
und von der Wechselwirkungsreichweite abhängen, wurde erstmals von R.B. Griffiths
1970 in seiner Universalitätshypothese formuliert [12]. Die Verhältnisse zwischen den
Exponenten ließen sich in sogenannte Skalengesetzen fassen, die zuerst als Ungleichungen formuliert wurden, später sich jedoch als Gleichungen herausstellten [4, 6]
α + 2β + γ = 2 (nach Rushbrooke)
α + β(1 + δ) = 2 (nach Griffiths)
(2 − η)ν = γ (nach Fischer)
β(δ − 1) = γ (nach Widom)
(2.8)
(2.9)
(2.10)
(2.11)
10
Kapitel 2. Phasenübergänge in thermodynamischen Systemen
Der den Ausschlag gebende Punkt bei der Universalitätshypothese sind die am kritischen Punkt unendlich groß werdenden Fluktuationen. Ein Maß hierfür ist die Korrelationslänge ξ. Diese gibt die Reichweite der Korrelationen einer Phase des Systems
an. Sie ist ist in erster Näherung proportional zu den Fluktuationen des Ordnungsparameters ρ(~r, t), d.h. zur Korrelationsfunktion
Z
0
K(ρ(~r, t), ρ(~r , t)) = d~r d~r0 ρ(~r, t)ρ(~r0 , t) Γ [ρ(~r, t), ~r; ρ(~r0 , t), ~r0] ,
des Ordnungsparameters ρ(~r, t) zur Zeit t am Ort ~r mit dem zur gleichen Zeit an einem
anderen Ort ~r0 , wobei Γ [ρ(~r, t), ~r; ρ(~r0 , t), ~r0 ] die Wahrscheinlichkeitsdichte ist.
ξ∼
1
1
=
0
K(ρ(~r, t), ρ(~r , t))
hρ(~r, t)ρ(~r0 , t)i
(2.12)
Am kritischen Punkt werden nun die Fluktuationen unendlich groß, sodaß ξ divergiert. Bestimmend am Übergangspunkt sind dann nicht mehr die im Vergleich zur
Korrelationslänge kleinen Reichweiten der Wechselwirkungen des Systems, sondern ξ
selbst.
Ebenso, wie für alle anderen Größen, läßt sich auch für ξ ein Exponent finden
ξ ∼ −ν .
(2.13)
Aus Experimenten an reellen Gasen oder Magneten ließ sich dieser Exponent zu ν '
0.64 bestimmen.
Dieser Abschnitt kann und soll nicht die heutige Theorie der Phasenübergänge in
allen Einzelheiten darstellen. Es sollte lediglich ein kurzer Überblich über den jetzigen Standard gegeben werden. In den gängigsten Büchern zu kritischen Phänomenen
und Phasenübergängen von Pfeuty [5], Stanley [3], Ma [4] und anderen finden sich
ausführliche Darstellungen dieses Themas.
3
Phasenübergänge und die
Nullstellen der Zustandssummen
Einen anderen Zugang zu Phasenübergängen bekommt man durch die statistische Beschreibung. Eine am kritischen Punkt divergierende Größe, wie die spezifische Wärme CV , ergibt sich aus der Ableitung des natürlichen Logarithmus der kanonischen
Zustandssummen nach der inversen Temperatur β, CV = β 2 ∂β2 ln Z(β). Die Ableitung des Logarithmus gibt immer einen Bruch, in dem das Argument des Logarithmus
im Nenner steht. Es liegt also nahe, die Divergenzen am Phasenübergangspunkt durch
eine am Übergangspunkt Null werdende Zustandssumme zu beschreiben. Schon seit
Gauß ist bekannt, daß jedes Polynom vom Grad n stets auch n i.A. komplexe Nullstellen besitzt. Mit Hilfe mehrerer funktionentheoretischer Sätze, die ausführlich im
Anhang dargestellt sind, gelingt es, die Zustandssummen vollständig durch ihre komplexen Nullstellen zu beschreiben. Im thermodynamischen Limes, d.h. wenn sowohl
das Volumen V , als auch die Teilchenzahl N gegen unendlich streben, der Quotient
v = V /N aber konstant bleibt, verdichten sich die Nullstellen auf Linien.
Die Verbindung von Phasenübergängen und (komplexen) Nullstellen der großkanonischen Zustandssumme wurde erstmals von Yang und Lee 1952 [1, 2] hergestellt.
Dies gelang mit Hilfe der analytischen Fortsetzung der Fugazität z = exp(βµ) auf
die komplexe Ebene z −→ Re(z) + i Im(z). Phasenübergänge zeigen sich in diesem
Modell als Schnitte der Nullstellenlinien mit der reellen Fugazitätsachse.
Auf den kanonischen Fall erweitert wurde das Modell von Großmann et al. zwischen 1967 und 1969 [13–15], indem die inverse Temperatur β = 1/T analytisch
fortgesetzt wird (β −→ Re(β) + i Im(β)). Hier wurde auch eine Beschreibung für die
Ordnung der Phasenübergänge gegeben.
3.1 Darstellung der Zustandssumme durch deren Nullstellen
In der statistischen Mechanik ist die kanonische Zustandssumme gegeben durch
X
Z(β) = Tr e−β Ĥ =
e−βEi ,
(3.1)
i
wobei Ĥ der Hamiltonoperator und die Ei die Energieeigenwerte des Systems sind.
Für ein kontinuierliches Energieneigenwertspektrum erhält man
Z
Z(β) = dE Ω(E) e−βE ,
(3.2)
11
12
Kapitel 3. Phasenübergänge und die Nullstellen der Zustandssummen
wobei E die Energie des Gesamtsystems ist, Ω(E) heißt Zustandsdichte und ist eine reelle Größe. Ziel ist es nun, durch analytische Fortsetzung die Zustandsfunktion
Z(β) unter Zuhilfenahme der Funktionentheorie durch Nullstellen βk auszudrücken.
In den Abschnitten A.1.1 und A.1.2 sind die mathematischen Grundlagen ausführlich dargestellt und einige elementare Rechnungen durchgeführt. Da die kanonische
Zustandssumme 3.2 eine integrale Funktion ist, läßt sie sich als Polynom schreiben.
Nach der analytischen Fortsetzung ergibt sich mit Hilfe des Satzes von Mittag-Leffler
für die meromorphe Funktion Z(β) die Darstellung durch ihre Nullstellen
β
Z(β) = Z(0) e
Z 0 (0)
Z(0)
∞ Y
β
β
1−
· e βk .
βk
k=1
(3.3)
Gleichung 3.3 ist für den weiteren Verlauf von entscheidender Bedeutung, da hiermit
die meromorphe Funktion Z(β) eindeutig durch ihre Nullstellen βk bestimmt ist!
Eine analoge Darstellung erhält man mit Hilfe der Pole βj
!
∞
β
Z 0 (0) Y
1
β Z(0)
βj
·
e
Z(β) = Z(0) e
.
(3.4)
1 − ββj
j=1
3.2 Innere Energie und spezifische Wärme
Aus der Nullstellenverteilung für die kanonische Zustandssumme läßt sich die innere Energie U bestimmen. Die innere Energie U erhält man, indem man die partielle
Ableitung des Logarithmus der Zustandssumme nach β bildet
U = −∂β ln Z(β),
wobei β bei der Ableitung eine reelle Größe ist. Mit Gleichung 3.3 erhält man
#
"
∞ β
Z 0 (0) Y
β
β Z(0)
U = −∂β ln Z(0) e
1−
· e βk
β
k
k=1
0
X
Z (0)
β
1
=−
−
∂β ln 1 −
+
Z(0)
βk
βk
k
Z 0 (0) X 1
1
=−
+
− .
Z(0)
βk − β βk
k
(3.5)
Der Anteil −Z 0 (0)/Z(0) der inneren Energie entspricht physikalisch genau der
inneren Energie des idealen Gases
−
Z 0 (0)
3N
≡
,
Z(0)
2β
(3.6)
3.2 Innere Energie und spezifische Wärme
13
da das ideale Gas keine Nullstellen besitzt und somit nur noch dieser Teil der inneren
Energie übrig bleibt. Zudem muß die innere Energie im Limes T → ∞ (also β → 0)
den Wert 3N/2β annehmen.
Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß von der inneren Energie immer den kinetische Anteil, der genau der inneren Energie des idealen Gases entspricht, absepariert
werden kann und man nur noch die potentielle Energie zur Betrachtung der Nullstellen
verwenden kann. Berücksichtigt man weiterhin, daß die Nullstellen immer in komplex
konjugierten Paaren [βk , βk∗ ] = [Re(βk ) + iIm(βk ), Re(βk ) − iIm(βk )] auftreten, so
erhält man für die innere Energie
1
1
3N X 1
1
+
+ ∗
−
− ∗
2
βk − β βk − β βk βk
k
X
3N
Re(βk ) − β
Re(βk )
=
−
+2
2
2
2
(Re(βk ) − β) + (Im(βk ))
|βk |2
k
U=
(3.7)
Die interessanten Größen, die das physikalische Verhalten dieses Systems beschreiben, sind aber die Ableitungen der inneren Energie. So erhält man die spezifische
Wärme, wenn man U partiell nach der Temperatur T ableitet CV = ∂T U. Die partielle
Ableitung nach T läßt sich als Ableitung nach β = T1 schreiben
∂T = ∂β −1 = −β 2 ∂β .
Also ergibt sich
CV = −β 2 ∂β U = β 2 ∂β2 ln(Z(β))
X 1 3N
2
+β
=
∂β
2
βk − β
k
2
3N X
β
=
+
.
2
β
k −β
k
(3.8)
Für die spezifische Wärme ausgedrückt durch die komplex konjugierten Nullstellen
folgt
2 2
3N X
β
β
CV =
+
+
2
βk − β
βk∗ − β
k
=
X (Re(βk ) − β)2 − (Im(βk ))2
3N
,
−2
2
2 2
2
(Re(β
)
−
β)
+
(Im(β
))
k
k
k
(3.9)
wobei β reell ist. Nähert sich nun die inverse Temperatur dem Realteil der Nullstellen
βk an, so verschwindet der Anteil (Re(βk ) − β). Übrig bleiben nur die Imaginärteile.
Den größten Anteil hierbei gibt der Imaginärteil der Nullstelle, die am nächsten an
der reellen Achse liegt. Im thermodynamischen Limes verdichte sich die Nullstellen
14
Kapitel 3. Phasenübergänge und die Nullstellen der Zustandssummen
auf Linien, sodaß der Imaginärteil für die am nächsten an der reellen Achse liegende
Nullstelle immer kleiner wird. Somit divergiert die spezifische Wärme, wenn β gleich
dem Realteil dieser Nullstelle wird.
Analog folgt auch hier die Berechnung über die Pole, sodaß
2
β
3N X
CV =
−
.
(3.10)
2
β
−
β
j
j
3.3 Beschreibungen von Yang und Großmann
3.3.1 Yang und Lee 1952
Die Theorie von Yang und Lee [1, 2] hat als Ausgangssystem
ein monoatomares Gas
P
mit einer Zweiteilchen-Wechselwirkung U =
u(rij ), wobei rij der Abstand zwischen dem i-ten und dem j-ten Atom ist. Für die Atome wird ein fester Durchmesser a
angenommen, sodaß die Wechselwirkung u(r) = +∞ wird für r ≤ a. Die Reichweite
von u(r) soll weiterhin endlich sein, also u(r) = 0 für r ≥ b, und nirgends den Wert
−∞ annehmen. Ausgehend von der großkanonischen Zustandssumme für ein System
bestehend aus maximal M Teilchen in einem Volumen V
M
X
ZN (β, Aj ) N
ΞV (β, µ, Aj ) =
z ,
N!
N =0
(3.11)
wobei ZN (β, Aj ) die kanonische Zustandssumme für N Teilchen ist, wird die Fugazität z = exp(βµ), mit µ als chemischem Potential, analytisch in die komplexe Ebene
fortgesetzt. Die thermodynamischen Größen, wie der Druck p oder die Dichte ρ ergeben sich im Limes V → ∞ aus dem Logarithmus von ΞV bzw. dessen partiellen
Ableitungen,
1
ln ΞV
V →∞ V
1
ρ = lim
z∂z ln ΞV .
V →∞ V
βp = lim
Das erste Theorem von Yang und Lee [1, 8] besagt, daß der Limes V → ∞ unabhängig von der Form des Volumens ist (hierbei wird angenommen, daß V nicht schneller wächst als V 2/3 ). Weiterhin ist der Limes eine kontinuierliche, nicht-abnehmende
Funktion von z. Dies ist nichts anderes als das Van Hove Theorem [16], wonach die
Zustandsgleichungen im kanonischen und großkanonischen Ensemble gleich sind.
Da Ξ ein Polynom in z ist, läßt sich Ξ durch die Wurzeln zk darstellen (siehe
Kap. 3.1)
M Y
z
ΞV ∼
1−
.
(3.12)
z
k
k=1
3.3 Großmann et al. 1967 - 1969
15
Keine der Wurzeln ist rein reell, da die Koeffizienten in 3.11 alle größer als Null sind.
Die Verteilung der Nullstellen im Limes V → ∞ gibt das Verhalten der thermodynamische Größen wieder.
Das zweite Theorem von Yang und Lee [1] beschreibt, wie einzelne Phasen eines
Systems durch die Verteilung der Nullstellen unterschieden werden können. Falls es
ein Gebiet G der komplexen Fugazitätsebene gibt, daß frei von Nullstellen ist und die
reelle Achse einschließt (siehe Abb. 3.1), so sind dort die thermodynamischen Größen
im Limes V → ∞ analytisch in z, für alle z aus diesem Gebiet.
Im(z)
Gebiet
G1
Gebiet
G2
Gebiet
G3
Re(z)
Nullstellenverteilung
Abbildung 3.1: Nullstellenverteilung, die die reelle Achse in drei verschiedene
Gebiete einteilt
Durch das zweite Theorem ist die Einteilung in Phasen möglich. Am Kondensationspunkt nimmt z.B. die Dichte ρ nicht nur einen Wert an, sondern sie schwankt stark.
Das bedeutet, daß die Dichte nicht für alle z den selben Limes hat. Phasen werden
aber gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie die gleichen makroskopischen Größen,
wie z.B. die Dichte, besitzen. Daher ordnet man nach Yang und Lee jedem Gebiet, das
frei von Nullstellen ist und die reelle Fugazitätsachse einschließt, eine Phase zu. Gibt
es ein Gebiet, das die komplette positive, reelle Fugazitätsachse einschließt, so kann
sich das System immer nur in einer Phase befinden.
Phasenübergänge werden durch Schnitte der Nullstellenverteilung mit der reellen
Fugazitätsachse bestimmt. Der Schnittpunkt gibt die kritische Temperatur Tc des Phasenübergangs an.
3.3.2 Großmann et al. 1967 - 1969
15 Jahre später hat Großmann Phasenübergänge mit Hilfe der Nullstellen der analytisch fortgesetzten inversen Temperatur β = 1/T erklärt [13–15]. Insbesondere konnten die unterschiedlichen Arten von Phasenübergängen klassifiziert werden.
Das Ausgangssystem besteht aus N Teilchen in einem Volumen V und einem Hamiltonoperator Ĥ. Durch den thermodynamischen Limes V → ∞, N → ∞, wobei
v = V /N = const. ist, lassen sich die thermodynamischen Potentiale bestimmen. Im
16
Kapitel 3. Phasenübergänge und die Nullstellen der Zustandssummen
kanonischen Ensemble ist die freie Energie pro Teilchen f = F/N bestimmt durch
!
∞
X
1
1
f (β, V ) = −
ln Tr e−β Ĥ = −
ln
(3.13)
σn e−βEn ,
βN
βN
n=0
wobei die En die Eigenwerte von Ĥ und die σn deren Entartungen sind. Die Grundzustandsenergie
E0 läßt sich abspalten, sodaß mit = En − E0 und g(β, V ) =
P
ln ( n σn exp(−βn )) folgt
f=
E0 g(β, V )
−
.
N
βN
(3.14)
Die Dirichlet-Reihe im Argument des Logarithmus der Funktion g(β, V ) läßt sich als
Laplacetransformation [17] einer Funktion ωN (ξ, V ) schreiben
∞
X
−βEn
σn e
Z∞
=β
n=0
dξ ωN (ξ, V ) e−βξ ,
0
wobei ωN (ξ, V ) die Anzahl der Eigenwerte En , mit ≤ ξ, angibt. Nun wird eine
effektive maximale obere Grenze ξmax für das Laplaceintegral gesucht (für die genaue
mathematische Behandlung siehe [13]). Hiermit erhält man ein finites Laplaceintegral
ξZmax
dξ ΩN (ξ, V ) e−βξ ,
ZN (β, V ) =
(3.15)
0
mit ΩN (ξ, V ) = ωN (ξ, V )/ωN (ξmax , V ). Dieses Integral läßt sich nun in gleicher
Form, wie die in Abschnitt 3.1 beschriebene, durch komplexe Nullstellen βk darstellen
∞ Y
β
β
− β2 ξmax
ZN (β, V ) = ZN (0, V ) e
1−
e βk .
(3.16)
β
k
k=1
Mit Hilfe dieser Darstellung der Zustandssumme durch die Nullstellen lassen sich die
thermodynamischen Größen als Funktionen dieser Nullstellen bestimmen.
Nullstellenverteilung und Phasenübergänge
Nach Großmann treten (makroskopisch) keine Phasenübergänge auf, wenn alle Nullstellen im thermodynamischen Limes einen Imaginärteil Im(βk ) > 0 besitzen. Interessant wird das physikalische Verhalten, wenn die Nullstellen einen Häufungspunkt
βc auf der reellen Achse besitzen. Die thermodynamischen Größen werden an diesem Phasenübergangspunkt bestimmt durch Nullstellen, die in der Nähe diese Punktes
liegen, d.h. die Funktion gc (β, v) am kritischen Punkt ist eine endliche Summe von
Termen ∼ ln (1 − β/βk ). Diese Terme geben den maßgeblichen Anteil der inneren
3.3 Großmann et al. 1967 - 1969
Energie (siehe hierzu auch Gl. 3.7 in Abschnitt 3.2), da der Ausdruck 1/(Re(βk ) − βc )
in der Nähe von βc dominiert. Die Anzahl der Nullstellen in der Nähe des kritischen
Punktes sei n0 . Die innere Energie pro Teilchen u = U/N ergibt sich zu
n0
1 X
Re(βk ) − βc
.
uc (β, v) =
N k=1 (Re(βk ) − βc )2 + (Im(βk ))2
Im Limes verdichtet sich die Anzahl der Nullstellen pro Teilchen
φ(β 0 , V, dA(β 0 ))/N zur Temperatur β 0 in einem einem Flächenelement dA(β 0 )
zu φ(β 0 , v)dA(β 0). Somit erhält man dann eine integrale Darstellung der inneren
Energie in der Nähe des Phasenübergangspunktes
Z
Re(β 0) − βc
dA(β 0 ) φ(β 0 , v)
.
uc (β, v) = 2
(Re(β 0 ) − βc )2 + (Im(β 0 ))2
β 0 'βc
Beispiele zeigen, daß sich die Nullstellen auf komplex konjugierten Linien verdichten. Der Phasenübergang läßt sich einfacher in den Koordinaten y = Im(β 0 ) und
γ = tan ν = (Re(β 0 ) − βc )/y, wobei ν der Einfallswinkel der Nullstellenverteilung
auf die reelle Achse ist, siehe Abb. 3.2, sowie durch die Nullstellendichte φ(y, γ, v)
beschreiben. In diesen Koordinaten, mit der Erweiterung ∆ = βc − β 0 ist die innere
Energie
Z
γy + ∆
uc (∆, v) = 2 dA(∆) φ(y, γ, v)
(γy + ∆)2 + y 2
Z
γy + ∆
=2
y dy dγ + γ d2 y φ(y, γ, v)
.
(3.17)
(γy + ∆)2 + y 2
Das Flächenelement dA(∆) = d (Re(β)) d (Im(β)) = y dy dγ + γ d2 y ist für den
Fall einer vertikalen Linie, d.h. γ = 0, gleich y dy dγ. Das Integral über y läuft von 0
bis zu einem beliebigen, aber festen y0 , da ja nur der Bereich in der Nähe der kritischen
Temperatur betrachtet wird, während γ in dem Intervall [−∞, ∞] liegen kann.
Klassifikation durch die Nullstellendichte
Während Yang und Lee nur Phasenübergänge erster Ordnung durch die Singularität in
den partiellen Ableitungen des thermodynamischen Potentials beschreiben konnten, ist
es nach Großmann auch möglich, Phasenübergänge höherer Ordnung zu klassifizieren.
Durch die Nullstellendichte φ(y, γ, v) und die Koordinate γ lassen sich sowohl
kontinuierliche, als auch diskontinuierliche Phasenübergänge beschreiben. Schon
durch ein einfaches Potenzgesetz für φ(y, γ, v) = cy α, mit c = c(v) > 0 und
α = α(v) > 0, können Phasenübergänge beschrieben werden. Als diskontinuierliche Übergänge bezeichnet man solche, für die γ = 0, aber φ(y, 0, v) 6= 0 ist, da in
diesem Fall die latente Wärme ungleich Null ist (die genauen Rechnungen finden sich
ebenfalls in [13]). Dies entspricht einer vertikalen Linie durch die kritische Temperatur
βc (siehe Abb. 3.2).
17
18
Kapitel 3. Phasenübergänge und die Nullstellen der Zustandssummen
Im(β)
Im(β)
Phase 2
Phase 1
ν
Phase 2
βc
Re(β)
Phase 1
βc
Re(β)
Abbildung 3.2: Mögliche Nullstellenverteilung in der komplexen β-Ebene
Demzufolge treten kontinuierliche Übergänge auf, wenn am kritischen Punkt
φ(y, 0, v) = 0 oder γ 6= 0 sind. Dies hat insbesondere zur Folge, daß eine vertikale
Verteilung der Nullstellen nicht gleichbedeutend sein muß mit einem Phasenübergang
erster Ordnung. Die spezifische Wärme pro Teilchen erhält man analog zur üblichen
Bestimmung durch cV (β, v) = β 2 ∂β uc (β, v).
Potenzgesetze und Phasenübergänge
Nachfolgend sollen nun einige Beispiele für die Nullstellendichte und die Art der Phasenübergänge gegeben werden. Hierzu wird lediglich der Exponent α variiert und die
spezifische Wärme sowie die zugehörige Nullstellenverteilung graphisch in Abb. 3.3
dargestellt. Dies soll nur ein Gefühl dafür vermitteln, welche Art von Phasenübergängen bei welchen Kombinationen von α und γ auftreten.
(b) 0 < α < 1, γ = 0 und γ 6= 0 möglich
(a) α = 0, γ = 0
Im(β)
CV
Im(β)
CV
φ(y, γ, v)
φ(y, γ, v)
Re(β)
Re(β)
Distribution
Tc
T
Tc
T
3.3 Großmann et al. 1967 - 1969
(c) α = 1, |γ| = 1
(d) 1 < α < 2, γ beliebig
Im(β)
CV
19
φ(y, γ, v)
π
4
Im(β)
CV
π
4
φ(y, γ, v)
Re(β)
Tc
T
Re(β)
Tc
T
Abbildung 3.3: Plot der spezifischen Wärme CV für vier verschiedene Kombinationen der Parameter α und γ, sowie die zugehörigen Nullstellendichten
φ(y, γ, v) = cy α.
In Abbildung 3.3 (c) macht die spezifische Wärme einen Sprung bei der kritischen
Temperatur Tc . Da sich CV aus der ersten partiellen Ableitung des thermodynamischen
Potentials U ergibt, handelt es sich hierbei um einen Phasenübergang erster Ordnung.
Auch der erste Fall (a) läßt sich einem Phasenübergang erster Ordnung zuschreiben,
da auch hier die spezifische Wärme nicht stetig ist bei Tc .
Im Fall (d), der sehr ähnlich zu (b) ist, ist die spezifische Wärme zwar stetig, aber
die Ableitung zeigt eine Singularität, genau, wie man es für einen kontinuierlichen
Phasenübergang erwartet. Darüberhinaus erfüllt diese Art der Kombination von α und
γ die Ehrenfest’sche Definition für einen Phasenübergang zweiter Ordnung. In (b)
läuft die spezifische Wärme am kritischen Punkt gegen unendlich. Auch dies läßt sich
in thermodynamischen Systemen, z.B. bei Bose-Gasen beobachten, die einen kontinuierlichen Übergang zeigen.
Wie in diesem Abschnitt zu sehen war, kann man durch die Beschreibung der kanonischen Zustandssumme durch die komplexen Nullstellen der inversen Temperatur
nicht nur den Phasenübergangspunkt bestimmen, sondern es ist desweiteren auch möglich die Art des Phasenübergangs zu klassifizieren.
4
Phasenübergänge in finiten
Systemen
Die Behandlung von Phasenübergängen in endlichen Systemen gestaltet sich schwierig. Alle Klassifikationsmethoden beziehen sich auf Übergänge in infiniten Systemen
und sind auch hierfür nur strikt gültig. Das bedeutet, daß finite Systeme, die also keinen thermodynamischen Limes ”besitzen”, nicht oder nur schwer mit den gängigen
Klassifikationen beschrieben werden können. Die gilt insbesondere für Systeme, deren
Struktur den Limes gar nicht zuläßt, wie beispielsweise die in Kapitel 5 beschriebenen Argoncluster. Auch läßt sich der Begriff der Phase einem endlichen System nicht
genau zuordnen. Üblicherweise wird eine Phase durch makroskopische Eigenschaften
definiert. Man könnte meinen, daß endliche Systeme, die nur aus wenigen Teilchen bestehen, keine makroskopischen Eigenschaften besitzen, aber man kann durchaus etwa
einem Cluster eine Eigenschaft, wie z.B. die Magnetisierung zuordnen. Als ein Beispiel seien hier nur magnetische Nanopartikel erwähnt, die verschiedene Magnetisierungen haben, je nach dem, ob sie sich in einer Ringstruktur oder einer Kettenstruktur
befinden (genauere Untersuchungen finden sich in [18]). Eine solche Strukturänderung
läßt sich nun ebenfalls gut als Phasenübergang in finiten Systemen auffassen. Andere
makroskopische Eigenschaften lassen sich jedoch nicht sehr gut auf mikroskopische
Systeme übertragen, wie zum Beispiel die Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig.
Beim Übertrag der ”klassischen” Einteilungen der Phasen auf finite Systeme ist
zu beachten, daß die thermischen Übergänge nicht mehr abrupt stattfinden, was sich
dann in den am kritischen Punkt singulären thermodynamischen Größen zeigt, sondern es kommt zu einer ”Verschmierung” des kritischen Gebietes. Die Singularitäten
verschwinden für genügend kleine Teilchenzahlen N. Statt dessen erhält man in unmittelbarer Nähe des kritischen Punktes nur Maxima der entsprechenden Kurve (siehe
Abb. 4.1 und [19]). Die Temperatur des Maximums, die Pseudokritische Temperatur
Tpc , stimmt i.A. nicht mit der kritischen Temperatur Tc des thermodynamischen Systems überein. Die Abweichung wird umso größer, je kleiner die Teilchenzahl des finiten Systems wird, bis es keinen Sinn mehr macht, die thermodynamischen Größen auf
das finite System zu beziehen. Dieses Verhalten wird leicht verständlich, wenn man
sich überlegt, daß die Fluktuationen, die beim Phasenübergang auftreten, für mikroskopische Systeme nicht mehr unendlich groß werden können. Vielmehr bleiben die
am Phasenübergang bestimmenden Größen wie die Korrelationslänge endlich. Dies
hat zur Folge, daß die im makroskopischen Fall singulären thermodynamischen Größen endlich bleiben. Zum Beispiel läßt sich die spezifische Wärme CV mit Hilfe der
Fluktuationen der Energie E beschreiben CV = β −2 hE 2 i − hEi2 . Bleiben hier die
21
22
Kapitel 4. Phasenübergänge in finiten Systemen
CV
Richtung der steigenden
Teilchenzahl N
Tc für infinite Systeme
T
Abbildung 4.1: Spezifische Wärme als Funktion der Temperatur beim Phasenübergang in finiten und infiniten Systemen
Fluktuationen endlich, ist auch die spezifische Wärme endlich.
Ein Phasenübergang, der für infinite Systeme auftritt, muß keineswegs bedeuten,
daß sich das entsprechende endliche System genauso verhält. Umgekehrt ist es genauso möglich, daß im Kleinen ein Phasenübergang auftritt, der makroskopisch überhaupt
nicht wahrnehmbar ist. Dies können z.B. strukturelle Veränderung von Clustern sein,
die aber die makroskopischen Eigenschaften nicht beeinflussen. Auch der Ring-Ketten
Übergang bei den magnetische Nanopartikeln ist nur für kleine Teilchenzahlen meßbar. Oder man betrachtet einfach den makroskopischen fest-flüssig - Übergang, der im
mikrokopischen so gar nicht zu fassen ist, da die Einteilung in die Phasen fest oder
flüssig im herkömmlichen Sinne, wegen der großen Beweglichkeit der Atome in kleinen Clustern, nicht existiert.
4.1 Nullstellen und Näherungen für finite Systeme
Die Beschreibung von Phasenübergängen mit Hilfe der komplexen Nullstellen der Zustandssumme nach Yang, Lee und Großmann [1, 2, 13–15, 20] trifft für finite Systeme
auf Grenzen. Übergänge wurden charakterisiert durch Schnitte der Verteilung der Nullstellen mit der reellen Achse im thermodynamischen Limes. Die Nullstellenverteilung
für endliche Systeme bleibt jedoch diskret. Insbesondere existiert kein Schnitt mit der
reellen Achse.
Kritisches Verhalten, daß für finite Systeme auftritt, kann nicht durch eine kontinuierliche Nullstellenverteilung beschrieben werden. Es stellt sich vielmehr das Problem,
daß man es nun nicht nur mit einer diskreten Nullstellenverteilung zu hat, sondern auch
noch mit komplexen Nullstellen. Auch die (komplex konjugierten) Nullstellen, die am
nächsten an der reellen Achse liegen haben immer noch einen Imaginärteil.
4.1 Nullstellen und Näherungen für finite Systeme
Im(β)
23
Im(β)
Nullstellenverteilung
β1
βc
Re(β)
βc
Re(β)
Abbildung 4.2: Diskrete Verteilung der Nullstellen βk für finite Systeme
Betrachtet man die Zustandssumme oder deren Ableitungen als Funktion der Nullstellen genau, so stellt man fest, daß der größte Anteil dieser Funktionen durch die
ersten Nullstellen zustande kommt. Aus der Zustandsumme
∞ 0 (0) Y
β
β
β ZZ(0)
Z(β) = Z(0)e
(4.1)
1−
· e βk
β
k
k=1
ergab sich die spezifische Wärme
X
3N
1
+ β2
2
(βk − β)2
k
X (Re(βk ) − β)2 − (Im(βk ))2
3N
2
=
+ 2β
.
2
((Re(βk ) − β)2 + (Im(βk ))2 )2
k
CV =
(4.2)
(4.3)
Genähert für die beiden Nullstellen β1 und β1∗ , die am nächsten an der reellen Achse
liegen ist
2 2
3N
β
β
+
+
(4.4)
CV (β ' βc ) '
2
β1 − β
β1∗ − β
3N
(Re(β1 ) − β)2 − (Im(β1 ))2
=
+ 2β 2
.
(4.5)
2
((Re(β1 ) − β)2 + (Im(β1 ))2 )2
Da die erste Nullstelle für endliche Systeme immer noch einen imaginären Anteil hat,
verschiebt sich die Temperatur des Maximums der spezifischen Wärme im Vergleich
zum Realteil der ersten Nullstelle. Diese Beobachtung ähnelt der Feststellung, daß sich
auch bei ”herkömmlichen” thermodynamischen Betrachtungsweisen von finiten Systemen die (Pseudo)kritische Temperatur verschiebt im Vergleich zum Phasenübergang
des entsprechenden infiniten Systems [18, 21–24]. Allerdings bleibt noch zu prüfen,
inwieweit sich diese zwei Beobachtungen decken.
In der üblichen Bestimmung der spezifischen Wärme durch die partiellen Ableitungen der inneren Energie CV = ∂T U, geht in keiner Weise die neue, durch die
analytische Fortsetzung gewonnene Größe τ = Im(β) ein.
24
Kapitel 4. Phasenübergänge in finiten Systemen
Die Klassifikation der Phasenübergänge nach Großmann muß für finite Systeme
modifiziert werden. Da es sich hier um diskrete Nullstellenverteilungen handelt, kann
man nicht mehr die Nullstellendichte φ(y, 0, β) auf der reellen Achse zur Ordnungsbestimmung heranziehen, da diese immer gleich Null ist. Jedoch lassen sich durch
den Einfallswinkel ν immer noch Aussagen über die Art des Übergangs treffen. Für
thermodynamische Systeme können die Ordnungen der Phasenübergänge unterschieden werden durch den Winkel ν, unter dem die Nullstellenverteilung die reelle Achse
trifft. Für finite Systeme kann man ähnlich argumentieren. Da die Klassifikation von
Phasenübergänge ohnehin recht schwierig ist, kann man versuchen, eine Einteilung
durch den Einfallswinkel einer Ausgleichskurve durch die diskrete Nullstellenverteilung auf die reelle Achse vorzunehmen. Der Schnittpunkt entspricht dann der kritischen
Temperatur. Ist der Winkel ν = 0, so handelt es sich auch hier um einen diskontinuierlichen Übergang, für ν 6= 0 um einen kontinuierlichen. Der durch diese Beschreibung
neu gewonnene Parameter τ gibt zusätzlich darüber Aufschluß, ”wie weit man vom
Phasenübergangspunkt des entsprechenden thermodynamischen Systems entfernt” ist.
Im thermodynamischen Limes (sofern dieser existiert) nähern sich die Nullstellen der
reellen Achse an, bis schließlich der Imaginärteil der ersten Nullstelle ganz verschwindet. Der imaginäre Anteil der ersten Nullstelle ist also ein Maß dafür inwieweit sich die
Übergänge in finiten Systemen von denen in infiniten Systemen unterscheiden. Dieser
Parameter geht in die Bestimmung der spezifischen Wärme ein, die bei Übergängen
in thermodynamischen Systemen, wo der imaginäre Anteil der ersten Nullstelle verschwindet, eine Singularität bei der kritischen Temperatur hat, während für finite Systeme die ersten Nullstelle immer noch einen endlichen Abstand von der reellen Achse
hat und sich daher nur ein Maximum in der Kurve der spezifischen Wärme zeigt.
In den nächsten Kapiteln wird anhand von Argonclustern und finiten Bose-Einstein
Kondensaten überprüft werden, inwieweit diese Einteilung sinnvoll ist und ob hiermit
die bekannten Ergebnisse reproduziert werden.
4.2 Struktur und Thermodynamik finiter Systeme
Um zu Aussagen über die Phasenübergänge von Clustern zu gelangen, muß man sich
zunächst Gedanken über deren Struktur machen. Die einfachste Methode ist die BestSingle-Cluster Näherung (BSC). Bei vorgegebener Teilchenzahl und vorgegebenem
Potential wird im Konfigurationsraum das Energieminimum unter der Annahme verschwindender kinetischer Energie bestimmt.
Durch die Teilchenzahl wird die Struktur des Clusters bestimmt. So kann man z.B.
für drei Teilchen eine Dreieckstruktur, für sechs Teilchen eine oktaedrische Anordnung erhalten. Die BSC-Methode stößt aber schnell an ihre Grenzen. Bei steigender
Temperatur kommt anderen Konfigurationen von Teilchen durch kinetische Übergänge
eine größere statistische Bedeutung zu. Erster Lösungsansatz war das Normal-Moden
- Modell (NM). Man geht davon aus, daß für kleine Temperaturen die Oszillationen
der Teilchen um ihre Minima so gering sind, daß man das Potential quadratisch nähern
4.2 Struktur und Thermodynamik finiter Systeme
(a)
25
(b)
Abbildung 4.3: Oktaeder (a) und pentagonale Bipyramide (b) als energetisch
tiefste Konfiguration von Ar6 und Ar7 in der BSC Näherung.
kann. Das führt dazu, daß sich die Zustandssumme aus 3N − 6 entkoppelten harmonischen Oszillatoren mit jedoch verschiedenen Eigenfrequenzen ωi zusammensetzt
Zkl (β) =
Zqm (β) =
3N
−6
Y
i=1
3N
−6
Y
2π
βωi
klassisch
2
sinh( 12 β ~ωi)
i=1
quantenmechanisch.
(4.6)
(4.7)
Abbildung 4.4: Korrelationsfunktion für Ar6 bei unterschliedlichen Temperaturen
(aus [25])
Jedoch wird in diesem Modell nur eine mögliche Konfiguration des Clusters angenommen. Für weiter steigende Temperaturen hängt diese Struktur aber stark von der
Temperatur ab. Die Oszillationen der Teilchen werden so groß, das es zu einzelnen
Delokalisationen der Teilchen kommt, d.h. einzelne Atome des Clusters verändern ihre Position innerhalb des Clusters. Es entstehen neue Isomere, die strukturell anders
aufgebaut sind, als die niedrigste BSC Konfiguration.
26
Kapitel 4. Phasenübergänge in finiten Systemen
Auch die Korrelationsfunktion am Beispiel des Ar6 -Clusters macht dieses Verhalten deutlich (Abb. 4.4). Hier sind die auf gleiche Maxima normierten Korrelationsfunktionen in beliebigen Einheiten
√ für vier verschiedene Temperaturen über die normierten
Abstände aufgetragen (σ 6 2 ist der Abstand der nächsten Nachbarn und σ ein Clusterspezifischer Parameter). Ist bei 7.5 Kelvin der zweite Peak noch deutlich ausgeprägt,
so schwächt sich dieser bei steigender Temperatur ab und es zeigt sich ein weiterer
Peak. Bei ca. 12.5 Kelvin sind beide Peaks gleich hoch. Dies bedeutet aber, daß eine andere Konfiguration des Clusters hinzugekommen sein muß. Aus diesem Grund
sollten auch andere Isomere berücksichtigt werden. Das Multi-Normal-Moden Modell
(MNM) läßt eine gewichtete Berücksichtigung anderer Isomere, als dem energetisch
günstigsten zu.
Argon 6 und Argon 7 sind Systeme, die schon sehr gut untersucht sind [23, 25, 26]
(siehe auch Abschnitt 5). Diese beiden Cluster sollen hier als Prototypen für die Beschreibung von Phasenübergängen in finiten Systemen mit Hilfe der Nullstellen der
Zustandssummen gelten. Der wesentliche Unterschied dieser beiden Cluster liegt darin, daß der Ar6 -Cluster lediglich in zwei stabilen Isomeren anzutreffen ist [23, 25–27],
wohingegen der Ar7 -Cluster drei verschiedene Konfigurationen aufweist. Dies sollte
sich dann auch in der Betrachtung der Nullstellen dieser beiden Systeme in Kapitel 5
zeigen.
Nach der BSC Näherung stellt sich als energetisch günstigste Struktur bei Ar6 Clustern der oktaedrische Aufbau heraus. Diese Struktur bleibt aber bei Temperaturen
von ca. 14 Kelvin nicht die einzig mögliche Anordnung. Es kommt zu Delokalisierungen von einzelnen Atomen, so daß es auch zu einem tri-tetraedrischen Aufbau des
Moleküls kommen kann (siehe Abb. 4.5). Dies sind die einzig möglichen Isomere vor
der Evaporation.
(a)
(b)
Abbildung 4.5: Die zwei verschiedenen Isomere des Ar6 -Clusters, Oktaeder (a)
und Tri-Tetraeder (b).
Ar7 besitzt bei einer Temperatur von ungefähr 16 Kelvin auch zwei mögliche Konfigurationen. Zum Einen ist dies die pentagonale Bi-Pyramide als BSC Konfiguration
4.3 Multi-Normal-Moden Modell
27
und für größere Temperaturen der einfach dekorierte Oktaeder. Jedoch kommt hierzu bei ca. 19 Kelvin noch eine dritte Anordnung der Moleküle, eine Struktur, in die
sich vier Tetraeder einbetten lassen, nachfolgend wird diese Struktur als vierfacher
Tetraeder bezeichnet. Bis zur Verdampfung kann man also beim Ar7 -Cluster drei unterschiedliche stabile Isomere vorfinden (siehe Abb. 4.6).
(a)
(b)
(c)
Abbildung 4.6: Die drei verschiedenen Isomere des Ar7 -Clusters, pentagonale
Bi-Pyramide (a), einfach dekorierter Oktaeder (b) und vierfacher Tetraeder (c).
4.3 Multi-Normal-Moden Modell
Um die Struktur und auch Bewegung von Molekülen und Clustern beschreiben zu
können, müßte man alle Koordinaten und Geschwindigkeiten, sowie die Wechselwirkung der Molekülbestandteile untereinander genau kennen, um dann die Schrödingergleichung zu lösen. In der Molekülphysik geht man jedoch einen anderen Weg. Die
einfachste Methode ist, wie oben erwähnt die BSC Näherung. Diese ist selbst für den
absoluten Nullpunkt nur eine grobe Näherung, da die kinetische Energie nicht verwindend gering ist. Man hat also die Oszillationen der einzelnen Atome um ihre Ruhelage
zu berücksichtigen. Das Normal-Moden Modell leistet genau das. Dies führt dazu, daß
sich die Zustandssumme als Produkt über 3N − 6 harmonische Oszillatoren schreiben
läßt. Für kleine Temperaturen ist das NM eine gute Näherung. Steigt die Temperatur
jedoch noch weiter an, so werden die Oszillationen immer größer, bis schließlich eine
unabhängige Bescheibung der Molekülbestandteile nicht mehr zulässig ist. So kommt
es zu Umordnungen des Moleküls, es entstehen andere Isomere. Die Beschreibung des
Moleküls kann dann durch das Multi-Normal-Moden Modell (MNM) [23] erfolgen.
28
Kapitel 4. Phasenübergänge in finiten Systemen
4.3.1 Das Modell
Jedes Isomer wird charakterisiert durch seine Bindungsenergie Ej , UmordnungsEntartung Dj und Normal-Moden Spektrum ωj . Die Umordnungs-Entartung gibt im
Prinzip an, wie viele Atome aus der BSC-Konfiguration entfernt werden können, um
die neue Struktur der nächst stabileren Isomere aufzubauen (siehe Abb. 4.5, 4.6). Die
korrekte Zustandssumme Z(β) ergibt sich dann durch Summation der einzelne Zustandssummen der Isomere Zj , die jeweils mit σj exp(βEj ) gewichtet werden [23]
X NM X
Z(β) =
Zj =
σj eβEj Zj (β)
(4.8)
j
=
X
j
σj eβEj
j
bzw. =
X
j
3N
−6
Y
i=1
σj eβEj
3N
−6
Y
i=1
2π
βωi
klassisch
2
sinh 12 β ~ωi
(4.9)
quantenmechanisch.
(4.10)
Hierbei geben die σj = Dj /D1 = R1 /Rj das Verhältnis der Umordnungs-Entartung
Dj des j-ten Isomers zu der des BSC-Isomer D1 bzw. das Verhältnis der jeweiligen
Ordung der Rotations-Symmetrie-Gruppe Rj zu der des BSC-Isomers an [23]. Anschaulich ergibt sich die Umordnungsentartung, wenn man sich überlegt, auf wie viele
Weisen sich eine bestimmte Anordnung der Atome aufbauen läßt. Aus Gl. 4.10 ergibt
sich der Energieerwartungswert hEi durch übliche Ableitung der Zustandssumme
1 X NM 3N − 6
− Ej .
hEi = −∂β ln Z =
Z
Z j j
β
Es bleiben noch die Energien Ej zu bestimmen bzw. durch eine geeignetes Potential zu nähern. Dies geschieht im Allgemeinen mit Hilfe des Lennard-Jones Potentials
v für die Wechselwirkung der Molekülbestandteile untereinander
σ 12 σ 6
v = 4ε
−
,
r
r
wobei die Energieskala ε und die Längenskala σ molekülspezifische Parameter sind.
In Abschnitt 5 werden die beiden Ar6 - und Ar7 -Cluster als Beispiele für finite Systeme
behandelt, deren Konfigurationsänderungen als strukturelle Phasenübergänge aufgefaßt werden können.
4.3 Nullstellen des Multi-Normal-Moden Modells
29
4.3.2 Nullstellen des Multi-Normal-Moden Modells
Versucht man eine Berechnung der Nullstellen für den kanonischen Fall durchzuführen, so gelangt man schnell an den Punkt, wo keine analytische Lösung ohne zusätzliche Annahmen möglich ist. Die kanonische Zustandssumme war
Z(β) =
M
X
−βEj
σj e
j=1
3N
−6
Y
i=1
2π
βωi
(4.11)
Für zwei Isomere (M = 2) ist noch eine analytische Lösung möglich.
wobei γj /β 3N −6
folgt
Z(βk ) = γ1 e−βk E1 + γ2 e−βk E2
γ2 −βk ∆E
−βk E1
1 +
= 0,
= γ1 e
e
γ1
Q
= σj i 2π/βωi und ∆E = E2 − E1 ist. Mit βk = Re(βk ) + iIm(βk )
γ2 −βk ∆E
−1 =
e
γ
( 1
1 = γγ21 e−Re(βk )∆E
=⇒
−1 = e−iIm(βk )∆E
(4.12)
(4.13)
Die Nullstellen Z(βk ) = 0 sind demnach gegeben durch Re(βk ) = ln(γ1 /γ2)/∆E
und Im(βk ) = (2k + 1)π/∆E
1
γ1
βk =
ln
+ i(2k + 1)π .
(4.14)
∆E
γ2
Bei der Behandlung von Systemen mit mehr als zwei Isomeren lassen sich die
Nullstellen nicht mehr so einfach bestimmen. Allerdings gelingt es mit der Bedingung, daß die Energien Ei jeweils einen bestimmten Abstand voneinander haben (es
können äquidistante Energien, aber auch Energien, die sich nur um ein Vielfaches eines bestimmten Wertes unterscheiden, sein). Dies führt zu Polynomen höheren Grades.
So läßt sich beispielsweise ein System, dessen Isomer-Energien Ej = nj sind, wobei nj ∈ N und fest ist, folgendermaßen berechnen. Die Zustandssumme ist nach
Gl. 4.11 gegeben. Mit der obigen Annahme folgt
Z(β) =
M
X
σj e−βnj j=1
=
3N
−6
Y
i=1
3N −6 X
M
2π
β
j=1
2π
βωi
−βnj σj e
3N
−6
Y
i=1
1
.
ωi
30
Kapitel 4. Phasenübergänge in finiten Systemen
Durch eine Umbenennung der Indizes j → n bzw. nj → n und der schon oben
verwandten Abkürzung γn ergibt sich
Z(β) =
2π
β
3N −6 X
γn e−β
n
.
n
Dies ist ein Polynom in exp(−β). Die Annahme, daß sich die Isomer-Energien nur
um ein Vielfaches einer festen Energie unterscheiden, hat die Zustandssumme in ein
Polynom transformiert. Der Grad dieses Polynoms hängt noch davon ab, um welches
Vielfache von es sich bei der ”höchsten” Energie handelt. Beschränkt man die Energieskala noch weiter, indem man nur äquidistante Energien zuläßt, so ist der Grad des
Polynoms gleich der Anzahl M der Isomere.
Für Cluster mit drei möglichen Isomeren nach dem MNM läßt sich die Berechnung des Polynoms dritten Grades (mit den oben vorgeschlagenen Näherungen) noch
analytisch durchführen. Die Zustandssumme für eine solches Molekül ist
Z(βk ) =
2π
βk
3N −6 X
3
γn e−βk n
n=1
3N −6 2
3 2π
=
γ1 e−βk + γ2 e−βk + γ3 e−βk βk
3N −6
2π
−βk −βk −βk 2
=
e
γ1 + γ2 e
+ γ3 e
= 0.
βk
(4.15)
Hier bekommt man die Lösung βk = ∞, die aber kein Element des thermodynamischen Zustandsraumes ist (siehe hierzu A.2.4). Übrig bleiben die zwei Lösungen der
quadratischen Gleichung in Gl. 4.15. An diesem Punkt kann man schon sagen, daß
das Verhalten der Nullstellen βk qualitativ richtig wiedergegeben wird, da diese ein
System, das aus drei Phasen besteht, in drei Gebiete aufteilen sollten.
Die Lösungen der quadratischen Gleichung sind
s
!
2
γ
γ
γ
2
1
2
e−βk± = −
∓
−
.
(4.16)
2γ3
4γ32 γ3
Die Nullstellen sind demnach, ähnlich zu der Berechnung für zwei Isomere (s.o.),
s
!
!
1
γ2
γ22
γ1
βk± =
− ln
∓
−
+ i(2k + 1)π .
(4.17)
2γ3
4γ32 γ3
Mit diesem Ansatz für ein 3-Isomer-System gelangt man also zu zwei auf geraden
Linien, aber bei unterschiedlicher Temperatur liegenden Nullstellenverteilungen.
4.4 Ausblick auf die Ergebnisse der numerischen Nullstellenberechnungen
4.4 Ausblick auf die Ergebnisse der numerischen Nullstellenberechnungen
In Abschnitt 5 sind die Nullstellen der Zustandsummen der zwei Argon-Cluster durch
numerische Berechnung ermittelt worden. Die Ergebnisse stimmen erstaunlich gut mit
den Vorhersagen durch das MNM überein. Des weiteren wird sich zeigen, daß sich
der Begriff der Phase durchaus auch auf finite Systeme übertragen läßt. Auch stimmen die Ergebnisse mit der Vorhersage überein, daß die erste Nullstelle für steigende
Teilchenzahl, d.h. für größer werdende Systeme, immer näher an die reelle Achse des
komplexen β-Raumes heranrückt, sofern noch ein Phasenübergang für das ”wachsende” System möglich ist.
Besonders deutlich wird die Übereinstimmung beim Ar6 -Cluster, der sich analytisch im MNM berechnen ließ. So liegen die numerisch berechneten Nullstellen bei
der erwarteten Temperatur und auch die Position der ersten Nullstellen spiegelt die Erwartungen wider. Nach dem MNM sollten die Nullstellen auf einer Linie liegen. Durch
einen senkrechten ”Einfall” der Nullstellendichte auf die reelle Achse wird ein Phasenübergang erster Ordnung gekennzeichnet [14]. Genau dieses Verhalten zeigt sich
auch in der numerischen Simulation.
Auch die Ergebnisse für den Ar7 -Cluster spiegeln die theoretischen Vorhersagen
wider. Die komplexe Ebene wird durch zwei diskrete Nullstellenverteilungen in drei
Gebiete aufgeteilt, die sich den drei verschiedenen Isomeren zuordnen lassen.
In Abschnitt 6 werden die numerischen Nullstellenbestimmungen für drei verschiedene finite Bosegase dargestellt. Die Berechnungen zeigen, daß auch für andere endliche Systeme als Cluster die Beschreibung durch Nullstellen durchaus gerechtfertigt ist.
So findet man für Teilchenzahlen von 50, 80 und 100 diskrete Nullstellenverteilung bei
Temperaturen, die nah bei den kritschen Temperaturen aus früheren herkömmlichen
Berechnungen liegen. Auch das Problem der Klassifizierung des Phasenübergangs bei
Bose-Systemen wird deutlich. Der Einfallswinkel der Nullstellenverteilung auf die reelle Temperaturachse ist abhängig von der Teilchenzahl. Nach Großmann werden aber
(unter anderem) durch diesen Einfallswinkel die Phasenübergänge klassifiziert.
31
5
Nullstellenbetrachtung für
Argon-Cluster
Die Bestimmung der Nullstellen von finiten Systemen, die sich mit einem geeigneten
Modell beschreiben lassen (MNM), gestaltete sich schon für relativ kleine Teilchenzahlen schwierig, wie in Abschnitt 4.1 dargestellt. So ließen sich die Nullstellen für ein
System, das in drei stabilen Isomeren vorkommen kann, im MNM schon nicht mehr
ohne einige Näherungen berechnen.
Einen Ausweg bietet die numerische Berechnung der Nullstellen. Hierzu wird einfach die komplexe Zustandssumme
Z
Z(βr , τ ) =
dE Ω(E) e−βr E e−iτ E
(5.1)
berechnet. Wenn die Zustandsdichte Ω(E) bekannt ist, läßt sich dieses Integral einfach
berechnen. Die Zustandsdichten für die verschiedenen Argon-Cluster werden durch
die Monte-Carlo - Methode (MC) ermittelt. Mit diesen Dichten wurden die nachfolgenden Ergebnisse produziert.
Bei der Auswertung der Berechnungen stellt sich das Problem, daß die Nullstellen
in dem Anteil des exponentiellen Abfalls exp(−βr E) ”verschwinden” können. Daher
müssen die Rechenschritte relativ klein sein, um alle Nullstellen zu ”finden”.
In den nachstehenden Plots wird nicht die komplexe Zustandssumme selbst als
Anhaltspunkt für Nullstellen graphisch dargestellt, sondern die Funktion F (T, τ ), die
lediglich eine einfache Normierung der komplexen Zustandssumme ist
R
dE Ω(E) e−E/(kB T ) e−iτ E/~ |Z(βr , τ )|
R
F (T, τ ) =
=
,
dE Ω(E) e−E/(kB T ) |Z(βr , 0)|
(5.2)
wobei βr = 1/(kB T ) ist und τ = τ /~ gesetzt wurde. Mit dieser Normierung bleibt
der Wert von F (T, τ ) immer kleiner als 1.
Desweiteren wurden die Boltzmann-Konstante kB = 8.617 · 10−5 eV/K und das
Planck’sche Wirkungsquantum ~ = 6.582 · 10−4 eV ps in den entsprechenden Einheiten berücksichtigt, um die Ergebnisse in Einheiten von Kelvin und Picosekunden
auszudrücken.
Die Ergebnisse sind in zweidimensionalen Contourplots dargestellt. Hierbei geben
die dunkelblauen Stellen besonders niedrige Werte der Funktion F (T, τ ) an, wie in den
Legenden wiedergegeben. Je heller die Farbe, desto größer wird der Wert von F (T, τ ),
bis er schließlich im weißen Bereich gleich eins ist.
33
34
Kapitel 5. Nullstellenbetrachtung für Argon-Cluster
5.1 Nullstellen des Ar6-Clusters
Der Ar6 -Cluster bietet die Möglichkeit des Vergleichs von dem theoretischen MultiNormal-Moden Modell mit numerisch berechnetem Verhalten. Alles was man zur analytischen Bestimmung nach dem MNM benötigt, sind die Eigenfrequenzen ωi der verschiedenen Isomere und deren Umordnungs-Entartungen Di . Beim Ar6 -Cluster sind
lediglich die zwei in Abb. 4.5 dargestellten Isomere zu betrachten. Die Entartungen
σi = Di /D1 sind σ1 = 1 und σ2 = 12, siehe [23]. Für die beiden Isomere lassen sich
die in Tab. 5.1 (in Hz) angegebenen 12 (= 3N − 6) Frequenzen ermitteln.
Oktaeder
0.14079757E+14
0.12329966E+14
0.12329966E+14
0.12329966E+14
0.10110623E+14
0.10110623E+14
0.10110623E+14
0.70571505E+13
0.70571505E+13
0.70571505E+13
0.67009334E+13
0.67009334E+13
Tri-Tetraeder
0.14208864E+14
0.13865315E+14
0.11957600E+14
0.11007600E+14
0.99220190E+13
0.97690259E+13
0.90946536E+13
0.80301808E+13
0.76787789E+13
0.75505487E+13
0.49744611E+13
0.35445185E+13
Tabelle 5.1: Eigenfrequenzen (in Hz) der beiden Isomere des Ar6 -Clusters.
Aus den Berechnungen für das MNM ergeben sich die Bindungsenergien von
12.71 und 12.30 , wobei = 10.3 meV ein molekülspezifischer Parameter ist. Die
Differenz der beiden Energien, die in die analytische Bestimmung der Nullstellen eingeht, ist ∆E = 0.41 , die Nullstellen berechnen sich nach (siehe Abschnitt 4.3.2)
1
γ1
+ i(2k + 1)π .
(5.3)
βk =
ln
∆E
γ2
Nach dem MNM sollten die Nullstellen auf einer senkrechten Linie bei einer Temperatur von T = 1/(kB Re(βk )) = 14.78 Kelvin und die erste Nullstelle auf der imaginären Achse bei einer Zeit von τ1 = 0.49 Picosekunden liegen. Alle weiteren Nullstellen sollten nun in geraden Vielfachen von τ1 folgen. Die ersten drei nach dem MNM
berechneten Nullstellen sind in Abb. 5.1 eingezeichnet. Qualitativ läßt sich schon auf
den ersten Blick auf Abb. 5.1 sagen, daß die ”numerischen Nullstellen” nur sehr wenig
von den theoretischen Vorhersagen abweichen. Insbesondere liegt die erste numerische
errechnete Nullstelle erstaunlich nah an diesen Vorhersagen.
5.1 Nullstellen des Ar6 -Clusters
35
So findet sich diese bei einer Temperatur von 14.93 Kelvin und bei einem imaginären Anteil von 0.51 Picosekunden. Die folgenden Nullstellen liegen nun nicht exakt
auf einer senkrechten Linie, sondern neigen sich wenig zu tieferen Temperaturen. So
liegt die zweite Nullstelle bei einer Temperatur von 14.8 Kelvin, mit einem Imaginärteil von 1.53 Picosekunden, was exakt dem dreifachen des Imaginärteils der ersten
Nullstelle entspricht. Dieses gleichmäßige nach der Theorie erwartete Muster setzt sich
auch bei der dritten Nullstelle fort, deren Temperatur 14.53 Kelvin beträgt, wobei der
Imginärteil auf 2.6 Picosekunden ansteigt.
3.0
FF(T,
(T, τ ))
τ [ps]
2.4
0.980
0.881
0.783
0.684
0.585
0.486
0.387
0.288
0.189
0.090
1.8
1.2
0.6
12
14
16
18
20
T [K]
Abbildung 5.1: Plot der numerischen Nullstellenberechnung des Ar6 -Clusters
Die Abweichung der analytischen Berechnung von der Simulation wird bei größeren Zeiten immer stärker. Allerdings liegt auch noch die dritte Nullstelle, die schon
fünfmal weiter von der reellen Temperaturachse entfernt liegt, als die erste Nullstelle,
nicht so weit von der numerisch bestimmten Nullstelle entfernt, daß man sagen müßte,
das MNM sei falsch. Der Fehler in Bezug auf die dritte Nullstelle der Simulation liegt
in Richtung der Temperatur bei lediglich 4 % und in Richtung der τ -Achse bei 9 %.
Auch der Vergleich mit der spezifischen Wärme, die üblicherweise immer zur
Bestimmung des Phasenübergangspunktes herangezogen wird, zeigt, daß die Berechnung des kritischen Punktes durch Nullstellen mindestens ebenso gut geeignet ist. In
Abb. 5.2 ist die spezifische Wärme berechnet mit der ersten Nullstelle, sowohl der
ersten Nullstelle aus dem MNM, als auch der ersten Nullstelle aus der numerischen
Berechnung, dargestellt. Es spiegelt sich das erwartete Verhalten wider. In dem kritischen Bereich haben beide Kurven einen Peak. Auch liegt der Grenzwert für hohe
36
Kapitel 5. Nullstellenbetrachtung für Argon-Cluster
Temperaturen bei 3N/2. Genau dieses Verhalten ist auch von der spezifischen Wärme
eines solchen Systems zu erwarten [23].
CV [kB ]
12
11
10
9
8
theor. Vorhersage nach MNM
numerische Berechnung
7
6
5
10
15
20
25
T[K]
Abbildung 5.2: Spezifische Wärme des Ar6 -Cluster mit Hilfe der ersten Nullstelle berechnet.
Aber es zeigt sich, daß beide Beschreibungen nicht genau die gleiche Temperatur
liefern. Wenn man das Maximum der spezifischen Wärme als Anhaltspunkt für den
Phasenübergang nimmt, dann läge die kritische Temperatur bei 11.8 Kelvin, nach der
Berechnung im MNM. Dieser Wert liegt unter der Temperatur der ersten Nullstellen
von 14.78 Kelvin. Die Bestimmung der spezifischen Wärmen mittels der ersten Nullstelle ist eine Näherung. Durch die übrigen Nullstellen wird die Kurve geringfügig
korrigiert. Auch die Berechnung der spezifischen Wärme mit Hilfe der ersten numerischen Nullstelle liefert das gleiche Ergebnis. Der Peak liegt auch hier deutlich unter der
Temperatur der ersten Nullstelle bei 11.9 Kelvin. Jedoch zeigt sich eine hohe Übereinstimmung der Temperaturen, wenn man sich einen weiteren charakteristischen Punkt
der Kurven anschaut. So liegt das Minimum der Ableitung dT CV bei fast exakt der
Temperatur der ersten Nullstelle. Die theoretische Berechnung liefert hier eine Temperatur von 14.94 Kelvin. In der numerischen Berechnung ergibt sich ein Wert von
14.97 Kelvin. Es bleibt allerdings noch zu klären, ob diese Beobachtung auch für andere Systeme zutrifft.
Anhand des Ar6 -Clusters läßt sich schon erkennen, daß die Beschreibung durch
Nullstellen die bisherigen Ergebnisse [23, 26] reproduziert. Die Charakterisierung des
Phasenübergangs anhand der Nullstellen liefert nicht nur die gleichen bekannten Ergebnisse, sondern zusätzlich noch einen weiteren Parameter τ . Die physikalischen Bedeutung bleibt allerdings noch unklar.
Im nächsten Schritt ist nun zu untersuchen, ob die Beschreibung durch Nullstellen immer noch äquivalent zu den üblichen Darstellungen ist, wenn man ein System
betrachtet, das in einem kritschen Bereich in drei Isomeren vorzufinden ist. Man muß
nur vom Ar6 -Cluster zum Ar7 -Cluster gehen, um einen solchen Effekt untersuchen zu
können.
5.2 Nullstellen des Ar7 -Clusters
37
5.2 Nullstellen des Ar7-Clusters
Die Situation beim Ar7 -Cluster ist nun ein wenig anders. Die Tatsache, daß 7 Argonatome in einem Temperaturbereich von ca. 18 Kelvin in drei verschiedenen, stabilen
Isomeren anzutreffen sind, bietet eine weitere Möglichkeit die theoretischen Vorhersagen der Nullstellen zu überprüfen.
3.0
FF(T,
(T, τ )
τ [ps]
2.4
0.980
0.881
0.782
0.684
0.585
0.486
0.387
0.288
0.189
0.090
1.8
1.2
0.6
14
16
18
20
22
T [K]
Abbildung 5.3: Plot der numerischen Nullstellenberechnung des Ar7 -Clusters
Falls ein System in drei verschiedenen Phasen vorkommen kann, sollte es zwei
unterschiedliche Nullstellenverteilungen geben, die die komplexe Temperaturebene in
drei Gebiete aufteilen. Mit Hilfe des MNM ließen sich unter bestimmten Voraussetzungen die Nullstellen für einen Cluster, der in drei Isomeren vorkommt, berechnen (siehe 4.3.2). Diese Berechnung lieferte das Ergebnis, daß es in diesem Modell ebenfalls
zwei (diskrete) Nullstellenverteilungen gibt, die die komplexe Ebene in drei Gebiete
einteilt.
Die Simulation (siehe Abb. 5.3) zeigt nun genau das erwartete Verhalten. In der
Tat gibt es zwei verschiedene, diskrete Nullstellenverteilungen. Der Übergang von der
BSC-Konfiguration, der pentagonalen Bipyramide, zum einfach dekorierten Oktaeder
findet bei 16.63 Kelvin statt. Der Imaginärteil der ersten Nullstelle liegt bei 0.44 Picosekunden.
Die erste Nullstelle für den Übergang von diesem einfach dekorierten Oktaeder
zum vierfachen Tetraeder (siehe Abb. 4.6) findet man bei 18.87 Kelvin und 0.52 Picosekunden. Um nun ein brauchbares Modell für dieses System auf dem Grund des
MNM aufzustellen, wie in Abschnitt 4.3.2 dargestellt, benötigt man die Differenzen
38
Kapitel 5. Nullstellenbetrachtung für Argon-Cluster
der Bindungsenergien der einzelnen Isomere. Die Berechnung durch das MNM liefert
für die pentagonale Bipyramide E1 = 17.0 meV, für den einfach dekorierten Oktaeder
E2 = 16.40 meV und für den vierfachen Tetraeder E3 = 14.42 meV. Also ergeben
sich die beiden Differenzen E2 − E1 = 0.6 meV bzw. E3 − E1 = 2.58 meV. Für die
Eigenfrequenzen erhält man
Bi-Pyramide
0.23302922E+14
0.23045320E+14
0.23045320E+14
0.18268086E+14
0.18268086E+14
0.17969277E+14
0.17969277E+14
0.15977999E+14
0.13137872E+14
0.13137872E+14
0.12193192E+14
0.11881136E+14
0.11881136E+14
0.86100941E+13
0.86100941E+13
dekor. Oktaeder
0.23188416E+14
0.22755877E+14
0.20644626E+14
0.20644626E+14
0.19015582E+14
0.17690280E+14
0.17690280E+14
0.14391007E+14
0.14391007E+14
0.12951644E+14
0.11717671E+14
0.10899256E+14
0.10899256E+14
0.80929865E+13
0.80929865E+13
4x Tetraeder
0.23428644E+14
0.21164467E+14
0.19787976E+14
0.19241713E+14
0.19138129E+14
0.18606439E+14
0.18168791E+14
0.15616103E+14
0.15127618E+14
0.12140276E+14
0.11248187E+14
0.96782577E+13
0.58935588E+13
0.37174093E+13
0.34209383E+13
Tabelle 5.2: Eigenfrequenzen (in Hz) der beiden Isomere des Ar7 -Clusters.
Aus anschaulich geometrischen Überlegungen ergeben sich die relativen Entartungen der drei Isomere. Die Permutationsentartungen der pentagonale Bipyramide und
des einfach dekorierten Oktaeders sind D1 = D2 = 12, während die des vierfachen
Tetraeders D3 = 144 ist.
Leider lassen sich die numerischen Berechnungen nicht mit quantitativen theoretischen Vorhersagen vergleichen, da die Näherungen, die in Kapitel 4.3.2 dargestellt sind
zu grob sind, um vergleichbare theoretische Voraussagen zu bekommen. Die Nullstellenverteilung des Ar7 -Clusters scheint aber insoweit vernünftig, wenn man die beiden
Übergänge einzeln betrachtet. Dann ergibt sich qualitativ das gleiche Bild wie für den
Ar6 -Cluster.
Auch lohnt hier der Vergleich der spezifischen Wärme, die mit Hilfe der ersten
Nullstelle berechnet wird mit den Erwartungen für so ein System. In Abb. 5.4 ist der
Graph der spezifische Wärme dargestellt. Zur Bestimmung wurden jeweils die ersten
Nullstellen berücksichtig, d.h., daß die ersten Nullstelle für den Übergang von Bipyramide zu dekoriertem Oktaeder und die für den Übergang von dekoriertem Oktaeder
zum vierfach Tetraeder berücksichtigt wurden. Das Ergebnis ist eine Kurve, deren
Grenzwert zwar auch 3N/2 liefert, die aber nur einen ausgeprägten Peak zeigt. Das
Problem ist, daß die Übergänge auf der Temperaturachse zu nah beieinander liegen,
5.2 Nullstellen des Ar7 -Clusters
39
als daß sich noch eine Unterscheidung in der spezifischen Wärme treffen ließe. Aber
auch dieses Ergebnis spiegelt die Erwartung wider [23].
CV [kB ]
15
14
13
12
11
10
9
8
7
6
5
5
10
15
20
25
30
T [K]
Abbildung 5.4: Spezifische Wärme des Ar7 -Cluster mit Hilfe der ersten Nullstelle berechnet.
Wie schon beim Ar6 -Cluster liegt auch hier die Temperatur des Maximums deutlich
unter der Temperatur der ersten Nullstelle. Das Maximum findet sich bei 13.5 Kelvin.
Jedoch liegt das Minimum der Ableitung dT CV bei 16.98 Kelvin ebenfalls wieder sehr
nah an der Temperatur der ersten Nullstelle des ersten Übergangs.
Durch die spezifische Wärme allein lassen sich in diesem Fall also kaum Aussagen über den Phasenübergang bzw. über die beiden Übergänge treffen. Erst wenn
man zusätzlich noch die Korrelationsfunktion, wie in Abb. 4.4 (für Ar6 ) dargestellt,
betrachtet, kann man auf die Existenz von mehreren Isomeren schließen. Durch die
Peaks in der Korrelationsfunktion läßt sich die Anzahl der Isomere identifizieren. Die
Nullstellenverteilung läßt den Schluß auf die Anzahl der Isomere sofort zu. Gibt es
zwei verschiedene Nullstellenverteilungen, so kann man sofort auf drei unterschiedliche Phasen schließen. In dem Fall des Ar7 -Clusters entsprechen diese Phasen den drei
stabilen Isomeren (siehe Abb. 4.6).
Noch deutlicher als beim Ar6 -Cluster wird hier, daß man durch die Darstellung
durch die Nullstellen einen direkteren Zugang zu dem bekommt, was am Phasenübergangspunkt passiert. Die drei stabilen Isomere lassen sich sofort aus dem Plot der Nullstellenverteilung ableiten. Ebenso erhält man zwei verschiedene Temperaturen, die die
beiden Übergänge kennzeichnen. Allerdings wird auch in diesem Beispiel nicht klar,
welche physikalische Bedeutung der gewonnene Parameter τ hat. Die Vorhersage des
Verhaltens dieses Parameters bestätigt sich aber auch hier schon ansatzweise. Bei der
Erhöhung der Teilchenzahl um nur ein Atom nähert sich der Imaginärteil der ersten
Nullstelle der reellen Achse an. Um hierzu genauere Aussagen zu treffen müssen jedoch noch weitere Berechnungen für steigende Teilchenzahl durchgeführt werden.
6
Nullstellenbetrachtung für finite
Bose-Gase
Finite Bose-Einstein Kondensate (nachfolgend wird die engl. Abkürzung BEC = BoseEinstein Condensate verwendet) bieten die Möglichkeit, den Phasenübergangspunkt in
Abhängigkeit von der Teilchenzahl zu studieren. Nach der Beschreibung des Phasenübergangs durch die Nullstellen der Zustandssummen spiegelt sich die Teilchenzahl im
Abstand der ersten Nullstelle von der reellen Achse wider. Im folgenden sollen BEC
bestehend aus 50, 80 und 100 Teilchen untersucht werden. Es wird sich zeigen, daß die
Plots der Nullstellen der kanonischen Zustandssumme die Erwartung widerspiegeln
und daß sich die Art des Phasenübergangs, nach der Klassifikation von Großmann,
offensichtlich in Abhängigkeit von der Teilchenzahl ändert.
Theoretisch werden BEC in jedem Standardlehrbuch der statistischen Physik
(z.B. [8, 9, 28, 29]) im großkanonischen Ensemble behandelt. Diese Darstellung, auf
deren Beschreibung in dieser Arbeit verzichtet werden soll, liefert den Kondensationspunkt als Funktion der Teilchenzahl,
kB Tc
=
~ω
N
ζ(3)
1/3
,
(6.1)
wobei ζ(n) die Riemann’sche Zetafunktion ist. Diese Gleichung läßt sich für endliche
BEC in isotropen harmonischen Potentialen modifizieren [30, 31], sodaß man für die
kritsche Temperatur erhält
kB Tc
=
~ω
N
ζ(3)
1/3
−
ζ(2)
ζ(2)2
+
.
2ζ(3) 4ζ(3)5/3 N 1/3
(6.2)
Auch die üblicherweise zur Bestimmung des kritischen Punktes herangezogene spezifische Wärme CV = dT hEi erhält man leicht im großkanonischen Ensemble. Die
Berechnung der spezifischen Wärme, wie auch anderer Größen, wie der Fluktuation der Grundzustandsbesetzungszahl sind schon zahlreich durchgeführt worden (siehe
z.B. [30–32]). Im Anhang B ist die kanonische Berechnung thermodynamischer Größen durch eine Rekursionsformel dargestellt. In dem Artikel, der in der Zeitschrift
Physical Review A [33] veröffentlicht wird, werden die spezifische Wärme sowie die
Fluktuationen der Grundzustandsbesetzungszahl kanonisch für unterschiedliche Formen der Fallen und verschiedene Teilchenzahlen berechnet. In zahlreichen anderen
Berechnungen (beispielsweise [30, 31, 34]) werden die BEC zumeist in harmonischen
Fallen betrachtet. Die einfachste harmonische Falle ist isotrop, d.h. alle Frequenzen
ωx , ωy und ωz (für den dreidimensionalen Fall) sind gleich ω.
41
42
Kapitel 6. Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
Die Eigenwerte n eines jeden Teilchens eines idealen Bose-Gases im dreidimensionalen isotropen harmonischen Oszillator-Potential sind n = ~ω(n + 3/2). Für die
Entartungen σn erhält man σn = (n + 1)(n + 2)/2 (hierzu [35]). Die Bestimmung der
kanonischen Zustandssumme für ein ideales N-Teilchen Bose-Gas geschieht mit Hilfe
einer Rekursionsformel von P. Borrmann und G. Franke [36] aus dem Jahr 1993,
1 X
ZN (β) =
Z1 (kβ) ZN −k (β),
(6.3)
N k=1
P
wobei Z0 (β) = 1 und Z1 (kβ) =
n exp(−kβn ) die Einteilchen - Zustandssumme zur Temperatur kβ ist. Diese ist für ein ideales Bose-Gas in einem harmonischen
Oszillator-Potential
∞
X
3
.
(6.4)
Z1 (kβ) =
σn exp −kβ ~ω n +
2
n=0
N
Bei der Berechnung der Nullstellen ist darauf zu achten, daß es sich bei β um die
analytisch fortgesetzte inverse Temperatur 1/T handelt. Eine solche Rekursion läßt
sich leicht numerisch durchführen.
In der Tat zeigen sich Nullstellen der N-Teilchen Zustandssumme (6.3). Allerdings müssen diese Berechnungen sehr genau durchgeführt werden, da die Nullstellen
sehr abrupt auftreten. Bei einer zu groben Berechnung ist es leicht möglich, daß die
Nullstellen im exponentiellen Abfall der Zustandssumme ”verschwinden”. Dieser exponentielle Abfall ist um vielfaches stärker, als beispielsweise bei den Argonclustern.
6.1 Bestimmung der Nullstellen idealer Bose-Gase
Anhand der drei finiten BEC soll nun die Aussagekraft und -qualität der Nullstellen
untersucht werden. Leicht überprüfen läßt sich die kritische Temperatur. Für finite System ist die erste Nullstelle entscheidend für den Phasenübergang. Durch Vergleich
des Realteils der ersten Nullstelle mit der nach Gleichung 6.2 bestimmten Temperatur
lassen sich schon erste Aussagen über die Qualität der Beschreibung durch Nullstellen
treffen. Es ist allerdings nicht zu erwarten, daß diese beiden Temperaturen gut übereinstimmen, da sie in verschiedenen statistischen Ensembles bestimmt werden. Für finite
Systeme gilt das Van Hove Theorem [16] nicht, das bedeutet aber zwangsläufig, daß
die Berechnungen in unterschiedlichen Ensembles unterschiedliche Ergebnisse liefert.
Erst im thermodynamischen Limes verschwinden die Unterschiede, sodaß das Theorem auch nur dort strikt gültig ist.
Die Nullstellen werden mit Hilfe der Rekursionsformel 6.3 bestimmt. Nach der
analytischen Fortsetzung β = Re(β) + iIm(β) ≡ βr + iτ ist
ZN (βr , τ ) =
N
1 X X
σn exp(−k(βr + iτ )n ) ZN −k (βr , τ ).
N k=1 n
(6.5)
6.1 Nullstellen eines 50 Teilchen BEC
43
Ähnlich wie bei den Argonclustern dient auch hier nicht der Absolutbetrag der
Zustandssumme zur Identifikation der Nullstellen, sondern die Funktion
F (T, τ ) =
|ZN (βr , τ )|
,
|ZN (βr , 1)|
wobei |ZN (βr , 1)| der Absolutbetrag der Zustandssumme zum ersten berechneten τ Wert ist.
In den folgenden Plots sind die Nullstellen für ideale Bose-Systeme bestehend aus
50, 80 und 100 Teilchen in einem isotropen harmonischen Oszillator-Potential dargestellt. Die Contourplots sind analog zu denen der Argoncluster. Auch hier interessiert
insbesondere die erste Nullstelle. Um zu verdeutlichen, wie schwer es, ist die erste
Nullstelle zu finden, sind sowohl ein Plot der ersten Nullstelle alleine als auch ein Plot,
der mehrere Nullstellen zeigt, dargestellt. In den Plots mehrerer Nullstellen läßt sich
gut der starke exponentielle Abfall erkennen, der die Identifizierung der Nullstellen so
schwierig macht.
Auf den Plots ist die Temperatur dimensionslos in kB /(~ω) angegeben. Auch die
τ -Achse ist dimensionslos dargestellt, in dem jeder τ -Wert mit ω multipliziert wurde. Die Farbgebung ist prozentual, d.h. alle berechneten Werte eines Plots werden im
Verhältnis zum ersten bestimmten Wert dargestellt.
Alle absoluten Temperaturwerte, die im folgenden angegeben sind, wurden mit einer Frequenz von ω = 208π Hz berechnet. Diesen Wert erhält man, indem man das
√
harmonische Mittel ω = 3 ωx ωy ωz der üblicherweise für den anisotropen harmoni√
schen Oszilltor verwendeten Frequenzen ωz = 208 · 2π und ωx = ωy = ωz / 8 bildet.
6.1.1 Nullstellen eines 50 Teilchen BEC
In den Abbildungen 6.1 und 6.2 sind die Nullstellenverteilungen der kanonischen Zustandssumme für ein ideales Bose-Gas bestehend aus 50 Teilchen in einem dreidimensionalen harmonischen Oszillator dargestellt.
Die erste Nullstelle liegt bei 2.64, was einer Temperatur von 13.72 Nanokelvin
entspricht. Nach der üblichen Bestimmung der kritischen Temperatur (Gl. 6.2) liegt
diese bei 15.15 Nanokelvin. Der Imaginärteil der ersten Nullstelle liegt bei dem dimensionslosen Wert 0.134 bzw. bei 0.21 Millisekunden. Es war zu erwarten, daß die
Temperaturen nicht exakt übereinstimmen, da die Bestimmung der kritischen Temperatur im großkanonischen Ensemble erfolgt ist.
In [31] zeigt sich, daß die kritische Temperatur eines finiten Bose-Gases im harmonischen Oszillator im kanonischen Ensemble tiefer liegt als im großkanonischen
Ensemble. Für 50 Teilchen liegt der Peak der spezifischen Wärme kanonisch bei dem
44
Kapitel 6. Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
dimensionslosen Wert von ca. 2.59 bzw. bei 12.9 Nanokelvin. Dieser Wert liegt in der
Tat noch näher an dem Realteil der ersten Nullstelle. Zudem liegt dieser Wert, im Gegensatz zur großkanonischen Berechnung, unter dem Wert von 2.64. Dies trifft genau
die Erwartung, da eine Kurve durch die Nullstellen die reelle Achse bei einem Wert
kleiner als 2.64 schneiden würde.
0.144
F(T, )
F (T, τ )
9E-01
5E-01
3E-01
2E-01
1E-01
7E-02
6E-02
5E-02
5E-02
4E-02
ωτ
0.14
0.136
0.132
0.128
2.62
2.64
2.66
2.68
2.7
kB T /~ω
Abbildung 6.1: Plot der ersten Nullstelle eines 50-Teilchen Bose-Gases
In Abb. 6.2 sind die ersten drei Nullstellen dargestellt. Wie schon bei den Argonclustern läßt sich auch hier eine regelmäßige Struktur der Verteilung erkennen. Desweiteren zeigt sich, daß eine Ausgleichskurve durch die Nullstellenverteilung unter einem
Winkel kleiner als π/2 (von der reellen Achse aus gemessen) auf die Temperaturachse
trifft.
Abbildung 6.3 zeigt die spezifische Wärme pro Teilchen des 50 Teilchen BEC,
die mit Hilfe der ersten Nullstelle bestimmt wurde. Wie schon bei den Argonclustern
stimmt auch hier die Kurve qualitativ mit den bisherigen Ergebnissen überein. Sowohl
der Peak bei einer kritischen Temperatur, als auch der Grenzwert von 3/2 werden
korrekt wiedergegeben. Lediglich der genaue Kurvenverlauf, sowie die Temperatur
des Peaks unterscheiden sich von den üblichen Berechnungen. So liegt das Maximum
bei 9 Nanokelvin.
Wie schon bei den Argonclustern liegt auch hier dieser Wert deutlich unter
der Temperatur der ersten Nullstelle. Bestimmt man das Minimum der Ableitung
dT (CV /N) bei 11.7 Nanokelvin so stellt man fest, daß auch dieser Wert noch recht
deutlich unter der Temperatur der ersten Nullstelle liegt. Die Abweichung beträgt immer noch 15 %. Dennoch läßt sich auch im Falle diese BEC festhalten, daß die Darstel-
6.1 Nullstellen eines 50 Teilchen BEC
45
lung durch die Nullstellen qualitativ die bisherigen Ergebnisse reproduziert. Sowohl
der Phasenübergang an sich, als auch der kritsche Punkt werden korrekt wiedergegeben
F(T, )
F (T, τ )
0.192
7E-01
1E-01
2E-02
9E-03
2E-03
3E-04
9E-05
3E-05
6E-06
1E-06
ωτ
0.176
0.16
0.144
0.128
2.61
2.64
2.67
2.7
2.73
kB T /~ω
Abbildung 6.2: Plot der ersten drei Nullstellen eines 50-Teilchen Bose-Gases.
1.53
CV /N [kB ]
1.52
1.51
1.5
1.49
1.48
1.47
1.46
1.45
2e-09
4e-09
6e-09
8e-09
1e-08
1.2e-08 1.4e-08 1.6e-08 1.8e-08
2e-08
T [K]
Abbildung 6.3: Spezifische Wärme pro Teilchen eines 50 Teilchen BEC berechntet mit Hilfe der ersten Nullstelle.
46
Kapitel 6. Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
6.1.2 Nullstellen eines 80 Teilchen BEC
Für steigende Teilchenzahl sollte sich nach der Theorie die erste Nullstelle der reellen
Achse nähern und die Abstände zwischen den einzelnen Nullstellen sollten kleiner
werden. Aus der großkanonischen Berechnung ergibt sich weiterhin, daß die kritische
Temperatur ebenfalls ansteigen muß.
In Abb. 6.4 ist die erste Nullstelle eines 80 Teilchen Bose-Gases dargestellt. Der
Realteil liegt bei 3.146, also bei einer Temperatur von 15.7 Nanokelvin, der Imaginärteil bei 0.085, dies entspricht 0.13 Millisekunden. Wie zu erwarten war, ist sowohl der
Realteil der ersten Nullstelle größer als bei dem 50 Teilchen Bose-Gas, als auch der
Imaginärteil kleiner.
0.09
F(T, )
F (T, τ )
ωτ
0.088
9E-01
6E-01
4E-01
2E-01
2E-01
1E-01
1E-01
8E-02
8E-02
7E-02
0.086
0.084
0.082
3.12
3.14
3.16
3.18
3.2
kB T /~ω
Abbildung 6.4: Plot der ersten Nullstelle eines 80-Teilchen Bose-Gases
In der großkanonischen Berechnung liegt die kritische Temperatur bei ca. 18.1 Nanokelvin. Auch hier zeigt sich schon bei dem Vergleich dieser beiden Temperaturen,
daß die Beschreibung durch Nullstellen qualitativ die richigen Ergebnisse liefert.
In [31] sind die Temperaturen, bei denen die spezifische Wärme ihren Peak hat, in
Abhängigkeit von der Teilchenzahl angegeben. Dies liefert ein Ergebnis von ca. 3.14
für 80 Teilchen, was einer Temperatur von ungefähr 16.3 Nanokelvin entspricht. Auch
in diesem Fall liegt die so bestimmte Temperatur näher an dem Realteil der ersten
Nullstelle. Legt man auch hier eine Kurve durch die Verteilung der Nullstellen, dann
schneidet diese Kurve die reelle Achse bei einer Temperatur, die unwesentlich größer
ist, als die der Nullstelle (siehe Abb. 6.5). Nach der Klassifikation von Großmann sollte
die kritische Temperatur genau bei dem Schnittpunkt liegen. Der Peak der spezifischen
6.1 Nullstellen eines 80 Teilchen BEC
47
Wärme nach [31] liegt ein wenig darüber.
Ein Vergleich der beiden Plots 6.1 und 6.5 zeigt, daß die Abstände zwischen den
Nullstellen geringer geworden sind. Auch dies entspricht der Erwartung. Zusätzlich
hat sich die Nullstellenverteilung in der komplexen Ebene ”gedreht”. Dies führt dazu,
daß sich der Schnitt der Kurve durch die Nullstellen mit der reellen Achse verschiebt.
Insbesondere verändert sich das Verhältnis Re(β1 )/βc , wobei βc den Schnittpunkt der
Kurve durch die Nullstellenverteilung mit der reellen Achse angibt. Für 50 Teilchen
war dieses Verhältnis noch größer als Null, während es schon für 80 Teilchen kleiner
Null ist.
F(T, )
F (T, τ )
ωτ
0.14
7E-01
6E-02
4E-03
7E-04
5E-05
5E-06
4E-07
3E-08
3E-09
2E-10
0.12
0.1
0.08
3.04
3.08
3.12
3.16
3.2
kB T /~ω
Abbildung 6.5: Plot der ersten drei Nullstellen eines 80-Teilchen Bose-Gases.
Nach der Klassifikation von Großmann ist aber der Einfallswinkel entscheidend
für die Art des Phasenübergangs. Verändert sich der Winkel, verändert sich zwangsläufig die Art des Phasenübergangs. Für finite BEC scheint sich nun die Ordnung des
Übergangs zu verändern.
Die spezifische Wärme gibt über dieses Verhalten keinen Aufschluß. Auch hier ist
CV /N mit Hilfe der ersten Nullstelle bestimmt worden, siehe Abb. 6.6. Das Ergebnis entspricht schon wie bei dem 50 Teilchen BEC den Erwartungen. Über die Art
des Phasenübergangs lassen sich allerdings keine Informationen aus dieser Graphik
ziehen.
Jedoch zeigt sich auch hier, daß das Maximum der spezifischen Wärme pro Teilchen CV /N bei 12 Nanokelvin deutlich unter der Temperatur der ersten Nullstelle von
15.7 Nanokelvin liegt. Das Minimum von dT (CV /N) bei 15.3 Nanokelvin weicht nicht
mehr so stark von der Temperatur der ersten Nullstelle ab, wie es noch für 50 Teilchen
48
Kapitel 6. Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
der Fall war.
1.53
CV /N [kB ]
1.52
1.51
1.5
1.49
1.48
1.47
4e-09
6e-09
8e-09
1e-08
1.2e-08
1.4e-08
1.6e-08
1.8e-08
2e-08
T [K]
Abbildung 6.6: Spezifische Wärme pro Teilchen eines 80 Teilchen BEC berechntet mit Hilfe der ersten Nullstelle.
6.1.3 Nullstellen eines 100 Teilchen BEC
0.05
F(T, )
F (T, τ )
9E-01
6E-01
4E-01
2E-01
1E-01
1E-01
8E-02
7E-02
6E-02
6E-02
ωτ
0.0475
0.045
0.0425
3.475
3.5
3.525
3.55
kB T /~ω
Abbildung 6.7: Plot der ersten Nullstelle eines 100-Teilchen Bose-Gases
Die Ergebnisse aus den zwei vorangehenden Abschnitten setzen sich hier fort. So zeigt
sich, daß der Realteil der ersten Nullstelle noch weiter an die reelle Achse gerückt ist
(siehe Abb. 6.7), der Imaginärteil liegt bei 0.043, d.h. 0.06 Millisekunden. Die Tempe-
6.1 Nullstellen eines 100 Teilchen BEC
49
ratur hat sich zu einem höheren Wert von 3.5, verglichen zu denen für 50 bzw. 80 Teilchen verschoben. Dies entspricht einer Temperatur von 17.48 Nanokelvin. Die großkanonische Berechnung liefert eine kritische Temperatur von 19.69 Nanokelvin. Aus
der kanonischen Berechnung nach [31] folgt die Temperatur des Maximums der spezifischen Wärme von 3.57, d.h. 17.8 Nanokelvin. Die schon für 50 bzw. 80 Teilchen
beobachteten Phänomene finden sich auch in diesem Fall.
Plot 6.8 zeigt die ersten vier Nullstellen des 100 Teilchen BEC (die vierte Nullstelle läßt sich am oberen Rand ”erahnen”). Der Abstand zwischen den beiden ersten
Nullstellen ist zwar leicht angewachsen, jedoch liegen die folgenden Nullstellen näher
beieinander als in den vorhergehenden Beispielen.
0.096
F(T, )
F (T, τ )
7E-01
1E-01
3E-02
4E-03
5E-04
5E-05
6E-06
5E-07
4E-08
4E-09
ωτ
0.084
0.072
0.06
0.048
3.3
3.4
3.5
3.6
3.7
kB T /~ω
Abbildung 6.8: Plot der ersten vier Nullstellen eines 100-Teilchen Bose-Gases.
Weiterhin hat sich die Verteilung der Nullstellen noch weiter in der komplexen
Ebene gedreht, sodaß die Temperatur des Schnittpunktes der Kurve durch die Nullstellen sich weiter zu höheren Temperaturen verschoben hat, als dies schon für 80
Teilchen der Fall war.
In Abb. 6.9 ist die spezfische Wärme pro Teilchen mit Hilfe der ersten Nullstelle
bestimmt worden. Auch hier setzen sich die Beobachtungen aus den vorangehenden
Beispielen fort. Es zeigt sich ein Peak bei einer kritischen Temperatur, genau wie der
Grenzwert 3/2 für steigende Temperaturen. Auch weicht hier der Peak bei 15.9 Nanokelvin deutlich von der Temperatur der ersten Nullstelle von 17.48 Nanokelvin ab. Die
Diskrepanz zwischen dem Minimum der Ableitung dT (CV /N) bei 18.9 Nanokelvin
und der Temperatur der ersten Nullstelle hat im Vergleich zu dem 80 Teilchen BEC
wieder zugenommen. In diesem Fall jedoch liegt das Minimum der Ableitung der spe-
50
Kapitel 6. Nullstellenbetrachtung für finite Bose-Gase
zifischen Wärme pro Teilchen bei einer Temperatur über 17.48 Nanokelvin, während
das Minimum für 50 Teilchen noch unter der Temperatur der ersten Nullstelle lag und
die beiden Werte für 80 Teilchen nahezu gleich waren.
1.58
CV /N [kB ]
1.56
1.54
1.52
1.5
1.48
1.46
1e-08
1.5e-08
2e-08
2.5e-08
3e-08
T [K]
Abbildung 6.9: Spezifische Wärme pro Teilchen eines 100 Teilchen BEC berechntet mit Hilfe der ersten Nullstelle.
6.2 Interpretation der Ergebnisse
Die Berechnungen für die drei finiten Bose-Einstein Kondensate haben gezeigt, daß
auch hier die Beschreibung durch die Nullstellen eine weitere Möglichkeit bietet die
Kondensation zu bestimmen. Insbesondere zeigt sich auch, daß man durch die analytische Fortsetzung einen zusätzlichen, wertvollen Parameter τ gewinnt, dessen physikalische Bedeutung anhand dieser Berechnungen jedoch nicht geklärt werden konnte.
Es zeigt sich aber, daß die erste Nullstelle der verschiedenen BEC mit steigender Teilchenzahl näher an die reelle Achse heranrückt und damit den ”Abstand vom Phasenübergang im thermodynamischen System” angibt.
Aus dem Vergleich der hier vorgelegten Ergebnisse mit früheren Berechungen kann
man sehen, daß die Beschreibung durch Nullstellen sowohl qualitativ als auch quantitativ die bisherigen Ergebnissse bestätigt. Der wohl wichtigste Punkt hierbei ist, daß
finite BEC diskrete Nullstellenverteilungen haben. Zudem liegen diese Nullstellen in
einem Temperaturbereich, in dem die Kondensation nach den bisherigen theoretischen
Vorhersagen stattfinden sollte. Diskrepanzen zu den üblichen Berechnungen ergeben
sich jedoch bei der Bestimmung der spezifischen Wärme. Wie schon bei den Argonclustern liegt das Maximum der spezifischen Wärme bei einer deutlich niedrigeren
Temperatur als die erste Nullstelle. Weiterhin liegt diese Temperatur auch tiefer als
die Temperatur der maximalen spezifischen Wärme in bisherigen Berechnungen. Hier
besteht noch Klärungsbedarf, wieso diese Unterschiede überhaupt auftreten.
In der üblichen Behandlung der Bose-Einstein Kondensation wird meistens gerade die spezifische Wärme zur Bestimmung der kritischen Temperatur herangezogen.
6.2 Interpretation der Ergebnisse
Für finite Systeme erhält man jedoch nicht mehr eine Singularität, wie für thermodynamische Systeme. Wie in Abschnitt 4 dargestellt, verschiebt sich das Maximum der
spezifischen Wärme. Man kann daran zweifeln, ob dieses Maximum überhaupt aussagekräftig für den Phasenübergangspunkt ist. Problematisch ist die Bestimmung des
kritischen Punktes auch, da der Übergang in einem ”kritischen Gebiet” verschmiert
ist. In [31] wird vermutet, daß die kritische Temperatur nicht dem Peak der spezifischen Wärme CV entspricht, sondern eher dem Minimum der Ableitung dT CV . In
den obigen Berechnungen liegen die Temperaturen der Ableitung tatsächlich näher an
den Temperaturen der ersten Nullstellen. Doch offenbar ändert sich das Verhältnis dieser Temperaturen zu den Temperaturen der ersten Nullstellen mit dem Einfallswinkel
der Nullstellenverteilung auf die reelle Achse. Liegt das Minimum der Ableitung für
50 Teilchen noch unter der Temperatur der ersten Nullstelle, so sind für 80 Teilchen die
Werten nahezu gleich, während für 100 Teilchen die Temperatur der ersten Nullstelle größer ist. In gleicher Weise verschiebt sich auch der Schnitt der Ausgleichskurve
durch die Nullstellenverteilung mit der reellen Achse.
Nach der Klassifikation der Phasenübergänge von Großmann [13] zeigt sich weiterhin, daß die Art des Übergangs sich ändert, wenn man die Teilchenzahl erhöht.
Kontinuierliche Phasenübergänge sind dadurch gekennzeichnet, daß der Winkel ν, unter dem die Nullstellenverteilung (für finite Systeme ist dies die Steigung der Kurve
durch die Nullstellen) die reelle Achse schneidet (hierzu 3.3.2), ungleich Null ist. Dies
ist für 50 Teilchen der Fall, der Winkel ist kleiner als Null. Für steigende Teilchenzahl
ändert sich nun aber dieser Winkel, da sich die Nullstellenverteilung über die komplexe Ebene bewegt. Bei einer Teilchenzahl von 80 trifft die Ausleichskurve nahezu
unter dem Winkel ν = 0 auf die Temperaturachse. Nach Großmann entspricht dies
aber einem Phasenübergang erster Ordnung (diskontinuierlich), während man für 100
Teilchen wieder einen kontinuierlichen Übergang beobachtet.
Die in diesem Abschnitt durchgeführten Berechnungen haben gezeigt, daß die Bestimmung und Klassifikation des Phasenübergangs durch die Nullstellen der statistischen Zustandssummen die bisherigen Ergebnisse reproduziert und weiterhin Anhaltspunkte gibt, wo der kritische Punkt für finite Bose-Gase liegt. Scheinbar stimmen der
Schnitt der Kurve durch die Nullstellenverteilung mit der reellen Temperaturachse gut
mit der Temperatur des Minimums der Ableitung der spezifischen Wärme überein.
Wie gut die Übereinstimmung ist, bedarf allerdings noch genauerer Untersuchungen.
51
7
Interpretationsversuch der
analytischen Fortsetzung von β
7.1 Äquvalenz von Zeitmittel und Ensemblemittel
In der statistischen Physik wird seit Boltzmann die Ergoden-Hypothese verwandt. Diese besagt nichts anderes, als daß der Langzeitmittelwert und der Ensemblemittelwert
von makroskopischen (thermodynamischen) Größen unter Gleichgewichtsbedingungen gleich sind. Tasaki [37, 38] konnte zeigen, daß unter bestimmten Annahmen die
Ergoden-Hypothese zwingend aus der Quantenmechanik folgt. Der Ausgangspunkt
hierbei war ein kanonisches System bestehend aus dem interessierenden (Sub-) System S, einem Wärmebad B und einer Kopplung H 0 zwischen beiden. Der GesamtHamilton-Operator setzt sich demnach wie folgt zusammen
Ĥ = ĤS ⊗ 1B + 1S ⊗ ĤB + Ĥ 0 .
(7.1)
Die Eigenzustände von ĤS (ĤS |Φr i = r |Φr i , mit r = 1, . . . , n) und ĤB
(ĤB |Γs i = Bs |Γs i , mit s = 1, . . . , N) spannen verschiedene Hilberträume auf. Die
Wechselwirkung zwischen den beiden Systemen/Hilberträumen kommt nur durch den
Operator Ĥ 0 zustanden, der auf den Gesamthilbertraum wirkt. Eine weitere Annahme
ist, daß die Energieniveaus des Wärmebades genügend dicht liegen im Vergleich zu
den Niveaus des Subsystems. Die Kopplung wird durch
(
λ/2 für |l0 − l| = 1
hΨl | Ĥ 0 |Ψl0 i =
0
sonst
(7.2)
definiert, wobei |Ψl i = |Ψrs i = |Φr i ⊗ |Γs i ist, mit l = 1, . . . , nN und einer Konstanten λ > 0.
Unter diesen Voraussetzungen konnte Tasaki zeigen, daß der zeitliche Mittelwert
eines beliebigen Operators, der auf das Subsystem wirkt, gleich dem kanonischen Mittelwert ist
D E
D E
 = hΘ(t)|  ⊗ 1B |Θ(t)i ' Â
.
(7.3)
t
kan
Auf die genaue Rechnung soll in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden. Das
Ergebnis jedoch wird im Folgenden noch benutzt werden.
53
54
Kapitel 7. Interpretationsversuch der analytischen Fortsetzung von β
7.2 Analytische Fortsetzung und kanonische Zustände
Nach der analytischen Fortsetzung der inversen Temperatur β auf die komplexe Ebene,
β −→ Re(β) + i Im(β) ≡ βr + iτ ergibt sich die komplexe kanonische Zustandssumme, die sich aus der klassischen statistischen Zustandssumme und der quantenmechanischen Zustandssumme [39] zusammensetzt
Z(βr , τ ) = Tr e−βr ĤS e−iτ ĤS ,
(7.4)
wobei man quantenmechanisch korrekt den Hamiltonoperator des zu untersuchenden
Systems S verwenden muß, der nur ein Teil des gesamten Hamiltonoperators ist (s.o.).
Berechnet man nun die Spur mit Hilfe von Eigenzuständen |Φi i des Hamiltonoperators ĤS , so ergibt sich
Z(βr , τ ) =
=
∞
X
i=1
∞
X
hΦi | e−βr ĤS e−iτ ĤS |Φi i
(7.5)
hΦi | e−βr i e−iτ ĤS |Φi i
i=1
=
∞
X
hΦi | e−βr i /2 e−iτ ĤS e−βr i /2 |Φi i
i=1
∞
X
i
=
Ψc (βr , 0) e−iτ ĤS Ψic (βr , 0) ,
(7.6)
i=1
da die |Φi i Eigenzustände des Zeitentwicklungsoperators sind, folgt sofort
=
!
∞
X
−iτ Ĥ
i
S
Ψc (βr , 0) e
!
∞
X
i
Ψc (βr , 0)
i=1
i=1
Bei der Behandlung der Zustände |Ψc (βr , 0)i muß man vorsichtig sein. Es handelt
sich hierbei nicht um Hilbert-Raum-Zustände, die orthonormiert sind. Vielmehr sind
diese Zustände zusammengesetzt aus den Eigenzuständen des Hamiltonoperators ĤS ,
die darüberhinaus mit einem Boltzmannfaktor exp(−βr i /2) gewichtet sind. Insbesondere gibt die Norm dieser Zustände gerade nicht die Eins, sondern genau die reelle
kanonische Zustandssumme. Im folgenden werden diese Zustände aus diesem Grund
auch kanonische Zustände genannt werden. Dem Wesen nach sind diese Zustände aber
nichts anderes, als ein Ensemble von Eigenzuständen, wobei jeder Zustand mit einer
ihm eigenen statistischen Wahrscheinlichkeit, dem Boltzmannfaktor, belegt ist.
7.2
Da die |Φi i die Eigenzustände von ĤS sind, läßt sich der
P Ausdruck
i
so umformen, daß sich mit der Abkürzung |Ψc (βr , 0)i =
|Ψ
(β
,
0)i
=
c r
i
7.2 Zusammenhang mit den komplexen Nullstellen
P
i exp(−βr i /2)
55
|Φi i ergibt
Z(βr , τ ) = hΨc (βr , 0)| e−iτ ĤS |Ψc (βr , 0)i
D
E
= Z(βr , 0) e−iτ ĤS
(7.7)
(7.8)
kan
= hΨc (βr , 0) | Ψc (βr , τ )i .
(7.9)
Der Schritt von Gl. 7.7 nach 7.8 ergibt sich aus der Tatsache, daß sich der kanonische
Erwartungswert eines beliebigen Operators
D E
Tr  · exp(−βr ĤS )
Â
=
kan
Tr exp(−βr ĤS )
schreiben läßt.
Gleichung 7.9 beschreibt nun weiterhin den Überlapp des Zustandes |Ψc (βr , 0)i
mit dem zeitentwickelten Zustand |Ψc (βr , τ )i. Für die Nullstellen (βr,k |τk ) der Zustandssumme Z(βr , τ ) verschwindet dieser Überlapp, d.h. die Information, die der
Zustand bei τ = 0 hatte ist nach einer bestimmten Zeit τ = τk völlig verloren gegangen. Dieser Informationsverlust ist charakteristische für die Nullstellenverteilung.
Die Verknüpfung mit den Nullstellen wird auf einer anderen Ebene im folgenden
Abschnitt erörtert.
7.2.1 Zusammenhang mit den komplexen Nullstellen
Ein Vergleich von Z(βr , τ ) mit der Berechnung des kanonischen Erwartungswertes
zeigt, daß Z(βr , τ ) nichts anderes ist, als der Erwartungswert von exp(−iτ ĤS ) im
kanonischen Ensemble multipliziert mit der (reellen) kanonischen Zustandssumme
D
E
Z(βr , τ ) ≡ Z(βr , 0) e−iτ ĤS
.
(7.10)
kan
Bei den (komplexen) Nullstellen βk = βr,k + iτk von Z(βk ) gilt nun, daß dieser Erwartungswert ebenso gleich Null sein muß
D
E
Z(βk ) ≡ Z(βr,k , 0) e−iτk ĤS
=0
kan
D
E
=⇒ e−iτk ĤS
= 0.
(7.11)
kan
Unter den oben beschriebenen Annahmen für die Kopplung Ĥ 0 [37, 38] läßt sich zeigen, daß der Ensemblemittelwert h· · · ikan gleich dem Langzeitmittelwert h· · · it ist.
Durch die Äquvalenz der beiden Erwartungswerte lassen sich nun die (rein komplexen) Nullstellen durch eine zeitliche Mittlung
ZT
D
E
1
−iτk ĤS
e
≡ lim
dt hΘ(t)| e−iτk ĤS |Θ(t)i
T
→∞
T
t
0
(7.12)
56
Kapitel 7. Interpretationsversuch der analytischen Fortsetzung von β
finden, wobei die |Θ(t)i = exp(−itĤ) |Θ(0)i Zustände des Gesamtsystems, also inklusive Wärmebad sind. Die Zeitentwicklungen der Gesamtzustände transformieren
den Zeitentwicklungsoperator des interessierenden Systems in das Heisenberg-Bild
eitĤ e−iτk ĤS e−itĤ = e−iτk ĤS (t) .
Dies erschwert die korrekte quantenmechanische Berechnung erheblich, da die Operatoren ĤS und Ĥ im Allgemeinen nicht miteinander kommutieren, auch nur partiell
auf den gleichen Hilbert-Raum wirken, und der zeitabhängige Hamiltonoperator des
Untersystems ĤS (t) nicht bekannt ist. Entwickelt man die Zustände |Θ(0)i in zusammengesetzten Zuständen aus Untersystem |Φr i und Wärmebad |Γs i
|Θ(0)i =
X
γrs |Φr i ⊗ |Γs i ,
rs
wobei hΘ(0) | Θ(0)i =
P
rs
|γrs |2 = 1 ist, so liefert der Erwartungswert
ZT
D
E
1
−iτk ĤS
e
= lim
dt hΘ(0)| e−iτk ĤS (t) |Θ(0)i
T
→∞
T
t
0
ZT
1 X ∗
= lim
γrs γr0 s0
dt hΦr | ⊗ hΓs | e−iτk ĤS (t) |Φr0 i ⊗ |Γs0 i
T →∞ T
rsr 0 s0
0
1 X
|γrs |2
T →∞ T
rs
ZT
= lim
dt e−iτk r (t) = 0
0
Betrachtet man das Subsystem nun klassisch, so vereinfacht sich der obige Ausdruck zu
1
lim
T →∞ T
ZT
dt e−iτk (t) = 0,
(7.13)
0
da klassisch nicht mehr in Energieniveaus unterschieden wird, also nur noch die Energie (t) auftritt.
Die Herleitung der Zustandsumme als Produkt ihrer Nullstellen hat gezeigt, daß
man den kinetischen Anteil der Energie immer abspalten kann. Das bedeutet in diesem
Fall, daß man statt der Gesamtenergie (t) nur noch die potentielle Energie v(t) zu
betrachten braucht.
Ist nun die potentielle Energie des zu untersuchenden Systems in Abhängigkeit
von der Zeit bekannt, so läßt sich das Integral einfach für verschiedene Werte von τk
berechnen und nachprüfen wo die Nullstellen genau liegen.
7.2 Zusammenhang mit den komplexen Nullstellen
57
Aus dem komplexen Integral 7.13 läßt sich leicht eine reelle Meßgröße machen,
indem man einfach das Betragsquadrat bildet
2
ZT
ZT
1
i
0 = lim dt cos(τk (t)) +
dt sin(τk (t))
T →∞ T
T
0
0

2

2
ZT
ZT
1
1
= lim 
dt cos (τk v(t)) + lim 
dt sin (τk v(t)) .
T →∞ T
T →∞ T
0
(7.14)
(7.15)
0
Anders argumentiert, müssen jetzt nur noch die Werte für τ = τk gesucht werden, wo
Gleichung 7.14 Null wird. Sind diese Werte gefunden, so läßt sich der Phasenübergangspunkt aus den Zahlenpaaren (βr,k |τk ) bestimmen. Der kritische Punkt liegt beim
kleinsten Wert von τk , wie in Kapitel 4.1 beschrieben.
Bildet man nun das Integral
Z∞
−∞

1
dτ  lim
T →∞ T
ZT

1
dt e−iτ v(t)  = lim
T →∞ T
ZT
0
Z∞
dt
−∞
0
2π
= lim
T →∞ T
dτ e−iτ v(t)
ZT
dt δ(v(t))
(7.16)
0
so erhält man die Zahl der Nulldurchgänge der potentiellen Energie zu einer bestimmten inversen Temperatur βr . Dieses Integral ist jedoch nichts anderes als die FourierTransformation von Eins. Eine besser geeignete Größe ist die Anzahl der Durchgänge
durch die mittlere potentielle Energie v̄. In der ursprünglichen Gleichung für den zeitlichen Mittelwert gibt die Subtraktion von v̄ von der potentiellen Energie v(t) lediglich
einen konstanten Phasenfaktor exp(iτ v̄). Bei der Integration über τ ergibt sich nun
1
lim
T →∞ T
Z∞
ZT
dτ
−∞
0
dt e−iτ (v(t)−v̄)
2π
= lim
T →∞ T
ZT
dt δ(v(t) − v̄),
(7.17)
0
was der Zahl der Mittelwerts-Durchgänge entspricht. Anhand dieser Zahl läßt sich nun
ebenfalls ablesen, ob sich das untersuchte System in einer bestimmten Phase oder am
Phasenübergangspunkt befindet. In einer festen Phase fluktuiert die potentielle Energie
um den Mittelwert der potentiellen Energie für diese Phase (siehe Abb. 7.1a). Am
Phasenübergangspunkt jedoch nehmen die Fluktuationen zwischen den Phasen extrem
zu, wobei v(t) jedoch auch noch um die jeweiligen Mittelwerte v̄i schwankt (siehe
Abb. 7.1b).
Kapitel 7. Interpretationsversuch der analytischen Fortsetzung von β
58
a)
b)
v(t)
v(t)
v̄1
v̄
v̄
v̄2
t
t
Abbildung 7.1: Fluktuationen der potentiellen Energie in einer festen Phase (a)
oder am Phasenübergangspunkt (b)
Der kritische Punkt läßt sich demnach durch das Minimum in den Durchgängen
durch die mittlere potentielle Energie der beiden Phasen bestimmen. Um den Phasenübergang zu finden führt man die Berechnungen
1. der potentiellen Energie v(t) des Systems S in Abhängigkeit von der Zeit,
2. des Mittelwertes v̄,
3. von δ(v(t) − v̄),
R
4. des Integrals 2π dtδ(v(t) − v̄) zu jeder inversen Temperatur β
durch und bestimmt einfach das Minimum der letzten Berechnung.
Die in diesem Kapitel dargestellte Bestimmung des Phasenübergangs bietet die
Möglichkeit, anhand von Zeitreihen der potentiellen Energie den kritischen Punkt eines Systems zu bestimmen.
8
Vorschlag, Zusammenfassung
und Ausblick
8.1 Vorschlag zur Klassifikation von Phasenübergängen in finiten und thermodynamischen Systemen
Phasenübergänge lassen sich auf die verschiedensten Arten bestimmen, etwa durch
divergierende thermodynamische Größen wie die spezifische Wärme. Die Beschreibung durch die Nullstellen der Zustandssumme bietet nun die Möglichkeit Phasenübergänge, insbesondere für finite Systeme, neu zu klassifizieren. Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargestellt wird in thermodynamischen Systemen der Phasenübergangspunkt durch den Schnitt der Nullstellendichte φ(y, γ, v) mit der reellen Achse
bestimmt. Die Klassifikation, die Großmann gegeben hat [13–15] läßt sich ohne weiteres übernehmen. Die Ordnung des Phasenübergangs ergibt sich danach aus dem Einfallswinkel ν der Nullstellenverteilung auf die reelle Achse und der Nullstellendichte
φ(y, 0, v). Durch die Annahme eines einfachen Potenzgesetzes für φ(y, γ, v) = cy α
lassen sich die bekannten Kurven der spezifischen Wärme reproduzieren (siehe Kapitel 3.3.2).
Für endliche Systeme stellt sich das Problem, daß die Phasenübergänge nicht mehr
genau lokalisierbar sind, sondern über ein (kritisches) Gebiet ”verschmiert” sind. Dies
führt dazu, daß z.B. die spezifische Wärme nicht mehr singulär wird an einem kritischen Punkt, sondern daß die Kurve lediglich ein Maximum bei einer bestimmten
Temperatur zeigt.
Durch die für finite Systeme diskrete Nullstellenverteilung lassen sich die Phasenübergänge genau klassifizieren. Allerdings läßt sich die Nullstellendichte φ(y, 0, v)
nicht zur Bestimmung des Übergangs verwenden, da die Verteilung diskret ist.
Demnach kann der Übergang durch drei verschiedene Parameter klassifiziert werden. Durch die Verteilung der Nullstellen läßt sich eine Ausgleichskurve legen, die
die reelle Achse in einem (kritischen) Punkt βc schneidet. Wie in dieser Arbeit gezeigt
wurde, ist für endliche Systeme der Phasenübergang hauptsächlich bestimmt durch die
erste Nullstelle. Da diese immer noch komplex ist, hat man einen zusätzlichen Parameter, den Imaginärteil τ1 der ersten Nullstelle gewonnen. Dieser Parameter gibt nun an,
wie weit der Phasenübergang im endlichen System von dem im thermodynamischen
System (sofern der Limes existiert) entfernt ist. Da der Imaginärteil mit steigender
Teilchenzahl abnimmt, wie bei den BEC zu sehen, und schließlich im thermodynamischen System ganz verschwindet, bekommt man durch τ1 ein Maß für die ”Nähe zum
infiniten System”. Weiterhin wird durch den Imaginärteil bestimmt, wie stark der Peak
59
60
Kapitel 8. Vorschlag, Zusammenfassung und Ausblick
der spezifischen Wärme ausgeprägt ist. Je weiter τ1 von der reellen Achse entfernt ist,
desto schwächer ist das Maximum der spezifischen Wärme ausgeprägt.
Durch die diskrete Nullstellenverteilung und die damit bestimmten Parameter βc ,
ν und τ1 lassen sich in finiten Systemen Phasenübergänge auf sehr anschauliche und
exakte Art beschreiben. Zudem lassen sich die Übergänge genauer ”auflösen”, wie beispielsweise beim Ar7 -Cluster. Die diskrete Nullstellenverteilung läßt unmittelbar den
Schluß auf den Übergang zu. Aus den beiden Plots 5.1 und 5.3 für die beiden Argoncluster läßt sich sofort ableiten, was an den Phasenübergangspunkten passiert. Insbesondere lassen sich aus der Nullstellenverteilung des Ar7 -Clusters ohne Schwierigkeiten die drei möglichen stabilen Isomere ableiten, während dies mit den herkömmlichen Methoden recht schwer fällt. Obwohl sich die beiden Argonclustern nur um ein
Atom unterscheiden werden die fundamentalen Unterscheide der strukturellen Phasenübergänge aus den diskreten Nullstellenverteilungen exakt herausgestellt. Diese Beobachtung sollte sich auch bei anderen Clustern fortsetzen, die in der Teilchenzahl sehr
verschieden sind, strukturell jedoch gleich aufgebaut sind, wie der Ar13 - und der Ar55 Cluster.
Aus den graphischen Darstellungen der Nullstellenverteilungen läßt sich sofort auf
das physikalische Verhalten am Phasenübergangspunkt schließen. Zudem können die
üblicherweise zur Bestimmung herangezogenen Größen, wie die spezifische Wärme
und deren Verlauf aus der Nullstellenverteilung (in ersten Nähernung sogar durch die
erste Nullstelle) korrekt ableiten werden.
Das hier vorgeschlagene Klassifikationsschema befähigt dazu Übergänge in endlichen Systemen zu beschreiben und die bisher immer auftretenden Schwierigkeiten,
wie die Bestimmung einer kritischen Temperatur auszuräumen. Insbesondere zeigt
sich auch, daß der Begriff des Phasenübergangs gut auf finite Systeme übertragbar ist
und ein Zusammenhang zwischen Übergängen in endlichen und thermodynamischen
Systemen durch den Parameter τ1 hergestellt werden kann.
8.2 Zusammenfassung und Ausblick
Im Verlauf dieser Arbeit wurde gezeigt, daß man neben der üblichen Behandlung von
Phasenübergängen durch kritische Exponenten ebensogut die komplexen Nullstellen
der statistischen Zustandssummen heranziehen kann. Diese lassen ebenfalls die Einteilung in kontinuierliche und diskontinuierliche Phasenübergänge, oder auch Übergänge
erster oder nicht-erster Ordnung zu. Weiterhin bieten die Nullstellen die Möglichkeit,
Phasenübergänge an finiten Systemen genauer zu studieren.
Die Nullstellen des Ar6 -Clusters stimmten in erster Näherung, d.h. insbesondere
für die erste Nullstelle, sehr gut mit den theoretischen Vorhersagen des Multi-NormalModen Modells überein. Sowohl die Strukturen der beiden im kritischen Bereich anzutreffenden Isomere, als auch die Temperatur des Übergangs zeigen eine hohe Übereinstimmung. Zudem zeigt auch die spezifische Wärme, die mit Hilfe der ersten Nullstelle
berechnet wurde, alle charakteristischen Eigenschaften des Phasenübergangs, wie den
8.2 Zusammenfassung und Ausblick
Peak bei einer bestimmten Temperatur und den Grenzwert 3N/2 für steigenden Temperaturen.
Im Falle des Ar7 -Clusters bot sich die Möglichkeit, das Auftreten von drei Isomeren im kritischen Bereich zu überprüfen. Auch dies war aus den Plots der Nullstellenverteilung deutlich zu entnehmen. Leider war es nicht möglich, das Multi-NormalModen Modell durch geeignete Näherungen zu überprüfen, da sich in diesem Fall alle
Näherungen als zu grob erwiesen und demnach der Vergleich mit den numerischen Berechnungen nicht sinnvoll ist. Jedoch wurden durch die Bestimmung der Nullstellen
des Ar7 -Clusters alle qualitativen Voraussagen exakt bestätigt. Auch hier erhält man
eine typische Kurve der spezifischen Wärme, an der sich jedoch nicht ablesen läßt,
daß es sich in diesem Fall um zwei Übergänge handelt. Dieses Verhalten wird erst aus
den zwei Nullstellenverteilungen deutlich.
Die finiten Bose-Einstein Kondensate haben gezeigt, daß auch hier die Beschreibung durch Nullstellen die Erwartungen erfüllt. Mit Hilfe einer älteren Rekursionsformel konnten die Nullstellen für die drei verschiedenen Bose-Einstein Kondensate bestimmt werden. Insbesondere hat sich gezeigt, daß die Klassifikation des Phasenübergangs in BEC offenbar große Schwierigkeiten macht. Hierzu gehen die Meinungen in
der Literatur stark auseinander. So wird schon für infinite BEC über die Ordnung des
Übergangs gestritten. Die Bestimmung der Ordnung des Übergangs durch die spezifische Wärme ist insbesondere für endliche Systeme nicht sonderlich gut geeignet, da
hier keine ausgeprägten Singularitäten vorhanden sind. Nach der Klassifikation durch
die Nullstellen zeigt sich zwar ein Phasenübergang, jedoch wechselt scheinbar die Art
des Übergangs mit unterschiedlicher Teilchenzahl. An den Plots der spezifischen Wärme, die mit Hilfe der ersten Nullstelle berechnet wurde, läßt sich dieses Verhalten nicht
festmachen. Aber auch diese Plots zeigen, daß die Beschreibung durch Nullstellen qualitativ die bekannten Ergebnisse widerspiegelt. Auch quantitativ liegen die Ergebnisse
nicht um Größenordnungen falsch. Weiterhin war zu sehen, daß nicht der Peak der spezifischen Wärme am nächsten an der Temperatur der ersten Nullstelle liegt, sondern
vielmehr das Minimum der Ableitung der spezifischen Wärme nach der Temperatur
(dT CV ). Die exakte Bestimmung einer kritischen Temperatur für finite System gestaltet sich ohnehin recht schwierig, da man eher von einem ”kritischen Gebiet” als einem
kritischen Punkt sprechen müßte. In der Literatur wird jedoch auch die Meinung geäußert, daß ein kritischer Punkt für finite System eher dem Minimum der Ableitung
der spezifischen Wärme entspricht, als dem Maximum der Wärme selbst. Die beiden
Punkte fallen natürlich für thermodynamische Systeme, die eine Singularität in der
spezifischen Wärme zeigen, zusammen. Die Temperatur des Minimums der Ableitung
der spezifischen Wärme scheint den kritischen Punkt aber gut zu bestimmen. Hierzu
bedarf es allerdings noch genauerer Untersuchungen, insbesondere was den Zusammenhang zwischen der Nullstellenverteilung und den charakteristischen Punkten der
spezifischen Wärme oder ähnlicher Größen anbelangt.
Als eine weitere, äußerst attraktive Möglichkeit zur Untersuchung der Phasenübergänge stellte sich der zeitliche Verlauf der potentiellen Energie des untersuchten Systems heraus. Daß die analytisch fortgesetzte kanonische Zustandssumme ei-
61
62
Kapitel 8. Vorschlag, Zusammenfassung und Ausblick
gentlich nichts anderes ist, als der Erwartungswert des quantenmechanischen Zeitentwicklungsoperators, führte dazu, daß sich der Phasenübergangspunkt einfach durch
eine Zahl finden läßt. Diese Zahl entspricht den Durchgängen der potentiellen Energie
v(t) durch den zeitlichen Mittelwert der potentiellen Energie v̄, also der Fluktuation
von v(t). Die Methode der Abzählung von Durchgängen durch den Mittelwert v̄, läßt
sich evtl. auf bereits gemessene Zeitreihen anwenden. Es muß ja lediglich nur noch
die mittlere potentielle Energie berechnet und dann das Integral über die Distribution
δ(v(t) − v̄) bestimmt werden. Auch durch die Simulation finiter Systeme durch etwa
Molekular-Dynamik sollte diese Art der Bestimmung des Phasenübergangs überprüft
werden.
Weiterhin sollte nun die Klassifikation von Phasenübergängen durch die Nullstellen der Zustandssumme an einer Vielzahl von bereits gut bekannten Systemen untersucht werden. Hierzu zählen beispielsweise die magnetischen Nanopartikel, die bei
Teilchenzahlen kleiner als 13 in zwei stabilen Isomeren, einer Ring- und einer Kettenstruktur, zu finden sind. Auch Bose-Einstein Kondensate mit wesentlich mehr als 100
Teilchen sind schon vielfach untersucht worden. Jedoch stößt man bei der in dieser
Arbeit verwendeten Rekursionsformel schnell an die Grenzen der heutigen Rechnerleistungen, da der Rechenaufwand mit dem Quadrat der Teilchenzahl ansteigt. Neuere
Rekursionen, wie auch die in dem angehängten Artikel lassen Berechnungen bis zu
Teilchenzahlen von N = 100000 zu. Durch leichte Modifikationen sollten sich auch
hiermit zu den üblichen Berechnungen vergleichbare Ergebnisse produzieren lassen.
Anhand von in der Teilchenzahl verschiedenen, strukturell jedoch gleich aufgebauten Clustern sollte die Ähnlichkeit der Nullstellenverteilungen untersucht werden. Die
schon oben vorgeschlagenen Ar13 - und Ar55 -Cluster sind schon genau untersuchte Systeme, so daß auch hier ein Vergleich mit den bekannten Ergebnissen möglich ist.
Es sei noch gesagt, daß die Bestimmung von Phasenübergängen in finiten Systemen durch die Nullstellen der Zustandssumme natürlich nicht der Königsweg ist. Jedoch sollten die hier dargestellten Ergebnisse zu weiteren Untersuchungen motivieren.
Zumal nicht geklärt werden konnte, welche physikalische Bedeutung der neu gewonnene Parameter τ genau hat. Es lohnt sich vielleicht, charakteristische zeitliche Größen
von endlichen Systemen, wie beispielsweise Korrelations- oder auch Schwingungszeiten in Beziehung zu diesem Parameter zu setzen. Es bleibt jedoch festzuhalten, daß
sich durch diesen Parameter der ”Abstand zum Phasenübergang im thermodynamischen System”, sofern dieser Übergang existiert bestimmen läßt. Auch der Zusammenhang zu den kritischen Exponenten bleibt zu untersuchen, sowohl in thermodynamischen als auch in endlichen Systemen. Aber auch ohne diese vorgeschlagenen
umfangreicheren Untersuchungen hat diese Arbeit gezeigt, daß man durch die Beschreibung von Phasenübergängen durch Nullstellen einen sehr anschaulichen Zugang
zu der Physik am Übergangspunkt erhält.
A
Mathematische und
physikalische Grundlagen
A.1 Mathematische Grundlagen der Beschreibung meromorpher Funktionen durch Nullstellen
Bei der Behandlung meromorpher Funktionen spielen die Null- bzw. Polstellen eine
wichtige Rolle. Eine Frage, die man stellen kann, ist, ob man allein von einer diskreten
Menge M = {β1 , β2 , . . . , βN } von Punkten auf eine Funktion Z(β) schließen kann,
die genau in diesen Punkten ihre Null- bzw. Polstellen hat.
Der Hauptteil der Laurentreihe der Funktion Z(β) entwickelt im Punkt α ist
Zα (β) =
∞
X
n=1
cn
.
(β − α)n
(A.1)
Z(β) hat demnach Pole in α.
Als Hauptverteilung H auf einer offenen Menge U ⊂ C bezeichnet man eine
Menge von Hauptteilen in den Entwicklungspunkten α, wobei die α’s eine diskrete
Menge P in U bilden, H = {Zα : α ∈ P }. H heißt lösbar, falls eine meromorphe
Funktion f existiert, deren Hauptverteilung der gesuchten entspricht, H(f ) = H.
Satz:
Die Lösung einer Hauptverteilung H ist bis auf die Addition einer holomorphen
Funktion eindeutig bestimmt.
Satz:
Jede Hauptverteilung H in der komplexen Ebene ist lösbar.
Für ein endliches P = {α1 , α2 , . . . , αν , . . . } ist die Hauptverteilung schon durch
die Summe der einzelne Hauptteile Zαν (β) gelöst,
X
f (β) =
Zαν (β).
(A.2)
αν ∈P
Hierzu werden zur Vereinfachung die Pole der Größe nach sortiert 0 < |α1 | ≤ |α2 | ≤
· · · ≤ |αν | ≤ . . . .
FallsP
nun aber P nicht endlich ist, kann man nicht mehr einfach die Summe
f (β) = ∞
ν=1 Zαν (β) bilden, da die Reihe i.A. divergiert, die gesuchte Funktion aber
meromorph sein soll. Den Ausweg bietet die Methode der Konvergenz erzeugenden
63
64
Kapitel A. Mathematische und physikalische Grundlagen
Summanden. Hierzu subtrahiert man von jedem Summanden Zαν (β) eine holomorphe
Funktion Γν (β)
∞
X
(Zαν (β) − Γν (β)) ,
(A.3)
ν=1
um die Konvergenz zu erzeugen .
A.1.1
Satz von Mittag-Leffler
P sei eine Menge von endlich oder unendlich vielen paarweise verschiedenen komplexen Zahlen, mit 0 < |α1 | ≤ |α2 | ≤ · · · ≤ |αν | ≤ . . . ohne Häufungspunkt. Zαν seien
die Hauptteile im Entwicklungspunkt αν .
• Sind die Funktionen Γν so gewählt, daß
f (β) = Z(0) +
∞
X
(Zαν (β) − Γν (β)) ,
(A.4)
ν=1
kompakt konvergiert, so ist f (β) eine Lösung der gegebenen Hauptverteilung
H = {Zα : α ∈ P }.
• Wählt man für Γν das Taylorpolynom von Zαν (β) um 0, so konvergiert f (β)
gegen die Lösung der Hauptverteilung.
Der Satz von Mittag-Leffler in Zusammenhang mit den vorangehenden Sätzen ist
die Grundlage für die Partialbruchzerlegung einer gegebenen meromorphen Funktion.
In Abschnitt 3.1 findet der Satz Anwendung bei der Formel
!
αk
∞
X
X
1
βl
R(βk )
+
.
(A.5)
Z(β) = Z(0) +
l+1
β
−
β
β
k
k
k=1
l=1
Die so konstruierte FunktionP
Z(β) hatte einfache Polstellen βk mit den Residuen
R(βk ). Die letzte Summe − l β l /βkl+1 ist die Taylorentwicklung von 1/(β − βl )
um Null. Falls nun die Residuen R(βk ) = 1 und die Pole nur ganze Zahlen βk ∈ Z
sind, genügt es, αk = 0 zu wählen, damit die Konvergenz gewährleistet ist [40].
Beweis:
Für βk ∈ Z \ {0} gilt
1
1
|β|
β − βk + βk = |βk | · |β − βk | .
A.1 Mathematische Herleitung der Nullstellendarstellung der Zustandssumme
65
Ist nun |β| ≤ r und |βk | > r (r ist der Konvergenzradius) folgt
|β|
2r
≤ 2,
|βk | · |β − βk |
βk
P
da |β − βk | ≥ |βk |/2 ist. Die Reihe (2r k 1/βk2) aber konvergiert.
Mit dem Wissen, daß die βk Pole einer meromorphen Funktion Z(β)
P sind, 2läßt
sichP
der letzte Beweis auch auf βk ∈ C \ {0} ausweiten, da die Reihe (2r k 1/βk ) <
(2r k 1/r2) auch für solche βk konvergiert (aufgrund der Voraussetzung, daß |βk | >
r ist). Somit läßt sich
∞ X
1
1
(A.6)
Z(β) = Z(0) +
+
β − βk βk
k=1
schreiben [41], wobei R(βk ) = 1 ist.
A.1.2
Mathematische Herleitung der Nullstellendarstellung der
Zustandssumme
R
Da die kanonische Zustandssumme Z(β) = dE Ω(E) exp(−βE) eine integrale
Funktion ist, nimmt man an, daß sich diese durch ein Polynom darstellen läßt. Integrale
Funktion bedeutet, daß sie für alle endlichen Werte von β analytisch bleibt (z.B. die
Funktionen eβ , sin β, cos β). Das Polynom habe die Nullstellen βk .
Satz:
Jede Funktion läßt sich in der Nähe ihrer Nullstellen βk durch
Z(β) = (β − βk ) · G(β)
(A.7)
beschreiben, wobei G(β) irgendeine analytische, nicht-verschwindende Funktion ist.
Beweis:
Der Satz ergibt sich aus der Entwicklung der holomorphen Funktion Z(β) in eine
Potenzreihe in der Nähe der Nullstellen βk
!
∞
∞
X
X
Z(β) =
an (β − βk )n = (β − βk ) a1 +
an (β − βk )n−1 ,
n=1
|
n=2
{z
}
=: G(β)
wobei G(β) eine holomorphe Funktion ist, die allerdings bei βk keine Nullstelle hat,
da G(βk ) = a1 6= 0 ist.
Aus Gl. A.7 ergibt sich
Z 0 (β) = G(β) + (β − βk ) · G0 (β)
Z 0 (β)
1
G0 (β)
⇒
=
+
Z(β)
β − βk
G(β)
(A.8)
66
Kapitel A. Mathematische und physikalische Grundlagen
Diese neue Funktion
I
Z 0 (β)
Z(β)
hat einen Pol bei β = βk , dessen Residuum R(βk ) = 1 ist.
Z 0 (β)
dβ
=
Z(β)
I
I
1
G0 (β)
dβ
+ dβ
.
β − βk
G(β)
|
{z
} |
{z
}
=2πi·R(βk )=2πi
=0
Unter Verwendung des Satzes von Mittag-Leffler, aus dem die Partialbruchzerlegung für meromorphe Funktionen folgt, ergibt sich der folgende Satz [40–42].
Satz:
Eine meromorphe Funktion Z(β) mit einfachen Polen, deren Residuen
R(β1 ), R(β2 ), . . . sind, wird an allen Stellen außer den Polen beschrieben durch
!
αk
∞
X
X
1
βl
Z(β) = Z(0) +
R(βk )
+
.
(A.9)
β − βk
β l+1
k=1
l=1 k
Wählt man αk = 0, so erhält man
Z(β) = Z(0) +
∞
X
k=1
R(βk ) ·
1
1
+
β − βk βk
.
(A.10)
(Die Rechtfertigung dieser Schritte findet wurde
schon in Abschnitt A.1.1 gegeben.)
Z 0 (β)
Analog ergibt sich für die neue Funktion Z(β) , mit R(βk ) = 1
∞ Z 0 (β) Z 0 (0) X
1
1
=
+
+
.
Z(β)
Z(0) k=1 β − βk βk
(A.11)
Durch Integration längs eines Weges von 0 nach β, ohne durch die Pole zu ”gehen”,
erhält man
 β

Zβ
Zβ
Z
Zβ
∞
0
0
X
Z (β)
Z (0)
 dβ 1 + dβ 1 
dβ
(A.12)
= dβ
+
Z(β)
Z(0) k=1
β − βk
βk
0
0
0
0
∞
0
X
Z(β)
Z (0)
β
⇒ ln
=β
+
ln (β − βk ) − ln (−βk ) + .
Z(0)
Z(0) k=1
βk
Schließlich ergibt sich für die Zustandssumme dargestellt durch ihre Nullstellen
∞ 0 (0) Y
β
β
β ZZ(0)
Z(β) = Z(0) e
1−
· e βk .
(A.13)
βk
k=1
In etwas anderer Form findet sich die letzte Gleichung auch unter dem Stichwort Weierstraß’scher Produktsatz.
A.2 Grundlegendes der statistischen Mechanik
67
Die gleiche Rechnung läßt sich auch für die Pole durchführen. Hierzu wird angenommen, daß sich
Z(β) =
G(β)
(β − βj )m
(A.14)
schreiben läßt für Pole m-ter Ordnung (m ≥ 1). Die folgende Rechnung ist genau
analog wie oben, es ändert sich lediglich
m
1
Z 0 (β)
G0 (β)
=−
.
+
Z(β)
β − βj
G(β)
Als Ergebnis folgt
0
(0)
β ZZ(0)
Z(β) = Z(0) e
∞
Y
j=1
1
1 − ββj
!
β
· e βj
(A.15)
für die Verteilung der Pole erster Ordnung (oder auch einfacher Pole) der Zustandssumme.
Durch die Nullstellen- bzw. Polverteilung ist die Funktion Z(β) vollständig charakterisiert. Insbesondere tauchen die Nullstellen bzw. Polstellen als komplex konjugierte Paare [βl , βl∗ ] auf, die aber bei der Summation nicht gekennzeichnet sind.
A.2 Grundlegendes der statistischen Mechanik
In der Statistischen Physik werden vor allem drei bestimmte Gesamtheiten oder Ensemble benutzt, die den häufiger auftretenden Versuchsbeschreibungen entsprechen
(siehe hierzu jedes Standardleerbuch der Statistischen Physik, z.B. [8, 9, 29, 43]). Betrachtet man ein abgeschlossenes System, d.h. es werden weder Austausch von Materie
noch von Energie erlaubt, so wird dies mit dem mikrokanonischen Ensemble beschrieben. Bei einem geschlossenen System ist der Austausch von Energie, nicht aber von
Teilchen möglich, was durch die kanonische Gesamtheit beschrieben wird. Die Zubzw. Abfuhr von Energie kann z.B. durch ein Wärmebad erfolgen. Als letzte Möglichkeit bleibt noch ein offenes System, in dem sich sowohl Energie als auch Materie
ändern können. Demzufolge heißt dieses Ensemble auch großkanonisches Ensemble.
Es wird hier noch ein weiteres Ensemble kurz betrachtet, das nur den Austausch
von Materie zuläßt, jedoch keine Energieänderungen. Dieses vierte Ensemble wird
häufig als Maxwell’s Demon Ensemble bezeichnet (siehe hierzu [44]).
A.2.1
Zustandssummen der einzelnen Ensemble
Aus der Definition der Entropie mit Hilfe des statistischen Operators
X
S := −Tr (ρ̂ ln ρ̂) , mit
ρ̂ :=
Pn |ni hn|
n
68
Kapitel A. Mathematische und physikalische Grundlagen
läßt sich die Entropie als Funktional der klassischen Wahrscheinlichkeit Pn schreiben
X
S[Pn ] = −
Pn ln Pn .
(A.16)
n
Unter den gegebenen Nebenbedingungen wird S extremalisiert. Die Nebenbedingungen werden in starke bzw. schwache unterschieden. Als stark bezeichnet man solche,
die eine bestimmte thermodynamische Größe selbst als konstant voraussetzen, z.B.
V = const. . Hingegen wird bei schwachen Nebenbedingungen lediglich vorausgesetzt, daß die thermodynamischen Größen im Mittel konstant sind, wie hV i = const..
Es gilt
!
!
X
X
X
(n)
δ S[Pn ] +
λi (hAi i − αi ) = −
ln Pn + 1 −
λi αi
=0
i
P λα
n
−1+
=⇒ Pn = e
i
i
i in
,
(A.17)
wobei hAi i der statistische Mittelwert für Ai , αi der Meßwert für Ai und λi der zugehörige Lagrange-Multiplikator ist. Die λi werden auch als
Pkanonische konjugierte
Variablen zu den Ai bezeichnet. Nach der Normierung mit n Pn erhält man für die
normierte Wahrscheinlichkeit
P
λ α
Pn
e i i in
pn = P
= P Pi λi αin .
P
n
n
ne
Der Nenner des letzten Bruchs heißt Zustandssumme. Um die einzelnen Zustandssummen der Ensemble zu berechnen benötigt man nur deren thermodynamische Variablen.
Im mikrokanonischen Fall beschränkt man sich darauf, die Zahl der möglichen Zustände Ω(N, E, (Aj )) zu einer festen Energie E und einer festen Teilchenzahl N (und
evtl. anderen festgehaltenen Größen Aj ) anzugeben, da sowohl die Energie, als auch
die Teilchzahl im abgeschlossenen System festgehalten werden. Die mikrokanonische
Zustandssumme ist dann auch genau diese Zustandsdichte Ω(N, E, (Aj )).
Im kanonischen Fall sind die thermodynamischen Variablen Teilchenzahl N, Temperatur T = 1/β und evtl. noch weitere externe Variablen Aj , wie z.B. das Volumen V .
Die Lagrange-Multiplikatoren erhält man durch partielles Ableiten der Entropie nach
der jeweiligen thermodynamischen Variablen
∂E S =: β
(inverse Temperatur)
∂N S =: βµ (µ heißt chemisches Potential)
∂V S =: βp (p heißt Druck)
Folglich erhält man als Zustandssumme
Z(β, Aj ) =
X
n
−βEn
e
,
A.2 Fugazität und Temperatur
69
da die Energie die einzige Größe ist, die nicht vorher festgelegt ist.
Großkanonisch sind weder die Energie noch die Teilchenzahl fixiert, also tauchen
diese beiden Größen auch in der Zustandssumme auf.
Ξ(β, µ, Aj ) =
M
XX
n
−β(En −µhNi)
e
,
N =1
wobei M die maximale Teilchenzahl ist.
Die Zustandssumme für den vierten Fall folgt sofort, da hier nur die Teilchenzahl
N festgehalten ist. Deren kanonisch konjugierte Variable ist das chemische Potential
µ. Es läßt sich also unmittelbar schreiben
M
X
Υ(µ) =
βµhNi
e
.
N =1
Die obigen vier Beispiele zeigen, daß man zur Aufstellung der Zustandssumme lediglich die gegebenen Nebenbedingungen, d.h. die festgehaltenen thermodynamischen
Größen, und deren kanonisch konjugierte Variablen kennen muß.
A.2.2 Fugazität und Temperatur
Bei der Behandlung des großkanonischen Ensembles läßt sich die Funktion
exp(βµ hNi) abspalten. Man führt eine Größe z := exp(βµ) ein, wobei das Argument βµ der Exponentialfunktion die kanonisch konjugierte Variable der Teilchenzahl
N ist. Die neue Funktion z heißt Fugazität. Die großkanonische Zustandssumme Ξ für
M Teilchen im Volumen V läßt sich als Polynom in z schreiben
Ξ(β, Aj ) =
M
XX
n
N
−βEn
z e
N =1
=
M
X
z N ZN (β, Aj ),
(A.18)
N =1
wobei ZN (β, Aj ) die zu N gehörige kanonische Zustandssumme ist. Gleichung A.18
war der Ausgangspunkt für die Berechnungen von Yang und Lee [1, 2]. Die komplex
fortgesetzte Fugazität z −→ Re(z) + i Im(z) entspricht einer komplex fortgesetzten
inversen Temperatur β −→ Re(β) + i Im(β), die durch die Exponentialabbildung
verknüpft sind.
exp : β =⇒ z
z = eµ(Re(β)+i Im(β))
(A.19)
(A.20)
Dies führt insbesondere dazu, daß rein komplexe Produkte µβ auf den Einheitskreis in der komplexen Fugazitäts-Ebene abgebildet werden (siehe Abb. A.1).
An den Nullstellen der Zustandssumme ändert sich nichts. Die Fugazitätsnullstellen zk ergeben sich aus den β-Nullstellen βk , zk = exp(βk µ).
70
Kapitel A. Mathematische und physikalische Grundlagen
Im(β)
βc
β
Exponentialabbildung
Re(β)
Im(z)
z
Re(z)
Abbildung A.1: Abbildung von β auf den Einheitskreis durch die Exponentialfunktion, wobei das Produkt µβ = 0 ist
A.2.3 Unit-Circle-Theorem
Yang und Lee haben 1952 Phasenübergänge mit Hilfe der Fugazitäts-Nullstellen der
großkanonischen Zustandssumme beschrieben [1, 2]. Durch die analytische Fortsetzung der Fugazität in die komplexe Ebene konnten die Phasenübergänge durch Schnitte der Nullstellenverteilung mit der reellen Achse dargestellt werden. Im zweiten Artikel [2] konnte gezeigt werden, daß unter einfachsten Voraussetzungen die Nullstellenverteilung auf dem Einheitskreis in der komplexen Fugazitätsebene liegt (siehe
Abb. A.2.3).
Aufgestellt wurde das Theorem für das Ising-Modell bzw. das Lattice-Gas-Modell.
Die Zustandssumme ist als Polynom in der Fugazität z dargestellt. Für das IsingModell
ν
X
βνH
Ξ=
cn z n e ,
n=1
mit H als Magnetfeld und ν als Gesamtzahl der Spins. Die cn sind die Beiträge zur
Zustandssumme ohne äußeres Feld, die in Richtung der n ↓ Spins zeigen (siehe hierzu
[2, Gl. 25]).
Theorem: Falls die Wechselwirkung zwischen zwei Gasatomen u = ∞ ist, falls
die Atome den gleichen Gitterplatz besetzen und u ≤ 0 sonst, so sind die Nullstellen
des Polynoms auf dem Einheitskreis in der komplexen Fugazitätsebene verteilt.
Im(z)
Einheitskreis
1
Re(z)
Auf den Beweis dieses Theorems soll hier verzichtet werden, er findet sich in den
genannten Artikeln von Yang und Lee.
A.2 Die Zustandssumme als Polynom
A.2.4
71
Die Zustandssumme als Polynom
Ausgehend
von Gleichung 3.2 erhält man mit einem Potenzreihenansatz für Ω(E) =
P
j
j aj E
Z
Z(β) =
−βE
dE Ω(E) e
=
∞
X
Z
aj
dE E j e−βE =
j=1
=
∞
X
j=1
aj Γ(j + 1) β
−(j+1)
=
∞
X
aj j! β −(j+1) ,
(A.21)
j=1
R
wobei Γ(j) = dE E j−1 exp(E) die Gammafunktion ist, die für ganze Zahlen j
gleich j! ist. Mit Hilfe diese Ansatzes ergibt sich immer eine Nullstelle Z(βk ) = 0
für βk → ∞, also T → 0. Diese Nullstelle ist unabhängig von der genauen Form
der Zustandssumme. Nach dem dritten Hauptsatz der Thermodynamik ist dieser Punkt
jedoch nicht mehr Element des thermodynamischen Zustandsraumes, d.h. diese Lösung ist nicht zulässig. Wann immer also bei der Nullstellenberechnung βk = ±∞
als Nullstelle auftaucht, enthält diese keine Information über das System. Die übrigen
Lösungen der Gleichung Z(βk ) = 0 sind Elemente des Zustandsraumes und tragen
somit auch Information über das vorliegende System
B
Artikel
Calculation of thermodynamic properties
of finite Bose-Einstein systems
73
74
Kapitel B. Artikel
75
76
Kapitel B. Artikel
77
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Danksagung
Ich danke Peter Borrmann für die vielen Anregungen, die mit in diese Arbeit
eingeflossen sind und die geduldige Beantwortung meiner Fragen, sowohl in Bezug
auf die physikalischen Grundlagen, als auch bei Programmierproblemen.
Weiterhin möchte ich Eberhard Hilf danken für seine immer wieder fruchtbaren
Beiträge. Auch ohne die Diskussionen mit Jens Harting und seine Unterstützung in
Computerdingen wäre diese Arbeit, so wie sie hier vorliegt, nicht denkbar. Mein Dank
gilt natürlich auch allen, die mir, in welcher Weise auch immer, in meinem Physikstudium geholfen habe.
Last but not least danke ich insbesondere meinen Eltern, ohne die mir das Studium
nicht möglich gewesen wäre und Sandra, die meine Launen in Prüfungszeiten ertragen
mußte.
Hiermit versichere ich, daß ich diese Arbeit selbstständig verfaßt und keine anderen
als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.
Oldenburg, 21. März 1999
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