MIA! Mamma www.mammamia-online.de Das Brustkrebsmagazin Tumor ist nicht gleich Tumor Orientierungshilfe zur individuellen Brustkrebstherapie 3. aktualisierte Auflage 2017 Dieses Heft ist allen Frauen gewidmet, deren Leben durch eine Brustkrebserkrankung auf den Kopf gestellt wurde. Ein besonderer Dank gilt den Betroffenen, die durch eine Studienteilnahme den wissenschaftlichen Fortschritt unterstützen sowie den Wissenschaftlern, deren Ziel die Erforschung neuer Brustkrebstherapien ist. a Januar 2017 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser! Bereits zum zweiten Mal haben wir nun unseren Ratgeber „Tumor ist nicht gleich Tumor – Orientierungshilfe zur individuellen Brustkrebstherapie“ aktualisiert. Bei der Überarbeitung wurde uns bewusst, dass sich die Brustkrebstherapie seit Erscheinen der ersten Ausgabe im Jahr 2011 enorm weiterentwickelt hat. Ein großer Dank gilt an dieser Stelle all den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die dem Brustkrebs den Kampf angesagt haben und mit unermüdlichem Eifer versuchen, wirkungsvolle Mittel gegen diese Krankheit zu finden, die sich unaufhaltsam auszubreiten scheint. So konnte in den letzten Jahrzehnten zwar nicht die Erkrankungshäufigkeit verringert werden, die Heilungschancen wurden jedoch verbessert. In den Fokus der Wissenschaft ist neben der Heilung auch zunehmend die Lebensqualität von Krebskranken gerückt, was eine sehr positive Entwicklung ist. Vor allem in der metastasierten Situation, wenn die Krankheit nicht mehr heilbar ist, spielt das eine große Rolle. Heutzutage werden nicht mehr alle Krebspatienten ungeachtet der Ansprechrate und der Nebenwirkungen gleich behandelt, wir sprechen vielmehr von einer „risikoadaptierten“ Behandlung – so wenig wie möglich, so viel wie nötig. So werden immer mehr Frauen brusterhaltend operiert, Lymphknoten werden nicht mehr grundsätzlich entfernt. Die klassische Strahlentherapie kann in günstigen Fällen durch eine intraoperative Bestrahlung ersetzt werden, wodurch sich die Bestrahlungsdauer erheblich verkürzt. Genetische Untersuchungen des Tumorgewebes können „Hochrisiko-“ und „Niedrigrisikopatienten“ unterscheiden. Das erlaubt eine bessere Prognoseabschätzung und somit bedachte Verordnung der Chemotherapie. Hinzu kommen neue Wirkstoffe, die Tumorzellen gezielt angreifen, ohne allzu große Nebenwirkungen zu verursachen. Die neuesten Entwicklungen der zielgerichteten, personalisierten Brustkrebstherapie werden in diesem Ratgeber vorgestellt. Dabei wird klar, dass es auf der einen Seite große Fortschritte gibt, auf der anderen Seite aber noch großer Bedarf an weiteren Forschungen herrscht. So gibt es immer noch Tumorarten, die schwer oder gar nicht behandelbar sind. Außerdem sollten neue Erkenntnisse viel schneller Einzug in den klinischen Alltag finden. Ein weiterer Punkt kann nicht oft genug betont werden: Ein gesunder Lebensstil kann das Rückfallrisiko senken. Gesunde Ernährung, weitgehender Alkoholverzicht und regelmäßige Bewegung sind hier die Schlüsselfaktoren. Das sollte jede Frau verinnerlichen. Und: Die Früherkennung muss weiter verbessert werden! Noch immer gibt es zu viele Frauen, deren Tumor bei Diagnosestellung bereits inoperabel ist oder Metastasen gebildet hat. Früherkennung rettet Leben – sagen Sie es weiter! a Herzliche Grüße, Eva Schumacher-Wulf www.mammamia-online.de 3 Liebe Leserin, lieber Leser! Entscheidende Innovationen der letzten Jahre haben zu neuen Strategien in Diagnostik und Behandlung des Mammakarzinoms geführt und werden in die klinische Praxis integriert. Hierzu zählen Fortschritte in der molekularen und bildgebenden Diagnostik, der primären und rekonstruktiven Brustchirurgie sowie in der Strahlentherapie und neue Entwicklungen in der medikamentösen Brustkrebstherapie mit zunehmender Individualisierung im Sinne einer maßgeschneiderten und zielgerichteten Therapie. Die zunehmende Umsetzung von Erkenntnissen aus klinischer und Grundlagenforschung macht eine neue Standortbestimmung für die Diagnostik und Therapie des Mammakarzinoms notwendig. Für eine bestmögliche Behandlung und flächendeckende Versorgungsqualität in der Frauenheilkunde engagiert 4 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor sich die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. bereits seit 1995. Zunächst als Stellungnahmen veröffentlicht, haben sich daneben heute strukturierte Handlungsempfehlungen zu spezifischen Bereichen in der Frauenheilkunde etabliert. Beispielhaft hierfür kann die S3-Leitlinie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Mammakarzinom genannt werden. Eine umfangreiche und aktuelle Zusammenstellung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse bietet Ihnen die vorliegende Broschüre „Tumor ist nicht gleich Tumor“. a Herzliche Grüße, Prof. Dr. Birgit Seelbach-Göbel Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser! Jährlich erkranken etwa 75.000 Frauen in Deutschland an Brustkrebs. Jede zehnte Frau ist bei Diagnosestellung jünger als 45 Jahre. Die Heilungschancen haben sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert und liegen inzwischen bei über 90 Prozent, wenn die Erkrankung im Frühstadium erkannt wird. Geschichten von Prominenten – wie Angelina Jolie, die sich wegen ihres genetisch bedingt sehr hohen Brustkrebsrisikos für eine prophylaktische beidseitige Mastektomie entschied und dies öffentlich machte – rufen regelmäßig ein großes Medienecho hervor. Auch dadurch erfahren Themen wie Brustkrebsfrüherkennung oder Chancen und Risiken von Brustkrebstherapien zunehmend breite öffentliche Aufmerksamkeit. Da Tumor jedoch nicht gleich Tumor, müssen wir das jeweils optimale Verfahren und den individuellen Versorgungsweg für die einzelne Frau finden. Dabei überlegen die behandelnden Ärzte, welche Diagnostik für wen am sinnvollsten ist oder welche innovativen, systemischen Erkrankungsstadien Erfolg versprechend sind. Die Motivation der Patientin trägt wesentlich zu ihrem Genesungserfolg bei. Wenn wir die an Brustkrebs erkrankte Patientin frühzeitig miteinbeziehen und dabei optimal aufklären und beraten, haben wir die besten Voraussetzungen, den Brustkrebs klug zu behandeln. a Es grüßt Sie herzlich, Prof. Dr. Rüdiger Schulz-Wendtland Präsident der Deutschen Gesellschaft für Senologie e.V. www.mammamia-online.de 5 Diagnose Brustkrebs Seite 31 3 4 6 1 Pathologie Die Rolle des Pathologen bei der Therapieentscheidung 18 Translationale Forschung Von der präklinischen Forschung zur klinischen Anwendung Univ.-Prof. Dr. Nadia Harbeck, Brustzentrum der Universität München 2 Zielgerichtete Therapien 21 Brustkrebs Eine Krankheit mit vielen Gesichtern PD Dr. med. B. Ataseven, Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie Essen 6 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Primäre Situation 31 Diagnose Brustkrebs Wegweiser bei der Ersterkrankung Prof. Dr. med. Volker Möbus, Klinikum Frankfurt Höchst 4 Metastasierte Situation 37 Prof. Dr. med. H. H. Kreipe, Medizinische Hochschule Hannover Das Gießkannenprinzip ist out Die Entwicklung zielgerichteter Therapien Prof. Dr. med. Volkmar Müller, Klinik und Poliklinik für Gynäkologie Hamburg 3 Tumorbiologie Den Tumor besser verstehen Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss, NCT Heidelberg 13 25 Editorial Vorwort Inhalt Tumorbiologie 9 Genetischer Brustkrebs Seite 45 Metastasierter Brustkrebs Aktuelle Behandlungsempfehlungen Prof. Dr. med. H.-J. Lück, Gynäkologischeonkologische Praxis Hannover 5 Triple negativer Brustkrebs 41 Das triple negative Mammakarzinom Eigenschaften und Therapiemöglichkeiten PD Dr. Cornelia Liedtke, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Lübeck Inhalt Brustkrebs bei der jungen Frau Seite 51 6 Familiärer Brustkrebs 45 Genetischer Brustkrebs Diagnose, Behandlung und Prophylaxe 9 Austausch mit Betroffenen 65 Prof. Dr. Rita Schmutzler, Universitätsklinikum Köln PD Dr. med. Kerstin Rhiem, Universitätsklinikum Köln 7 Brustkrebs bei der jungen Frau 51 Brustkrebs bei der jungen Frau Besonderheiten und Therapieoptionen PD Dr. med. Marc Thill, Agaplesion Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main 56 Selbsthilfe, Internetforen, soziale Netzwerke & Co. Der Austausch mit anderen Betroffenen Eva Schumacher-Wulf 10 67 70 72 78 82 Anhang Autorenverzeichnis Wichtige Adressen Glossar Tumorklassifikationen Impressum Reproduktionsmedizin Chancen für den Kinderwunsch nach Krebs Prof. Dr. Michael von Wolff, Inselspital Bern, Frauenklinik Bern 8 Medizinische Studien 59 Medizinische Studien Die Basis wissenschaftlichen Fortschritts Prof. Dr. Gunter von Minckwitz, GBG Forschungs GmbH Neu-Isenburg www.mammamia-online.de 7 1 Tumorbiologie Mamma Mia! Tumorbiologie Tumorbiologie Den Tumor besser verstehen Zielgerichtete Krebstherapien stehen im Fokus der Wissenschaft. Das Ziel: Patienten sollen so individuell wie möglich behandelt und das „Gießkannenprinzip“ (alle bekommen das Gleiche) vermieden werden. Um eine zielgerichtete und gut verträgliche Therapie entwickeln zu können, müssen die Forscher den Tumor und im Idealfall auch den gesunden Körper zunächst kennen und verstehen. Dafür werden Zellen auf molekularer Ebene genau untersucht, um deren Beschaffenheit, Besonderheiten, Lebenszyklus sowie Interaktion mit anderen Zellen kennenzulernen. Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren weitreichende Erkenntnisse über die Tumorbiologie erforscht, viele Fragen sind aber auch noch offen. Mamma Mia! sprach mit dem Onkologen Professor Dr. Andreas Schneeweiss, Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie im Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) des Universitätsklinikums in Heidelberg, über den aktuellen Stand der Wissenschaft. Mia!: Die Wissenschaft legt seit einigen Jahren einen Forschungsschwerpunkt auf die individualisierte Krebsbehandlung. Fachleute sprechen von einer zielgerichteten oder besser personalisierten Therapie. Welche konkreten Erkenntnisse liegen heute vor? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Ziel der Wissenschaft ist es, die unterschiedlichen Tumoren sowie die Eigenschaften der gesunden Zellen und Organe verschiedener Patientinnen viel genauer zu charakterisieren und ihr Verhalten besser zu verstehen. Dies ist die entscheidende Voraussetzung für eine individualisierte oder personalisierte Behandlung. So untersuchen wir die molekularen Muster der Zellen auf verschiedenen Ebenen. Wir befassen uns mit dem Erbgut der Zellen (Genom), den reversiblen Veränderungen am Erbgut (Epigenom), Veränderungen an den Boten-Molekülen für die Proteinproduktion (Transkriptom), den Proteinen selbst (Proteom) und den Stoffwechselprodukten (Metabolom). Die Eigenschaften der Zellen spiegeln sich in den Mustern dieser Moleküle, den so genannten Signaturen, wider. Die Signaturen der Tumorzellen könnten uns bessere Auskünfte geben über die Aggressivität des Tumors und das Ansprechen auf verschiedene Therapien als die herkömmlichen Faktoren. Auch das Verhalten der normalen Zellen der erkrankten Patientin könnte besser vorhergesagt werden. Am weitesten erforscht sind beim Brustkrebs die Muster der Boten-Moleküle der Brustkrebszelle, die so genannten Gen-Expressions-Signaturen. Mia!: Welche Forschungseinrichtungen sind an der Aufschlüsselung der Tumorzellen beteiligt und wer trägt die Kosten der Grundlagenforschung? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Zunächst müssen Grundlagenforscher in öffentlich geförderten Instituten wie beispielsweise im Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ) oder anderen nationalen und internationalen Forschungseinrichtungen oder in Einrichtungen der forschenden pharmazeutischen Industrie neue Hypothesen aufstellen und Ansatzpunkte definieren. Die Kosten tragen also die öffentliche Hand und private Unternehmen. Öffentliche und private Einrichtungen arbeiten häufig in größeren Netzwerken zusammen. Die Richtungen, in welche die Grundlagenforscher zielen, ergeben sich aus den Problemen, die klinisch tätige Ärzte bei der alltäglichen Behandlung von Krebspatienten haben. Mamma Mia! : Wie geht es weiter, wenn es neue Erkenntnisse in der Grundlagenforschung gibt? Prof. Dr. A. Schneeweiss: Neue Hypothesen und Ansätze werden zunächst an Tumorzelllinien und Tieren mit spontanen oder induzierten Krebserkrankungen überprüft. Erhärten sich die Hypothesen, werden klinische Studien mit betroffenen Krebspatienten gestartet. Bestätigen auch www.mammamia-online.de 9 Mamma Mia! Tumorbiologie Entwicklung dieser Therapieformen ging eine intensive Forschung an Tumorzellen voraus. Weitere Ansatzpunkte in der Zukunft werden sein die Wiederherstellung der natürlichen Wachstumshemmung von Tumorzellen und die gezielte Beeinflussung von Stoffwechselvorgängen, die für Invasion, Streuung und Erbgutkontrolle verantwortlich sind. Ein weiterer, extrem interessanter Ansatzpunkt ist die Aufhebung der durch den Tumor ausgelösten Blockade einer spontanen Immunantwort durch so genannte Checkpoint-Inhibitoren. Die vielversprechenden Ergebnisse bei Tumoren mit einer starken spontanen Immunantwort haben schon zur Zulassung zum Beispiel beim metastasierten Malignen Melanom und Bronchialkarzinom geführt. diese klinischen Studien einen eindeutigen Nutzen beim krebskranken Menschen, ist eine neue Therapiemöglichkeit geboren. Die enge Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschern und klinisch tätigen Ärzten ist eine Grundvoraussetzung für den raschen Transfer neuer Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in den klinischen Alltag. Diese Kooperation ist damit der Schlüssel zur Verwirklichung unseres Traumes der personalisierten Therapie, das heißt der individuell auf jeden Patienten und seine Krebserkrankung zugeschnittenen Behandlung. Aus diesem Grund wurden in Deutschland Krebszentren wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg nach dem Vorbild der amerikanischen Comprehensive Cancer Center geschaffen, in denen Grundlagenforscher und klinisch tätige Ärzte unter einem Dach zusammenarbeiten. Die Tumorbiologie kann die Therapieentscheidung aber auch indirekt beeinflussen, denn sie hat eine prognostische und prädiktive Bedeutung. So haben beispielsweise die Arbeiten mit den Proteasen (Faktoren, die zum Abbau des umgebenden Gewebes beitragen) uPA und seinem Inhibitor PAI-1 sehr vielversprechende Ergebnisse gebracht. Im Jahr 2007 wurde die Bestimmung des uPA- und PAI-1-Gehalts im Primärtumor einer Patientin sogar in die Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology (ASCO) aufgenommen. Danach wird empfohlen, den uPA/ PAI-1-Test für die Prognoseabschätzung von neu an Brustkrebs erkrankten Frauen ohne Lymphknotenbefall und mit hormonabhängigen, kleinen Tumoren einzusetzen, um die angemessene Therapie auszuwählen. Eine hohe uPA- oder PAI-1-Aktivität spricht für einen aggressiveren Tumor. So würde man in diesem Fall eher eine Chemotherapie verordnen als bei Patientinnen mit einem niedrigen uPA- und PAI-1-Wert. Mamma Mia! : Inwiefern beeinflusst die Tumorbiologie in der Praxis heutzutage die Therapieentscheidung? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Derzeit gibt es im Wesentlichen zwei Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Therapie in der täglichen Praxis. Zum einen wird das Zellwachstum durch eine Rezeptorblockade (beim Brustkrebs zum Beispiel des Hormonrezeptors oder HER2/neu-Rezeptors) oder durch eine Störung von Signalübertragungen innerhalb der Zelle gehemmt. Zum anderen wird versucht, die Tumorgefäße am Wachstum zu hindern (Angiogenesehemmung). Der Prof. Dr. A. Schneeweiss: Teilweise ja, es gibt Standardfaktoren, die immer bestimmt werden. So wird beispielsweise immer untersucht, ob Hormonrezeptoren und HER2/ neu-Rezeptoren vorhanden sind. Schwieriger wird es mit Faktoren, die am Frischgewebe untersucht werden müssen. Dazu zählen zum Beispiel die uPA- und PAI-1-Werte. Diese Untersuchung scheitert häufig an organisatorischen und logistischen Hürden. Die Bestimmung von uPA 10 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Mia!: Werden diese Werte heute schon standardmäßig ermittelt? Mamma und PAI-1 muss an frischem, in Stickstoff oder Trockeneis gelagertem Tumorgewebe erfolgen. Nicht alle Kliniken haben die Möglichkeit, das Gewebe entsprechend zu konservieren. Bisher sind die Institute darauf eingerichtet, Gewebeproben in Paraffin einzulegen. Es sollte für diesen Test jedoch maximal zehn Minuten nach der Entnahme gefroren sein. Dabei sollte es sich genau genommen um das Gewebe aus der Operation handeln. Wir wissen noch nicht abschließend, ob bei Stanzgewebe gleiche Ergebnisse erzielt werden können. Die Studien befassten sich ausschließlich mit dem herausoperierten Gewebe. Für Krankenhäuser gibt es ein fertiges Kit, das diese Vorgehensweise ermöglicht. Patientinnen sollten in jedem Fall vor der Operation fragen, welche Möglichkeiten das Krankenhaus bietet. Mia!: Was schätzen Sie, ab wann neue molekulare Tests in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Die Phase-III-Studie MINDACT hat zum ersten Mal in einer prospektiv geplanten Untersuchung bewiesen, dass durch eine Gen-ExpressionsSignatur, in diesem Fall der so genannten „Amsterdam-Signatur“ (nach dem Ort, an dem sie entwickelt wurde), bei knapp der Hälfte der Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven, HER2/neu-negativen Mammakarzinom und Befall von maximal drei axillären Lymphknoten, die nach klassischen Kriterien eine Chemotherapie bräuchten, auf diese verzichtet werden kann, ohne ihre Prognose zu verschlechtern. Bei der Amsterdam-Signatur handelt es sich um ein Muster aus 70 Molekülen, das an Frischgewebe bestimmt werden muss. Bei dieser MINDACT-Studie wurde vor der Behandlung die Amsterdam-Signatur aus dem Tumorgewebe bestimmt. Zusätzlich wurden alle herkömmlichen Prognosefaktoren gemessen. Wichen die beiden Prognoseabschätzungen voneinander ab, wurde entweder anhand der herkömmlichen Faktoren oder anhand der Amsterdam-Signatur behandelt. Die Patienten, die nach klassischen Kriterien eine Indikation zur Chemotherapie hatten, nach der Amsterdam-Signatur aber nicht, profitierten nicht von der adjuvanten Chemotherapie. Von anderen Signaturen fehlen bisher Ergebnisse aus prospektiv randomisierten Vergleichen mit den klassischen Prognosefaktoren. Es wird aber erwartet, Mia! Tumorbiologie dass diese Signaturen auch eine verbesserte Prognoseabschätzung erlauben. Mamma Mia! : Können Patientinnen diese Signatur auch bestimmen lassen, wenn sie nicht in der Studie sind? So könnten sie langfristig auf diese Daten zurückblicken. Prof. Dr. A. Schneeweiss: Es gibt die Möglichkeit, diese Untersuchung in bestimmten pathologischen Instituten oder privaten Labors durchführen zu lassen. Der Test kostet aber sehr viel Geld und wird von den Krankenkassen nicht automatisch bezahlt. Ich würde den Betroffenen daher empfehlen, sich in einem zertifizierten Brustzentrum beraten zu lassen, ob ein solcher Test bei ihnen sinnvoll ist. Dann kann auch besprochen werden, welcher Test durchgeführt werden sollte und das entsprechende Gewebe kann gewonnen werden. Man sollte immer nur einen dieser Multigentests durchführen, da verschiedene Tests durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, die dann nur verwirren und nicht helfen. Tumorgewebe einfrieren zu lassen ist darüber hinaus immer eine gute Idee, um in der Zukunft jederzeit die Möglichkeit zu haben, weitere Faktoren des Tumors zu bestimmen, falls dies relevant würde. Mamma Mia! : Wie können Patientinnen ihre Gewebepro- ben einfrieren lassen? Prof. Dr. A. Schneeweiss: Es gibt einige Kliniken, die über die Möglichkeit verfügen, Frischgewebe tiefgekühlt zu verwahren. Es handelt sich hier hauptsächlich um die oben genannten Krebskliniken nach dem Vorbild der amerikanischen Comprehensive Cancer Center. Diese Zentren verfügen über Tumorbanken. Weiterhin gibt es in einigen Städten die PATH (Patients Tumorbank of Hope, www. stiftungpath.org). Am besten sprechen die Betroffenen dieses Thema vor der Operation in ihrem Krankenhaus an. Mia!: Was können Frauen tun, deren Gewebe bereits in Paraffin eingelegt wurde? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Einige dieser Gen-ExpressionsSignaturen können auch an dem in Paraffin konservierten Gewebe bestimmt werden (Recurrence Score, PAM50 classifier, Endopredict). In Nordamerika läuft derzeit eine www.mammamia-online.de 11 Mamma Mia! Tumorbiologie Studie (genannt TAILORx), in der der Recurrence Score aus Paraffingewebe bestimmt wird. Es soll überprüft werden, ob der Recurrence Score eine Aussage über den Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie erlaubt. Es konnte schon gezeigt werden, dass Patientinnen ohne befallene Lymphknoten und einem sehr niederen Recurrence Score von < 11 nicht von einer Chemotherapie profitieren. Die Ergebnisse für Patienten mit einem intermediären Recurrence Score von 12 bis 25 aus dieser Studie werden frühestens 2017 erwartet. Mamma Mia! : Gibt es weitere, erfolgversprechende Ansätze im Bereich der Tumorbiologie, die vielleicht in den kommenden Monaten oder Jahren für die Brustkrebsbehandlung relevant werden könnten? Prof. Dr. A. Schneeweiss: Es gibt vielfältige Ansätze, die nicht in den kommenden Monaten, aber in den kommenden Jahren relevant werden könnten. Wir müssen das „Gießkannenprinzip“ der Krebsbehandlung zugunsten einer stärker individualisierten, zielgerichteten Therapie verlassen. Vielversprechende Ansätze (neben anderen) sind: a Die Behandlung molekular definierter Subgruppen mit gezielten Kombinationstherapien (zum Beispiel die Therapie bestimmter HER2/neu-positiver Brustkrebsformen mit Trastuzumab und einer weiteren Anti-HER2-Therapie wie Lapatinib oder Pertuzumab. Alle diese Substanzen sind schon für die Behandlung des HER2/neu-positiven, metastasierten Brustkrebses zugelassen, eine genauere Definition, welcher Brustkrebs auf welche Kombination besonders anspricht, gelang bisher aber nicht). a Die Therapie anhand genetischer Veränderungen anstelle morphologischer Kriterien (zum Beispiel die Therapie von BRCA-defizienten Brustkrebsformen mit PARP-Hemmern; PARP = Poly-(ADP-Ribose)-Polymerase). a Die Bestimmung neuer Zielstrukturen und deren gezielte Beeinflussung (zum Beispiel des „Insulin-like Growth Factor-Rezeptors“ und seines Signalweges). a Die Charakterisierung und gezielte Ausschaltung der Krebsstammzelle. a Das gezielte Ausnutzen der immunologischen 12 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Interaktionen zwischen dem Krebspatient und seiner Krebserkrankung. Mia!: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft? Inwiefern wird die Erforschung der Tumorbiologie Ihrer Meinung nach die Brustkrebsbehandlung verändern? Mamma Prof. Dr. A. Schneeweiss: Der Traum ist die personalisierte, das heißt für jede Patientin und ihre Krebserkrankung individuell zugeschnittene Therapie. Diesem Ziel werden wir immer näher kommen, aber nicht in großen Sprüngen, sondern in kleinen Schritten. Neben der Finanzierung, der Erforschung und Anwendung dieser Therapien wird ein Hauptproblem die Verarbeitung der riesigen Datenmengen, die durch neue Hochdurchsatzverfahren innerhalb kürzester Zeit bei jeder Patientin und ihrer Krebserkrankung individuell erhoben werden können. Es ist jetzt schon möglich, innerhalb weniger Tage das gesamte Erbmaterial einer individuellen Krebserkrankung zu entschlüsseln. Daraus werden sich viele neue Ansatzpunkte für eine personalisierte Therapie ergeben. Vor uns liegt ein aufregender, aber auch mühsamer und langwieriger Weg mit hohen wissenschaftlichen, strukturellen und finanziellen Hürden. Diese Hürden müssen wir gemeinsam überwinden. Wir sind es den Betroffenen und ihren Familien schuldig. a es Kontakt Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Universitäts-Klinikum Im Neuenheimer Feld 460 69120 Heidelberg Tel.: +49 (0)6221 56-36051 Fax: +49 (0)6221 56-7920 E-Mail: [email protected] Mamma Mia! Tumorbiologie Pathologie Die Rolle des Pathologen bei der Therapieentscheidung Ob eine Veränderung der Brust gut- oder bösartig ist, kann nicht durch eine Sonographie oder eine Mammographie, sondern nur durch eine Gewebeuntersuchung entschieden werden. Für diese Untersuchung gibt es eine spezialisierte Facharztausbildung, die mit sechs Jahren eine der längsten ist und als Pathologie bezeichnet wird. Die Facharztbezeichnung führt immer wieder zu Verwirrung, denn statt der erwarteten Obduktionstätigkeit bedeutet Pathologie heute in mehr als 99 Prozent der Fälle die Untersuchung von Gewebeproben zur Diagnosestellung von Erkrankungen von lebenden Personen. ges zubringen. Bevor das Gewebe unter dem Mikroskop untersucht werden kann, muss es eine spezielle Aufbereitung und Anfärbung durchlaufen, die 24 bis 48 Stunden in Anspruch nimmt. Daher liegt nicht sofort nach einer Probeentnahme eine Diagnose vor. Für die Untersuchung des Gewebes (von Geweben leitet sich der Begriff Histologie ab) benutzen die Pathologen ein Mikroskop, an dem sie den Großteil ihres Arbeitsta- Mit Dignität wird die Gut- oder Bösartigkeit (Benignität oder Malignität) der Gewebsveränderung bezeichnet. Zumeist wird aus einem fraglichen Herd in der Brust Folgende für die Patientin und ihre Ärzte entscheidenden Informationen stammen aus der pathologischen Untersuchung: 1. Gut- oder bösartig? www.mammamia-online.de 13 Mamma Mia! Tumorbiologie (Mamma) zunächst eine Stanz- oder Vakuumbiopsie gewonnen. Deren mikroskopische Untersuchung durch die Ärzte für Pathologie legt fest, ob es sich um einen bösartigen oder gutartigen Tumor handelt. Falls es ein bösartiger Tumor ist, und das sind in der weiblichen Brust in den allermeisten Fällen Karzinome, beurteilen die Pathologen auch, ob der Prozess noch auf die Milchgänge beschränkt und damit nicht metastasierungsfähig ist („in situ“) oder ob er bereits invasiv und damit die Gefahr der Streuung gegeben ist. 2. Größe und Ausbreitung des Tumors? Wurde ein Karzinom operiert, untersucht die Pathologie alle entnommenen Gewebe. Daran wird die Größe des Karzinoms ausgemessen. Die Größe eines Tumors ist nach wie vor ein Faktor, der in die Entscheidung „Chemotherapie ja oder nein“ einfließt. Maßgeblich für die Größenbestimmung ist wieder ausschließlich der pathologische, nicht der radiologische oder sonographische Befund. 14 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Schließlich wird die Ausbreitung erfasst: Hat der Tumor Lymph- und Blutgefäße infiltriert oder liegen Absiedelungen in einem oder mehreren axillären Lymphknoten vor? Das Ausbreitungsstadium wird nach dem „TNM-System“ angegeben. T 1 bis 4 bezeichnet dabei die Tumorgröße, N das Ausmaß des metastatischen axillären Lymphknotenbefalls, M wird fast immer von der Klinik bestimmt und bezeichnet das Vorliegen von Fernmetastasen (TNMSystem: siehe Seite 78). 3. Abstand zu den Rändern? Eine wichtige Frage, die in der Pathologie durch die mikroskopische Untersuchung des operierten Tumors entschieden wird, ist die, ob der Prozess komplett entfernt werden konnte. Dazu müssen die Ränder des Operationspräparates gesondert untersucht und die Tumorfreiheit und der Abstand des Tumors zum gesunden Gewebe festgelegt werden. Ist dieser zu klein, muss eventuell eine Nachresektion erfolgen. Mamma 4. Aggressivität des Tumors? Wie groß die Aggressivität beziehungsweise Ausbreitungstendenz eines Karzinoms ist, lässt sich ebenfalls mikroskopisch abschätzen. Dies geben die Pathologen mit dem so genannten „Grading“ an, das in drei Stufen, niedrig (G1), mittel (G2) und hoch maligne (G3) erfolgt. Hieran bemisst sich vor allem die Notwendigkeit einer Chemotherapie. Ob eine alleinige Hormontherapie ausreicht oder es einer zusätzlichen Chemotherapie bedarf, hängt aber nicht nur vom Grad ab. Allerdings spricht G1 eindeutig gegen die Notwendigkeit einer Chemotherapie und G3 eher dafür. Aus Studien haben wir gelernt, dass der histologische Grad das Risiko mindestens ebenso zuverlässig angibt wie die sehr viel kostenträchtigeren Genexpressionsprofile. Wird der Tumor allerdings einem „mittleren“ Grad (G2) zugeordnet, hilft er für die Entscheidung für oder gegen Chemotherapie nicht weiter. Die wichtigste Frage, die sich an die Diagnose Mammakarzinom anschließt, ist heute somit: Um was für ein Mammakarzinom handelt es sich? Es gibt eher harmlose und sehr gefährliche Vertreter unter den Mammakarzinomen, was manchmal mit dem „Haustier-“ und dem „Raubtierkrebs“ anschaulich umschrieben wird. Die harmlosen, also die „Haustierkarzinome“, sind in der Mehrzahl und sind mit einer Hormontherapie ausreichend behandelt, benötigen also keine zusätzliche Chemotherapie. Die Festlegung, wie gefährlich ein Karzinom wirklich ist, stellt eines der größten Herausforderungen in der Behandlung von Brustkrebs dar. Es gibt einerseits Frauen, deren Tumoren zum Hochrisiko-Typ gehören und intensiver behandelt werden müssen, und andererseits Patientinnen mit Niedrigrisiko-Typ, bei denen nach der Operation außer Hormontherapie keine weitere Therapie nötig ist. Die erwähnten Messinstrumente der Pathologie (Tumorgröße, Ausbreitung, Grading) können diese Unterscheidung in vielen aber nicht allen Fällen genau treffen. Sehr wichtig für die Risikoabschätzung ist die Wachstumsgeschwindigkeit eines Karzinoms, die sich mit dem Anteil teilungsaktiver Zellen abschätzen lässt. Dazu benutzt die Pathologie den Marker Ki-67. Sind zehn Prozent oder weniger eines Tumors Ki-67 positiv, liegt ein niedriges Risiko vor; reagieren mehr als 25 Prozent der Zellen Mia! Tumorbiologie positiv, besteht ein hohes, zwischen diesen Werten ein mittleres Risiko. Karzinome mit einem Grad 1 haben fast immer einen Ki-67 Wert von 10 Prozent oder weniger, hier kann auf Chemotherapie verzichtet werden. Karzinome mit einem Grad 3 haben zumeist Ki-67 Werte von über 25 Prozent. Bis zu 80 Prozent teilungsaktiver Zellen kommen vor; hier sind die Aussichten, mit Chemotherapie den Tumor zu treffen, besonders hoch. Liegt ein mittleres Risiko (G2, Ki-67 bei 15 bis 25 Prozent) vor, fehlen eindeutige Kriterien für oder gegen eine Chemotherapie. Hilfe verspricht man sich von molekularbiologischen Verfahren, die die Genaktivität messen. Das so genannte „Genprofiling“ kann einen Beitrag zur Unterscheidung von Hochrisiko- und Niedrigrisiko-Typen leisten. Verschiedene kommerzielle Verfahren sind verfügbar. Eine regelhafte Kostenübernahme durch die gesetzlichen Kassen besteht jedoch nicht, so dass die Bestimmung beantragt werden muss. Die deutschen Leitlinien, unter anderem die Therapieempfehlungen der AGO-Mamma (Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie), sehen die Studienlage nicht ausreichend für eine routinemäßige Anwendung. Nur wenn man mit den konventionellen Kriterien zur Abschätzung der Tumoraggressivität (Tumorgröße, Ausbreitungsstadium, histologischer Typ und Grad, Rezeptorausstattung und Ki-67 Wert) nicht weiter kommt, kann der Einsatz von Genexpressionsprofilen in Erwägung gezogen werden. Die Gründe für diese für die Betroffenen sicher überraschende, vielleicht sogar befremdliche Zurückhaltung der Leitlinien sind die folgenden: a Jeder der verfügbaren kommerziellen Teste misst etwas anderes und die Ergebnisse stimmen nur mäßig überein (70 Prozent). So kann sich nach dem einen Test ein hohes, Chemotherapie pflichtiges Risiko ergeben. Wird derselbe Tumor mit einem anderen Test untersucht, kann das Gegenteil, also ein niedriges Risiko dabei herauskommen. a Bei einem Teil der Tests gibt es eine relativ große Mittelgruppe, wo die Werte, ähnlich wie bei G2, gar nicht weiterhelfen bei der Entscheidung für oder gegen Chemotherapie. a Die Tests können nicht vorhersagen, ob eine Chemotherapie tatsächlich nützen wird. a Die wichtigste Leistung der Tests könnte sein, das www.mammamia-online.de 15 Mamma Mia! Tumorbiologie ER+ ER-/HER2- Tripel negativ („Basal“) ~15% Chemotherapie Gut differenziert ER+ („Luminal A“) Endokrine Therapie Ki-#" &%$! )( ' %$! ~50% ER+ ~50% ER- Ki-67< 20% PR > 20% HER2+ Schlecht differenziert ER+ +HER2 („Luminal B“) HER2 Typ 15% Chemoendokrine Therapie + Antii HER2 Chemotherapie + Antii HER2 Abbildung 1 eindeutig niedrige Risiko zu erkennen und somit die Entscheidung gegen eine Chemotherapie, zum Beispiel bei einem histologischen Tumorgrad 2, zu unterstützen. Aber aus Studien wissen wir, dass die Tests nur einen kleinen Teil der Niedrigrisikokarzinome tatsächlich identifizieren (Anteil unter 20 Prozent). Mit einem anderen Test (Endopredict) würden 50 Prozent der Patientinnen aus einer Studie, bei der man klinisch meinte, auf Chemotherapie verzichten zu können (an dieser Studie wurde der Test entwickelt), Chemotherapie pflichtig. a Die Tests sind nicht für jede Form des Mammakarzinoms geeignet. Zumeist sind sie nur bei Östrogenrezeptor positiven Fällen anwendbar. a In Zeiten begrenzter ökonomischer Ressourcen müssen diagnostischer Mehrwert und Kosten (bis zu 3.500 € pro Test) in Relation gesetzt werden, weil hohe Kosten für die Tests an anderer Stelle fehlende Gelder bedeuten. 16 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Aufgrund dieser Einschränkungen empfehlen die Leitlinien (AGO und voraussichtlich auch die im Dezember 2016 überarbeitete S3 Leitlinie) die Tests nicht regelhaft, sondern nur bei Tumoren, deren Ausbreitungsrisiko und damit die Notwendigkeit einer Chemotherapie mit den üblichen Mitteln nicht sicher bestimmbar ist. In den beiden Leitlinien werden die folgenden kommerziellen Teste genannt: a der „Recurrence Score“ von Genomic Health (mit dem höchsten Empfehlungsgrad, da durch prospektive Studien validiert), a Mammaprint (70 Gene) von Agendia (ebenfalls pospektiv validiert), a Endopredict a Prosigna 5. Zielstrukturen für gezielte Therapien vorhanden? Eine weitere wichtige Frage, die die Pathologie nach der Krebsdiagnose zu beantworten hat, ist die nach Mamma der Behandelbarkeit mit zielgerichteter Therapie. Über Jahrzehnte hat sich die klinische Krebsforschung darauf konzentriert, empirische Kombinationen unspezifischer zytotoxischer Wirkstoffe zu testen. In den letzten Jahren sind wir Zeugen einer revolutionären Umwälzung in der onkologischen Therapie geworden, die durch die spezifisch gegen Targetmoleküle gerichtete medikamentöse Intervention herbeigeführt wurde. Der therapeutische Schlag soll gegen die Achillesferse eines Tumors gerichtet werden, wie Oberflächenmarker, mutierte Onkogene oder Tyrosinkinasen, was freilich im individuellen Fall bekannt sein muss. Beim Mammakarzinom sind zwei Zielmoleküle von entscheidender Wichtigkeit: der Östrogenrezeptor und der Rezeptor für den epidermalen Wachstumsfaktorrezeptor 2 (HER/2). Gegen beide Strukturen stehen wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen sich das Tumorwachstum gezielt hemmen lässt. Circa 75 Prozent der Mammakarzinome sind positiv für den Östrogenrezeptor und 15 Prozent für HER/2. Sind beide Rezeptoren nicht vorhanden und fehlt auch noch der Progesteronrezeptor, liegt ein so genannter „triple negativer“ Tumor vor, der besonders aggressiv ist (siehe Kapitel 5, Seite 40). Eine spezifisch gegen Zielmoleküle gerichtete Therapie hat die präzise und korrekte Identifikation potenzieller Targetmoleküle im Tumor zur Voraussetzung. Bei der gewebebasierten Analyse setzt die Pathologie eine Reihe von Verfahren ein, die die Unterscheidung von Tumorund Umgebungszellen ermöglichen, wie Immunhistochemie, Polymerasekettenreaktion (PCR) oder Fluoreszenz In-situ-Hybridisierung (FISH). Alle Methoden können am Formalin fixierten und Paraffin eingebetteten Gewebe erfolgen, als das fast alle Tumorproben vorliegen. Pathologien, die für zertifizierte Brustzentren (der Deutschen Krebsgesellschaft) tätig sind, unterziehen sich regelmäßig einer externen Qualitätskontrolle hinsichtlich der Zuverlässigkeit ihrer Bestimmungsverfahren. Entsprechend dem Vorhandensein von Zielmolekülen für eine medikamentöse Therapie in einem Tumor werden die Mammakarzinome zurzeit folgendermaßen eingeteilt (Abbildung 1): a Luminaler Typ: ist positiv für den Östrogen- und den Progesteronrezeptor. Innerhalb des Typs gibt es Mia! Tumorbiologie zwei Untergruppen A und B. Luminal A weist eine Ki-67 Positivität von unter 20 Prozent auf. Luminal B liegt bei oder über 20 Prozent und/oder verfügt über eine geringe Progesteronrezeptorexpression (unter 20 Prozent). a HER2-Typ: Zeigt eine Überexpression von HER2 (3+) und/oder eine Amplifikation des HER2-Gens. a Tripel negativer Typ: Zeigt weder eine Positivität für Östrogen- noch den Progesteronrezeptor (unter ein Prozent) und ist auch negativ für HER2. Es ist zu erwarten, dass die Liste möglicher Targetmoleküle zukünftig weiter wachsen wird und dass sich die Pathologie daher der wachsenden Herausforderung ausgesetzt sehen wird, unmittelbar und direkt die Therapie beeinflussende Informationen aus dem Gewebe durch den Nachweis von Zielmolekülen zu gewinnen und bereitzustellen. a Kontakt Prof. Dr. med. H. H. Kreipe Institut für Pathologie Medizinische Hochschule Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Tel.: +49 (0)511 532-4500 oder -4501 Fax: +49 (0)511 532-5799 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 17 Mamma Mia! Tumorbiologie Translationale Forschung Von der präklinischen Forschung zur klinischen Anwendung Den großen Durchbruch gibt es in der Krebstherapie noch nicht. Nach wie vor sind einige Krebsarten nicht heilbar. Es gibt jedoch große Fortschritte. Die Überlebensraten steigen, was zum einen mit einer verbesserten Diagnostik und zum anderen mit einer verbesserten Therapie zusammenhängt. Grundlage neuer Therapien ist eine intensive Forschung, die meist im Labor beginnt und erst nach Jahren intensiver Beobachtungen beim Menschen eingesetzt wird. Dieser Prozess wird als „translationale Forschung“ bezeichnet. Eine in der Brustkrebsforschung führende Wissenschaftlerin ist Prof. Dr. Nadia Harbeck, die Leiterin des Brustzentrums der Universität München (LMU). Mamma Mia! sprach mit ihr über den Forschungsstandort Deutschland. 18 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Mamma Mia!: Frau Professorin Harbeck, was genau verbirgt sich hinter dem Begriff der „translationalen Forschung“? Prof. Dr. Nadia Harbeck: Bei der translationalen Forschung geht es darum, Erkenntnisse, die wir im Labor beziehungsweise in klinischen Studien erlangen, so schnell wie möglich in die klinische Praxis umzusetzen. Die medizinische Forschung beginnt meist im Reagenzglas, anschließend gilt es zu testen, ob die erlangten Ergebnisse auch beim Menschen anwendbar sind. In diesem Prozess arbeiten interdisziplinäre Teams aus der präklinischen Forschung und der Klinik zusammen. Mamma Mia!: Das klingt nach einem sehr aufwendigen, kostenintensiven Projekt. Mamma Prof. Dr. Nadia Harbeck: Ja, das ist es auch. Ziel bei den meisten Forschungsvorhaben ist ja die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die einige Millionen Euro kosten kann. Bevor ein Wirkstoff zugelassen wird, müssen verschiedene Studien mit – je nach Fragestellung – mehreren tausend Patienten durchgeführt werden. Mamma Mia!: Wer finanziert das? Prof. Dr. Nadia Harbeck: Nun, in der Regel kooperieren Universitätskliniken beziehungsweise andere akademische Forschungseinrichtungen mit der Industrie. Die Finanzierungsfrage gestaltet sich jedoch immer wieder als schwierig, zumal verschiedene Interessen gewahrt bleiben müssen – das akademische Interesse im Sinne der wissenschaftlichen Unabhängigkeit, das Interesse der Patienten sowie das der Industrie. Meiner Meinung nach müssen hier alle Beteiligten noch etwas Scheu verlieren und in einen offenen Dialog treten. Je größer die Transparenz ist, desto weniger Vorbehalte und Missverständnisse wird es geben. Ein weiterer wichtiger Schritt wäre in Deutschland eine aktive Beteiligung der Kostenträger im Gesundheitssystem an der Finanzierung der klinischen Studien – letztlich kommen Verbesserungen an der Therapie gerade auch den Krankenkassen und ihren Versicherten zu Gute. Mia! Tumorbiologie Mamma Mia!: Was müsste Ihrer Meinung nach in Deutschland verbessert werden, um die translationale Forschung zu fördern? Prof. Dr. Nadia Harbeck: Ein großes Problem ist, dass Kliniker auch an Universitätskliniken immer weniger Zeit für die Forschung haben. Der Klinikalltag lässt einfach keinen Raum für größere Forschungsprojekte beziehungsweise sie gestalten sich aufgrund des Zeitmangels oft als sehr langwierig. Meiner Meinung nach sollte jede Universitätsklinik über eine eigene Forschungsabteilung verfügen, in der sich die Mitarbeiter voll und ganz der Forschung widmen können. Zusätzlich sollte es die Möglichkeit für Kliniker geben, für Forschung teilweise freigestellt zu werden. Das setzt jedoch einen Strukturwandel voraus, denn derzeit haben die meisten Kliniken mit einer Stellenknappheit zu kämpfen. Es gibt einen weiteren Punkt, der mir auf der Seele brennt: 70 bis 80 Prozent des forschenden Nachwuchses sind Frauen, für die sich das Berufsbild „klinische Forschung“ nach wie vor nur schwierig mit Familie vereinbaren lässt. Dadurch verlieren wir viele kompetente Nachwuchskräfte. Hier wünsche ich mir mehr Flexibilität auch seitens der Arbeitgeber. Eigentlich sollte es möglich sein, gerade auch in einer Universitätsklinik, Beruf und Familie vereinbaren zu können. a es Mamma Mia!: Wenn Sie in die Zukunft blicken – wie wird sich die Forschungslandschaft in Deutschland künftig gestalten? Prof. Dr. Nadia Harbeck: Ich denke, dass die internationale Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden wird, so dass wir immer mehr von Studien, die im Ausland durchgeführt werden, profitieren können oder auch wegweisende Studien in Deutschland durchführen können. Das hätte möglicherweise die Folge, dass wir bestimmte Wirkstoffe schneller einsetzen können. Ein weiterer Trend, den wir in den USA beobachten, ist, dass immer mehr akademische Forscher und Institutionen selbst Firmen gründen, um sich Patente zu sichern. Das wird sicherlich auch hierzulande zunehmen. Kontakt Univ.-Prof. Dr. Nadia Harbeck Brustzentrum der Universität München Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Marchioninistraße 15 81377 München E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 19 2 Zielgerichtete Therapien Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Brustkrebs Eine Krankheit mit vielen Gesichtern Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass es sich bei Brustkrebs nicht um eine einzelne, immer gleich verlaufende Erkrankung handelt. Vielmehr dürfen wir heute davon ausgehen, dass Brustkrebs eine vielseitige Erkrankung mit verschiedenen Untergruppen darstellt. Genetische Untersuchungen am Tumorgewebe zeigen deutliche Unterschiede zwischen den Gruppen, die somit auch die verschiedenen klinischen Ausprägungen, wie auch die Aggressivität und Prognose der Erkrankung wiedergeben. Das Ziel derartiger Grundlagenforschung und Entwicklung von Genexpressionsprofilen ist, möglichst individuell für jeden Patienten beziehungsweise seinen/ihren Tumor die Prognose abzuschätzen und eine angepasste Therapie für jeden einzelnen Patienten auszusprechen. Derzeit gehören zur standardmäßigen Untersuchung beim Brustkrebs die mikroskopische Bestimmung von Tumorgröße, Tumortyp (am häufigsten invasiv-duktal oder invasiv-lobulär), der Differenzierungsgrad (Grading) sowie die Bestimmung der Hormonrezeptoren (Östrogen/Progesteron) und des HER2-Status (Wachstumsfaktor auf der Zelloberfläche). Daneben werden zur Festlegung der Behandlung die Information über die Achsel-Lymphknoten und das Patientenalter herangezogen. Grundsätzlich ist bekannt, dass trotz dieser Informationen dennoch nicht in zufriedenstellendem Maße die Vorhersage über das individuelle Patientenrisiko getroffen werden kann. Vielmehr ist die Biologie des einzelnen Tumors hierfür bedeutend. Somit bestehen nur sehr begrenzte Möglichkeiten, die absolute Erforderlichkeit und den Nutzen einer Chemotherapie oder Antihormontherapie individuell vorherzusagen. Leider wird aus diesem Grunde bei einem großen Teil der Patienten übertherapiert, allerdings besteht auch die Gefahr der Untertherapie. In Zukunft soll durch die molekularpathologische/-genetische Analyse des Tumorgewebes dieses Problem besser gelöst werden. Vor etwa fünfzehn Jahren haben amerikanische Forscher der Universität von North Carolina eine neue Methode beschrieben und das genetische Profil von vielen Brustkrebstumoren untersucht. Die Wissenschaftler haben zum ersten Mal zeigen können, dass morphologisch verschiedene Brustkrebstumoren mit molekular-genetisch unterschiedlichen Subtypen übereinstimmen und diese Subtypen sich in ihrem genetischen Muster deutlich unterscheiden. Sie konnten auf diese Weise folgende fünf Untergruppen definieren, die sich hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Aggressivität und Prognose unterscheiden: a Luminal-A-Karzinome a Luminal-B-Karzinome a „normal breast-like“ Karzinome a „basal-like“ Karzinome a HER2-positive Karzinome Weitere Untersuchungen in den folgenden Jahren belegen, dass auch innerhalb der oben genannten fünf Untergruppen wiederum Untergliederungen möglich sind. Im klinischen Alltag ist es jedoch (noch) nicht routinemäßig etabliert, dass Genanalysen/Expressionsprofile vom Tumorgewebe durchgeführt werden, um eine Einteilung des Tumors in eine der oben genannten Gruppe vorzunehmen. Stattdessen wird eine histopathologische Einteilung auf Basis von Hormonrezeptor- und HER2-Status gemeinsam mit dem Grad der Aggressivität (Grading) und der Profilerationseigenschaft (Ki-67) des Tumors vorgenommen. Studien konnten zeigen, dass hiermit eine relativ hohe Übereinstimmung mit dem Genexpressionsprofil geschaffen werden kann. Die ursprünglichen Genexpressionsanalysen wurden unter Auswertung mehrerer hundert bis tausend Gene vorgenommen. Somit waren/sind sie jedoch sehr zeit- und kostenaufwändig. Zudem müssten diese Bestimmungen aus Tumorfrischgewebe erfolgen, wodurch ein einfacher Umgang und die Umsetzung in der klinischen Routine nicht problemlos gegeben waren. In den letzten Jahren konnten technische www.mammamia-online.de 21 M mm mm ma a Mamma Mia! Zielgerichtete Zielg ielg ie lg Therapien herapien Verbesserungen vorgenommen werden, wodurch es zum einen möglich ist, auch an Paraffin-fixiertem Gewebe die Analysen durchzuführen und durch eine Kondensierung der Gene einen „einfacher“ umsetzbaren Testkit herzustellen. Kommerziell erwerbliche Gen-Tests werden daher immer häufiger zur Abschätzung der Prognose dieser Erkrankung und Entscheidung über die Notwendigkeit einer Chemotherapie, insbesondere bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem und HER2-negativem Karzinom, im klinischen Alltag herangezogen. 22 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Eine deutliche Vereinfachung der Untersuchungsmethode zur flächendeckenden Anwendung ist dringend erforderlich. Zusätzlich muss in Studien der Nutzen dieser molekulargenetischen Untersuchung für die Patientinnen bewiesen werden, um so die Individualisierung der Krebstherapie aufgrund molekularer Marker des Tumors zu ermöglichen. Einige vielversprechende Testsysteme hierzu sind bereits auf dem Markt und werden teilweise bereits in die klinische Therapieentscheidung mit eingebunden. Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Luminal-B-Karzinome Die Luminal-B-Karzinome sind im Gegensatz dazu zwar ebenfalls hormonrezeptorpositiv, jedoch zumeist nur gering. Verglichen mit Luminal-A-Typen sind Luminal-BTumoren aggressiver, weisen ein geringeres Ansprechen auf antihormonelle Therapie auf und haben eine schlechtere Prognose. Die molekulare/genetische Unterteilung bietet also die Möglichkeit, die große Gruppe der hormonrezeptorpositiven Mammakarzinome in mehrere biologisch unterschiedliche Gruppen einzuteilen, woraus sich therapeutische Einflüsse ergeben. Die hormonrezeptornegativen Mammakarzinome können mindestens in zwei biologisch unterschiedliche Untergruppen eingeteilt werden, nämlich „basal-like“ und HER2/neu-positive Tumoren, welche insgesamt im Vergleich zu den luminalen Karzinomen eher einen aggressiven klinischen Verlauf zeigen, insbesondere wenn eine zielgerichtete Therapie unterlassen wird. „Basal-like“-Karzinome Luminale Karzinome Luminale Karzinome bilden die größte Gruppe von Mammakarzinomen, die sich auf Basis einer Genchip-basierten Diagnostik identifizieren lassen. Diese Karzinome weisen in der konventionellen Aufarbeitung des Tumorgewebes eine Ausprägung der Hormonrezeptoren (Östrogen- und/ oder Progesteron) auf. Luminal-A-Karzinome Die Untergruppe der Luminal-A-Karzinome, die sich durch eine starke Ausprägung des Östrogenrezeptors und Progesteronrezeptors an der Zelloberfläche und somit durch eine besonders gute Prognose auszeichnet, ist am besten charakterisiert. Meist sind diese Tumoren gut differenziert (G1) verbunden mit geringer Wachstumsgeschwindigkeit und entsprechend geringer Aggressivität. Die Prognose dieser Tumoren ist im Vergleich zu den anderen Subtypen mit Abstand am besten. Die „basal-like“ Karzinome zeigen oft weder Östrogenund Progesteronrezeptoren noch HER2/neu-Aktivität. Sie werden heutzutage als „triple negative“ Mammakarzinome bezeichnet, wenngleich bekannt ist, dass hier zwischen den genetischen („basal-like“) und mikroskopischen („triple negativ“) Merkmalen zwar eine Überschneidung, aber nicht eine völlige Deckung vorliegt. Diese Tumoren sind meist schnellwachsend und mit einer ungünstigen klinischen Prognose einhergehend. Gezielte Therapiemöglichkeiten außer einer Chemotherapie bestanden lange Zeit nicht. Derzeit werden neue Substanzen, die in den Genreparaturmechanismus eingreifen (PARP-Inhibitoren), bei diesen Tumoren getestet. Darüber hinaus wird diskutiert, ob diese Tumoren eventuell besser auf eine platin-haltige Chemotherapie ansprechen. HER2-positive Karzinome Bei den HER2-positiven Karzinomen ist ein Wachstumsfaktor auf der Zelloberfläche vermehrt vorhanden. Diese www.mammamia-online.de 23 Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Tumoren zeichnen sich ebenfalls durch einen aggressiven Verlauf aus. Erfreulicherweise wurden in den letzten Jahren für diesen Tumortyp neue Therapieinnovationen gefunden. Heute besteht für diese Art von Brusttumoren eine zielgerichtete Therapiemöglichkeit („anti-HER2Therapie“), die zu sehr guten Heilungsverbesserungen beitragen kann. Kosten dieser Testverfahren für eine flächendeckende Anwendung deutlich gesenkt werden. a Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass GenAnalysen am Tumorgewebe in Zukunft eine ganz wesentliche Ergänzung der bisherigen histopathologischen und immunhistochemischen Diagnostik beim Brustkrebs darstellen werden. Die wichtigsten Voraussetzungen für den routinemäßigen Einsatz bestehen in einer weiteren Standardisierung und Vereinfachung der Methoden und in der gezielten Auswahl jener Marker, denen die größte prognostische Information zukommt. Je besser die Signalwege in der Krebszelle verstanden werden, umso individueller kann in Zukunft die Therapie auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden. Zudem müssen die Autorin 24 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor PD Dr. med. B. Ataseven Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie Kliniken Essen-Mitte Evangelische Huyssens-Stiftung Henricistraße 92 45136 Essen Tel.: +49 (0)201 174-34001 Fax: +49 (0)201 174-34000 E-Mail: [email protected] Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Das Gießkannenprinzip ist out Die Entwicklung zielgerichteter Therapien Krebsbehandlungen nach dem Gießkannenprinzip sind out. Der Fokus der Wissenschaft liegt auf der individualisierten Tumortherapie. Immer mehr zielgerichtete Therapien werden entwickelt. Neue Antikörper, kleine Moleküle („small molecules“) und Hemmsubstanzen unterschiedlicher Signalwege werden in der Brustkrebstherapie eingesetzt. Professor Dr. Volkmar Müller vom Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf erläutert im Gespräch mit Mamma Mia!, welche Therapieoptionen heute zur Verfügung stehen und wo es noch Therapielücken gibt. Mamma Mia! : Herr Professor Müller, als erste zielgerich- tete Brustkrebstherapie kann die Antihormontherapie bezeichnet werden, die gezielt zur Behandlung von hormonabhängigen Tumoren eingesetzt wird. Wann wurde diese Therapieoption entdeckt und wie hat sie sich seither weiterentwickelt? Prof. Dr. Volkmar Müller: Schon um 1850 wurde in medizinischen Fachzeitschriften beschrieben, dass Brutkrebs bei jüngeren Frauen in Abhängigkeit vom Menstruationszyklus mehr oder weniger stark wächst. Ein englischer Chirurg hat dann Fälle von betroffenen Frauen beschrieben, bei denen nach einer Entfernung der Eierstöcke auch die Tumoren kleiner wurden. Es hat dann weit mehr als 100 Jahre gedauert, bis man anfing zu begreifen, welche Mechanismen hier zugrunde liegen. Um 1970 wurde der Östrogenrezeptor entdeckt, die „Antenne“ für das Hormon. Mehr als zwei Drittel aller Brustkrebstumoren haben Rezeptoren für weibliche Sexualhormone (Östrogen oder Progesteron). Wenn Hormone an diese Moleküle binden, kommt es zu vielen verschiedenen Signalen in der Zelle. In Brustkrebszellen führen diese Signalwege zu einem schnelleren Wachstum. Die Unterdrückung des durch Östrogene ausgelösten Signalweges ist ein sehr wirksamer Ansatzpunkt für Medikamente, die dann das Wachstum der Krebszellen hemmen. Es gelang, Verfahren für die Bestimmung der Hormonrezeptoren im Tumorgewebe einzuführen, was die Grundlage für eine zielgerichtete Therapie war: Es wird untersucht, ob das Ziel vorhanden ist und blockiert es dann. Das erste Medikament, das gezielt gegen die Östrogenwirkung eingesetzt wurde, war Tamoxifen. Tamoxifen ist ein Antiöstrogen, also ein Medikament, das an die Östrogenrezeptoren bindet und in Brustkrebszellen weitgehend die Aktivierung von östrogenabhängigem Wachstum hemmt. In einigen Zellen des Köpers wirkt Tamoxifen jedoch wie ein Östrogen, man nennt dieses Medikament deshalb auch einen selektiven Östrogenrezeptor-Modulator (SERM). Das kann durchaus positiv sein, beispielsweise in den Knochen, wo Östrogene vor Osteoporose schützen. In anderen Organen, wie zum Beispiel der Gebärmutter, ist das nicht so erwünscht. Es wurde beobachtet, dass Frauen unter der Einnahme von Tamoxifen häufiger Gebärmutterkrebs entwickeln, auch wenn die positiven Effekte des Medikaments überwiegen und Tamoxifen für viele Situationen das Medikament der Wahl bleibt. So wurde viel an der Entwicklung neuer Medikamente gearbeitet, die einen anderen Wirkungsmechanismus als www.mammamia-online.de 25 Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien Tamoxifen und seine Verwandten haben. Zugelassen ist das Antiöstrogen Fulvestrant, das nach Bindung an den Rezeptor dazu führt, dass dieser in der Zelle abgebaut wird und somit auch nicht mehr aktiv werden kann. Dies ist ein wichtiger Fortschritt für die Behandlung von Frauen mit Metastasen. Andere Medikamente mit ähnlichem Wirkungsmechanismus sind in der Entwicklung. Frauen nach den Wechseljahren, deren Eierstöcke keine Hormone produzieren, haben immer noch Östrogene im Blut, auch wenn die Konzentration viel niedriger ist als vor den Wechseljahren. Krebszellen gewöhnen sich an den niedrigen Östrogenspiegel und können so auch mit weniger Östrogenen weiterwachsen. Durch so genannte Aromatasehemmer kann die Östrogenbildung im Körper gehemmt werden und die Östrogenspiegel unter die von Frauen nach den Wechseljahren gesenkt werden. Das führt zu einer Wachstumshemmung von Krebszellen. Die Aromatasehemmer spielen mittlerweile eine wichtige Rolle in der Behandlung von Brustkrebs und sind eine wichtige Ergänzung in unserem Therapiearsenal. Bei Frauen vor den Wechseljahren kann man die Funktion der Eierstöcke ohne Operation mit Medikamenten ausschalten. Diese Medikamente heißen GnrH-Analoga und unterdrücken das Hormonsignal für die Produktion von Östrogen. Grundsätzlich ist es ein Problem der Antihormontherapie, dass trotz vorhandener Rezeptoren die Medikamente nach einiger Zeit manchmal nicht mehr wirken. Es entwickelt sich eine so genannte Resistenz, vergleichbar mit der von Bakterien gegen Antibiotika. In den letzten Jahren haben wir begonnen zu verstehen, dass hierfür die Aktivierung von alternativen Signalwegen in der Zelle verantwortlich ist. Der Östrogenrezeptor wird also unabhängig von Östrogenen „angeschaltet“. Einige dieser Signalwege sind Ansatzpunkt neuer Medikamente. Everolimus ist eine Substanz, die zuerst für die Unterdrückung des Immunsystems nach Organtransplantationen eingesetzt wurde. Später wurde entdeckt, dass dieses Medikament ein Signal hemmt, das zu der geschilderten Resistenz unter einer laufenden Antihormontherapie führt. Das Medikament ist in Kombination mit einem Aromatasehemmer für die Behandlung von Frauen mit Metastasen 26 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor zugelassen, deren Krebs nach einer Antihormontherapie wieder zu wachsen beginnt. Man kann damit die Dauer bis zum erneuten Voranschreiten der Erkrankung deutlich verlängern und den Einsatz einer Chemotherapie verzögern. Wie auch andere neue Medikamente macht Everolimus aber spezifische Nebenwirkungen. Es ist wichtig, diese möglichen Nebenwirklungen mit den Patientinnen gut zu besprechen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Hemmung von bestimmten Signalen zur Zellteilung. Das Wachstum von Krebszellen beruht auf einer übermäßigen Zellteilung und diese wird sehr komplex reguliert. Eine solche „Stellschraube“ sind so genannte Cyclin-abhängige Kinasen, abgekürzt CDK. Medikamente, die hier angreifen, haben in großen Studien eine deutliche Verbesserung der Wirksamkeit einer Antihormontherapie gezeigt. Als erstes Medikament dieser Gruppe wurde Palbociclib in Kombination mit einer Antihormontherapie für die Behandlung von Frauen mit Metastasen zugelassen. Ein weiteres Medikament (Ribociclib) ist recht weit in der klinischen Entwicklung fortgeschritten. Diese beiden Substanzen machen zwar ebenfalls spezifische Nebenwirkungen, sind aber für die Frauen subjektiv gut verträglich. Diese Entwicklungen stellen einen großen Fortschritt dar und wir erwarten hier noch weitere neue Substanzen. Mamma Mia! : Die Entdeckung der HER2-Rezeptoren kann als weiterer Meilenstein in der Brustkrebsbehandlung bezeichnet werden, da sie eine direkte Angriffsfläche für zielgerichtete Therapien bieten. Wann wurden diese Rezeptoren entdeckt und welche Therapieoptionen stehen zur Verfügung? Prof. Dr. Volkmar Müller: 1987 veröffentlichte die amerikanische Arbeitsgruppe von Denis Slamon eine Untersuchung, die einen Rezeptor beschrieb, der bei circa 20 Prozent der Brusttumoren im Übermaß vorhanden war: HER2. Frauen mit einem Tumor, der vermehrt HER2 hatte, waren häufiger an ihrer Krebserkrankung verstorben, ein Hinweis auf eine Rolle dieses Rezeptors für ein besonders aggressives Krebswachstum. In der Folge gelang es, einen Antikörper zu entwickeln, der an den Rezeptor bindet und dessen Funktion für ein aggressives Krebswachstum Mamma blockiert. Dieser Antikörper wurde so verändert, dass er vom menschlichen Immunsystem erkannt wird und ohne große Gefahr einer allergischen Reaktion bei Menschen angewendet werden kann. Trastuzumab wurde dann bei Frauen mit Metastasen eines HER2-postiven Brustkrebses zusammen mit einer Chemotherapie eingesetzt. Es war die erste Therapie, die nachweisbar das Leben von Frauen mit Metastasen verlängert hat. In der Folge haben große Studien den Einsatz in der adjuvanten Begleittherapie bei einer Ersterkrankung ohne Metastasen untersucht und gefunden, dass die Heilungsrate durch die Gabe zusätzlich zur Chemotherapie deutlich verbessert werden kann. Auf der Suche nach Mechanismen, die Zellen widerstandsfähig gegen eine Therapie mit Trastuzumab machen, wurde ein weiterer Antikörper entwickelt, der die Aktivierung von HER2 hemmt. Pertuzumab bindet ebenfalls an HER2 und hemmt dessen Wechselspiel mit anderen Rezeptoren dieser Gruppe. Bei Frauen mit Metastasen kann der zusätzliche Einsatz von Pertuzumab in Kombination mit Trastuzumab das Leben gegenüber der alleinigen Gabe von Trastuzumab nochmals verlängern, ein weiterer Durchbruch. Für Frauen mit einer Ersterkrankung ist das Medikament bereits für eine Therapie vor der Operation zugelassen, eine große Studie zum Einsatz nach der Operation ist abgeschlossen und wir warten auf die Ergebnisse. Innovativ ist auch der Ansatz, Trastuzumab mit einem Chemotherapie-Medikament zu koppeln. So wird das Medikament T-DM1 von den Krebszellen über den HER2-Rezeptor aufgenommen und setzt das Chemotherapeutikum Emtansine überwiegend nur hier frei. Das funktioniert in der Behandlung von Metastasen sehr gut, auch wenn die Zellen bereits gegen Trastuzumab resistent sind. Hier war noch einmal eine Verlängerung des Überlebens gegenüber einer Standardtherapie möglich, dazu mit deutlich weniger Nebenwirkungen als die der Vergleichstherapie. Studien zum Einsatz bei Frauen ohne Metastasen sind teilweise schon abgeschlossen, Ergebnisse stehen aber noch aus. Ein weiterer Ansatzpunkt gegen HER2 ist die Blockade des Signalweges innerhalb der Zelle. Dies ist mit so genannten Tyrosinkinase-Inhibitoren möglich. Lapatinib Mia! Zielgerichtete Therapien ist hier zugelassen, wird allerdings angesichts der oben geschilderten Möglichkeiten meist erst nach Versagen anderer Therapieansätze verwendet. Weitere Medikamente dieser Gruppe werden in Studien untersucht. Mia!: Gibt es weitere zielgerichtete Therapieformen bei Brustkrebs, die standardmäßig zum Einsatz kommen? Mamma Prof. Dr. Volkmar Müller: Tumoren und auch deren Metastasen benötigen eine Versorgung durch Blutgefäße. Bevacizumab ist ein Antikörper gegen einen Botenstoff der Blutgefäßbildung, der VEGF genannt wird. Das Medikament verlängert bei Frauen mit Metastasen die Wirksamkeit der Chemotherapie. Das Medikament stellt somit eine zusätzliche Therapieoption dar. Es gibt andere Nebenwirkungen als die einer Chemotherapie, beispielsweise Bluthochdruck. Mia!: Gibt es Therapielücken, also Tumorarten, für die derzeit kein geeigneter Wirkstoff zur Verfügung steht? Mamma Prof. Dr. Volkmar Müller: Immer noch unbefriedigend sind die Behandlungsmöglichkeiten bei Tumoren, die weder Östrogen- oder Progesteronrezeptoren haben und auch nicht HER2-positiv sind. Diese Form von Brustkrebs wird triple negativ genannt. Hier gibt es bislang keine Therapie, die ein spezifisches Ziel auf den Tumoren angreift und bei manchen Frauen wirkt auch die Chemotherapie nahezu nicht. Für uns als Spezialisten ist hier sicher der größte Verbesserungsbedarf. Glücklicherweise gibt es hier einige erfolgversprechende Entwicklungen. Ein weiteres Problemfeld ist die zunehmende Häufigkeit von Hirnmetastasen. Das hat vermutlich damit zu tun, dass unsere Therapie in der Behandlung von Metastasen besser wirkt, aber nicht so gut im Gehirn ankommt. Hier müssen wir dringend die Forschung verbessern. Mamma Mia! : Welche neuen Wirkstoffe werden derzeit in Studien untersucht? Prof. Dr. Volkmar Müller: Es gibt eine unglaubliche Fülle von Ansätzen und Medikamenten, die sich in verschie- www.mammamia-online.de 27 Mamma Mia! Zielgerichtete Therapien denen Phasen der Entwicklung befinden. Besonders relevant finde ich drei Aspekte: 1. Die Aktivierung des Immunsystems: Es ist schon länger bekannt, dass sich Krebszellen vor dem Immunsystem „verstecken“, indem sie Signale aussenden, die Immunzellen bremsen. Diese Signale sind im Körper wichtig, damit das Immunsystem nicht körpereigene Zellen angreift. So genannte Checkpoint-Inhibitoren heben nun diese Blockade auf und machen Krebszellen wieder für das Immunsystem sichtbar. Das funktioniert bei anderen Tumorerkrankungen wie Hautkrebs sehr gut. Bei Brustkrebs gibt es bislang nur Ergebnisse aus sehr kleinen Studien mit Zeichen einer Wirksamkeit, größere Studien laufen noch. 2. Medikamente, die die Reparatur der Erbinformation hemmen, so genannte PARP-Inhibitoren. Brustkrebszellen bei einigen Frauen können Schäden in ihrer Erbinformation (DNA) nicht so gut wie normale Zellen reparieren. Das betrifft insbesondere solche Zellen mit einer Veranlagung für erblichen Brustkrebs durch Veränderung der Gene BRCA1 und BRCA2 und darüber hinaus möglichweise auch noch andere Tumoren. PARP-Inhibitoren werden in Studien untersucht und die ersten Ergebnisse kleinerer Studien lassen darauf hoffen, dass wir hier einen Ansatz auch für Frauen mit triple negativem Brustkrebs nutzen können. 3. Ein weiterer Signalweg für stärkeres Zellwachstum führt über so genannte PI3-Kinasen. Hemmer dieser Moleküle werden insbesondere bei hormonrezeptorpositivem Brustkrebs untersucht. Mia!: In Verbindung mit zielgerichteten Therapien werden häufig die hohen Kosten angesprochen, die diese Behandlungen verursachen. Wie stehen Sie zu dieser Diskussion? sicher noch besser einspielen. Wir sollten gemeinsam eine Situation verhindern, in der die optimale Therapie nur noch Menschen zur Verfügung steht, die dafür selbst bezahlen können. Ich habe allerdings auch den Wunsch nach einer offeneren Diskussion auch von Seiten der Politik und weniger Diffamierung der Ärzte. Jeder, der schwerkranke Patientinnen und ihre Familien erlebt, möchte möglichst gut helfen. Und das ist in vielen Fällen durch neue Medikamente möglich. Mia!: Was bringt Ihrer Meinung nach die Zukunft? Wo geht die Reise hin? Mamma Prof. Dr. Volkmar Müller: Vision für die Zukunft ist sicher eine individuellere Therapie. Wir werden besser verstehen, wer für welche Therapie in Frage kommt und dadurch hoffentlich auch unnötige Therapien vermeiden. Ohne Frage ist eine Spezialisierung der Ärzte/innen notwendig, um die neuen Medikamente mit optimaler Erfahrung einsetzen zu können. Dies ist eine Herausforderung. Besser informierte Patientinnen sind sicher ein Teil des Fortschrittes und ich denke, dieses Heft trägt dazu bei. a es Mamma Prof. Dr. Volkmar Müller: Ich denke, eine offene Diskussion über die Kosten ist notwendig. Wir werden angesichts der vielen neuen Möglichkeiten auch darüber reden müssen, ob alles Machbare wirklich sinnvoll ist. In diesem Zusammenhang ist schon ein Verfahren zur Kosten-NutzenBewertung in Deutschland und anderen Ländern in die Wege geleitet worden. Das aktuelle Verfahren ist, aus meiner Sicht, leider teilweise praxisfremd, aber wird sich 28 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Kontakt Prof. Dr. med. Volkmar Müller Klinik und Poliklinik für Gynäkologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Tel.: +49 (0)40 7410-57606 Fax: +49 (0)40 7410-40070 E-Mail: [email protected] a MIA! Mamma Das Eierstockkrebsmagazin Für Frauen, die mitreden wollen! Das Ei er stoc M a mm a kkrebs magaz Mia! in a Das Ei erstoc www.m amma mia-o nline.d e kkreb JETZT smaga zin abonnieren! BRCA1 /2-GEN ANALY Einsch lusskri SE terien ERNÄ H R U N Der Fa GSMY kten-C THEN heck Neue NACH SO Bestellung unter: RGE Aktue lle Em pfehlu ngen im Überb lick 572 Telefon +49 (0)89 85853-572 [email protected] -online.de oder direkt auf www.mammamia-online.de 01 4 1904 11 704508 1/2017 Januar bis M ärz D/A: 4, 50 € CH: 6, 60 SFr. LU: 5, 40 € ALT 3 Primäre Situation Mamma Mia! Primäre Situation Diagnose Brustkrebs Wegweiser bei der Ersterkrankung Zum Zeitpunkt der Diagnosestellung droht die Welt der Betroffenen zusammenzubrechen. Dennoch werden – gerade in diesem schwierigen Moment – Entscheidungen gefordert, die einen klaren Verstand voraussetzen. Im Gespräch mit Professor Dr. Volker Möbus vom Klinikum Frankfurt Höchst zeigt Mamma Mia! die ersten Schritte nach der Diagnosestellung auf. Mamma Mia! : Herr Professor Möbus, welche Vorgehensweise würden Sie einer Frau empfehlen, die soeben die Diagnose Brustkrebs erhalten hat? Prof. Dr. Volker Möbus: Erfreulicherweise haben Frauen, die neu an einem Mammakarzinom erkranken, heutzutage sehr gute Heilungschancen. Zu bedenken ist allerdings, dass die Therapie des Mammakarzinoms ungleich komplexer und differenzierter ist als vor zehn Jahren. Dies hängt im Wesentlichen damit zusammen, dass wir nicht mehr von „dem Mammakarzinom“ sprechen, sondern ebenso wie bei anderen soliden Tumorerkrankungen von so genannten „Subtypen“, die sich in ihren tumorbiologischen Eigenschaften und in der Behandlung stark unterscheiden. Beim Mammakarzinom kennen wir heutzutage vier Haupttypen, nämlich das hormonrezeptorpositive Mammakarzinom mit langsamer Wachstumsrate, das hormonrezeptorpositive Mammakarzinom mit schneller Wachstumsrate, das HER-2 positive Mammakarzinom und das triple negative Mammakarzinom. Diese vier Haupttypen teilen sich aber bereits schon wieder in weitere kleinere Subtypen auf. Hinzu kommt, dass sich das klinische Spektrum zum Zeitpunkt der Erstdiagnose auch stark unterscheidet. Der Ausgangsbefund reicht von sehr kleinen Tumoren mit einer Größe von wenigen Millimetern, die zum Beispiel im Screening entdeckt wurden und nicht tastbar sind, bis hin zu großen Tumoren, die nicht mehr brusterhaltend operiert werden können. Die operative und die medikamentöse Therapie des Mammakarzinoms sowie ihre zeitliche Abfolge (OP gefolgt von adjuvanter Therapie oder neoadjuvante Vorbehandlung gefolgt von der OP) ist in Abhängigkeit von den Subtypen und ihrer Tumorbiologie sowie der Größe des Tumors zum Zeitpunkt der Diagnosestellung sehr different. Bei der Neudiagnose eines Mammakarzinoms ist es sicherlich für die Patientin von Vorteil, wenn sie sich zur Festlegung der Therapie in einem anerkannten Brustzentrum vorstellt, das von der DKG/DGS (Deutsche Krebsgesellschaft/Deutsche Gesellschaft für Senologie) zertifiziert ist. Auch das Einholen einer Zweitmeinung ist in vielen Fällen gerechtfertigt und sinnvoll. Mia!: Der Trend in der Medizin entwickelt sich immer mehr zu einer zielgerichteten Brustkrebstherapie. Welche Tumoreigenschaften beziehungsweise Biomarker sind Ihrer Meinung nach für eine Therapieentscheidung sinnvoll? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Die adäquate Therapieentscheidung hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Das sind einmal die biologischen Tumoreigenschaften, worunter wir zum Beispiel die Expression des Hormonrezeptors, den Nachweis des Onkoproteins HER2 oder die Wachstumsrate des Tumors (Ki-67) verstehen. Nur wenn der Tumor hormonrezeptorpositiv ist, kommt er für eine Antihormontherapie in Frage, nur bei einer Überexpression des Onkoproteins HER2 ist eine zielgerichtete Therapie mit dem Antikörper Trastuzumab sinnvoll. Die Antikörpertherapie gegen HER2 wird immer gekoppelt mit einer Chemotherapie, da sich hierdurch die größte Effizienz erzielen lässt. Die Wachstumsrate des Tumors ist ein weiteres Entscheidungskriterium dafür, ob bei einem hormonrezeptorpositiven Tumor zusätzlich zur Antihormontherapie auch eine Chemotherapie indiziert werden soll. Daneben spielen natürlich auch noch die „klassischen“ Prognosefaktoren wie die Größe des Tumors, Grading, die Anzahl der befallenen Lymphknoten oder der Nachweis von Tumorzellen in Lymph- und Blutgefäßen eine Rolle für www.mammamia-online.de 31 Mamma Mia! Primäre Situation die Therapieentscheidung. Auch im Jahre 2017 gilt weiterhin, dass die Anzahl der befallenen Lymphknoten unverändert den wichtigsten prognostischen Faktor darstellt. Beides zusammen, die biologischen Eigenschaften des Tumors und die Bewertung des Rezidivrisikos entscheiden darüber, welche medikamentöse Therapie und welche Nachbestrahlung die Patientin benötigt. Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren mit mittlerem (intermediären) Risikoprofil ist die Entscheidung zwischen einer alleinigen antihormonellen Therapie oder einer Kombination von Chemotherapie und Antihormontherapie manchmal sehr schwierig. In solchen Fällen kann der Einsatz von Multigen Assays, wie zum Beispiel dem Oncotype-DX, dem EndoPredict, Prosigna oder MammaPrint sehr hilfreich sein. All diese vier Testverfahren sind in Deutschland zugelassen, die Kostenübernahme durch die Kassen ist zuweilen noch problematisch. Mia!: In welchen Fällen empfehlen Sie vor der Operation eine Chemotherapie und wann würden Sie sie eher danach verordnen? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Wir wissen, dass der kurative Effekt der Chemotherapie unabhängig davon ist, ob diese vor oder nach der Operation gegeben wird. Dies haben mehrere Studien eindeutig belegt. Die Indikation zur neoadjuvanten Chemotherapie (Gabe der Chemotherapie vor der Operation) ist in den letzten Jahren immer großzügiger gestellt worden. Neoadjuvant behandelt werden nicht nur Patientinnen mit großen Tumoren oder Kontraindikation gegen eine primäre Operation, wie dem so genannten inflammatorischen Mammakarzinom. In Abhängigkeit von der Tumorbiologie sind es insbesondere auch HER2-positive und triple negative Karzinome, die bevorzugt neoadjuvant behandelt werden sollten. Bei Patientinnen mit einem HER2-positivem Karzinom, das bekanntlich zusätzlich zur Chemotherapie immer eine zielgerichtete Antikörpertherapie erhält, gibt es seit anderthalb Jahren auch eine Zulassung für einen zweiten Antikörper (Pertuzumab), was die Effektivität der neoadjuvanten Chemotherapie noch einmal verbessert. Ob dieser Antikörper auch für die adjuvante Behandlung zugelassen werden wird, erfahren wir nächstes Jahr. Auch Patientinnen mit einem triple negativen Mammakarzinom, die aufgrund der fehlenden Rezeptoren keiner 32 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor zielgerichteten Therapie zugeführt werden können, sollen bevorzugt neoadjuvant behandelt werden. Die histopathologische Komplettremission (kein Nachweis mehr von Tumorzellen in der Brust oder den axillären Lymphknoten) gilt für diese beiden Subtypen als „Surrogatmarker“ für das rezidivfreie und das Gesamtüberleben. Ein Vorteil der neoadjuvanten Chemotherapie ist auch die schnelle Beurteilung des klinischen Ansprechens, insbesondere bei dem Einsatz von neuen Medikamenten unter Studienbedingungen. Seit wenigen Jahren haben wir auch so genannte postneoadjuvante Studien zur Verfügung. In diese Studien werden Patientinnen eingeschleust, die nach der neoadjuvanten Chemotherapie keine pathologische komplette Remission ihres Tumors in der Brust oder in den Lymphknoten haben. Für dieses Risikokollektiv erwarten wir durch eine Fortführung der Systemtherapie nach neoadjuvanter Therapie und Operation eine weitere Verbesserung ihrer Heilungschancen. Einziges Problem der neoadjuvanten Chemotherapie ist in meinen Augen der Umstand, dass die genaue Anzahl der befallenen Lymphknoten häufig nicht mehr bekannt ist. Die meisten Zentren verzichten auf eine Objektivierung des Lymphknotenstatus vor Beginn der neoadjuvanten Chemotherapie, da die histopathologische Komplettremission im Bereich der Brust und im Bereich befallener Lymphknoten wichtig ist, um die Effektivität der neoadjuvanten Chemotherapie beurteilen zu können. Andererseits wissen wir aber auch, dass insbesondere Patientinnen mit vier und mehr befallenen Lymphknoten von einer dosisintensivierten und dosisdichten Chemotherapie profitieren. Dies haben mehrere Studien unabhängig voneinander bewiesen. Auch das Ausmaß der Strahlentherapie hängt vom Lymphknotenstatus ab. Bei ein bis drei tumorös befallenen Lymphknoten muss eine Nachbestrahlung der so genannten Supra- und Infraclaviculärregion nicht in allen Fällen obligat erfolgen, bei vier und mehr befallenen Lymphknoten ist diese absolut notwendig. Wenn die Kenntnis des axillären Lymphknotenstatus sinnvoll erscheint, dann sollten die Wächterlymphknoten vor dem Beginn der neoadjuvanten Chemotherapie entfernt werden oder zumindest suspekte Lymphknoten vor Beginn der neoadjuvanten Chemotherapie biopsiert werden. Mamma Mia!: Thema Operation: Falls die Brust nicht erhalten werden kann – empfehlen Sie eine sofortige Rekonstruktion oder würden Sie den Betroffenen eher empfehlen, diese zu einem späteren Zeitpunkt anzugehen? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Eine Sofortrekonstruktion mit Einlage von subpectoralen Expanderprothesen unter den Brustmuskel und die Deckung durch ein Netzinterponat ist fast immer möglich. Manchmal kann auch der komplette Hautmantel mit dem Mamillenkomplex belassen werden („skin sparing Mastektomie“), so dass eine sofortige Rekonstruktion der Brust mit einer Silikonprothese möglich ist. Wenn heutzutage eine brusterhaltende Therapie nicht mehr möglich ist, muss man allerdings bedenken, dass trotz der Amputation relativ häufig die Indikation zu einer Nachbestrahlung der Thoraxwand gestellt werden wird. Durch die Nachbestrahlung der Thoraxwand kann das kosmetische Er- Mia! Primäre Situation gebnis der primären Rekonstruktion negativ beeinflusst werden, beispielsweise durch das vermehrte Auftreten von Kapselkontrakturen. Das Gleiche gilt leider auch für die sekundäre Prothesenrekonstruktion nach stattgefundener Thoraxwandbestrahlung. Alternativen zur Rekonstruktion mit Expander und Silikonprothesen sind die Wiederherstellung der Brust über gestielte oder freie Lappenplastiken, also eine Geweberekonstruktion mit Eigengewebe. Hierfür werden heutzutage kaum noch Lappen vom Rücken benutzt, vielmehr benutzt man einen Lappen vom Unterbauch, den so genannten „TRAMFlap“ oder freie Lappen, beispielsweise den DIEP-Flap. Solche Rekonstruktionen mit Eigengewebe sind deutlich aufwendiger als die Rekonstruktion mit Prothesen. Wenn eine Indikation zur primären Rekonstruktion mit Eigengewebe getroffen wird, dann muss sich der Operateur absolut sicher sein, dass durch die Entfernung der Brust der invasive Tumor und seine Vorstufen allseits im www.mammamia-online.de 33 Mamma Mia! Primäre Situation Gesunden entfernt werden können. Es wäre fatal, wenn nach dieser aufwendigen Operation der Pathologe eine Resektion des Tumors nicht im Gesunden beschreiben würde. Im Zweifelsfall sollte daher die Rekonstruktion mit Eigengewebe immer im Intervall erfolgen. Was für die Patientin die beste Lösung ist, hängt vom Alter, den Wünschen der Patientin, Nikotinabusus ja/nein, der Größe des Tumors und anderen Faktoren ab und muss jeweils im Einzelfall entschieden werden. Mia!: Thema Antihormontherapie: Wie lauten die Empfehlungen bezüglich des Einsatzes von Aromatasehemmern versus Tamoxifen? Wie lange soll die Antihormontherapie gegeben werden? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Bei postmenopausalen Frauen ist die sequenzielle Antihormontherapie mit zweieinhalb Jahren Tamoxifen gefolgt von zweieinhalb Jahren Aromatasehemmern oder der umgekehrten Sequenz mit zweieinhalb Jahren Aromatasehemmern gefolgt von zweieinhalb Jahren Tamoxifen der Mindeststandard. Bei prämenopausalen Frauen sind Aromatasehemmer alleine nicht wirksam, können allerdings bei hohem Risiko in Einzelfällen mit einem GnRH-Analogon gekoppelt werden, wodurch die Funktion der Eierstöcke stillgelegt wird. Im Gegensatz zur postmenopausalen Frau ist bei der prämenopausalen Patientin die Gabe von Tamoxifen über fünf Jahre unverändert der Goldstandard. Kommen die Frauen unter Tamoxifen eindeutig in die Wechseljahre, so sollte unbedingt auf einen Aromatasehemmer umgesetzt werden. Wir verfügen über eine Reihe von randomisierten Studien, die eindeutig belegen, dass eine Verlängerung der Antihormontherapie auf zehn Jahre nochmals effektiver ist als die Begrenzung auf fünf Jahre. Da bei den hormonrezeptorpositiven Tumoren, egal ob diese eine niedrige oder hohe Proliferation aufweisen, über die Jahre unverändert ein niedriges Rezidivrisiko besteht, stellt die Fortführung der Antihormontherapie insbesondere bei Frauen mit erhöhtem Rezidivrisiko eine ganz entscheidende therapeutische Option dar. Allerdings kann eine Therapieverlängerung von fünf auf zehn Jahre nur dann angestrebt werden, wenn die Nebenwirkungen unter der Antihormontherapie für die Patientin auch tolerabel sind. Seit letztem Jahr verfügen wir erstmals über eine Studie, die gezeigt hat, dass 15 Jahre einer Antihormontherapie 34 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor nochmals effektiver sind als zehn Jahre. Ab welcher Einnahmedauer die Antihormontherapie beendet werden kann, hängt also von diesen beiden entscheidenden Faktoren ab, nämlich dem Risiko der Patientin auf ein Rezidiv und der subjektiven Verträglichkeit der Antihormontherapie. Bei hohem Risiko und guter Verträglichkeit gilt die klare Aussage: Je länger, desto besser. Mia!: Sollten Betroffene Ihrer Meinung nach grundsätzlich versuchen, an einer Studie teilzunehmen? Oder würden Sie nur einer bestimmten Patientengruppe die Studienteilnahme empfehlen? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Die Teilnahme an einer Studie ist für die Patientin immer von Vorteil. Nur in einer Studie haben die Patientinnen die Möglichkeit, neue Medikamente zu erhalten, die noch nicht zugelassen sind, aber möglicherweise die Therapie des Mammakarzinoms weiter optimieren werden. Daher empfehlen wir den Patientinnen uneingeschränkt die Studienteilnahme. Alle Studien sind national und international von Ethik-Kommissionen überprüft worden, so dass keine Patientin Angst haben muss, durch die Teilnahme an einer randomisierten Studie einem Risiko ausgesetzt zu werden. Allerdings muss die Patientin es akzeptieren – genauso wie der behandelnde Arzt – dass sie keinen Einfluss darauf hat, welchem Studienarm sie zugeteilt wird. Manche Patientinnen empfinden es als problematisch, eine Therapie nach dem „Zufallsprinzip“ zu erhalten. Mia!: Was empfehlen Sie Patientinnen mit einem triple negativen Tumor? Mamma Prof. Dr. Volker Möbus: Das triple negative Mammakarzinom ist der einzige „Subtyp“, bei dem es keine Möglichkeiten einer zielgerichteten Therapie gibt. Patientinnen mit einem triple negativen Mammakarzinom sollten mit höchster Priorität eine neoadjuvante Chemotherapie vor der Operation erhalten. Wir wissen zum Beispiel aus Studien zur neoadjuvanten Chemotherapie, dass die Patientinnen, die hierdurch eine histopathologische Komplettremission erzielen, eine sehr gute Prognose haben, während der Nachweis von einem Resttumor in der Brust oder der Axilla prognostisch ungünstig ist. Die Chemotherapie muss über mindestens sechs bis acht Mamma Zyklen erfolgen, im Idealfall unter Studienbedingungen. Heutzutage wissen wir auch, dass die Hinzunahme eines vierten Medikamentes (Carboplatin) die Wahrscheinlichkeit einer Komplettremission nochmals erhöht. Auch so genannte dosisdichte Regime sind bei dem triple negativen Karzinom möglicherweise effektiver als eine konventionelle Chemotherapie. Auch verfügen wir heute über so genannte „postneoadjuvante Studien“ für die Patientinnen, die keine komplette Remission im Bereich der Brust und der Axilla haben. Dies wird die Therapie in der Zukunft weiter bereichern. Man muss zudem berücksichtigen, dass insbesondere junge Frauen mit einem triple negativen Mammakarzinom ein erhöhtes Risiko für eine Mutation der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 haben (Anmerkung der Redaktion: Weitere Informationen zum triple-negativen Brustkrebs finden sie im Beitrag „Triplenegativer Brustkrebs“ Seite 40). Mia! Primäre Situation die Untersuchung auf eine Mutation der Brustkrebsgene uneingeschränkt empfohlen werden (Anmerkung der Redaktion: Weitere Informationen zur genetischen Testung finden sie im Beitrag „Familiärer Brustkrebs“ auf Seite 44). a es Mamma Mia! : Wann sollten sich Frauen, bei denen möglicherweise ein erhöhtes familiäres Risiko vorliegt, mit dem Thema „Mutation“ und einer möglichen Genuntersuchung befassen? Prof. Dr. Volker Möbus: Ein beratendes Erstgespräch ist bei allen Frauen indiziert, welche anamnestisch die Risikokriterien des deutschen Konsortiums für familiären Brustund Eierstockkrebs erfüllen. Diese Risikokriterien sind im Internet nachzulesen. Eine belastende Familienanamnese liegt zum Beispiel vor, wenn mindestens zwei Frauen an Brustkrebs in einer Familie erkrankt sind, und eine der beiden Frauen bei Ersterkrankung 50 Jahre und jünger war oder in einer Familie eine Brust- und eine Eierstockkrebserkrankung vorliegt. Im genetischen Erstgespräch wird dann entschieden, ob eine Mutationsanalyse auf die Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 sinnvoll ist. Erst das Wissen um die Bedeutung und die Konsequenzen einer genetischen Testung auf das Vorliegen einer prädisponierenden Mutation sowie das Wissen um die verschiedenen präventiven Maßnahmen erlauben der Frau eine souveräne Entscheidung für oder gegen eine genetische Testung. Wie bereits angedeutet, haben Frauen mit einem triple negativen Karzinom und jünger als 40 Jahre ein deutlich erhöhtes Risiko, eine Mutation für BRCA1/2 und weitere Gene aufzuweisen. Diesen Frauen kann mit dem heutigen Wissen auch ohne Vorliegen einer familiären Belastung Kontakt Prof. Dr. med. Volker Möbus Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Klinikum Frankfurt Höchst Gotenstraße 6–8 65929 Frankfurt am Main-Höchst Tel.: +49 (0)69 3106-2339 Fax: +49 (0)69 3106-2555 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 35 4 Metastasierte Situation Mamma Mia! Metastasierte Situation Metastasierter Brustkrebs Aktuelle Behandlungsempfehlungen Eine Metastasierung ist das Schreckensszenario aller Brustkrebspatientinnen. Die Krankheit geht in ein chronisches Stadium über, eine Heilung ist meist nicht mehr möglich. Bei Brustkrebspatientinnen treten Metastasen – wenn überhaupt – am häufigsten an den Knochen (ossäre Metastasen, etwa 75 Prozent aller Metastasen) und an inneren Organen (viszerale Metastasen, davon Lunge 15 bis 20 Prozent und Leber 10 Prozent) auf. Obwohl Metastasen meist nicht geheilt werden können, gibt es Therapiemöglichkeiten, die Hoffnung machen. Mamma Mia! sprach mit dem gynäkologischen Onkologen Professor Dr. HansJoachim Lück aus Hannover über aktuelle Behandlungsmöglichkeiten und Therapieempfehlungen. Mia!: Herr Professor Lück, können Sie uns in etwa sagen, bei wie vielen Patientinnen es überhaupt zu einer Metastasierung kommt? In welchem Zeitraum nach Erstdiagnose treten Metastasen hauptsächlich auf? Gibt es Tumorarten, die häufiger metastasieren als andere? Mamma Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Das hängt nicht unmaßgeblich vom Stadium zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ab. Wir können davon ausgehen (es gibt kein zentrales Krebsregister), dass rund 20 Prozent der Frauen eine Metastasierung erfahren werden. Die Gruppe, die besonders häufig vertreten ist, sind die „triple negativen“ Karzinome. Die Situation für die HER/2-positiven Mammakarzinome hat sich seit der Einführung von Trastuzumab (Herceptin) erheblich verbessert. Wir wissen aber auch, dass ein hormonrezeptorpositives Karzinom noch nach vielen Jahren metastasieren kann. Diagnose voraus. Veränderungen von Essgewohnheiten oder Nahrungsunverträglichkeiten können ein Zeichen für einen Leberbefall sein. Plötzlich auftretende rasche Erschöpfung oder Atemnot können auf einen Lungenoder Rippenfellbefall hindeuten. Diese Symptome sind nicht beweisend, aber sie sollten Anlass für eine weiterführende Diagnostik sein. Mia!: Welche Therapieformen gibt es bei Knochen-, Leber-, Lungen- und Hirnmetastasen? Mamma Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Da es sich beim metastasierten Karzinom um eine systemische (den ganzen Körper betreffende) Erkrankung handelt, steht die systemische Therapie im Vordergrund. Diese richtet sich im Wesentlichen nach der Dringlichkeit des Wirkungseintrittes (Ausmaß der Beschwerden), der Lokalisation der Metastasen und der Anzahl der Metastasen (Einzelherd oder viele in einem Organ). Neben den systemischen Therapien (Antihormontherapie, Chemotherapie, Immuntherapie) stehen noch die Strahlentherapie und auch die Operation als Option zur Verfügung. Mamma Mia! : Sind Knochenmetastasen generell besser heilbar als andere Metastasen? Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Nein, aber Knochenmetastasen sind zunächst einmal nicht lebensbedrohlich. Mamma Mia!: Ist es sinnvoll, bei einer Metastasierung erneut den Hormonstatus zu bestimmen? Wenn ja, wie wird er bestimmt? Werden Gewebeproben aus den Metastasen genommen? Gibt es andere Möglichkeiten? Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Die häufigste Metastasenlokalisation sind die Knochen. Bei Knochenmetastasen geht eine Schmerzsymptomatik häufig viele Monate der Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Grundsätzlich ist es sinnvoll, den Rezeptorstatus an der Metastase zu bestimmen, da wir inzwischen wissen, dass es bei den Hormonrezeptoren in bis zu 40 Prozent der Fälle zu Veränderungen kommen Mia!: Auf welche Symptome müssen Patientinnen bei der symptomorientierten Nachsorge achten? Mamma www.mammamia-online.de 37 Mamma Mia! Metastasierte Situation kann. Beim HER2-Rezeptor ist der Veränderungsgrad geringer, aber immer noch vorhanden. Die Gewebeproben sollten aus den am leichtesten zugänglichen Metastasen gewonnen werden. Auch Gewebeentnahmen aus dem Knochen sind möglich, diese benötigen eine spezielle Aufarbeitung, damit die Rezeptoren bestimmt werden können. Mamma Mia! : Wie hoch ist die Chance auf komplette Heilung durch Chemo- und beziehungsweise oder Antihormontherapie? Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: In der metastasierten Situation kann nicht von Heilung gesprochen werden. Es gibt allerdings Patientinnen, die sehr lange auf eine Therapie ansprechen. Mit „lange“ meine ich viele Jahre. Wir haben zum Beispiel Patientinnen mit HER/2-positivem Mammakarzinom, die mehr als zwölf Jahre unter Therapie sind Metastasen lokalisieren Gehirn und kein erneutes Wachstum des Tumors gezeigt haben. Wir haben Frauen mit Knochenmetastasen, welche ebenfalls mehr als zehn Jahre bei guter Lebensqualität behandelt werden. Mia!: Werden Metastasen häufig von Schmerzen begleitet? Was können Patientinnen gegen Schmerzen tun? Mamma Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Die unterschiedlichsten Metastasenlokalisationen können zu Schmerzen führen. Am häufigsten sind sicher die Schmerzen, die durch Knochenmetastasen hervorgerufen werden. Aber auch Lymphknotenmetastasen können Schmerzen verursachen, wenn sie das umgebende Gewebe durch ihre Größenzunahme unter Spannung setzen oder direkt auf einen Nerv drücken. Lebermetastasen verursachen dann Schmerzen, wenn sie das die Leber überziehende Bauchfell beeinträchtigen. Da es ganz unterschiedliche Schmerzen sind, die durch Metastasen verursacht werden, sollte versucht werden, die optimalen Schmerzmedikamente einzusetzen. Zum Beispiel sind bei Knochenmetastasen nicht-steroidale Antiphlogistika häufig besser wirksam als Metamizol (Novalgin). Bewährt hat sich, frühzeitig und systematisch eine Schmerztherapie einzuleiten. Auch sollten keine Ängste vor Morphinen bestehen. Mia!: Antikörper und kleine Moleküle sind derzeit im Fokus der Forschung. Können Sie uns einen kurzen Überblick über neue Entwicklungen geben? Mamma Lymphknoten oberhalb des Schlüsselbeins Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: Das stimmt. Antikörper sind aus meiner Sicht dabei von besonderem Interesse. Sie haben im Allgemeinen eine sehr spezifische Wirkung, und die Nebenwirkungen sind überschaubar. Insbesondere haben sich mit den Antikörpern in den letzten Jahren neue Optionen entwickelt. Zum einen konnte gezeigt werden, dass die Kombination von Antikörpern zu einer Verbesserung der Gesamtaktivität Lunge, Rippenfell Leber Haut Knochen Becken Wirbelsäule 38 Mamma Mia! Rippen Schädel Tumor ist nicht gleich Tumor Mamma führt beziehungsweise Unwirksamkeiten aufgehoben werden können (Beispiel: Trastuzumab-Pertuzumab). Zum anderen können Antikörper als Transporter für eine Chemotherapie benutzt werden. Dabei wird der Antikörper, der an die Tumorzelle gebunden hat, von dieser aufgenommen. Bei dieser Aufnahme wird ein Zytostatikum, welches an den Antikörper gebunden ist, ebenfalls aufgenommen und in der Zelle freigesetzt. Die vom Zytostatikum verursachten Nebenwirkungen sind sehr gering, da von der Substanz nichts in der Blutbahn ist. Kleine biologisch aktive Substanzen können ebenfalls zu einer Verbesserung der Gesamtwirkung beitragen. Hierfür gab es auf dem San Antonio Breast Cancer Symposium interessante Beispiele, allerding in der primären Behandlungssituation. Die Kombination von Trastuzumab mit dem Tyrosinkinasehemmer Lapatinib beispielsweise konnte die Effektivität einer Chemotherapie mit Trastuzumab deutlich steigern. Die Tyrosinkinasen der heutigen Generation sind im Allgemeinen multifaktoriell, das heißt sie blockieren mehrere Rezeptoren. In der Summe sind allerdings die Ergebnisse bescheiden. Insbesondere deshalb, weil diese Substanzen erhebliche Nebenwirkungen verursachen (Haut, Darm). In den letzten Jahren sind weitere Behandlungsoptionen für das hormonrezeptorpositive, metastasierte Mammakarzinom hinzugekommen. Das sind der mTor-Inhibitor Everolimus (Afinitor) sowie die CDK4/6-Inhibitoren (Palbociclib, Ribociclib). Durch die Kombination dieser Substanzen mit einer antiöstrogenen Therapie kann deren Wirkung deutlich verbessert werden. Diese Verbesserung ist sowohl in der Erstlinie als auch in der Zweit- oder Drittlinie nachweisbar. Als erste Substanz wurde Palbociclib zugelassen. Mia!: Können Sie uns etwas über den Wirkmechanismus der CDK4/6-Inhibitoren sagen? Für welche Patientinnen kommen diese Medikamente in Frage? Mia! Metastasierte Situation diese gehemmt kommt der Zellzyklus zum Stehen, das Wachstum des Tumors stagniert. Das Wirkprinzip bedingt auch die Hauptnebenwirkung, die Leukopenie/Neutropenie, also die Verringerung der weißen Blutkörperchen (ähnlich wie bei einer Chemotherapie). Allerdings ist der Anteil an Frauen, der eine febrile Neutropenie entwickelt hat, in den bisherigen Studien gering. Auch die zweite Substanz dieser Klasse, das Ribociclib, unterscheidet sich nicht vom Palbociclib. Diese Therapie ist geeignet für Frauen mit einem metastasierten, hormonrezeptorpositiven Brustkrebs. Sie können in der Erstlinie (in Kombination mit Letrozol) und in der Zweit- oder Drittlinie (in Kombination mit Fulvestrant) eingesetzt werden. Mamma Mia! : Sie erwähnten den Antikörper Pertuzumab. Können Sie uns etwas über dessen Wirkmechanismus sagen? Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: HER2-Rezeptoren werden durch eine Dimerisierung aktiviert. Unter Dimerisierung verstehen wir, dass sich der HER2-Rezeptor mit anderen Mitgliedern der HER-Rezeptor-Familie verbindet. Dieser Dimerisierungsvorgang wird durch Pertuzumab blockiert. Somit kann der HER2-Rezeptor auch nicht aktiviert werden, so dass beispielsweise seine Stimulation des Tumorwachstums unterbleibt. a es Mamma Kontakt Prof. Dr. Hans-Joachim Lück: CDK4/6-Hemmer sind Substanzen, welche zu einer Hemmung des Zellzyklus führen. Es besteht beim hormonrezeptorpositiven Mammakarzinom ein besonders enger Zusammenhang zwischen den Cyclinkinasen und der Regulation des Zellzyklus. Werden Prof. Dr. med. H.-J. Lück Gynäkologische-onkologische Praxis Pelikanplatz 33 30177 Hannover Tel.: +49 (0)511 6555-280 Fax: +49 (0)511 6555-2816 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 39 5 Triple negativer Brustkrebs Mamma Mia! Triple negativer Brustkrebs Das triple negative Mammakarzinom Eigenschaften und Therapiemöglichkeiten Patientinnen mit triple negativem, also dreifach negativem Brustkrebs stellen etwa 15 Prozent aller Brustkrebsfälle dar. Charakteristisch für diese Tumorart ist, dass sowohl Östrogen- als auch Progesteron- sowie HER2/neu-Rezeptoren fehlen. Das macht die Behandlung dieser eher aggressiven Erkrankung sehr schwierig, weil viele bisher zugelassene, zielgerichtete Therapien nicht angewandt werden können. Als einzige systemische Therapieform bleibt die Chemotherapie, deren Nutzen ebenfalls begrenzt ist. Beim fortgeschrittenen/metastasierten Brustkrebs wird zudem der Blutgefäßbildungshemmer Bevacizumab eingesetzt. Mamma Mia! sprach mit PD Dr. Cornelia Liedtke vom Universitätsklinikum Lübeck über Chancen und Hoffnungen in der Behandlung des triple negativen Brustkrebses. Mamma Mia!: Frau Dr. Liedtke, was ist typisch für triple negative Tumoren? Ist es richtig, dass diese Tumorart sehr aggressiv ist? PD Dr. Cornelia Liedtke: Ja, das ist generell richtig. Es besteht bei dieser Erkrankung eine höhere Rezidivwahrscheinlichkeit als bei anderen Tumorarten – und wenn Rezidive auftreten, so werden sie in der Regel schon nach kurzer Zeit diagnostiziert. Auch ein Fortschreiten der Krankheit in Form von Metastasen, insbesondere an inneren Organen, ist häufiger als bei anderen Tumoren. Somit haben diese Patienten im Vergleich zu anderen Betroffenen eine eher schlechtere Prognose. Patientinnen vor der Operation mit Chemotherapie behandelt worden sind, wissen wir, dass Patientinnen mit triple negativem Brustkrebs eine höhere Ansprechwahrscheinlichkeit gegenüber Chemotherapie haben. Die so genannte pathologische Komplettremissionsrate, das heißt der Anteil an Patientinnen, bei denen sich zum Zeitpunkt der Operation keine bösartigen Zellen in der Brust mehr nachweisen lassen, ist bei triple negativem Brustkrebs gegenüber anderen Brustkrebsarten am höchsten. Mamma Mia! : Umso wichtiger ist ja, dass die Betroffenen richtig behandelt werden. Welche Behandlungsstrategien stehen derzeit zur Verfügung? PD Dr. Cornelia Liedtke: Zurzeit bleibt die Chemotherapie die wichtigste etablierte Therapieoption für Patientinnen mit triple negativem Brustkrebs. In verschiedenen Studien wird derzeit untersucht, ob bei diesen Patientinnen andere Chemotherapie-Kombinationen eingesetzt werden sollten als bei anderen Brustkrebsarten. Eine Substanzgruppe, die bei triple negativem Brustkrebs besonders wirksam zu sein scheint, sind so genannte platinhaltige Chemotherapeutika in Ergänzung zu der sonst standardmäßig eingesetzten Kombination aus Taxanen und Anthrazyklinen. Daher werden platinhaltige Chemotherapien bei vielen Patientinnen mit triple negativem Mammakarzinom eingesetzt. Mia!: Haben denn alle Patientinnen mit triple negativem Brustkrebs eine schlechte Prognose? Mamma Mia! : Gibt es für Patientinnen mit triple negativem Mammakarzinom denn keine zielgerichteten Therapieansätze? PD Dr. Cornelia Liedtke: Nein, nicht alle haben eine gleichermaßen schlechte Prognose. Aus Studien, in denen PD Dr. Cornelia Liedtke: Antihormonelle oder gegen HER2gerichtete Wirkstoffe können bei diesem Tumortyp nicht Mamma www.mammamia-online.de 41 Mamma Mia! Triple negativer Brustkrebs eingesetzt werden. Neben der Chemotherapie besteht die Möglichkeit einer Behandlung mit dem antiangiogenetischen Wirkstoff Bevacizumab (Handelsname Avastin). In verschiedenen internationalen Studien konnte gezeigt werden, dass Bevacizumab auch bei triple negativen Tumoren wirksam ist. Dieser Wirkstoff wird im Rahmen von Studien auch präoperativ beziehungsweise adjuvant eingesetzt. Bevacizumab ist jedoch keine speziell auf den triple negativen Brustkrebssubtyp ausgerichtet Substanz. Vielmehr hemmt Bevacizumab generell die Bildung von Blutgefäßen – und das eben auch bei dieser Tumorart. Darüber hinaus werden verschiedene neue Behandlungsansätze derzeit in klinischen Studien untersucht. Mamma Mia!:Welche Ansätze sind das? PD Dr. Cornelia Liedtke: Einerseits sind dies Hemmstoffe der so genannten PARP-(Poly-ADP-Ribose-Polymerase). Diese werden insbesondere bei Patientinnen mit einer 42 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor BRCA1- oder BRCA2-Mutation untersucht, also bei Frauen mit einer erblichen Brustkrebsvariante. Es ist bekannt, dass diese Tumoren einen defekten DNA-Reparaturmechanismus haben. Die PARP-Hemmer setzen einen weiteren Reparaturmechanismus außer Kraft: Sie hemmen das PARP-Enzym, das normalerweise den oben beschriebenen Defekt ausgleichen kann. Die Krebszellen werden durch die Störung ihrer DNA-Reparaturmechanismen abgetötet, gesunde Zellen werden hingegen nicht beeinträchtigt. Deshalb treten auch relativ wenige Nebenwirkungen auf. Da ein enger Zusammenhang zwischen erblichem Brustkrebs und dem triple negativen Brustkrebs besteht (triple negativer Brustkrebs ist bei Patientinnen mit erblichem Brustkrebs sehr viel häufiger), hoffen wir, dass PARP-Hemmer auch bei triple negativen, nicht-erblichen Brustkrebserkrankungen wirksam sein können. Erste Studienergebnisse stützen dies. Es werden jedoch weitere Untersuchungen abgeschlossen werden müssen, ehe die Frage danach, ob und bei welchen Patientinnen Mamma Mia! Triple negativer Brustkrebs mit triple negativem Mammakarzinom PARP-Inhibitoren eingesetzt werden können, zweifelsfrei beantwortet werden kann. nahme erhält, sollte ihr hierzu dringend geraten werden. Mamma Mia! : Darüber hinaus werden bei vielen Tumoren PD Dr. Cornelia Liedtke: Bei einer kleinen Gruppe triple negativer Mammakarzinome kann einer Überexpression des Androgenrezeptors nachgewiesen werden, das heißt des Rezeptors für männliche Hormone, welche auch bei Frauen in geringer Menge vorhanden sind. Diese Tumoren haben zwar unter den triple negativen Mammakarzinomen eine relativ günstige Prognose – dennoch können auch bei dieser Subgruppe Rückfälle auftreten. Hier wird derzeit der Einsatz antiandrogener Therapien diskutiert, also Therapien, bei denen die Wirkung der männlichen Hormone bei der Frau unterdrückt wird. Auch dies sollte aber bislang nur in klinischen Studien untersucht werden. derzeit Hoffnungen auf so genannte „Immuntherapien“ gesetzt – trifft dies auch für Patientinnen mit triple negativem Mammakarzinom zu? PD Dr. Cornelia Liedtke: Immuntherapien sind gerade beim triple negativen Mammakarzinom von besonderem Interesse – einerseits aufgrund weniger Therapiealternativen, andererseits aufgrund der Tatsache, dass diese Tumoren im Vergleich zu anderen Mammakarzinomen vermehrt DNA-Mutationen (Schänden in der Erbsubstanz) zeigen. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Wirksamkeit von Immuntherapien von der Menge an Mutationen in der Zelle abhängt. Mamma Mia!: Immuntherapien? Und wie funktionieren diese PD Dr. Cornelia Liedtke: Es wird davon ausgegangen, dass Tumorzellen und Immunzellen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren besitzen, die nach dem Schlüsselloch-SchlossPrinzip verhindern, dass eine Tumorzelle mit vielen DNA-Mutationen vom Körper abgestoßen und abgetötet werden kann. Eines dieser Systeme ist die Verbindung von PD-1 und PD-L1. Durch eine Hemmung von PD-L1 und/ oder PD-1 wird dieser Erkennungsmechanismus unterbrochen, die Tumorzelle vom Immunsystem als körperfremd angesehen (das heißt demaskiert) und abgetötet. Dass dieses Prinzip funktioniert, haben wir bei anderen Tumorerkrankungen (zum Beispiel beim schwarzen Hautkrebs (malignen Melanom)) gesehen. Der Nachweis, dass dies auch beim triple negativen Mammakarzinom funktioniert, steht zwar noch aus, erste Studiendaten lassen aber hoffen, dass dies sehr gut möglich ist. Mia!: Und können diese neuen Substanzen schon für Patientinnen rezeptiert werden? Mamma PD Dr. Cornelia Liedtke: Nein, bislang sind diese Substanzen nur im Rahmen klinischer Studien verfügbar. Für den Fall, dass eine Patientin die Möglichkeit zur Studienteil- Mamma Mamma Mia!: Und gibt es sonst noch andere Ideen? Mia!: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft? PD Dr. Cornelia Liedtke: Nun, zunächst hoffe ich, dass die Prognose von Patientinnen mit einem triple negativen Tumor durch den Einsatz maßgeschneiderter Chemotherapien sowie auch neuer Wirkstoffe generell verbessert werden kann. Darüber hinaus hoffe ich, dass es uns gelingt, Prognosefaktoren und Ansprechparameter (so genannte „Prädiktivfaktoren“) zu definieren, die es uns ermöglichen, das derzeit verfügbare therapeutische Repertoire möglichst individuell, das heißt den Bedürfnissen der Patientin beziehungsweise den Eigenschaften ihrer Tumorerkrankung entsprechend, einzusetzen. a es Kontakt PD Dr. Cornelia Liedtke Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie) Ratzeburger Allee 160, Haus 12 23538 Lübeck E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 43 6 Familiärer Brustkrebs Mamma Mia! Familiärer Brustkrebs Genetischer Brustkrebs Diagnose, Behandlung und Prophylaxe Brustkrebs kann genetisch sein. Fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebsfälle werden auf eine Mutation in Hochrisikogenen zurückgeführt. Von so genannten „Krebsfamilien“ ist die Rede. Das sind Familien, in denen immer wieder Krebserkrankungen auftreten. Meist handelt es sich um Brust- oder Eierstockkrebs, es gibt jedoch auch eine genetische Veranlagung für Darm- oder andere Krebsarten. Fragen zum Thema beantworten Frau Prof. Dr. Rita Schmutzler und Frau PD Dr. Kerstin Rhiem vom Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln. Welche Gene sind für Brustkrebs verantwortlich? Es handelt sich hauptsächlich um die beiden Gene BRCA1 und BRCA2. BRCA kommt von Breast Cancer (Brustkrebs). Das erhöhte Erkrankungsrisiko resultiert dabei nicht aus dem Vorhandensein dieser Gene. Sie sind bei jedem Menschen als Reparatur-Gene vorhanden und leisten während des ganzen Lebens wichtige Arbeit. Das Risiko ist vielmehr auf ihre Fehlerhaftigkeit, eine so genannte Mutation, zurückzuführen. Mutationen in den Genen führen zum Funktionsausfall und können so die Entstehung von Krebs begünstigen. Bis vor kurzem waren lediglich die Gene BRCA1 und BRCA2 bekannt. 2010 wurde dann RAD 51C, ein drittes Risikogen, durch das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs identifiziert. Mittlerweile sind weitere Risikogene entdeckt, die mittels so genannter Genpanel-Analysen (TruRisk® Panel des Deutschen Konsortiums) untersucht werden. Dabei handelt es sich vermutlich um Gene mit geringerer Bedeutung für den Erhalt der normalen Zellfunktion. Deren Mutationen wirken somit weniger aggressiv (moderate Risikogene). Wie unterscheiden sich die BRCA1-, BRCA2- und andere Genmutationen? Sie unterscheiden sich in verschiedenen Punkten. Tumo- ren von BRCA1-Mutationsträgerinnen haben ein typisches feingewebliches Aussehen, sodass häufig schon der Pathologe auf eine Erblichkeit des Tumors schließen kann. Der Tumor ist überwiegend triple negativ (Östrogen- und Progesteronrezeptoren sowie HER2/neu-negativ) und entdifferenziert (Grading 3). Häufig sind diese Tumoren sowohl in der Bildgebung (zum Beispiel Ultraschall, Mammographie) als auch in der Histopathologie glatt begrenzt, was zu einer Fehldiagnose als gutartige Veränderung führen kann. Das lebenslange Brustkrebsrisiko einer Mutationsträgerin ist deutlich höher (etwa 60 von 100 Frauen) als das einer Frau ohne eine genetische Belastung (etwa 10 von 100 Frauen). Die Frauen erkranken meist schon jung und haben auch ein erhöhtes lebenslanges Eierstockkrebsrisiko (30 bis 40 Prozent). Die BRCA2- und RAD 51C-Tumoren sind häufiger hormonrezeptorpositiv und zeigen ein niedriges Grading (G2). Das Risiko, an Eierstockkrebs zu erkranken, liegt lebenslang bei ungefähr 20 Prozent. Bei welchen Frauen liegt die Vermutung nahe, dass die Erkrankung möglicherweise durch eine Genmutation begünstigt wurde? In der Regel finden sich in Familien, in denen eine Genmutation besteht, mehrere Fälle von Brust- oder Eierstockkrebs. Das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs hat so genannte Einschlusskriterien festgelegt. Wenn einer dieser Punkte zutrifft, bieten wir eine genetische Testung an, da wir eine Genmutation vermuten. Bei den Kriterien handelt es sich um folgende Punkte: Unter Verwandten in einer Linie der Familie (väterlich oder mütterlich) liegt eine der folgenden Konstellationen vor: a drei Frauen mit Brustkrebs, unabhängig vom Alter a zwei Frauen mit Brustkrebs, davon eine Erkrankung vor dem 51. Lebensjahr www.mammamia-online.de 45 Mamma Mia! Familiärer Brustkrebs a eine Frau mit Brustkrebs und eine Frau mit Eierstockkrebs a zwei Frauen mit Eierstockkrebs a ein Mann mit Brustkrebs und eine Frau mit Brustoder Eierstockkrebs a eine Frau mit Brustkrebs vor dem 36. Geburtstag a eine Frau mit bilateralem Brustkrebs, wobei die Ersterkrankung vor dem 51. Geburtstag war a eine Frau mit Brust- und Eierstockkrebs eine Entlastung gegeben. Dies ist nun anders. Wenn noch Normalgewebe aus einer vorangegangenen Operation vorliegt, das üblicherweise zehn Jahre aufbewahrt wird, kann mit den neuen Methoden auch hier eine Analyse mit dem TruRisk-Genpanel® durchgeführt werden. Neu hinzugekommen sind zwei Einschlusskriterien aus aktuellen wissenschaftlichen Projekten des Deutschen Konsortiums (zum Beispiel AGO-Studiengruppe), bei denen sich unabhängig von der Familiengeschichte, allein aufgrund des individuellen Tumortyps eine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer BRCA1- beziehungsweise BRCA2-Mutation ergibt. Diesen Frauen wird bei folgender Konstellation an den 17 Konsortialzentren eine Testung angeboten: a eine Frau, die bis zum 50. Geburtstag an triple negativem Brustkrebs erkrankt ist a eine Frau, die bis zum 80. Geburtstag an Eierstockkrebs erkrankt ist Zunächst führen wir ein ausführliches Beratungsgespräch. Dabei handelt es sich keineswegs um eine direktive Beratung, die zu einem Gentest drängt. Vielmehr klären wir umfassend auf. Die Entscheidung, ob ein Gentest durchgeführt wird oder nicht, liegt allein bei der Betroffenen. Auf Wunsch führen wir dann den Test anhand einer Blutprobe durch und besprechen, sobald das Ergebnis vorliegt, die weitere Vorgehensweise. Bei Entscheidungsschwierigkeiten bieten wir auch eine begleitende psychologische Beratung an. Wenn möglich, suchen wir in den belasteten Familien zunächst immer eine „Indexpatientin“, also eine erkrankte Person. Denn bei einer nicht erkrankten Person aus einer Familie mit einem erhöhten Krebsvorkommen besteht ja nach den Erbregeln zu 50 Prozent die Möglichkeit, dass sie die Genmutation der Familie nicht geerbt hat. Der primäre Ausschluss einer Mutation bei einer Gesunden würde also keine Entlastung bedeuten. Finden wir hingegen eine Mutation bei einer Erkrankten und können diese Mutation bei einer Gesunden aus dieser Familie ausschließen, dann können wir diese Frauen im Falle von BRCA1/2 beruhigen. Sie haben dann kein erhöhtes Risiko mehr. Für die moderaten Risikogene kann derzeit nur bei auch rechnerisch geringem Erkrankungsrisiko eine Entlastung ausgesprochen werden. Ist das individuelle rechnerische Risiko einer Frau ohne Mutation in einer Familie mit Nachweis einer Mutation in einem moderaten Risikogen erhöht, wird ihr die Aufnahme in die intensivierte Brustkrebsfrüherkennung angeboten. Sollten die „Indexpatientinnen“ jedoch verstorben sein, hat sich bisher keine Möglichkeit einer Testung mit Option auf 46 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Wenn nun eine Familienangehörige zu Ihnen kommt, die Einschlusskriterien gegeben sind und sie ins Programm aufgenommen wird, was geschieht dann? Können sich auch Männer testen lassen? Selbstverständlich können sich auch Männer testen lassen. Die Wahrscheinlichkeit der Vererbung ist geschlechtsunabhängig. Sie haben allerdings ein im Vergleich zu den Mutationsträgerinnen deutlich niedrigeres Erkrankungsrisiko. Häufig liegt hier der Grund für den Test darin, dass sie Kinder haben. Werden die Kosten des Tests von den Krankenkassen übernommen? In der Regel ja. Wir haben Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen geschlossen, wonach eine Kostenübernahme garantiert ist. Privat Versicherte müssen die Kostenübernahme im Voraus mit ihrer Kasse abklären. Während die gesetzlichen Kassen auch für Präventionsleistungen aufkommen, erklären sich private Kassen nicht immer für Präventionsmaßnahmen, worunter dieser Test fällt, zuständig. Wo sollten sich möglicherweise betroffene Frauen und Männer testen lassen – in universitären Zentren oder in privaten Laboren? Mamma Das Problem bei den privaten Laboren ist, dass über den Test hinaus nicht viel geschieht. Wir arbeiten hier in den universitären Zentren interdisziplinär. So befunden immer sowohl Humangenetiker als auch Gynäkologen, die die nächsten Präventions- beziehungsweise Therapieschritte mit der Patientin besprechen, das Testergebnis gemeinsam. Wie bereits erwähnt, wird dieser Prozess psychologisch begleitet. Dazu kommt, dass wir sehr viel Erfahrung mit der Einordnung von genetischen Veränderungen in den untersuchten Genen haben. Immerhin 30 Prozent der gefundenen Mutationen, insbesondere in den neuen Risikogenen, können bisher noch nicht eindeutig auf ihre Mia! Familiärer Brustkrebs krankheitsauslösende Wirkung kategorisiert werden. Das ist natürlich eine schwierige Situation. Daher haben wir im Konsortium eine „Task Force“ gegründet, die sich mit dieser Kategorisierung befasst. Dafür haben wir mehrere Tausend Genbefunde in einer großen nationalen Datenbank dokumentiert und kooperieren eng mit hochrangigen Wissenschaftlern im Ausland. Selbstverständlich wird hier auch der Datenschutz gewährleistet, da die Dokumentation pseudonymisiert erfolgt. Eine Zuordnung der Mutation zu der betreffenden Person ist also nur über das behandelnde Zentrum möglich. Wir haben in den Zentren ein so genanntes „Recall-System“ entwickelt. Alle sechs Monate werden www.mammamia-online.de 47 Mamma Mia! Familiärer Brustkrebs unklare genetische Varianten erneut durch unsere Experten überprüft. Wenn eine eindeutige Klassifizierung möglich ist, werden die Betroffenen umgehend eingeladen, in einem Beratungsgespräch dieses Ergebnis zu erfahren und die möglichen therapeutischen beziehungsweise präventiven Optionen zu diskutieren.. Um den betroffenen Familien einen leichten Zugang zu einer Gentestung zu verschaffen, haben wir mit zertifizierten Brustzentren Kooperationsverträge geschlossen. Die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen sind speziell von uns geschult, die Aufklärung und Beratung rund um den Gentest durchzuführen. Die Gentestung und Bewertung der Ergebnisse nebst klinischen Empfehlungen erfolgt in den Konsortialzentren. Aus Angst vor einer schlechten Nachricht verzichten viele Frauen auf den Gentest. Vergeben sie dadurch nicht die wichtige Chance einer prophylaktischen Behandlung? Wir finden den Gentest sinnvoll, weil es heutzutage viele Möglichkeiten gibt, das Krebsrisiko trotz Vorhandensein einer Genmutation zu reduzieren. Zum einen können wir Betroffene engmaschiger kontrollieren. Zum anderen gibt es auch operative Maßnahmen zur Risikoreduktion. Wenn eine Frau aus einer belasteten Familie kommt, kann die Aussicht auf eine Entlastung bei prädiktiv negativem Gentest oder eine risikoreduzierende Maßnahme eine Chance darstellen. Operative Maßnahmen, das klingt nach sehr rabiaten Eingriffen – insbesondere bei jungen Frauen, deren Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist … Die Entscheidung für solche Eingriffe ist sicherlich nicht einfach. Sie sollten daher nur nach intensiver Beratung und reiflicher Überlegung durchgeführt werden. Bei jungen Frauen mit Kinderwunsch versuchen wir, das individuelle Risiko aufgrund der Familienanamnese zu bestimmen. So sind beispielsweise Erkrankungsalter und Erkrankungsverlauf bei Mitgliedern oft ähnlich. Für Frauen, die bereits an Brustkrebs erkrankt sind, besteht auch ein erhöhtes Zweiterkrankungsrisiko der anderen Brust oder der Eierstöcke. In einer aktuellen Untersuchung des Konsortiums konnten wir als Erste weltweit zeigen, dass das Zweiterkrankungsrisiko wesentlich durch das betroffene Gen und das Alter bei Ersterkrankung bestimmt 48 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor wird. So hat zum Beispiel eine Brustkrebspatientin mit einer BRCA1-Mutation, die erstmals vor dem 40. Lebensjahr erkrankte, eine 50-prozentige Wiedererkrankungswahrscheinlichkeit in den kommenden 25 Jahren, während eine BRCA2-Mutationsträgerin, die nach dem 50. Lebensjahr erkrankte, nur ein etwa 15-prozentiges Rückfallrisiko in diesem Zeitraum hat. Entfernung der Eierstöcke – bedeutet das verfrühte Wechseljahre? Nicht wirklich. Wir wissen heute, dass wir den Frauen eine niedrig dosierte Hormonersatztherapie geben können, ohne das Erkrankungsrisiko wieder zu erhöhen. Denn die von uns empfohlene Dosis liegt weit unter der im Körper produzierten Menge. Ist die Gebärmutter vorhanden, gibt man Östrogen und Gestagen, wenn nicht, dann reichen Östrogene aus. Sie sprachen von prophylaktischer Entfernung des Brustdrüsengewebes. Welche Möglichkeit einer Brustrekonstruktion gibt es in diesem Fall? Der Brustdrüsenkörper kann zum einen durch ein Silikonimplantat ersetzt werden, zum anderen ist aber auch eine Rekonstruktion aus Eigengewebe möglich. Jede Technik hat Vor- und Nachteile, die individuell besprochen werden müssen. Wir besprechen mit der Patientin alle Möglichkeiten und empfehlen dann einen Arzt, der bei der gewünschten Technik erfahren ist. Dabei arbeiten wir mit Operateuren aus ganz Deutschland zusammen. Die Kostenübernahme muss im Voraus mit der Kasse abgeklärt werden. Bisher hatten wir allerdings kaum Probleme. Etwas unklar ist, ob die Brustwarze mit entfernt werden sollte. Es werden derzeit Operationsmethoden entwickelt, die das Drüsengewebe so weit aus der Mamille entfernen können, dass sie erhalten bleiben könnte. Gibt es bezüglich der Behandlung von Frauen mit Brustkrebs Besonderheiten, wenn eine Genmutation vorliegt? Welche Therapien machen Sinn? Die Behandlung des familiären Brustkrebses ist Gegenstand derzeitiger und sicher weiterer zukünftiger Forschungsprojekte. Laboruntersuchungen und erste klinische Erfahrun- Mamma gen deuten darauf hin, dass solche Chemotherapien am besten wirken, die das Erbgut der Zelle direkt angreifen. So haben bei einer Genmutation beispielsweise Platinderivate Wirkung gezeigt, die bei sporadischem Brustkrebs nur im metastasierten Stadium eingesetzt werden. Taxane hingegen, die die Zellteilung stören und auf die die sporadische Erkrankung in der Regel gut anspricht, zeigen bei Patientinnen mit einer Mutation weniger Wirkung. Anthrazykline wiederum scheinen bei beiden Arten des Brustkrebses zu wirken. Es erfordert aber noch weitere klinische Untersuchungen, um diese Aussagen zu untermauern und möglichst optimale Behandlungskonzepte für die Mutationsträgerinnen zu entwickeln. Ein anderer Ansatz ist die Entwicklung einer spezifischen Therapie gegen das genetisch bedingte Mamma- beziehungsweise Ovarialkarzinom, indem deren besondere Eigenschaften als therapeutischer „Angriffspunkt“ genutzt werden. Die so genannten PARP-Inhibitoren stellen einen wichtigen Schritt in diese Richtung dar. Sie blockieren zusätzlich zu dem durch den BRCA1- oder BRCA2-Gendefekt gehemmten DNA-Reparaturmechanismus den Ablauf eines weiteren Reparaturmechanismus in den Tumorzellen. Dadurch können Schädigungen des Erbgutes nicht mehr repariert werden, und es kommt zum Zelltod. Die PARP-Inhibitoren schädigen kaum gesunde Zellen, haben daher wesentlich weniger Nebenwirkungen als die klassische Chemotherapie. Für das platin-sensitive high grade seröse Ovarialkarzinomrezidiv bei BRCA-Mutationsträgerinnen ist dieses Medikament bereits zugelassen. Für Brustkrebspatientinnen mit einer BRCA-Mutation wird es derzeit in vielen Studien auf seine Wirksamkeit hin überprüft. Wäre es nicht auch denkbar, dieses Medikament in der Prophylaxe einzusetzen? Zwar liegen uns noch keine Daten vor, es ist aber durchaus denkbar. Möglicherweise könnten mit diesem Medikament zukünftig Mikrotumoren ausgemerzt werden. Dazu sind aber noch umfangreiche klinische Studien erforderlich, die sicherstellen müssen, dass das Medikament bei gesunden Mutationsträgerinnen auch langfristig keine ungünstigen Wirkungen hat. Das „Designer-Baby“ aus England ging vor einiger Zeit durch die Presse: Mittels einer Präimplantationsdiagnos- Mia! Familiärer Brustkrebs tik wurde einer Frau eine befruchtete Eizelle eingesetzt, bei der eine Mutation im BRCA1-Gen im Voraus ausgeschlossen wurde. Von elf befruchteten Eizellen waren fünf mutationsfrei. Davon wurden der Frau zwei in die Gebärmutter verpflanzt, wobei sich nur eins einnistete. Wie ist Ihre persönliche Meinung zu solchen „Designer-Babies“? Auch ein Baby mit einer ererbten BRCA-Mutation ist ein gesundes Baby. Die Erkrankung tritt erst im Erwachsenenalter auf, wobei bis 40 Prozent der Mutationsträgerinnen nie an Brust- oder Eierstockkrebs erkranken. Wer eine gewisse Lebenserfahrung und vielleicht Kinder hat, der weiß, dass das Leben viele solcher Risiken birgt und sich weder das Schicksal noch das Lebensglück durch solche Ein- oder Vorgriffe steuern lassen. Wir tun in unserem beruflichen Leben alles dafür, den betroffenen Frauen zu helfen, die Erkrankung zu vermeiden beziehungsweise zu besiegen. Aber jedes einzelne dieser Leben ist es wert, gelebt zu werden. a es Kontakt Prof. Dr. Rita Schmutzler Direktorin Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs Universitätsklinikum Köln Kerpener Straße 34 50931 Köln Tel.: +49 (0)221 478-86509 Fax: +49 (0)221 478-86510 E-Mail: [email protected] PD Dr. med. Kerstin Rhiem Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs Universitätsklinikum Köln Kerpener Straße 34 50931 Köln Tel.: +49 (0)221 478-86509 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 49 7 Brustkrebs bei der jungen Frau Mamma Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau Brustkrebs bei der jungen Frau Besonderheiten und Therapieoptionen Die Brustkrebserkrankung bei jungen Frauen unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Erkrankung postmenopausaler Frauen. Da sind nicht nur medizinische Unterschiede, es gibt auch aufgrund der Lebenssituation weit mehr Entscheidungen zu treffen, als das in einem späteren Erkrankungsalter der Fall ist. PD Dr. med. Marc Thill, Chefarzt an der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Agaplesion Markus Krankenhaus in Frankfurt/M. beleuchtet im Gespräch mit Mamma Mia! die Situation junger Frauen mit Brustkrebs. Mia!: Immer mehr junge Frauen erkranken an Brustkrebs, so ist immer wieder zu hören. Ist das tatsächlich so? Mamma PD Dr. Marc Thill: Der Altersgipfel liegt nach wie vor bei 65 bis 69 Jahren, und Brustkrebs ist eine Erkrankung der älteren Frau. Allerdings sind drei von zehn Frauen jünger als 55 Jahre, so die Statistik des Robert-Koch-Institutes. Von einer Zunahme bei den jüngeren Frauen lässt sich jedoch nicht sprechen. Mia!: Inwiefern unterscheidet sich die Behandlung einer prämenopausalen von der einer postmenopausalen Frau? Mamma PD Dr. Marc Thill: Wenn eine junge, offensichtlich prämenopausale Frau zu mir kommt, gehen mir sofort folgende Gedanken durch den Kopf: Wahrscheinlich wird sie einen aggressiven Tumor haben, möglicherweise ein weiter fortgeschrittenes Stadium und damit meist eine Indikation zur Chemotherapie. Außerdem muss mit einer solchen Patientin über den Schutz der Fruchtbarkeit und eine genetische Beratung gesprochen werden. Es ist eine echte Herausforderung, terminlich alles unter einen Hut zu bringen, was in den kommenden Wochen für die Patientin ansteht. Und es bedarf einer sehr intensiven Betreuung der Frauen, die verständlicherweise häufig überfordert sind. Im Prinzip müssen wir schon vor der Chemotherapie, die eigentlich zeitnah beginnen sollte, den Port legen, das Staging sowie gegebenenfalls fruchtbarkeitserhaltende Maßnahmen durchführen, wie beispielsweise die Entnahme von Eizellen nach vorheriger hormonellen Stimulation oder die Entnahme von Eierstockgewebe. Die genetische Beratung können wir zeitlich noch etwas nach hinten schieben, aber nicht in allzu weite Ferne. (Anmerkung der Redaktion: Weitere Informationen zur genetischen Testung finden Sie im Beitrag „Familiärer Brustkrebs“ auf Seite 44). Mamma Mia! : Wenn Sie sagen, dass junge Frauen häufig aggressivere Tumoren haben, um welche Tumorart handelt es sich dann? PD Dr. Marc Thill: Junge Frauen haben oft triple negative Tumoren, sie sind häufiger HER2-positiv beziehungsweise Luminal-B-like. Luminal-B-like bedeutet, dass die Tumoren zwar hormonabhängig sind, aber über eine hohe Proliferation, also eine schnelle Zellteilung, verfügen. Sie haben einen eher hohen Ki-67-Wert von über 35 Prozent. Mamma Mia!: Was bedeutet das für die Therapie? PD Dr. Marc Thill: Nun, die oben erwähnten Tumorarten sprechen recht gut auf eine Chemotherapie an. Bei triple-negativen und HER2-positven Tumoren ist diese mit wenigen Ausnahmen immer zu empfehlen und nach neuestem Standard in der Regel neoadjuvant, also vor der Operation durchzuführen. Bei hormonrezeptorpositiven Tumoren wägen wird sorgfältig die Vor- und Nachteile einer Chemotherapie ab, wobei wir sie bei einem hohen Ki-67 von über 35 oder 40 Prozent auf jeden Fall befürworten. Im Zweifel kann ein Genexpressionstest bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein. Ein sehr großer Tumor kann auch Grund für eine neoadjuvante Chemo- www.mammamia-online.de 51 Mamma Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau therapie sein. Bildet sich der Tumor durch die Therapie zurück, ist eine brusterhaltende Therapie eher möglich. Mamma Mia! : Welche Chemo- beziehungsweise Antikörpertherapie wird hier durchgeführt? PD Dr. Marc Thill: Bei der neoadjuvanten Chemotherapie haben wir den Vorteil, dass wir gut überprüfen können, ob der Tumor auf eine Therapie anspricht oder nicht. Gewünschtes Ziel einer neoadjuvanten Chemotherapie ist eine pathologische Komplettremission (pCR). Das bedeutet, dass der Tumor komplett verschwunden ist und auch vom Pathologen kein Tumorgewebe nachgewiesen werden kann. Erreichen wir das, hat die Patientin eine bessere Prognose. Die pCR versuchen wir, mit einer an das Ansprechen des Tumors angepassten Chemotherapie zu erreichen. So beginnen wir beispielsweise bei einem triple negativen Brustkrebs mit einer EC-Chemotherapie (Epirubicin und Cyclophosphamid) und überprüfen die Tumorgröße unter Chemotherapie, beispielsweise mittels 52 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Ultraschall. Wird der Tumor darunter gut kleiner, dann folgt standardmäßig ein wöchentliches Taxan. Sollte der Tumor nicht darauf ansprechen, wird eine platinhaltige Therapie ergänzt. HER2-positive Tumoren werden neoadjuvant mit der so genannten doppelten Blockade behandelt, das ist eine Kombination aus Trastuzumab (Handelsname Herceptin) und Pertuzumab (Handelsname Perjeta). Diese Kombination ist sehr wirksam. So konnte gezeigt werden, dass Patientinnen, die Pertuzumab zusätzlich zu Trastuzumab erhielten, nahezu doppelt so häufig eine pCR erreichten als die Frauen, die kein Pertuzumab erhielten. Mamma Mia! : Welche Therapie empfehlen Sie prämenopausalen Frauen mit hormonrezeptorpositivem Tumor? PD Dr. Marc Thill: Eine prämenopausale Patientin würde ich, solange die Patientin tatsächlich prämenopausal ist und Tamoxifen gut toleriert, grundsätzlich einmal mit fünf bis zehn Jahren Tamoxifen (ATLAS- und aTTomStudie) behandeln. Die publizierten Studien dazu zeigen Mamma eine signifikante Verbesserung des rezidivfreien und des Gesamtüberlebens. Ist die Patientin jünger als 35 Jahre und hat, was bei fast allen Patientinnen in diesem Alter zutrifft, eine Chemotherapie erhalten, wird zusätzlich ein GnRH-Analogon für die Zeit von bis zu fünf Jahren eingesetzt. Nach neueren Daten kann bei diesen Patientinnen mit weiter prämenopausalen Hormonwerten nach Chemotherapie auch eine Kombination aus Aromatasehemmer und einem GnRH-Analogen gegeben werden. Bestehen Kontraindikationen für Tamoxifen und keine Indikation für die Kombination aus einem Aromatasehemmer plus einem GnRH-Analogon, so erhält die Patientin das GnRH-Analogon alleine. Eine erweiterte adjuvante Therapie mit zehn Jahren Tamoxifen schlage ich Patientinnen mit mittlerem und hohem Rückfallrisiko vor, die die Therapie gut tolerieren und die auch eine entsprechende Motivation mitbringen. Wir wissen doch alle, dass eine Therapie, die nicht eingenommen wird, ineffektiv ist und daher unterlassen werden sollte. Eine GnRH-Therapie hingegen wird nach spätestens fünf Jahren beendet. Mia!: Sie sprachen noch den Erhalt der Fruchtbarkeit an. Was gilt es zu beachten? Mamma PD Dr. Marc Thill: Wichtig ist, dass bereits vor der ersten Chemotherapie Entscheidungen getroffen werden müssen. In Anbetracht der Kürze der Zeit und natürlich des Schocks durch die Diagnose an sich ist es nicht einfach, in diesen Fällen die Weichen für die nächsten Jahre zu stellen. Nicht alle Frauen haben überhaupt einen Partner oder sie haben einen Partner, mit dem sie sich noch nie Gedanken über ein mögliches Kind gemacht haben. Je nachdem, ob sie sich dafür, beziehungsweise für welche fertilitätserhaltende Maßnahme sie sich entscheidet, müssen alle notwendigen Schritte in die Wege geleitet werden. Hinsichtlich einer parallel zur Chemotherapie gegebenen GnRH-Analoga-Therapie ist die Datenlage nach wie vor uneinheitlich. Es gibt jedoch einige Arbeiten und Metaanalysen, die zum Schutz der Eierstöcke eine solche Therapie empfehlen. Dennoch, eine Beeinflussung des Chemotherapieeffektes kann nicht ausgeschlossen werden. Daher erfolgt eine Empfehlung zum GnRH-AnalogaEinsatz nur individuell (Anmerkung der Redaktion: Einen Überblick über fertilitätserhaltenden Maßnahmen gibt es im Beitrag „Reproduktionsmedizin“ auf Seite 56). Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau Mia!: Wie sieht es denn mit Verhütung nach Brustkrebs aus? Mamma PD Dr. Marc Thill: Obwohl die Datenlage limitiert ist, sind die Empfehlungen in den Leitlinien einheitlich und Frauen sollten, unabhängig vom Hormonrezeptorstatus, keine Verhütungsmittel nehmen, die Hormone enthalten. Am besten sind also eine Kupferspirale oder die bekannten Barrierenmethoden. Es ist an dieser Stelle ganz wichtig zu betonen, dass ein Ausbleiben der Periode nach der Chemotherapie nicht bedeutet, dass die Frau nicht schwanger werden kann. Der erste Eisprung nach der Menstruationspause geht ja immer der ersten Blutung voraus. Mia!: Wenn es nun gelungen ist, die Fruchtbarkeit zu erhalten, erhöht dann eine Schwangerschaft nicht das Rückfallrisiko? Mamma PD Dr. Marc Thill: Die bisherige Datenlage konnte keinen Nachteil für eine Schwangerschaft zeigen, auch nicht bei hormonabhängigen Tumoren. Wir wissen nur, dass das Risiko, eine Fehlgeburt zu haben, leicht erhöht ist. Ich empfehle meinen Patientinnen aber, bei einem nicht hormonabhängigen Tumor zumindest zwei, besser drei Jahre ab der Ersterkrankung zu warten, da in dieser Zeit die meisten Rückfälle auftreten. Frauen mit hormonabhängigem Tumor sollten – wenn möglich – aufgrund der mindestens fünfjährigen antihormonellen Therapie eher noch länger warten. Dies ist jedoch eine sehr individuelle Entscheidung, die die Patientin nach Abwägung der Chancen und Risiken selbst treffen muss. Mia!: Sollte nun doch in der Schwangerschaft ein Rückfall auftreten oder sogar die Erstdiagnose in der Schwangerschaft liegen – was passiert dann? Mamma PD Dr. Marc Thill: Bei den meisten Patientinnen mit in der Schwangerschaft aufgetretenem Mammakarzinom ergibt sich die Indikation zu einer adjuvanten/neoadjuvanten Chemotherapie Allerdings sollte erst nach Abschluss der 14. SSW mit der Verabreichung dieser Chemotherapie begonnen werden, da ein früherer Beginn mit einem deutlich erhöhten Abort- und Fehlbildungsrisiko einhergeht. Anthrazykline und Taxane gehören dabei zu www.mammamia-online.de 53 Mamma Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau den Substanzen, die im zweiten und dritten Trimenon verabreicht werden dürfen. Die Entbindung sollte drei bis vier Wochen nach Ende der Chemotherapie und ausreichender kindlicher Reife geplant werden. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine Empfehlung zur Verabreichung einer zielgerichteten Therapie in der Schwangerschaft. Eine antihormonelle Therapie ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Mia!: Junge Frauen haben durch Chemo- oder Antihormontherapie häufig Probleme mit trockenen Schleimhäuten, was zu Beschwerden beim Geschlechtsverkehr führen kann. Haben Sie einen Tipp für diese Frauen? (0,003 mg Estriol/Zäpfchen, Handelsname: Gynoflor oder Oekolp 0,003). Ich würde diese Option allerdings nicht als dauerhafte, sondern eher vorübergehende Maßnahme empfehlen. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Frauen den Mut haben, über ihre Beschwerden zu sprechen. Nur dann können wir nach einer Lösung suchen. a es Mamma PD Dr. Marc Thill: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Beschwerden zu lindern. Zum einen können hormonfreie Gleitgels hilfreich sein. Diese können rezeptfrei erworben werden. Sollte das nicht helfen, können auch hormonhaltige Zäpfchen angewandt werden – übrigens auch bei hormonabhängigen Tumoren. Das haben einige Studien belegt. Die lokal verabreichten Hormone werden nicht relevant über die Scheidenschleimhaut ins Blut aufgenommen. Es handelt sich hier um „Estriol“-Zäpfchen 54 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Kontakt PD Dr. med. Marc Thill Chefarzt Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Agaplesion Markus Krankenhaus Wilhelm-Epstein-Straße 4 60431 Frankfurt am Main Tel.: +49 (0)69 9533-2228 Fax: +49 (0)69 9533-2733 E-Mail: [email protected] „Komme ich aus einer Krebsfamilie?“ Der Ratgeber Komme ich aus einer Krebsfamilie? – Fast jeder, der eine Krebserkrankung nicht nur am eigenen Leib, sondern auch bei seinen nächsten Verwandten erlebt hat, stellt sich wohl früher oder später diese Frage. Aber diese Sorge kann auch die gesunden Familienmitglieder treffen. Die Ungewissheit, ob womöglich meine Familie und damit auch ich selbst betroffen sein könnte, kann bereits eine große seelische Belastung darstellen. Der Ratgeber „Komme ich aus einer Krebsfamilie?“ bietet Informationen zum „Familiären Brust- und Eierstockkrebs“. Der Ratgeber ist für unsere Leserinnen kostenlos. Senden Sie eine Bestellung und einen DIN-A4-Rückumschlag mit Ihrer Adresse und a 1,45 € Frankierung für Zusendungen innerhalb Deutschlands a 5,00 € Geldschein für Zusendungen innerhalb der EU an folgende Adresse: Leserservice Mamma Mia! Postfach 13 63 82034 Deisenhofen Tel.: +49 89 85853-572 Fax: +49 89 85853-62572 E-Mail: [email protected] Weitere Informationen finden Sie unter www.mammamia-online.de Mamma Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau Reproduktionsmedizin Chancen für den Kinderwunsch nach Krebs Eine Krebserkrankung zieht immer einschneidende Veränderungen mit sich. Trifft sie junge Frauen, werden diese oft jäh in ihrer Lebens- und Familienplanung unterbrochen. Die Therapien lassen keinen Raum für eine Schwangerschaft. Auch ist unklar, wie sich die Fruchtbarkeit der Frauen verändert. Dennoch bleibt für die Zeit danach eine Chance: Die Frauen können beispielsweise Eizellen einfrieren lassen. Doch was müssen sie dabei beachten? Wo finden sie geeignete Kinderwunschzentren? Antwort gibt das im Mai 2006 gegründete Netzwerk FertiPROTEKT. Mamma Mia! sprach mit Professor Dr. Michael von Wolff, ärztlicher Leiter des Projekts. Mamma Mia!: Herr Prof. von Wolff, an wen sollten sich Frauen wenden, wenn sie an Krebs erkranken, bevor ihr Kinderwunsch abgeschlossen ist? 56 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Prof. Dr. Michael von Wolff: An ein versiertes Kinderwunschzentrum, das alle Maßnahmen zum Erhalt der Fertilität anbietet – und diese zu einem angemessenen Preis durchführt. Das Zentrum sollte eng mit den behandelnden Onkologen zusammenarbeiten und ein integriertes Konzept zur Erhaltung der Fertilität ermöglichen. Zentren, die diese Qualitätskriterien erfüllen, finden sie auf der Homepage des Netzwerks FertiPROTEKT unter www.fertiprotekt.de. Mamma Mia!: Welche Möglichkeiten haben die Frauen? Prof. Dr. Michael von Wolff: Beginnt die Chemotherapie erst nach einer Frist von zwei Wochen, können nach einer Hormonstimulation Eizellen aus den Eierstöcken abgesaugt und – befruchtet oder unbefruchtet – tiefge- Mamma froren eingelagert werden. Ist der Zeitpuffer kürzer als zwei Wochen, kann Eierstockgewebe bei einer Bauchspiegelung entnommen und eingefroren werden. Ergänzend ist eine Behandlung mit GnRH-Analoga während der Chemotherapie möglich, was die Frauen künstlich in die Wechseljahre versetzt. Dies soll die Schädigung der Eierstöcke verringern. Mamma Mia! : Ist es nicht ausreichend, die Eierstöcke während der Chemotherapie mit GnRH-Analoga zu schützen? Mia! Brustkrebs bei der jungen Frau das Rezidivrisiko durch fertilitätserhaltende Maßnahmen oder durch eine Schwangerschaft? Prof. Dr. Michael von Wolff: Es ist nicht davon auszugehen, dass eine kurzzeitige hormonelle Stimulation, wie sie zur Entnahme von Eizellen notwendig ist, die Prognose der Patientin verschlechtert. Gleiches gilt für eine Schwangerschaft, so dass es inzwischen sogar unter Studienbedingungen möglich ist, eine gegebenenfalls erforderliche antihormonelle Nachbehandlung für eine Schwangerschaft zu unterbrechen. Dies darf aber nur in Absprache mit dem Onkologen erfolgen. a es Prof. Dr. Michael von Wolff: GnRH-Analoga scheinen tatsächlich das Risiko für einen kompletten Funktionsverlust der Eierstöcke zu reduzieren. Diese Behandlung wird aber nicht als alleinige Maßnahme empfohlen, da sie zu unsicher ist. Mia!: Welche Risiken haben die Chemo- und Strahlenbelastung für eine spätere Schwangerschaft? Mamma Prof. Dr. Michael von Wolff: Werden Keimzellen eingelagert, so ist das Risiko nicht größer als bei jeder künstlichen Befruchtung. Wird die Patientin von alleine schwanger, wurden bisher keine erhöhten Risiken für die Nachkommen nachgewiesen. Eine Schwangerschaft sollte jedoch erst sechs, besser zwölf Monate nach der Chemotherapie eintreten. Aus onkologischer Sicht soll es sinnvoll sein, noch länger zu warten – bis die Patientin mit großer Sicherheit von der Krebserkrankung geheilt ist. Mamma Mia! : Wie hoch ist überhaupt die Möglichkeit, nach einer Chemo- und Strahlentherapie schwanger zu werden, wenn keine Maßnahmen zum Schutz der Fertilität durchgeführt wurden? Prof. Dr. Michael von Wolff: Das Risiko, dass die Eierstöcke aufgrund einer Chemotherapie ihre Funktion einstellen, wird altersabhängig auf 20 bis 80 Prozent geschätzt. Ist die Patientin sehr jung, ist das Risiko eher gering. Mit zunehmendem Alter steigt es deutlich an. Da auch die Art der Chemotherapie entscheidend ist, können keine pauschalen Aussagen gemacht werden. Mamma Mia!: Steigt bei hormonabhängigen Tumoren Kontakt Prof. Dr. Michael von Wolff Inselspital Bern, Frauenklinik Abteilung für Gynaekologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Effingerstrasse 102 CH-3010 Bern Tel.: +41 (0)31 632 1303 (Sekretariat) Fax: +41 (0)31 632 1305 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 57 8 Medizinische Studien Mamma Mia! Medizinische Studien Medizinische Studien Die Basis wissenschaftlichen Fortschritts Studien sind die Basis wissenschaftlichen Fortschritts. Darüber sind sich alle einig. Für ihre Durchführung werden freiwillige Patienten benötigt, die an den Studien teilnehmen. Prinzipiell erachten viele Betroffenen die Teilnahme an Studien als Vorteil, weil sie nach neuesten medizinischen Erkenntnissen und mit neuen Wirkstoffen behandelt werden. Es gibt jedoch einige Fragen, die immer wieder auftauchen. Wer steckt eigentlich hinter einer Studie? Inwiefern werden die Interessen der Auftraggeber bei der Durchführung der Studie berücksichtigt? Wer stellt sicher, dass auch Patientenrechte gewahrt werden? Mamma Mia! sprach mit Professor Dr. Gunter von Minckwitz von der German Breast Group, einer international tätigen Forschungseinrichtung, die mit der Durchführung medizinischer Studien beauftragt wird. Mamma Mia!: Herr Professor von Minckwitz, Sie leiten seit 2003 die German Breast Group, die sich mit nationalen und internationaler Brustkrebsstudien befasst. Wie sieht Ihre Tätigkeit konkret aus? Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: In unserer akademischen Forschungseinrichtung werden Brustkrebsstudien geplant, organisiert und durchgeführt. Wir ermitteln mit Hilfe unserer Expertengremien zunächst den Bedarf an neuen Therapien beziehungsweise Wirkstoffen. Steht die Fragestellung fest, muss die Finanzierung der Studie geklärt werden. Anschließend wird ein ausführliches Protokoll über den Studieninhalt verfasst, das verschiedenen Gremien und Kommissionen zur Genehmigung vorgelegt wird. Mamma Mia!: Sie erwähnten Expertengremien. Welche adjuvanten, palliativen und operativen/strahlentherapeutischen Brustkrebstherapie sowie der translationalen Forschung. Die translationale Forschung ist die Schnittstelle zwischen präklinischer Forschung und klinischer Entwicklung, also der Übergang vom Labormodell hin zur Anwendung am Menschen. Wir versuchen, wenn möglich, für jede Studie einen Studienleiter aus einem unserer Gremien zu finden. Das hat den Vorteil, dass wir die Datenbankhoheit haben, mehr Einfluss nehmen können sowie über alle Publikationsrechte verfügen. Mia!: Wie geht es weiter, wenn die Studiendurchführung von allen relevanten Gremien und Kommissionen genehmigt wurde? Mamma Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Dann werden Patientinnen rekrutiert. Statistiker berechnen, welche Fallzahlen zur Beantwortung der Fragestellung gebraucht werden. Die benötigte Fallzahl, also die Anzahl der Patienten in einer Studie, ist von der Fragestellung abhängig. Soll beispielsweise eine Aussage über Überlebenszahlen ermittelt werden, ist die Fallzahl höher als bei einer Studie, in der das Ansprechen auf eine bestimmte Therapie untersucht wird. In Phase-II-Studien wird zum Beispiel untersucht, ob eine Therapie überhaupt Wirkung zeigt. Dafür werden eher weniger Teilnehmer benötigt. Will man dann jedoch mittels einer Phase-III-Studie den Beweis erbringen, dass Betroffene von einer neuen Therapie tatsächlich profitieren, werden sehr viele Teilnehmer benötigt. Mamma Mia!: Können Sie das in absoluten Zahlen beziffern? Gremien gibt es? Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Wir arbeiten mit fünf Expertengremien, auch Subboards genannt, zusammen. Diese befassen sich mit Themen der neoadjuvanten, Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Das ist sehr schwierig, weil es so viele verschiedene Studien gibt. So schwanken die Teilnehmerzahlen je nach Fragestellung von 50 bis 10.000. www.mammamia-online.de 59 Mamma Mia! Mamma Mia!: Das klingt nach enormen Kosten … Medizinische Studien Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Die Kosten für Studien sind in der Tat enorm. Zwar gibt es auch hier große Unterschiede, aber wir müssen mit 3.000 bis über 20.000 Euro pro Studienteilnehmer rechnen. Ein großer Teil der Kosten entsteht durch Genehmigungsverfahren, die Ethikkommission, Versicherungen und andere bürokratische Verpflichtungen. Eine der größten Brustkrebsstudien, die derzeit läuft, ist die Aphinity-Studie. Diese Studie untersucht die Wirksamkeit eines neuen Medikaments, dem Antikörper Pertuzumab (Handelsname Perjeta), als zweite Antikörpertherapie zusätzlich zu Trastuzumab (Handelsname Herceptin) in der Nachbehandlung von Frauen, die Brustkrebs haben und deren Tumorzellen HER2/neu-positiv getestet sind. Die Gesamtkosten für diese Studie liegen deutlich über einer Milliarde Euro. Wenn man sich diese Kosten vor Augen führt wird klar, warum Medikamente zunächst geschützt und häufig sehr teuer sind. Die Entwicklungskosten müssen eben wieder reingeholt werden. Mia!: Wer entscheidet, welche Studienart bei der jeweiligen Fragestellung am besten geeignet ist? die vor Beginn der Untersuchung erhoben wurden. Die nächste Frage ist, ob wir eine Placebo kontrollierte Studie durchführen können. Das bedeutet, dass ein Studienarm mit einem Scheinmedikament behandelt wird. Auch die „Verblindung“ ist ein Entscheidungsfaktor. Diese ist dann gegeben, wenn weder der Patient noch der Arzt weiß, welches Medikament zum Einsatz kommt. Auch diese Methode ist nicht immer durchführbar. Mamma Mia! : Placebo, Verblindung … Ist es nicht schwer, Patienten zur Teilnahme einer Studie zu bewegen, bei der sie nicht wissen, ob und wenn ja welchen Wirkstoff sie bekommen? Randomisierte Studie Bei einer „randomisierten Studie“ erfolgt die Zuteilung in die verschiedenen Kontrollgruppen nicht durch den Studienleiter, sondern von einer zentralen Stelle aus nach dem Zufallsprinzip. Mamma Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Unsere Experten entscheiden aus ihrer Erfahrung heraus von Fall zu Fall, welche Studienform gewählt wird. Oftmals ergibt sich die Antwort schon aus der Fragestellung. So unterscheiden wir beispielsweise prospektive und retrospektive Untersuchungen. Die prospektive Studie wird im Voraus geplant, so können wir alle Messgrößen festlegen. Bei der retrospektiven Studie werden Daten analysiert, Kontrollierte Studie Eine neue Behandlungsform muss stets mit einer herkömmlichen Art der Behandlung oder einem Scheinmedikament (Placebo) verglichen werden. Denn allein die Tatsache, dass ein Patient an einer Studie teilnimmt, könnte das Ergebnis der Studie verfälschen. Eine „kontrollierte Studie“ hat somit mehrere „Kontrollgruppen“. 60 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Natürlich bedarf es guter Aufklärungsarbeit, um Betroffene zu überzeugen. Meine Argumente für eine Studienteilnahme sind folgende: Heutzutage glaubt kaum mehr jemand an den „Gott in Weiß“. Gerade in der Brustkrebstherapie gibt es viele Behandlungswege, insbesondere bei einem fortgeschrittenen Stadium. Als Studienteilnehmerin kann sich eine Patientin sicher sein, dass die Therapie gut durchdacht ist, dass es explizite Vorgaben gibt und die Durchführung strukturiert ist. Die Patientin wird mit einbezogen, besser aufgeklärt und betreut. Der behandelnde Arzt hat sich im Vorfeld intensiv mit der Therapie befasst. Er hat ein großes Interesse am Verlauf der Therapie und wird sich daher intensiv um die Patientin kümmern. Die Patientin hat außerdem die Möglichkeit, eine potenziell bessere Therapie zu bekommen. Dazu kommt ein vielleicht altruistischer Ansatz: Jede Patientin profitiert heute von Studien, die in der Vergangenheit durchgeführt wurden. Jede wissenschaftliche Erkenntnis kam nur durch die Mitwirkung Betroffener zustande. Auch künftige Generationen werden sich über Entwicklungen freuen, die heute erarbeitet werden. Mamma Blinde, doppelblinde Studie Von einer blinden Studie spricht man dann, wenn der Patient nicht weiß, welches Medikament er einnimmt. So kann verhindert werden, dass seine Erwartungen das Studienergebnis beeinflussen. In einer doppelblinden Studie wissen weder Patient noch Arzt, in welcher Kontrollgruppe der Teilnehmer ist. Erst bei Komplikationen wird offen gelegt, mit welchem Wirkstoff der Patient behandelt wird. Mamma Mia! : Sie sagen, die Patientin könnte von einer möglicherweise besseren Therapie profitieren. Wenn sie nun aber im Arm der herkömmlichen Therapie ist und sich die neue Therapie als besser erweist, hat sie keinen Vorteil. Was geschieht in so einem Fall? Mia! Medizinische Studien Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Nun, die Verantwortung der Bekanntmachung solcher Vorfälle liegt beim durchführenden Hauptverantwortlichen der Studie. Es gibt mittlerweile die Vorschrift, das Ergebnis einer Studie in knapper Form auf entsprechenden Homepages (zum Beispiel clinicaltrials.gov) zu veröffentlichen. Das ersetzt aber nicht eine Publikation in einer Fachzeitschrift mit einem ordnungsgemäßen Review durch andere Experten. Diese kann jedoch theoretisch Jahre nach Studienabbruch beziehungsweise in einem kleinen Blatt veröffentlicht werden, so dass niemand wirklich davon hört. Die Ethikkommission wird jedoch stets ein Auge auf die Studiendurchführung haben und gegebenenfalls veranlassen, dass eine Studie abgebrochen wird, dass ein Wirkstoff vom Markt genommen oder die Zulassung geändert wird. Bei der German Breast Group haben wir keine Probleme mit der Veröffentlichung negativer Ergebnisse. Da wir akademisch ausgerichtet sind, sind auch negative Ergebnisse publizierbar. Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Wir vergleichen ja immer den Goldstandard mit einer experimentellen Therapie. Stellt sich nun im Studienverlauf heraus, dass die Teilnehmerinnen von der experimentellen Therapie einen wesentlich größeren Nutzen haben, wird diese selbstverständlich auch der Vergleichsgruppe angeboten. Ein unabhängiges Komitee, bestehend aus Ärzten und Patientenvertretern, prüft regelmäßig, ob der Standard noch aktuell ist. Ansonsten wird nachträglich korrigiert, was für Wissenschaftler natürlich problematisch ist. Hier zählen jedoch ethische Gesichtspunkte. So gab es bei einer Herceptin-Studie den Fall, dass Frauen nachträglich in den Herceptin-Arm wechselten, weil die Ansprechrate so groß war. Ist die Erwartung an die experimentelle Therapie sehr hoch, können auch mehr Teilnehmer den Wirkstoff statt Placebo bekommen. In manchen Studien ist das Verhältnis 2:1. Mia!: Was passiert, wenn das Studienergebnis negativ verläuft? Zum Beispiel erregte vor ein paar Jahren eine Studie mit Tibolon großes Aufsehen. Die Studie wurde abgebrochen, weil unter der Einnahme von Tibolon vermehrt Rezidive auftraten. Der Nachricht über dieses Ergebnis sickerte jedoch nur langsam zu den Betroffenen durch. Wie kann es sein, dass solche Ergebnisse nicht weitreichend publiziert werden? Mamma Mia!: Entstehen durch Publikationen negativer Ergebnisse keine Interessenkonflikte mit Ihren Auftraggebern? Mamma Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Unsere Auftraggeber wissen unsere unabhängige, akademische Forschung zu schätzen und sie ist wichtig für sie. Theoretisch wäre der Versuch einer Einflussnahme denkbar, jedoch würden wir www.mammamia-online.de 61 Mamma Mia! Medizinische Studien 1 Fokus Krankheit 2 Suche nach dem Angriffspunkt 3 Suche nach Ausgangssubstanzen Am Anfang steht die Entscheidung, für Patienten, die an einer bisher nicht gut behandelbaren Krankheit leiden, ein neues Medikament zu entwickeln. Pharmaforscher ermitteln einen geeigneten Angriffspunkt (Target) im Krankheitsgeschehen. Das ist meist ein körpereigenes Molekül, an dem ein Wirkstoff ansetzen und so die Krankheit heilen, lindern oder ihr Fortschreiten hinauszögern können. Geht es um eine Infektionskrankheit, kommen auch Moleküle des Erregers in Betracht. Es werden Anhaltspunkte dafür gesucht, wie ein Wirkstoff aussehen könnte. Eine Möglichkeit: Screening. Hierbei werden bis zu zwei Millionen Substanzen – eine nach der anderen – mit den Targetmolekülen zusammengebracht. Substanzen, die sich an das Target binden und damit eine Wirkung haben könnten, werden Hits genannt. 6 Studien mit wenigen Gesunden: Phase 1 7 Entwicklung der Darreichungsform 8 Studie mit wenigen Kranken: Phase 2 Nun kann der Wirkstoff beim Menschen erprobt werden. Dazu wird mit gesunden Freiwilligen geprüft, wie sich geringe Mengen des Wirkstoffs im Körper verhalten und ab welcher Konzentration sie beginnen, merklich Nebenwirkungen zu verursachen. Für den Wirkstoff wird eine Darreichungsform entwickelt, z.B. eine Tablette, ein Zäpfchen, Spray oder Wirkstoffpflaster. Erst dadurch wird aus dem Wirkstoff ein „richtiges“ Medikament. Von etwa 100 bis 500 Patienten, die freiwillig an den Studien teilnehmen, erhalten einige das neue Medikament, die anderen eine Vergleichsbehandlung. Die Ärzte untersuchen Wirksamkeit, Verträglichkeit, und die richtige Dosierung. uns hierdurch nicht beeinflussen lassen. Wir sind international stark genug, um hinter unserer Unabhängigkeit stehen zu können. Mamma Mia! : In Internetforen gibt es von Zeit zu Zeit Berichte von Frauen, die aus Studien ausgeschlossen werden, weil sich beispielsweise trotz der Einnahme von Medikamenten Metastasen bildeten. Ist es gängige Praxis, dass Teilnehmerinnen mit nicht vorhersehbarem 62 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Verlauf ausgeschlossen werden? Prof. Dr. Gunter von Minckwitz: Nein, definitiv nicht. Im Gegenteil, es ist sehr schwierig, Patientinnen aus Studien zu entlassen. Das geht nur, wenn es der ausdrückliche Wunsch der Betroffenen ist. Und selbst dann bleiben die Daten, die bisher erhoben wurden, bestehen. Es gibt jedoch in der Onkologie den Grundsatz, dass Therapien, die nicht den gewünschten Erfolg bringen, abgebrochen werden. Denn Mamma Mia! Medizinische Studien 4 Durch Optimierung zum Wirkstoffkandidaten 5 Test auf Wirkungen und Verträglichkeit Die Optimierung verläuft in mehreren Runden. Zunächst wird anhand der Hitsubstanzen ermittelt, wie eine gut ans Target bindende Substanz aussehen müsste. Solche Substanzen werden dann chemisch synthetisiert und umfassend getestet. Kriterien sind u.a. ihre Löslichkeit, Target-Bindung und dass sie im Blut nicht so schnell abgebaut werden, dass sie nicht wirken können. Aussichtsreiche Substanzen müssen überprüft werden, ob sie wirklich wirksam und unbedenklich sind. Dazu sind Tests auf Giftigkeit und andere Schadwirkungen in Zellkulturen und Tieren erforderlich. Nur die Substanzen, die sich hier bewähren, kommen als mögliche Wirkstoffe in Betracht. In nachfolgenden Runden werden Varianten der Substanz hergestellt, wobei Erfahrung und Computersimulationen bei der Wahl aussichtsreicher Veränderungen helfen; auch sie werden getestet. So geht es fort, bis ein paar Substanzen so gute Testergebnisse zeigen, dass sie als Wirkstoff taugen könnten. 9 Studien mit vielen Kranken: Phase 3 10 Begutachtung durch Zulassungsstellen 11 Anwendung, Beobachtung, neue Studien Ärzte in Kliniken vieler Länder erproben das Medikament mit mehreren tausend Patienten. Diese erhalten wieder entweder das neue Medikament oder eine Vergleichsbehandlung. Untersucht werden Wirksamkeit, Verträglichkeit und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Experten der Zulassungsbehörden prüfen die Ergebnisse der durchgeführten Labortests und der Studien zum Nachweis der Wirksamkeit, der Verträglichkeit und der technischen Qualität (u.a. Reinheit) des Medikaments. Fällt diese Prüfung positiv aus, erhält das Medikament die Zulassung. Das Medikament kann nun von Ärzten verordnet werden. Diese achten zusammen mit dem Hersteller und den Behörden auf Nebenwirkungen, insbesondere selten auftretende. Die Packungsbeilage wird laufend aktualisiert. Könnte das Medikament bei weiteren Erkrankungen helfen, werden neue klinische Studien begonnen. schließlich haben alle Therapien auch Nebenwirkungen. So kann es schon mal sein, dass eine Medikation abgesetzt wird. Das bedeutet aber nicht, dass die Patientin ausgeschlossen wird. Es würde jedoch auch keinen Sinn machen, die Patientin weiter mit einem Wirkstoff zu behandeln, der bei ihr nicht wirkt. Ich denke, es ist eine Frage der richtigen Kommunikation. Es ist die Aufgabe des betreuenden Arztes, mit der Patientin zu besprechen, warum die Therapie abgesetzt beziehungsweise umgestellt wird. a es Kontakt Prof. Dr. Gunter von Minckwitz GBG Forschungs GmbH Martin-Behaim-Straße 12 63263 Neu-Isenburg Tel.: +49 (0)6102 7480-411 Fax: +49 (0)6102 7480-111 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 63 9 Austausch mit Betroffenen Mamma Mia! Austausch mit Betroffenen Selbsthilfe, Internetforen, soziale Netzwerke & Co. Der Austausch mit anderen Betroffenen Ein Gespräch mit anderen an Brustkrebs erkrankten Frauen kann zu jedem Zeitpunkt hilfreich sein. Sei es bei Diagnosestellung, wenn die Welt zusammenzustürzen droht und Therapieentscheidungen getroffen werden müssen. Oder im Verlauf des Heilungsprozesses, wenn Nebenwirkungen das Leben erschweren und sich quälende Ängste breit machen. Wenn es Dinge gibt, die man eben nicht mit Familienmitgliedern oder Freunden besprechen kann beziehungsweise will. Oder aber im Laufe der Jahre, wenn es gut tut, als erfahrene Betroffene anderen Frauen beizustehen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit ebenfalls an Brustkrebs erkrankten Frauen in Kontakt zu treten. Gespräche in Selbsthilfegruppen Die klassische Form des Austausches sind Selbsthilfegruppen. Sie werden mittlerweile an vielen Krankenhäusern beziehungsweise über deutschlandweit agierende Brustkrebsorganisationen angeboten. Der Austausch reicht von regelmäßigen Gruppentreffen über gemeinsame Aktivitäten hin zu Hilfestellung bei akuten Problemen. Fragen Sie in Ihrer Klinik oder Ihren behandelnden Arzt, welche Angebote es in der Nähe gibt. Eine Auswahl an Selbsthilfegruppen finden Sie im Anhang dieses Ratgebers. Anonymer Austausch im Internet Das Internet bietet eine passende Plattform für alle, die – aus welchen Gründen auch immer – anonym kommunizieren möchten oder kein passendes Selbsthilfeangebot in der näheren Umgebung finden. In Internetforen gibt es die Möglichkeit, sich unter einem Pseudonym auszutauschen, Rat zu holen oder sich einfach mal den Kummer von der Seele zu schreiben. Wichtig ist zu beachten, dass sich hier meist medizinische Laien austauschen, deren Rat nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein muss. So sollten eigenmächtige Schritte, die die Therapie beeinflussen könnten, immer mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Netzwerken in Social Media Es gibt immer mehr soziale Netzwerke, die – wenn man gewisse Regeln beachtet – eine große Bereicherung sind und die es ermöglichen, in kürzester Zeit ein Interessennetzwerk aufzubauen. So gibt es beispielsweise bei facebook einige Gruppen, in denen sich Krebspatienten austauschen. Bei twitter ist es möglich, über Neuigkeiten zum Thema Krebs informiert zu werden, Xing und LinkedIn bieten professionelle Netzwerke. Einige Adressen finden Sie ebenfalls im Anhang. Wichtig ist zu beachten, dass die Informationen, die Sie in sozialen Netzwerken preisgeben, auch an die Öffentlichkeit geraten können und unter Umständen über Jahre hinweg erhalten bleiben, selbst wenn Sie Ihren so genannten Account längst gelöscht haben. Hilfe für Betroffene mit hohem familiärem Risiko Seit August 2008 bietet das BRCA-Netzwerk Hilfe bei familiärem Brust- und Eierstockkrebs an. Der inzwischen als gemeinnützig eingetragene Verein berät speziell Frauen und Männer aus so genannten „Krebsfamilien“, also Familien, in denen es viele Fälle von Brust- und/oder Eierstockkrebs gibt. So informieren eine Homepage und zahlreiche bundesweite Gesprächskreise über Themen wie Genmutation, genetische Testung, prophylaktische Maßnahmen und viele mehr. a es www.mammamia-online.de 65 A E M 10 Anhang Mamma Mia! Anhang Autorenverzeichnis PD Dr. med. B. Ataseven Prof. Dr. med. Volker Möbus Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie, Kliniken Essen-Mitte Evangelische Huyssens-Stiftung Henricistraße 92 45136 Essen Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Klinikum Frankfurt Höchst Gotenstraße 6–8 65929 Frankfurt am Main-Höchst Tel.: +49 (0)201 174-34001 Fax: +49 (0)201 174-34000 E-Mail: [email protected] Tel.: +49 (0)69 3106-2339 Fax: +49 (0)69 3106-2555 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. Volkmar Müller Univ.-Prof. Dr. Nadia Harbeck Brustzentrum der Universität München Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Marchioninistraße 15 81377 München E-Mail: [email protected] Klinik und Poliklinik für Gynäkologie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg Tel.: +49 (0)40 7410-57606 Fax: +49 (0)40 7410-40070 E-Mail: [email protected] PD Dr. med. Kerstin Rhiem Prof. Dr. med. H. H. Kreipe Institut für Pathologie Medizinische Hochschule Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover Tel.: +49 (0)511 532-4500 oder -4501 Fax: +49 (0)511 532-5799 E-Mail: [email protected] Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs Universitätsklinikum Köln Kerpener Straße 34 50931 Köln Tel.: +49 (0)221 478-86509 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Rita Schmutzler PD Dr. Cornelia Liedtke Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe (Gynäkologie) Ratzeburger Allee 160, Haus 12 23538 Lübeck E-Mail: [email protected] Direktorin Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs Universitätsklinikum Köln Kerpener Straße 34 50931 Köln Tel.: +49 (0)221 478 86509 Fax: +49 (0)221 478 86510 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. med. H.-J. Lück Gynäkologische-onkologische Praxis Prof. Dr. Lück Pelikanplatz 33 30177 Hannover Tel.: +49 (0)511 6555-280 Fax: +49 (0)511 6555-2816 E-Mail: [email protected] www.mammamia-online.de 67 Mamma Mia! Anhang Autorenverzeichnis Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss Sektionsleiter Gynäkologische Onkologie Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Universitäts-Klinikum Im Neuenheimer Feld 460 69120 Heidelberg Tel.: +49 (0)6221 56-36051 Fax: +49 (0)6221 56-7920 E-Mail: [email protected] PD Dr. med. Marc Thill Chefarzt Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Agaplesion Markus Krankenhaus Wilhelm-Epstein-Straße 4 60431 Frankfurt am Main Tel.: +49 (0)69 9533-2228 Fax: +49 (0)69 9533-2733 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Gunter von Minckwitz GBG Forschungs GmbH Martin-Behaim-Straße 12 63263 Neu-Isenburg Tel.: +49 (0)6102 7480-411 Fax: +49 (0)6102 7480-111 E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Michael von Wolff Inselspital Bern, Frauenklinik Abteilung für Gynaekologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Effingerstrasse 102 CH-3010 Bern Tel.: +41 (0)31 632 1303 (Sekretariat) Fax: +41 (0)31 632 1305 E-Mail: [email protected] 68 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Möglichkeiten der Brustrekonstruktion Eine Entscheidungshilfe 2. aktualisierte Auflage Im Ratgeber „Brustrekonstruktion“ werden die gängigsten Methoden der Brustrekonstruktion anhand zahlreicher Grafiken detailliert erklärt. Der Ratgeber kann zum Preis von € 8,90 zzgl. Versandkosten unter folgender Adresse bestellt werden: Mamma Rekonstruktion mit Implantat Nachdem die Brustamputation erfolgt ist, wird ein aufdehnbares Kissen mit einem Ventil unter den großen Brustmuskel geschoben. Nach dem Heilungsprozess der Operationswunde kann dieses Kissen über das von außen erreichbare Ventil aufgepumpt werden. Dieses Kissen funktioniert also als „Gewebeaufdehner“ oder so genannter (Haut-)Expander. Mamma Ist die gewünschte Größe erreicht, sollte ein halbes Jahr abgewartet werden, damit die Haut ihren Dehnungszustand beibehält. Sie würde sich sonst wieder zusammenziehen. Danach kann dieser Expander in einer kleinen zweiten Operation gegen ein endgültiges Implantat, meistens Silikonimplantat, ausgetauscht werden. Das Implantat ist häufig kleiner als der Expander. Nach sechs bis zwölf Monaten schließlic schließlich kann eine Brustwarze wiederhergestellt werden. aufgefüllt. Dieser Vorgang wirdMamma Rekonstruktion mit Implantat in circaMia! einwöchigen Abständen wiederholt, bis das gewünschte Volumen und die gewünschte Brustform erreicht sind. Durch das Auffüllen des Expanders sieht die rekonstruierte Seite zunächst größer aus als die Gegenseite. Die durch die Brustamputation verlorene Haut wird somit durch langsame Dehnung der verbliebenen Haut zurückgewonnen. Mia! Rekonstruktion mit Implantat Expanderentfernung und Einbringen des endgültigen Implantats 7 2 8 Bild 7: Expander vor der Auffüllung 10 Leserservice Mamma Mia! Postfach 13 63 82034 Deisenhofen Tel.: +49 89 85853-572 Fax: +49 89 85853-62572 E-Mail: [email protected] Das Ventil wird mit dem Ultraschall oder einem Magneten erkannt, mit einer feinen Nadel angestochen und mit einer bestimmten Menge Kochsalzlösung von außen Mia! Rekonstruktion mit Implantat Rekonstruktion mit Implantat 9 Bild 8: Intraoperative Auffüllung mit Kochsalz 16 Bild 16: Schnitt entlang der alten Narbe 17 18 Bild 17 und 18: Entfernung des Expanders www www.mammamia-online.de w ww w.mammam mia-o mia m online.de de 11 ders Bild 10: Einbringen des Expanders in das OP-Gebiet Bild 9: Expander nach Auffüllung (keine vollständige Auffüllung) 12 Bild 11: Einbringen des Expanders Expand unterhalb des Musculus pectoralis major. Einlegen der Drainage Bild 12: Verschluss der Wunde 19 9 Bild 19: Öffnung des gedehnten Hautmantels 20 Bild 20: Einsetzen des endgültigen Silikonimplantates 21 14 20 Mamma Mia! 15 Bild 14: Postoperative Auffüllung des Expanders mit Kochsalz (man orientiert sich hier am Magnet, der sich im Expander befindet) Bild 15: Status des Expanders in der rekonstruierten Brust (transparent dargestellt) 22 Bild 22: Nahtverschluss Brustrekonstruktion ustrrekonstruktion 1 tion – Brustrekonstruk ja oder nein? Weitere Informationen finden Sie unter www.mammamia-online.de Mia! Brustrekonstruktion 17 – ja oder nein? ön zu sein?“ „Zu wahr um sch t von Frauen für Ein Kunstprojek 13 ilung g Bild 13: Status nach Abheilung Mamma Bild 21: Lage des endgültigen Implantats in dem vorgesehenen Rekonstruktionsareal Frauen d im Laufe erkrankt in Deutschlan Jede neunte Frau traurige Statistik. 23 Brustkrebs. Eine ulen in ihres Lebens an eine der Standardsä tion ist Ergebnis Bild 23: Endgültiges Die Brustopera immer kann die behandlung. Nicht der Brustkrebs sich viele Frauen bleiben. So müssen Brust erhalten , dass sie eine Tatsache arrangieren nicht nur mit der Sie müssen sich Krankheit haben. lebensbedrohliche Während www.mammamia-online.de 21 Körperbild gewöhnen. neues ein an auch struktion enteine Brustrekon sich die einen gegen für sie stimmige die anderen eine die scheiden, wählen Veränderungen, schön zu die äußerlichen „Zu wahr um Methode, um wie möglich zen. Und die Frage: sich bringt, so gering – anderzuset n. die Krankheit mit n auch wählen für sich zu beantworte Weg die Betroffene . Bevor sein?“ zu halten. Welchen vor der Erkrankung anders sein als der Körper wird Rekonstruktionsmit den einzelnen Das Projekt Sie sich nun intensiv wir Ihnen ein Frauen rsetzen, möchten auseinande Nun musste Reni methoden Mut macht, sein Projekt stand. Ein Projekt, das Der Plan für ihr die bereit wären, n. Kunstprojekt vorstellen. und anzunehme unterstützen würden, n Betroffene zu akzeptieren finden, die sie anderen Körperbild neues zu lassen. Um zu sich nackt malen sie zur Teilnahme zu bringen und „Ich ihre Idee näher Selbstporträt. Die Schönheit sie zunächst ein was ich nicht ermutigen, malte Frauen erwarten, nach Äußerlichersten Gesellschaft stets nichts von anderen ihre kann sie unserer in von „Wir werden Reni Wolf, wäre zu tun“, resümiert gemessen“, sagt eine ebenso auch selbst bereit erkrankung lange suchen, um keiten, nach Schönheit Sie musste nicht über ihre Brustkrebs Die Fotodie Schritte. half: ihr sich die Beruf Hebamme, Doch wie lässt Frau zu finden, gefunden hat. bemerkenswerte ednarek war von den Weg zur Malerei definieren? Was Wanda Korfanty-B solcher Zahlen und Künstlerin ich eine Künstlerin Reni mit grafin Schönheit in Anbetracht „Mit Wanda habe Frage möchte en der Idee begeistert. eigentlich? Diese als Projekt verwirklich ist Schönheit Frauen gemalt der ich diese Idee en. Sie hat neun gefunden, mit , die die Versöhihren Bildern beantwort Frau. Denn das Fotos entstanden sind Bilder und und eine gesunde eren“, sagt Nur kann. So – acht mit Brustkrebs n können‘ dokumenti zu kranken Frauen. . von gesunden nung und das ,weiterlebe einen Fototermin zeigen ihre ist das Verhältnis trafen sich für sich nackt. Sie Die beiden Frauen ihr Gemälde. Frauen zeigen Der Be- Reni. eine Vorlage für umgekehrt. Die brauchte Reni makellosen Körper. mehr Schließlich nicht Narben, ihren Wahrheit auseinrt, sich mit der 9 trachter ist aufgeforde mia-online.de www.mamma Mamma Mia! Anhang Wichtige Adressen Fachverbände/Gesellschaften Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) Die Kommission Mamma hat einen Patientenratgeber zu Leitlinien des Brustkrebses erstellt. www.ago-online.de Arbeitsgemeinschaft „Supportive Maßnahmen in der Onkologie, Rehabilitation und Sozialmedizin“ der Deutschen Krebsgesellschaft (ASORS) www.onkosupport.de Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie (Dapo) e.V. Leitlinie für die Psychosoziale Betreuung von Brustkrebsbetroffenen. www.dapo-ev.de Deutsche Fatigue Gesellschaft www.deutsche-fatigue-gesellschaft.de Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen Übersicht über plastische Chirurgen, die Erfahrung mit Brustrekonstruktion haben. www.dgpraec.de Deutsche Gesellschaft für Senologie e.V. Interdisziplinäre Fachgesellschaft für Brusterkrankungen, Übersicht über zertifizierte Brustzentren, Brustkrebs-Studien, Kontakte zu Brustkrebs-Experten. www.senologie.org Deutsche Krebsgesellschaft Informationen und Kontakt zu Landesverbänden. www.krebsgesellschaft.de Deutsche Krebshilfe Kostenloses Informationsmaterial. www.krebshilfe.de Deutsche Osteoonkologische Gesellschaft 1. Vorsitzender: Prof. Dr. Ingo J. Diel. www.osteoonkologie.org 70 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Gesellschaft für biologische Krebsabwehr e.V. Informationen über komplementäre und alternative Krebstherapien. www.biokrebs.de Kooperationsgemeinschaft Mammographie Information und Adressen der Screening-Zentren. www.mammo-programm.de Information/Aufklärung/Organisationen Allianz gegen Brustkrebs e.V. Ausführliche Informationen zu medizinischen und sozialrechtlichen Fragen, Kontaktmöglichkeit zu regionalen Ansprechpartnerinnen. www.allianz-gegen-brustkrebs.de Brustkrebs Deutschland e.V. Ausführliche Informationen über Brustkrebs, Nebenwirkungen und Nachsorge, aktuelle Kongressberichte, kostenlose Ärztehotline, kostenlose Telefonsprechstunde für Kinder und Familien, in denen ein Elternteil an Krebs erkrankt ist. www.brustkrebsdeutschland.de Kompetenz gegen Brustkrebs Gemeinnütziger Verein zur Förderung ganzheitlicher Medizin und Psychotherapie bei Brustkrebs e.V. www.kompetenz-gegen-brustkrebs.de Krebsinformationsdienst (KID) Beratungsstelle am Deutschen Krebsforschungzentrum. Kostenfreies Beratungsangebot zu Brustkrebs täglich von 8:00 bis 20:00 Uhr, Tel.: 0800 4203040. www.krebsinformationsdienst.de Mamazone e.V. Brustkrebs-Patientinnen-Initiative mit regionalen Gruppen. www.mamazone.de Stiftung PATH – Patients’ Tumor Bank of Hope Aufbewahrung von Tumorgewebe. www.stiftungpath.org Mamma Mia! Anhang Selbsthilfe und Beratung Krebs im Internet BRCA-Netzwerk e.V. Information, Beratung und Hilfe bei familiärem Brustund Eierstockkrebs. Hier können sich Betroffene über die prophylaktische Brustentfernung und die Kostenübernahme der Krankenkassen informieren. www.brca-netzwerk.de Brustkrebs Deutschland TV Videoportal von Brustkrebs Deutschland e.V. www.brustkrebsdeutschland.tv Brustkrebs-München e.V. Zusammenschluss von Betroffenen, Ärzten, Pflegepersonal und Interessierten. Hotline: 089 60190923, E-Mail: [email protected]. www.brustkrebs-muenchen.de Der Krebskompass „Internetguide für Krebspatienten“. www.krebs-kompass.de Förderverein Brustzentrum „Die Revierinitiative“ Beratung und Information bei Brustkrebs. www.die-revierinitiative.de BRCA-Netzwerk e.V. bei facebook www.facebook.com/brcanetzwerk Frauenselbsthilfe nach Krebs Bundesverband e.V. Onlineberatung und regionale Gruppen. Tel.: 0228 33889-400. www.frauenselbsthilfe.de lebensmut e.V. Orientierungshilfe und Informationen bei Brustkrebs. www.lebensmut.org Netzwerk Brustkrebs beim Mann e.V. Informationen rund um das Thema Brustkrebs beim Mann; Möglichkeit, Kontakt zu anderen Betroffenen aufzunehmen. www.brustkrebs-beim-mann.de Zebra – Zentrum für Brustgesundheit und Brustkrebsangelegenheiten Kooperation mit dem Interdisziplinären Brustzentrum (IBC) in Düsseldorf, Patientinnenseminare und kostenfreie telefonische Beratung. Tel.: 0211 9293935. www.zebra-brustkrebs.de Foren Deutsches Medizinforum. www.medizin-forum.de Brustkrebslexikon Umfassenes Glossar. www.brustkrebs-info.de Soziale Netzwerke krebsfamilie.de – Komme ich aus einer Krebsfamilie? www.facebook.de/krebsfamilie Mia! Das Brustkrebsmagazin bei facebook www.facebook.de/brustkrebsmagazin.mammamia Mamma Mia! Das Brustkrebsmagazin bei twitter www.twitter.com/MammaMiaMagazin Mamma Krebs mit Kindern Flüsterpost e.V. www.kinder-krebskranker-eltern.de Hilfe für Kinder krebskranker Eltern www.hilfe-fuer-kinder-krebskranker-eltern.de Mum hat Brustkrebs Informationsportal für Kinder, deren Mutter Brustkrebs hat. www.mum-hat-brustkrebs.de Sonnenstrahlen e.V. Förderverein für Kinder schwer kranker Eltern. www.sonnenstrahlen-online.de Krebs Kompass. www.krebs-kompass.org www.mammamia-online.de 71 Mamma Mia! Anhang Glossar A Ablatio mammae – Amputation der Brust. Adenokarzinom – Tumor, der aus Drüsengewebe hervorgeht. Hierzu gehört auch das Mammakarzinom. Adjuvante Therapie – Vorsorgliche Behandlungsschritte nach der Primärtherapie, wenn kein Tumor mehr nachweisbar ist. Durch Chemotherapie, Strahlentherapie, Hormontherapie oder Immuntherapie sollen nicht diagnostizierbare Tumorreste bekämpft werden. Alkylanzien – Medikamente, die zur Brustkrebsbehandlung eingesetzt werden (zum Beispiel Cyclophosphamid). Sie wirken hemmend auf die Zellteilung. Alopezie – Haarausfall. Oftmals Begleiterscheinung der Chemotherapie. Amenorrhoe – Ausbleiben der Monatsblutung. Anämie – Blutarmut. Anamnese – Krankengeschichte, Verlauf der Krankheit. Androgene – Männliche Geschlechtshormone. Angiogenese – Neubildung von Blutgefäßen. Anschlussheilbehandlung (AHB) – Stationärer Aufenthalt in einer onkologischen Rehabilitationsklinik. Die AHB sollte spätestens zwei Wochen nach Abschluss der Primärbehandlung durchgeführt werden (nach Chemo- oder Strahlentherapie). Antiemetika – Medikamente, die gegen Übelkeit helfen. Antiöstrogene Medikamente – Werden im Rahmen der Hormonbehandlung eingesetzt, hemmen die Wirkung der Östrogene. Antikörper – Eiweißstoffe, Teil des körpereigenen Abwehrsystems. Spezialisierte weiße Blutkörperchen bilden Antikörper als Abwehrstoffe nach Kontakt mit eingedrungenen Fremdstoffen, die als Antigene bezeichnet werden. Sie dienen der Abwehr dieser Fremdstoffe. Antikörper können auch künstlich hergestellt werden. Antikörpertherapie – Behandlung mit Antikörper-Medikamenten. Sie wird auch als Immuntherapie bezeichnet, da die Antikörper ähnlich wie körpereigene Abwehrstoffe wirken. Apoptose – Zelltod, der bei fehlerhaften Zellen automatisch einsetzt. Dieser Mechanismus funktioniert bei Krebszellen nicht. Areola – Warzenhof der Brustwarze. Anthrazykline – Medikamentenklasse, die zur Brustkrebsbehandlung eingesetzt wird. 72 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Aromatase – Ein Enzym, das Androgene aus Muskeln und Fettgewebe in Östrogene umwandelt. Mamma Aromatasehemmer – Substanzen, die das Enzym Aromatase blockieren. Biopsie – Entnahme von Gewebematerial, das mikroskopisch untersucht wird. Aspirationsbiopsie – Entnahme von Zellen oder Gewebeflüssigkeit mittels einer dünnen Nadel (auch Saugoder Feinnadelbiopsie genannt). Bisphosphonate – Substanzen, die vor Knochenabbau schützen. Werden bei Knochenmetastasen oder als Prophylaxe eingesetzt. Aufbauplastik – Kosmetische Wiederherstellung der Brust nach Ablatio. Boost – Verstärkung der Strahlendosis. Augmentation – Brustvergrößerung. Axilla, axillär – Achsel, zur Achsel gehörend. Axilläre Dissektion – Entnahme von Gewebe und Lymphknoten aus der Achselhöhle. B Benigne – gutartig (keine Krebserkrankung). BI-RADS™ – Breast Imaging Reporting And Data System Klassifizierung des Mammographiebefunds in fünf Klassen: BI-RADS 0: weitere bildgebende Diagnostik erforderlich BI-RADS 1: normal (negativ) BI-RADS 2: gutartig BI-RADS 3: wahrscheinlich gutartig, unklar, Kontrolle empfohlen BI-RADS 4: suspekt, Abklärung durch Biopsie erforderlich BI-RADS 5: hochgradig karzinomverdächtig Brachytherapie – Lokale Strahlenbehandlung mit Hilfe von radioaktiven Präparaten, die direkt in das Tumorgewebe eingebracht werden. BRCA 1, BRCA 2 – „Brustkrebsgene“, deren Veränderung das Brustkrebsrisiko steigern. Diese Genmutationen sind erblich bedingt. Brustdrüse – System von Milchdrüsen im weiblichen Brustgewebe. Brustprothese – Brustersatz aus Silikon, der in einen Spezial-BH eingesetzt wird. Brustrekonstruktion – Operativer Wiederaufbau der Brust nach einer Amputation. Brustzentrum – Zusammenschluss von Ärzten aus verschiedenen medizinischen Bereichen zur Behandlung von Brustkrebs. Eine Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Senologie ist möglich, wenn bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Mia! Anhang C Carcinoembryonales Antigen (CEA) – Tumormarker, der Auskunft über den Erfolg einer Behandlung geben kann. CEA wird im Blut nachgewiesen und ist nicht spezifisch für einen bestimmten Tumor. Carcinoma ductale in situ (DCIS, CDIS) – Tumorzellen, die ihren Ursprung in den Milchgängen haben und noch nicht invasiv gewachsen sind, manchmal auch als Krebsvorstufe bezeichnet. Carcinoma in situ (Cis) – Vorstadium eines Mammakarzinoms. Der Tumor hat die Grenze seines Ursprungsgewebes noch nicht durchbrochen und ist noch nicht in andere Gewebe eingewandert. Carcinoma lobulare in situ (CLIS) – Veränderte Zellen in den Drüsenläppchen der Brust, die selten kleine Knoten bilden und nicht invasiv sind. Chemosensitivitätstest – Test am Tumorgewebe, auf welche Zellgifte (Chemotherapeutika) die Krebszellen ansprechen. Chemotherapie – Systematische, den ganzen Körper einbeziehende Therapie. Durch Medikamente wird Zellteilung verhindert bzw. Tumorzellen abgetötet. Biopsat – Das entnommene Gewebe bei einer Biopsie. www.mammamia-online.de 73 Mamma Mia! Anhang Glossar Computertomographie (CT) – Computergestütztes röntgendiagnostisches Verfahren zur Herstellung von Schnittbildern (Tomogramme, Quer- und Längsschnitte) des menschlichen Körpers. Die Bilder errechnet der Computer mit Hilfe von Röntgenstrahlen, die durch die zu untersuchende Schicht hindurchgeschickt werden. D Digitale Mammographie – RöntgenMammographieverfahren, bei dem das Bild elektronisch mit einem digitalen Aufnehmer aufgezeichnet wird. Dignität – Bewertung von Gewebe nach Gut- oder Bösartigkeit. Disease Management Programm – Behandlungs- und Betreuungsprogramme für chronisch Kranke (auch Brustkrebs), werden von Krankenkassen organisiert. Dormant Cells – „Schläferzellen“ sind Zellen, die sich nicht teilen und somit der Chemotherapie entgehen. Sie führen in vielen Fällen zu einem Fortschreiten der Krankheit. Duktales Karzinom – Tumor, der im Milchgang entsteht. E Exstirpation – Entfernung eines Organs, eines Organteils oder eines abgegrenzten Tumors (Knotens) 74 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor G Grading – Beurteilung des Grads der Veränderungen von Tumorzellen: Wie schnell teilen sie sich? Wie stark haben sie sich verändert? I Immunsuppression – Dämpfung der Funktion unseres Immunsystems, zum Beispiel als Folge einer Chemotherapie (Hemmung der Bildung von weißen Blutkörperchen im Knochenmark) Invasiv – Eigenschaft bösartiger Tumoren: Der Tumor hat die Begrenzung seines Ursprungsgewebes durchbrochen und wächst in anderes Gewebe ein K Kanzerogen – auch karzinogene Substanzen, die die Entstehung bösartiger Tumore fördern Karzinom – bösartiger Tumor, Krebserkrankung Kernspintomographie – auch Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) genannt. Ein computergesteuertes bildgebendes Verfahren mit hoher Auflösung, dass feine Strukturen gut sichtbar macht L Lokalrezidiv – neuerliches Wachstum von Tumoren im Operationsgebiet Mamma Lappenplastik – Bei dieser Methode wird körpereigenes Gewebe benutzt, um eine Brust nachzubilden. Man nutzt dazu Haut und Muskelgewebe aus der Bauchwand oder dem Rücken. Das benötigte Gewebe wird durch einen Gewebetunnel zur Brustwand gezogen, zu einer Brust geformt und entsprechend eingenäht Lumpektomie – Schonende brusterhaltende Operation, bei der möglichst nur das Tumorgewebe inklusive einem so genannten Sicherheitssaum entfernt wird. Die Brust kann so erhalten bleiben Lymphdrainage – Nach einer Operation können die Lymphabflusswege verlegt oder zugeschwollen sein, so dass ein normaler Abfluss der Lymphflüssigkeit nicht gegeben ist. Die Lymphdrainage ist eine Entstauungsmethode, die durch Streich- und Druckmassagen zu einem Abfließen des Gewebswassers beiträgt Lymphknoten – Gehören zum Immunsystem. Sie filtern die Lymphflüssigkeit und fangen Erreger, aber auch Tumorzellen ab. Siedeln sich die Tumorzellen in einem Lymphknoten an, können diese Zellen zu einem eigenen Tumor auswachsen Lymphödem – Durch die Verlegung oder Verletzung entstehende Stauung von Lymphflüssigkeit im Gewebe. Das kann sehr schmerzhaft sein M Maligne – bösartig Malignitätsgrad – gibt an, wie bösartig ein Tumorgewebe ist Mamma – weibliche Brust Mammakarzinom – Brustkrebs Mammographie – Untersuchung der Brust mittels Röntgenstrahlen Mastektomie – Amputation der Brust Mastopathie – Zyklusabhängige gutartige Veränderung des Brustgewebes ; je nach Schweregrad schmerzhaft und mit Blut- und Sekretausfluss assoziiert. Tritt vor allem in einem Alter zwischen 35 und 50 Jahren auf Mia! Anhang MRT – Magnet-Resonanz-Tomographie. Wird auch als Kernspintomographie bezeichnet. Diagnostisches Verfahren zur Herstellung von Schnittbildern (Tomogramme) des menschlichen Körpers. Dem Verfahren liegen keine Röntgenstrahlen zu Grunde, sondern Wellen, die von den körpereigenen Atomen nach Ausrichtung in einem magnetischen Feld ausgesandt werden und computergestützt zu einem hochauflösenden Schnittbild rekonstruiert werden können. Anwendung oft für Aufnahmen von Gehirn und Rückenmark, in Ausnahmefällen auch von der Brust N Metastase – Tochtergeschwulst, Absiedlung von Tumorzellen in andere Organe, vor allem über das Blut und die Lymphe. Häufig sind Knochen, Lunge und Leber betroffen Neoadjuvante (=präoperative) Therapie – Chemo- oder Hormontherapie, die vor der Operation durchgeführt wird, um den Tumor schrumpfen zu lassen und damit besser operabel zu machen, z. B. wenn sonst nicht brusterhaltend operiert werden könnte Metastasierung – Absiedlung von Zellen aus einem Tumor Neoplasie – Neubildung des Gewebes, kann gut- oder bösartig sein Mikroverkalkungen (Mikro-Kalk) – Kalkablagerungen in der Brustdrüse, die ein Hinweis auf bösartiges Gewebe/Tumor, sein können. MikroKalk ist in einer Mammographie sichtbar Nuklearmedizin – Medizinisches Fachgebiet, das sich mit der diagnostischen und therapeutischen Anwendung radioaktiver Substanzen befasst Morbus Paget – Karzinom der Brustwarze Onkologie – Fachrichtung der Medizin, die sich mit der Entstehung, Diagnose, Behandlung und Verhütung von Tumorerkrankungen beschäftigt (Operation, Bestrahlung, Chemo-, Hormon- und Immuntherapie) Morphine – Medikamente, die bei starken Schmerzen eingenommen oder verabreicht werden können O www.mammamia-online.de 75 Mamma Mia! Anhang Glossar Osteoblasten – Zellen, die am Knochenaufbau beteiligt sind Osteoklasten – Knochenabbauende Zellen Östrogene – Weibliche Geschlechtshormone, die vorwiegend in den Eierstöcken gebildet werden. Östrogene können Tumoren, die mit entsprechenden Rezeptoren ausgestattet sind, zu vermehrtem Wachstum anregen Ovarektomie – Entnahme der Eierstöcke. Kann bei Brustkrebs als Alternative zu einer Hormontherapie gewählt werden. Auch hierdurch wird die Östrogenbildung unterbunden P Palliativ – Behandlung zur Linderung von Symptomen, zur Verlängerung der Lebenszeit und Erhöhung der Lebensqualität sowie zur Vermeidung von Komplikationen. Diese Therapieform kommt dann in Frage, wenn eine Heilung der Krebserkrankung nicht mehr möglich ist. Im Rahmen der palliativen Therapie spielt die Schmerzbehandlung eine wichtige Rolle Postmenopause – Die Zeit nach den Wechseljahren, wenn die Eierstöcke nicht mehr aktiv sind und keine Hormone mehr produzieren R Remission – Rückgang der Krankheit. Bei Tumorerkrankungen wird zwischen Voll- und Teilremissionen unterschieden – je nachdem, ob sich der Tumor ganz oder nur teilweise zurückgebildet hat Resektion – Entfernung von Organen oder Körperteilen mit Hilfe eines chirurgischen Eingriffs Rezidiv – Wiederauftreten einer Krankheit, Rückfall. Bei einer Krebserkrankung: Erneutes Wachsen eines Tumors aus dem gleichen Gewebe S Screening – Verfahren zur frühzeitigen Erkennung von unbemerkten Erkrankungen oder Defekten durch die Anwendung von Testen, Prüfungen oder anderen Verfahren, die schnell durchgeführt werden können Sonographie – Ultraschalluntersuchung. Kann als Mammasonographie für die Untersuchung des Brustgewebes angewandt werden Staging – Stadieneinteilung. Wichtig für die Festlegung der wirksamsten Therapie. Einteilung anhand der TNM-Klassifikation (T=Ausbreitung und Größe des Tumors, N=befallene Lymphknoten, M=Vorhandensein von Metastasen) Stanzbiopsie – Entnahme eines Gewebe-Zylinders (zum Beispiel mit einer Hochgeschwindigkeits-Stanze) 76 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Mamma Stereotaxie – Stereotaktische Stanzbiopsie, mammographisches Zusatzverfahren. Punktgenaue Lokalisation von so genannten Mikrokalkarealen oder anderen verdächtigen Herden über ein computergesteuertes Koordinatensystem mit weiterführenden Untersuchungsmöglichkeiten (Biopsie, Markierung) Szintigraphie – Bildgebendes Verfahren, bei dem der Patientin ein Kontrastmittel injiziert wird, das durch spezielle Technik sichtbar gemacht werden kann. Dadurch lassen sich feine Strukturen erkennen T Taxane – Medikamentenklasse (Zytostatika) zur Brustkrebsbehandlung. Ausgangsstoffe werden aus den Nadeln verschiedener Eibenarten gewonnen TNM-Klassifikation – Einteilungsschema eines Tumors hinsichtlich Tumorgröße, Lymphknotenbefall und Absiedlung in andere Organe (siehe Staging) Tumor – Starke Schwellung von Gewebe, zum Beispiel durch Wucherung von Zellen. Man unterscheidet gutartige und bösartige Tumoren Mia! Anhang Tumormarker – Meistens Eiweißmoleküle, die von einem Tumor gebildet oder bei Vorliegen einer Geschwulst vom Körper gebildet werden. Sie dienen meistens der Verlaufskontrolle einer Therapie. Tumormarker beim Mammakarzinom sind CEA (carcino-embryonales Antigen), CA 15-3 (CA= cancer antigen) und TPA (tissue polypeptide polyantigen) Tumorstaging – Mit TNM bezeichnet: Gibt Aussage über den Grad einer Krebserkrankung und beschreibt die Größe und die Ausdehnung des Tumors (T), den Befall angrenzender Lymphknoten (N) sowie den Metastasierungsgrad (M). Beispiel - T1 N 0 M 0 bedeutet: kleiner Tumor ohne Lymphknotenbefall, keine Metastasen. Das Tumorstaging beeinflusst die Therapieentscheidung Z Zyste – Gutartiges, flüssigkeitsgefülltes Gewebesäckchen Zytostatika – Substanzen, die besonders die Teilung schnellwachsender Zellen wie etwa Tumor- oder Haarzellen unterdrücken. Sie kommen in der Onkologie als Chemotherapie zum Einsatz www.mammamia-online.de 77 Mamma Mia! Anhang Tumorklassifikationen Bei der TNM-Klassifikation (T=Tumor, N=Nodi=Lymphknoten, M=Fernmetastasen) handelt es sich um eine Einteilung bösartiger Tumoren nach verschiedenen Faktoren. Diese wurde von der UICC (International Union Against Cancer) festgelegt. pT Primärtumor Tx Primärtumor kann nicht beurteilt werden T0 Kein Primärtumor pTis Carcinoma in situ pT1 Tumor bis 2 cm pT1a Tumor bis 0,5 cm pT1b Tumor 0,5 cm bis 1 cm pT1c Tumor 1 cm bis 2 cm pT2 Tumor 2 cm bis 5 cm pT3 Tumor mehr als 5 cm pT4 Tumor jeder Größe mit direkter Ausdehnung auf die Brustwand oder die Haut pT4a Mit Ausdehnung auf die Brustwand pT4b Mit Ödem oder Ausdehnung auf die Brusthaut pT4c 4a und 4b gemeinsam pT4d Entzündliches (inflammatorisches) Mammakarzinom Zusätze m mehrere Tumorherde in einer Brust (multifokal/multizentrisch) r Wiederaufflackern der Tumorerkrankung (Rezidiv) G Grading G1 Gut differenziert G2 Mässig differenziert G3 Undifferenziert (entdifferenziert) 78 Mamma Mia! Tumor ist nicht gleich Tumor Mamma Mia! Anhang pN Regionäre Lymphknoten Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden pN0 Keine regionären Lymphknoten befallen pN1 Metastasen in axillären Lymphknoten pN1a Nur Mikrometastasen (keine größer als 0,2 cm) pN1b Metastase(n) in Lymphknoten, mindestens eine größer als 0,2 cm pN1bi Metastasen in 1 bis 3 Lymphknoten, wenigstens eine größer als 0,2 cm, aber alle kleiner als 2 cm pN1bii Metastasen in 4 oder mehr Lymphknoten, wenigstens eine größer als 0,2 cm, aber alle kleiner als 2 cm pN1biii Ausdehnung der Metastasen über die Lymphknotenkapsel hinaus, alle kleiner als 2 cm in größter Ausdehnung pN1biv Metastasen in Lymphknoten, 2 cm oder mehr in größter Ausdehnung pN2 Metastasen in ipsilateralen axillären Lymphknoten, untereinander verbacken oder in andere Strukturen fixiert pN3 Metastasen in ipsilateralen Lymphknoten entlang der A. mammaria interna Zusätze SN Sentinel Node (Wächterlymphknoten). Befund bezieht sich auf den/die entnommenen Wächterlymphknoten. mi Mikrometastase, sehr kleine Metastase. Bei positiven axillären Lymphknoten sollte die Anzahl der befallenen Lymphknoten im Verhältnis zur Gesamtzahl der entfernten Lymphknoten angegeben werden. M Fernmetastasen Mx Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden M0 Keine Fernmetastasen M1 Fernmetastasen L Lymphgefäßeinbruch: LX Lymphgefäßinvasion kann nicht beurteilt werden L0 kein Nachweis einer Lymphgefäßinvasion (also keine Tumorzellen in Lymphgefäßen nachgewiesen) L1 Lymphgefäßinvasion (also Tumorzellen in Lymphgefäßen nachgewiesen) V Blutgefäß-(Venen-)einbruch: VX Blutgefäßinvasion kann nicht beurteilt werden V0 kein Nachweis von Blutgefäßinvasion V1 Blutgefäßinvasion Resektionsrand (Absetzungsrand (Schnittrand) bei der Operation) RX Resektionsrand kann nicht beurteilt werden R0 Resektionsrand ist frei von Tumor, der Tumor wurde vollständig (mit einem Sicherheitsaum) im Gesunden entfernt R1 Tumor reicht bis an den Resektionsrand, der Tumor wurde wahrscheinlich nicht vollständig im Gesunden entfernt oder reicht bis an den Rand (ohne Sicherheitsaum) www.mammamia-online.de 79 stkrebsm Bru Dasamma mia-online.de agazin Mia! gazin a D/A: 5,50 € CH: 7,80 SFr. 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Mamma Das Brustkrebsmagazin www.mammamia-online.de Brustkrebs beim Mann 2:,5#=9$.5:8: ,!# *6::8# ":< &#9"8: %"= ,[email protected]#8: )#"B$1 ":< '.8#B$5+AA#8/B Therapieoptionen im Überblick *.$ ,#8":<@.+38# 0:$8#B$!$%":; <"#+3 <9B (8"$B+38 -5:B5#$."= ,!# 7&[email protected]#8: )#"B$1 ":< '.8#B$5+AA#8/B4 MIA! „Brustkrebs – Die fortgeschrittene Situation“ Mamma www.mammamia-online.de www.mammamia-online.de Brustkrebs Eierstockkrebs Die fortgeschrittene Situation Therapieoptionen im Überblick Mamma www.mammamia-online.de Mamma Das Eierstockkrebsmagazin Das Brustkrebsmagazin MIA! „Eierstockkrebs –Therapieoptionen im Überblick“ a MIA! 3. aktualisierte Auflage 2017 „Tumor ist nicht gleich Tumor“ Das Brustkrebsmagazin „Komme ich aus einer Krebsfamilie? – Informationen für Betroffene und Ratsuchende zum familiären Darmkrebs“ Komme ich aus einer Krebsfamilie? 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