Narrative und moralische Identität bei Paul Ricoeur

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Loyola University Chicago
Loyola eCommons
Theology: Faculty Publications and Other Works
Faculty Publications
2000
Narrative und moralische Identität bei Paul Ricoeur
Hille Haker
Loyola University Chicago, [email protected]
Recommended Citation
Haker, H. "Narrative und moralische Identität bei Paul Ricoeur." Concilium 36(2), 2000.
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© Ostfildern-Ruit Grünewald, 2000.
II.
Philosophi:her Diskurs
beruhendes liberales Geselischaftsmodeli nicht blind fur die Materialitiit nnd
Inhaltlichkeit dieser Prozesse sein.
In einem Artikel iiber den Begriff des Liberalismns, der selbst den Titel ,,Liberalismus" tragt, versucht Ronald Dworkin zu bestimmen, was fur eine liberale
Position charakteristisch ist. Als ,,liberal" bezeichnet Dworkin eine Gleichheitstheorie, die gegeniiber den verschiedenen konkreten Konzeptionen des guten,
wertvollen und sinnvollen Lebens einen neutralen Standpunkt einnimmt, da ein
solcher neutraler Standpunkt der einzige gerechte Standpunkt sei. Trotz mancher
Differenz in der begrifflichen Bestimmung des Liberalismus zwischen Dworkin
und Taylor - Differenzen, auf die Charles Taylor selbst an verschiedenen Stellen
hingewiesen hat - bleibt Charles Taylor ein liberaler Philosoph und Sozialtheoretiker, der um die Bedeutungen von Inhalten und materialen Optionen fur das
Zustandekommen des guten Lebens weIB. Sein Pladoyer fur Multikulturalitiit ist
die konsequente Folge seines eigenen hermeneutischen kultur- und sozialanthropologischen Ansatzes. Multikulturalitiit besagt aber nach Taylor keine Beliebigkeit, sondem die konkrete Anerkennung des wirklichen Guten, das nur in kultnrellen Vermittlungen und in der Pluralform zu haben ist. Vorsichtig heIBt es im
Anschluss an einige Uberlegungen Johann Gottfried Herders am Ende des Artikels ,,Die Politik der Anerkennung": ,,Herder zum Beispiel hegte eine Vorstellung
von der gottlichen Vorsehung, derzufolge die Vielfalt der Kulturen nicht als
blo1'er Zufall erschien, sondem dazn bestimmt war, gr61'ere Harmonie hervorzubringen. Ich kann dem nicht die Berechtigung absprechen. Aber auch in einem
elemeutaren Siuue gilt, dass Kulturen, die einer gro1'en Zahl von Meuschen von
unterschiedlichem Charakter und Temperament iiber lange Zeitraume einen Bedeutnngshorizont eroffnet haben - die, anders gesagt, ihrem Sinn fur das, was
gut, heilig, bewundemswert ist, Ausdrnck verliehen haben - , gewiss etwas aufweisen, das unsere Bewunderung und unseren Respekt verdient, wenngleich sich
daneben vieles linden mag, was wir verabscheuen und ablehnen miissen. Vielleicht konnte man es auch so formulieren: Es ware ein Anzeichen hochster
Arroganz, diese Moglichkeit a priori auszusch!ie1'en ... "
Literatur
R. Dworkin, A Matter of Principle, Oxford 1985.
H.G. Frankfurt, The Importance of What We Care about. Philosophical Essays, Cambridge 1988.
W. Kymlicka, Multicultural Citizenship. A liberal theoiyof mloorityrights, Oxford 1995.
J. Ranciere, La Mesentente. Politique et Philosophie, Paris 1995.
Ch. Taylor, The Explanation ofBehavior, London 1964.
Ch. Taylor, Hegel, Frankfurta.M. '1983 _
Ch. Taylor, Human Agency and Language. Philosophical Papers l, Cambridge 1985.
Ch. Taylor, Philosophy and the Human Sciences. Philosophical Papers 2, Carobridge 1985.
Ch.Taylor, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identitat, Frankfurt a.M. 1994.
Ch. Taylor, Philosophical Arguments, Cambridge, Massachusetts, 1997.
Ch. Taylor, Multikulturalismus d d" p li .
un le o tik der Anerkennung, Frankfurt a. M. 1997.
Narrative und moralische ldentitat
bei Paul Ricoeur
Hille Haker
1. Personale ldentitat
1.1. Elemente der personalen ldentitat
Personale Identitiit kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Die
beiden wichtigsten Ans.atze werden von Paul Ricoeur als Idem-Identitiit sowie als
Ipse-Identitiit bezeichnet. Mit dem ersten Begriff (Idem-Identitiit] zielt Ricoeur
auf die Tradition der Identitiit im Sinne der Identifizierbarkeit von etwas oder
jemandem ilbereinen Zeitraum hinweg. Der zweite Begriff (Ipse-Identitat) bezieht
sich auf Selbstkonzepte, also Selbstverstiindnisse in der Zeit. Die Identitiit einer
Person bedarf beider Dimensionen, die miteinander verschrankt sind. Ohne eine
Identifikation in der zeitlichen Erstreckung konnten wir ebenso wenig von einer
Identitiit der Person sprechen wie ohne das Selbstbild oder die Identitiitsvorstellung, also ohne das, was uns in unserer Existenz ausmacht. Begrifflich ist
das jedoch nicht anders zu fassen als in der Geschichte unseres Lebens. Neben
diesen beiden zentralen Elementen gibt es noch weitere, so etwa die Verschriinkung von Idem-Identitiit und Ipse-Identitiit. Doch ware noch vieles iiber
andere Elemente personaler Identitiit zu sagen. Ich will deshalb noch weitere
Elemente sammeln:
• Leibliche Unmittelbarkeit:
Der Identitiitsbegriff impliziert eine leiblich-unmittelbare Selbstgewissheit, die
der Objektiviernng der eigenen Person einen Riegel vorschiebt. Wir sind unser
Leib, auch wenn wir einen Karper haben, iiber dessen Beschaffenheit wir uns mit
anderen verstiindigen kOnnen. Demgegeniiber ist jedoch z.B. der Schmerz, den
wir empfinden, uumittelbar mit uns selbst verkniipft; er ist nicht objektivierbar
und nicht teilbar. Unsere Einzigartigkeit wird uns haufig erst durch die leiblichen
Se!bstwahrnehmungen und Empfindungen bewnsst; nicht selten stiirzt sie uns
jedoch in das Gefiihl der Einsamkeit und der Isolation, wie nicht zuletzt Jean Paul
Sartre immer wieder - am eindriicklichsten aber sicher in ,,Der Eke!" - gezeigt
hat. Die Identitiit einer Person bedarf der leiblichen Unmittelbarkeit als Grund,
auf den sich die Reflexion bezieht.
• Ref/exiuitiit
Wenn wir den Begriff der Identitiit als Selbstbezug einer Person fassen, ist die
Reflexivitiit dieses Bezugs unausweich!ich. Denn die Kehrseite der leiblichen
Unmittelbarkeit ist die Tatsache, dass wir uns iiber uns immer nur mittelbar
//.
Philosophischer Diskurs
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grill I" und Me" um zwei unterschiedli·
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.Jedoch noch mehr: Mead pragte die Be
Id titiit auszu m
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che Dimensionen der personalen en kti . in der ich soebeu noch einmal
verweist auf die individuelle Sdbstp~pe ;lmension unterschieden habe. Die
zwischen einer leiblichen und emer re exiven
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anderen erfahre_ zwdm_11"t ~aufig das Ergebnis einer iiberwfiltigenden Macht, die
ruht und nur. zu einem geringen Teil der Erfolg
sind und wer wrr sm • is
in dieser Fremdzuschreibun_g_.
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unserer individuelle~ Id_entitii~s~ucale. . dynamischer Begriff, so dass wir van
. ··t b griff durch die D1alogiz1tiit s em
~~:~ahrun~en und Korrekturen des Selbstbezugs sprechen konnen.
vergewissem konnen. Deshalb kommt das Subjekt im Bezug auf sich selbst
gleichsam immer zu spat. Andererseits ermoglicht es aber die Selbstretlexivitiit,
dass wir gegeniiber uns selbst eine Distanz einnehmen, die die leibliche Unmittelbarkeit als eine solche zu thematisieren vermag. In der Reflexion auf sich selbst
wird die Identitiit zur fixierbaren und artikulierbaren GrtiJ!,e. Gegeniiber jeder
anderen Identitiit, die einem Wesen van auJ!.en zugeschrieben wird, zeichnet sich
die personale Identitiit dadurch ans, dass sie sich selbst als sich selbst wahrneh·
men und sich auf sich selbst beziehen kann. Das ist ihr spezifisches Vermogen.
Sie bewirkt nicht nur eine Selbstidentifikation iiber die Zeit hinweg, also die
Vergewissemng, dass ich heute noch dieselbe Person bin wie gestem, sondern sie
bewirkt Selbstkonzepte, auf die wirweiterunten noch genauer eingehen.
• Temporalitiit und Kontinuitiit
Durch den retlexiven Charakter der Identitiit erhfilt der Bezug zur Zeit verschie·
dene Bestimmungen. Einerseits identifiziere ich mich reflexiv mit mir selbst, so
dass es iiberhaupt Sinn macht, van Identitiit zu sprechen, also nicht van verschie·
denen Zustiinden, die zum Beispiel nur zufiillig einen Namen tragen, der iiber die
Zeit gleich bleibt, obwohl alles andere sich verandert. Andererseits vergewissere
ich mich retlexiv iiber die eigene Geschichte. Ja, eine Lebensgeschichte wird
iiberhaupt erst durch die reflexive Verschriinkung verschiedener zeitlich aufein·
antler folgender Episoden konstituiert. Identitiit benotigt ein gewisses Mai!, an
Kontinuitiit, das letztlich die Diskontinuitiit iiberwiegen muss, auch wenn eine
Person sich zwischen beiden Polen bewegt. Die Zeitform der personalen Identitiit
ist die erlebte und erfahrene Lebensgeschichte. In ihr ist zu unterscheiden
zwischen einer objektiven Zeit (z.R der Lebenszeit einer Person und der in dieser
Zeit stattfindenden historischen Ereignisse) und einer-subjektiven Zeit. Diese
umfasst nicht nur die personlichen Ereignisse und ·Erfahrnngen eines Lebens,
sondern auch die subjektiv erlebte Daner. So konne11 zum Be\spiel traumatische
Erfahrungen fiir eine Person stets Gegenwart bleiben und deshalb nicht zu einer
Erinnerung verblassen, so dass sie - als erinnerte ·Episode - Bestandteil der
eigenen Geschichte bleibt und uicht in den Modus der Vergangenheit absinkt.
Haufig sind es gerade, die traumatisierenden Erfahrungen ad.er doch zumindest
Verstomngen, die eine Neuinterpretation einer Identitiit bzw. einer Lebensge·
schichte notwendig machen.
• Dialogizitiit und Intersubjektivitiit
Identitiit wird durch und in Auseinandersetzung mit Fremdzuschreibungen ge·
wonnen. Diese beginnt mit der einfachen Tatsache, dass sich Personen sprachlich
iiber sich selbst .verstiindigen. Sie greifen dabei auf eine Sprachkonvention
zuriick, die van den primaren Bezugspersonen iibernommen wird. In der Retlexi·
on auf sich selbst benutzt eine Person zum Beispiel den Namen, den andere ihr
gegeben haben. Der Eigenname wird nicht autonom gewah!t, sondern iiber·
nommen nnd allenfalls im Laufe der Identitiitsentwick!ung mit individueller Be·
deutsamkeit aufgeladen. Haufig wird mit Hille des Namens eine Kontinuitiit
zwischen Generationen hergestellt, die dann identitiitsstiftend wirken soil. In der
Tradition van G.H. Mead bedeutet diese dialogische Konstitution der Identitiit
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• Kontextua/itiit
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bhangig van der
Die individuelle Identitiit oder
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Geschichte anderer Pers~nen
tsteht die Identitiit einer Person. aus dem
tes gesehen werden. Vielmehr en I t ation einerseits van Individualitatund
Wechselverhliltnis van Kontext und ndiegr .
Identitat retlektiert ohne den
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Abgrenzung an ererse1_ s.
. zu beriicksichtigen, gelangt zu einem reduzier·
Kontext, in dem s1e gebildet wrrd,
. renden Missverstandnissen .iiber
'"t h""ufig sogar zu gravie
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. .. . h di E"mbm·dung in den gesell·
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· d fur di Identitat auc
sich selbst. Deshalb sm
e . di Abgrenzung van bestimmten Inhalten
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van konstitutiver Bedeutung, die mit dem Kontext.transpo
.
~::~:~g~:~~~~~~ek= ;~ells:'aftlichen
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on anderen Personen oder
g'eben wenn eme .erson v
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uf die Identitat einer Person bedeutet
Gegenstanden abgrenzbar !St. In B_ezugda
. "ch van anderen unterscheidet
" . t . · dem· -Smn ass s1e s1
dies: ,,Besonders IS sie m
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. ihr Differenz zu anderen e eu am
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und gerade Ill er
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durch die Einzigartigkeit "i:d ~nauswec _se E~ang zu sein. 'unter Identiij.t ist
ihr das Bediirfnis einher, nut s1ch selbst nn. b timmtes Selbstkonzept (Selbst·
deshalb auch, wie schon zu B_eginn ges~gt, em e:n und Uberzeugungen, die eine
bild l zu verstehen. Dieses beinhaltet die Haltung
Person im zuge der Identitatsbildung
-------- ~- ~---- ------~entwickelt. Zugleich wirkt diese In.
Die Autorin
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.
Wissen
dividualitat aber auch als der Wider·
Hille Haker, geb. 1962, Dr. th~ol.; seit 1992
.
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che Assist~ntin am LehrstuM Ethikf.Sozi,al_eth1k_ e;b
haken eines jeden Versuchs, Perso·
..IC th Theo/ Fakultiit der Univers1tat Tubrngen, A
nen mit einer bestimmten Identitat zu
~ .- Habiiitationsprojekt zurbiomedizinischen E1
fixieren, denn das Besondere ist letzt·
emem ,
72070 Tiibingen BRA
Anschrift: BiesingerstraBe 14.
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lich nicht einholbar.
---·----·---·-··~- - -~-~-'----~---
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• Narrativitiit
Obwohl die leibliche Selbsterfahrung . I d" 'dualitat fur Einzigartigkeit und
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Art ist und obwohl die n IVl
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van. unm1tte arer
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. Id titiit einer Person dennoch abhangig von
Unverrechenbarkeit steht, ist. die en
f !gt . dem eine Lebensgeschichte
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B griff der Lebensgeschichte aber doppeldeutig
ihrer Artikulation. er _e
erziihlt wird; dadurch wrrd der e
II.
Philosophise her Diskurs
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wie jede Variante von .,Geschichte", die sowohl das Ereignis als auch den Bericht
ilber das Er~ignis meint. Zeit und Erziihlung sind nicht zuffillig im Begriff der
Leben_sgeschic~te zusammengefilhrt, denn die einzig angemessene Artiku!ationsform, m d~r ObJektive Zeit und subjektives Zeitempfinden dialektisch zusammenkommen,_ ist die Erziihlung. Sie beschreibt die Ereignisse und Prozesse ans der
Per~pektive von hande!nden Subjekten und konstituiert so die Geschichte eines
SnbJekts als eme erziihlbare Geschichte. Die Identitiit einer Person erwachst also
aus der Geschichte, die sie selbst erziihlt, revidiert und unter dem Eindruck je
neuer Erfa!rrungen variiert.
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1.2. Narrative ldentitat als Briicke zwischen Deskription
und Praskription
Im Fol?enden_ wird di~ Rolle der Erziihlung weiterentwickelt. Wir haben gesehen,
dass die Erziihlung emer Lebensgeschichte die narrative Form ist in der sich
person~e Identitat strukturiert und gleichzeitig auch konstituiert.' Indem eine
Perso~ _ihr Leben erz~t, gewinnt sie die Konturen, die der Dauer, der Indivrd~.alitiit ~d der Le1blichkeit der Erfahrung entsprechen. Dabei erfolgt die
Erziihlung emer Lebensgeschichte nach bestimmten Wertungsgesichtspunkten,
die von der Perspektive des Erziihlens, also der jeweiligen Gegenwart, abhan.ng
smd.
.
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:r:iacht_ es aber nicht einen groJ!,en Unterschied, ob ich vom alltiiglichen ode(vom
Erziihlen ausgehe? Ist der Bezug der eigenen Lebensgeschichte
mcht das tatsilchlich Er!ebte und Erfa!rrene, so dass diese Erziihl
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ti h" · will }:\._
ung ,,au en
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, ~;1,uend eine literarische Lebensgeschichte fiktiv oder authentisc~ s_em :kann, ill ihrem Bezug zur Wirklichkeit also ,,autonom" ist? Das ist
~ollig. nchti_g, wird aber nicht immer geniigend beachtet. Alasdair Macintyre etwa
1~onert diesen Punkt viillig, aber auch Michel Foucault unterschatzt ihn in
seill~r Theorie der ilsthetischen Existenz. Umgekehrt leugnet etwa Martin Seel
die.Differe_nz von Existenz bzw. Ethik und Asthetik, wenn er die Kunst zu einem
Bes1".11dteil d~~ E1;bik d~s guten Lebens machen will. Mir geht es jetzt aber mehr
um eille Verhfilbrisbestimmung von Existenz und .ii.sthetik. Dafiir sind zusam~enhang und Differenz von einerseits Handlungen, Praktiken und dem .,Leben"
msges'."1't, van andererseits dem .. Erziihlen" in der Weise der Literatur zu kJilren.
Dafiir :st der ~erenzierte Mimesisbegriff Paul Ricoeurs wichtig. Er unterscheidet ~-schen dre1 Ebenen der Mimesis, die auch fiir die Konzeption der narrativen
Identitat relevant werden. Er spricht von der Konfiguration in der Erziihlun
[M'.me~is IT), die von der Prilfiguration in der Praxis [Mimesis I) und der Refigu~
ration ill der Rezeption (Mimesis III) umral!mt wird; auch letztere stellen also
Formen der Mimesis dar. Diese These der dreigliedrigen Mimesis setzt voraus
dass Praxis, sobald sie als eine solche verstanden wjrd, als narrativ ode;
p:anarrati~ _gelten kann, wiihrend auch der Akt der Rezeption van Erziihlungen
eme Aktivrtiit fordert, die Mimesis genannt werden kann.
Auf die Prilfiguration der Erziihlung in der Praxis (Mimesis I) kann deshalb
li~eranschen
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geschlossen werden, weil zum Erziihlen und Verstehen von Geschichten verschiedene Kompetenzen erforderlich sind, die in der Praxis erworben werden. Da
ist erstens die Kompetenz, Handlungen als solche zu verstehen; zweitens die
Kompetenz, die symbolische Vennittlung zu verstehen. Der Bedeutungsgehalt ist
nicht unmittelbar gegeben, sondem ist an den intersubjektiven Prozess gebunden, in dem Bedeutung verliehen wird. Sprache besteht ans einem Komplex von
Symbolen, der den Kontext aller Handlungen bildet. Symbole strukturieren und
fiihren Wertungen ein, die in Bezug aufHandlungen eine ethische Qualitiit annehmen. Drittens setzen Erziihlungen die Kompetenz voraus, die zeitlichen Stukturen
van Handlungen zu erkennen, die die Praxis durchziehen.
Die Prilfiguration der Erziihlung in der Praxis liefert dem Erziihlen einen Horizont, der in der Kompetenz besteht, das menschliche Handeln semantisch, symbolisch und zeitlich zu verstehen. Prilfiguration bedeutet deshalb: In der
Erziihlung kehren Strukturelemente wieder, die in der Praxis vorfindbar sind; die
Praxis ist durch ilrre Bedeutsamkeit quasi-narrativ oder prilnarrativ strukturiert.
Auch in der Form eines literarischen Textes ist die Erziihlung durch dieses
Vorverstilndnis als aktive Gestaltung der Wirklichkeit an die auJ!,erliterarische
Wirklichkeit gebunden. Literatur !asst sich in ilrrer Distanz von der bedeutsamen
Wirklichkeit unterscheiden, aber nicht abliisen.
In der Konfiguration der Erziihlung, die Ricoeur Mimesis II nennt, geht es um
diese Distanz zur prilfigurlerten Wirklichkeit, die in die Erziihlung eingeht. Die
Erziih!ung nimmt Aspekte der Wirklichkeit auf und vennittelt sie in einer
Neuschiipfung weiter. Sie steht daher zwischen Tradition und radikaler Neuschiipfung; mit der Wirklichkeit ist sie verbunden durch das Vorverstilndnis und
die Regeln der Komposition, die sie aufnimmt und weiterentwickelt; verbunden ist
sie aber auch mit der Wirklichkeit, die Zukunft ist und erst mit dem Akt der
Rezeption eine neue Gegenwart werden kann.
Erziihlung im Sinne von Mimesis II kann nun historiographisch [d.h. authentisch)
oder fiktional [d.h. im Wirklichkeitsbezug autonom) erfolgen. Beide Weisen der
Erziihlung haben in ilrrem Bezug zur Zeit Gemeinsamkeiten, in det Art der
Wirklichkeitsgestaltung weisen sie jedoch erhebliche Unterschiede auf. Ricoeur
nennt dieses Verhfilbris .,iiberkreuzte Referenz": Die literarische Erziihlung kann
sich nicht ganz van der erfalrrenen und erfalrrbaren Wirklichkeit liisen, das
nichtfiktionale Erziihlen dagegen entwirft eine Einheit, wiihlt erziihlenswerte
Aspekte ans usw., so dass dieses manchmal sehr nahe an die Literatur herankommt.
.
Im Leseakt, der Mimesis III, wird das Erziihlte aktualisiert. Auch die Rezeption
beruht auf Schematisiernngen und Tradition. Die Leserin tritt an eine Erziihlung
mit bestimmten Erwartungen heran, die man implizites Regelwissen nennen
kiinnte. Im Verstehen wird diese Rezeption also durch die Regeln bestiltigt die in
der Erziihlung realisiert sind, oder sie nimmt.die Regelabweichungen wahr.
In sofem ist der Leseakt der ., Operator" zwischen Mimesis II und Mimesis III.
In der Rezeption nun iiberschneiden sich die Welt des Textes und die Welt des
Lesers. Die Erziihlnng bezieht sich, so Ricoeur, auf eine ,,Welt", die als das
Narr
man
Iden
Paul
II.
Philosophischer Oiskurs
And.ere des Textes zu betrachten ist, die aber in der Erziihlung und durch die
Erziihlung zum Ausdruck gebracht win!. Der Jiterarische Text bringt Erfahrungen au~ d~r rucht-Jiterarischen Wirklichkeit zum Ausdruck, jedoch in der Weise
~es Mog!ichen. Insofem '.st d""., ,,was in einem Text interpretiert wird, der
orschlag emer Welt[ ... ), m der ich wohnen und meine eigensten Miiglichkeiten
entwerfen kiinnte."l
So ~ulieren nicht nur Erziihlungen allgemein, sondem insbesondere Lebensgeschichten [als Ausdruck der Selbstidentitiit einer ·Person) ethische Uberzeugungen und ethisch relevante Erfahntngen. Damit komme ich zn der zweiten
le1ten~en Frage: Was bedeutet der Begriff der moralischen Identitiit? Ich bleibe
dabe1 un Fahrwasser van Paul Ricoeur, der sich mit dieser Frage in ,,Soi meme
comme un autre" beschiiftigt.
2. Moralische ldentitat: Der Ansatz Paul Ricoeurs
Im Hinb~ck auf Giiter bzw. Ziele, die im Handeln angestrebt werden, sieht
Ricoeur eme e_nge ~erschriinkung der Wertungen mit der Selbstbestiitigung oder
Selbs~ation _emer Person. Meine Selbstschiitzung win!, wie anch Taylor
sagt, rucht durch 1egliche Wertungen in Frage gestellt, sondem var allem durch
solche, die meine Identitiit in ihrem Kem treffen.
Es istals~ erstens die Selbstschatzung, die die Ansrichtung auf das gnte Leben in
den Be~e1ch der Ethik hineinfuhrt. Zweitens ist die individuelle Lebensgestaltung
J~doch lll Kontexte und intersubjektive Beziige eingebunden. Das Streben nach
emem gnten Leben umfasst daher mehr als die Selbstschatzung, die eine Person
braucht.
Es umfasst
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. auch das Wohlwollen fiir andere • den Wunsch , llll·t and eren
,,gn zu leben. Ri~oeur schlieP..t damit an eine Tradition' der Ethik an, die Iange
v~r?essen ~ar, well s1e auf Emotionen gegriindet ist und nicht argnmentationsfii.hig erschien. Doch ist das Wohlwollen fiir andere ein zentraler Aspekt des
ethischen Bezugs zu anderen. Das christliche Wort fiir das Wohlwollen ist die _
var all_em karitativ verstandene - Liebe; das ethische Prinzip, das dem Wohlwollen _semen normativen Gehalt gibt, ist die Goldene Regel, die in der christlichen
Ethik ebenfalls eine~ herausragenden Status hat. Modem gesprochen, besteht
d~s Wohlwollen m emer Fiirsorge fiir den Anderen und die Andere, die somit zu
emem Faktor in meinem Handeln werden. Ricoeurverankert das Wohlwollen als
spontanen Impuls im Streb en nach dem gnten Leben. Nicht zuletzt ist die Freundschaft dafiir ein Modell, das den Respekt vor einer anderen Person als Gewolltes
erfahrbar macht, und gerade nicht, wie die Moral es fordem wird, als ein Gesolltes. Dem Befehl oder Imperativ der Moral ist vorgeschaltet die Bitte oder der
v.:unsch, du mogest mich respektieren, wie ich dich auch respektiere bzw. deine
B1tte an mich, dich nicht zu verletzen und dich in deinem Streben nach dem gnten
Leben zu befiirdem und zu unterstiitzen.
·
Da der_Be~ug zu den Anderen nicht in interpersonalen Beziehungen aufgeht, wird
es Institutionen und Strukturen geben miissen, die uns einen freien und wohlwollenden Umgang miteinander erlauben. Insofem gehOrt zum Streben nach dem
1·
guten Leben auch ein Sinn fiir Gerechtigkeit (aristotelisch als ,,Tugend" verstanden), und es gilt, im Blick auf die Gleichheit aller Institutionen zu etab!ieren. Der
Gerechtigkeitssiun ist somit die Basis aller iiberindividuellen Beziehungen und
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Narr1
more
Iden;
Paul
Strukturen.
Durch das Streben nach dem guten Leben geht jedoch ein Riss. Die Freiheit des
menschlichen Handelns ermiiglicht nicht nur die spontane Giite, sondem ebenso
den Hass und die Gewalt gegeniiber anderen. Weil die groP..en Theoretiker des
moralischen Sinnes - Shaftesbury, Hutcheson und selbst Hume - diesen Aspekt
unter den Tisch fallen JieP..en oder doch zu wenig hervorhoben, richtete sich etwa
Kants Kritik erbarmungslos gegen deren .,Schiingeisterei". Kants kategorischer
Imperativ ist nur angesichts des Gewaltpotentials des mensch!ichen Handelns
zu verstehen; nur vor diesem Hintergrund macht das moralische Sellen einen
Sinn. Weil es im Handeln die Miiglichkeit zur Gewalt gibt und well es in der
mensch!ichen Natur einen ,,Hang zum Biisen", eine destruktive Neigung gibt,
reicht es nicht aus, sich auf das Streben nach dem Guten zu verlassen. Ricoeur
formuliert:
,,Weil es das Biise gibt, muss die Ausrichtung auf das ,gute Leben' die Priifung
der moralischen Verpflichtung auf sich nehmen, die man mit folgenden Worten
neu umschreiben konnte: ,Handle ausschlieP..lich nach der Maxime, die bewirkt,
dass du zugleich wollen kannst, dass das nicht sei, was nicht sein soil: niimlich das
BOse. 2
Das Bose wird erstens beschrieben als Missachtung der mora!ischen Autonomie
im Sinne Kants, der mit ihr die Moralfii.higkeit einer Person fasst. Die Verantwortung fiir sein eigenes Leben und Handeln zu leugnen, das _verw~ilen in
Abhiingigkeit und Unmiindigkeit, sofem Altemativen bestehen, die _weigerung,
ein moralisches Subjekt zu sein bzw. zu werden, dies widerspricht rucht nur auf
der Ebene des ethischen Strebens den Bedingungen der Selbstschiitzung und des
Selbstwertgefiihls, sondem ist vielmehr eine Missachtung des eigenen Selbst.
Moralisch richtig ist dementsprechend die Achtung vor dem Selbst als emer
Instanz die sich selbst die moralischen Gesetze zu geben hat. Ricoeurs Imperativ
konnte 'in seinem ersten Teilgehalt dann lauten: Handle nach der Maxime, die
bewirkt, dass du zugleich wollen kannst, dass das nicht sei, was nicht sein soil: die
1
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Missachtung deiner selbst.
.
.
Im zweiten Teilgehalt wird das Wohlwollen oder die spontane ethische Gute lil
den Respekt vor anderen Personen iiberfiihrt. Auch da noch, wo ich einen em~­
tionalen Anhaltspunkt verliere, um dem Anderen wohlwollend zu begegnen, _hm
ich moralisch verpflichtet, ihn oder sie als Person zu respektieren. Im ~e1t~n
Teilgehalt kfinnte Ricoeurs Imperativ daher lauten: Handle nach der Maxime, ~e
bewirkt, dass du zugleich wollen kannst, dass das nicht sei, was nicht sern soil: die
_ _ _ _
Missachtung einer anderen Person.
Im dritten Teilgehalt wird der Gerechtigkeitssinn in ein Gerechtigke1t~p~1p
iiberfiihrt, das iiberindividuell verankert wird. Hier kann etwa die Gerechtigke1tstheorie von Rawls, aber auch die Differenzierung, die Michael Walzer vorgenommen hat, eingetragen werden. Entsprechend konnte der dritte Teilgehalt von
I'
II.
Phifosophi-
scher Diskurs
Ricoeurs Imperativ lauten: Handle nach der Maxime, die bewirkt, dass du zugleich wolleu kannst, dass das nicht sei, was nicht sein soil: die Fixierung oder
Etablierung ungerechter Strukturen.
Dieser neuformulierte moralische Imperativ zur Eindiimmung des Bosen ist jedoch zu formal, um unmittelbar fur die Praxis der Lebensgestaltung bzw. der
Errichtung van Institutionen wirksam werden zu konnen. 'Er malt zudem in
Schwarz und Weill, wiihrend in der Praxis se!bst haufig nur Grautone' und
Zwischenbereiche zu finden sind.
Deshalb erscheint es sinnvoll, van einem Verhiiltnis der Komplementaritat van
Etbik des guten Lebens und Moral auszugehen, wobei Ricoeur freilich der Etbik
des guten Lebens die fundierende Kraftzuerkennt:
,,Was die Uberzeugung [als Ausdruck des Strebens nach dem Guten, H.H.] zu
einem unausschaltbaren Partner macht, ist die Tatsache, dass sie Stellungnahmen zum Ausdruck bringt, ans denen Bedeutungen, Interpretationen, Einschiitzungen hinsichtlich der vielfiiltigen Giiter entspringen, die die Stufen!eiter der
Praxis abstecken: angefangen van den Praktiken und ihren immanenten Giitem,
iiber die Lebenspliine, die Lebensgeschichten, bis hin zu der Vorstellung, die die
Menschen einzeln oder gemeinsam von einem erfiillten Leben haben. Denn
woriiber diskutiert man letzten Endes, sogar auf der Ebene der politischen Praxis,
wo die fraglichen Giiter die immanenten, Giiter der verschiedenen Praktiken
transzendieren - zum Beispiel in der Debatte iiber die Ziele einer guten Regierung
und die Legitimitat der Demokratie - ja, woriiber diskutiert man letzten Endes,
wenn nicht iiber die fur jeden Teilnehmer an dieser groP..en Debatte beste Art und
Weise, jenseits institutioneller Vennittlungen ein erfiil!tes Leben mit Anderen
und fur sie innerhalb gerechter Institutionen anzuvisieren? Die gegenseitige
Verschriinkung van Deontologie und Teleologie, wie wir sie immer wieder neu
bekriiftigen, findet ihren hiichsten - und briichigsten -Ausdruck im Uberlegungs-
Gleichgewicht zwischen der Argumentationsethik und den wohliiberlegten tiberzeu·
gungen. "3
Auf der Grundlage dieser .,kleinen Etbik" will Ricoeur nun einen angemessenen
Begriff moralischer Identitat entwerfen. Die Zuschreibung einer Handlung an
einen Handelnden erfolgt dabei unter dem Begriff der ethischen und moralischen
Zurechnung. Die Zurechnung kann als Verantwortung aufgefasst werden, die das
Selbst fur sein Hande!n zu iibemehmen hat; dabei wird die Verbindung van
narrativer und moralischer Identitat durch die Aufnahme des Zeitbegriffs hergestellt. Nicht die Ubereinstimmung (bzw. Nii.he oder Distanz) zu einem Guten
schlechthin wie bei Taylor bildet somit das Kriterium der gelungenen Identitat,
sondem die Ubemalune der Verantwortung: Verantwortung fur die Folgen einer
Handlung als Verantwortung unter dem Zukunftsaspekt, Verantwortung fur die
Vergangenheit, ,,die uns beriihrt, ohne ganz unser Werk zu sein", und Verantwortung in der Gegenwart. Die moralische Identitat ist dementsprechend die
Identitat, die sich selbst und ihre Handlungen in der zeit/ichen Verstrickung
verantwortet und entsprechend in ihrer Lebensgeschichte artikuliert. Die Einheit
der Identitat in der Zeit, die auf der Ebene der narrativen Identitat durch die
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emer,, ermeneu
ha Jn Geschichtenverstrickt,Frankfurta.M. '1985, 127.
z ;·!:oe:: Das Selbst als ein Anderer (Ubergange, Bd. 26), Miinchen 1996, 264 (Hervorhe-
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)
bungen im Texl).
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D S lbst als ein Anderer aaO. 349 (Hervorhebungen lIIl Text .
3 P. Ricoeur, as e
•
Literatur
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ul
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~n. Mit ;iner Interpretation der Jahrestage von Uwe Johnso~,
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hli h Handeln? in: ders. Negative Fre e1 . ur
Ch. Taylor, Was1stmensc c es
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lichen lndividualismus, Frankfurta.M. 1988, 9-51.
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Internationale Zeitschrift f"lirTheologie · 36. Jahrgang /April 2000. Heft 2
VORWORT
DIETMA.R MIETH/HERMANN HARING/MAUREEN JUNKER KENNY
ldent1tat: brograph1sch - moralisch - reli iO
..
g s ................................................................................................. 131
I. ZUGANGE
DIETMAR MIETH
ldentitat-wie wird sie erzahlt? ..... .
ALBERTW. MUSSCHENGA
.................................................................................................................... 134
ldentitat:
biographisch - moralisch - religios
Dietma~ Mieth I Hermann Haring I ~~
.
PersOnliche ldentitat in einer individualisierten Gesellschaft
FELIX WILFRED
· ·
.................................................................... 144
ldeniftaten: unt_erdrUckt, entfremdet und verloren
ANNETTEKLEINFELD
....................................................................................... 151
Unternehmensidentitat durch ethische Orientierung
................................................................................... 159
II. PHILOSOPHISCHER DISKURS
THOMAS GIL
Die hermeneutische Anthropologie Charles Taylors
HILLE HAKER
...................................................................................... 170
Narrative und mora/ische ldentitat bei Paul Ricoeur
JAM ES F. KEENAN
.................................................................................... 179
Tugend und ldentitat ..........................
LUIS CARLOS SUSIN
.................................................................................................................... 188
ldentitat als Aneignung ~nd Narzissmus. Eine Kritik am ldentitiitsparadigma ...................................... 197
Ill. THEOLOGISCHER DISKURS
AUGUSTIN DEL AGUA
Narrative lde~titat der Christen nach dem Neuen Testament
HERMANN HARING
.................................................................. 211
Die Geschichte Jesu als Grund und Ursprung religiOser ldentitat
CHRISTINE FIRER HINZE
.............................................................. 219
ldentitat in derfeministisch-theologischen Diskussion
HANS G. ULRICH
............................................................................... 23l
Selbst-Sein -Selbst-Werden in ethischer Perspektive ................................................................................. 239
DOKUMENTATION
PAUL BRAND
35Jahre CONCILIUM .............................................................................................................._.............................. 249
REZENSIONEN
Feministische Theologie ......................................................................................................................................... 255
Redaktion: Dietmar Mieth TUbingen H
H.. . N"
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· ermann anng, JJmegen. Maureen Junker Kenny, Dublin.
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UNION
THEOLOGICAL
SEMINA~Y
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In diesem Heft von CONCILIUM versuchen wir,
, interdisziplinare Arbeit zu doknmentieren, die das neue Gesicht dieser theologischen
Zeitschrift kennzeichnet. Unter.den Herausgebern und Beitragen ist eine Reihe
von theologischen Disziplinen vertreten, in denen das Thema ,.Identitat" im Sinne
der folgenden Uberlegungen wichtig geworden ist.
Die Frage nach einem selbstbestimmten guten Leben ist zentral im Horizont der
Individualisierung. Diese Bestimmung erfolgt heute der Tendenz nach nicht mehr
von auJ1ei:t nach innen,. d.h. durch Identifikation mit religiosen oder sozialen
Institntimien, sondern durch Vergewisserung der eigenen Identifikation mit sich
selbst, durch Selbstbindung in einer Biographie. Die Identitat des moralischen
und religiosen Subj ektes formt sich also auf narrative Weise aus.
Dabei wird moglichst nach einer originaren oder ,.authentischen" Lebensform
gesucht. Diese Frage ist in philosophischen Theorien iiber das individuelle ,.gute
Leben" (totum bene vivere, eu zen) iekonstruiert, aber auch kritisiert warden. Man
findet sie auch in der asthetischen Literatnr. Grenzen der Identitat, Hindernisse
der Identitatsbildung, .gebrochene Identitat werden darin ebenfalls thematisiert.
Hierher gehOrt anch die kultnrelle Verschiedenheit in der Akzeptanz oder Konte·
station des Identitats-Paradigmas bzw. in dessen Auspragung. Der individualistischen Zuscharfung entspricht ein bleibender kollektiver Zugriff. Zudem haben
alle Symbole fiir gelungene Biographie eine iiberindividuelle Bedeutnng. Die
theologische Diskussion ist von dieser Problematik zugleich beanspruchter, zugewiesener und fragil bleibender Identitat !angst erfasst. Die Frage nach der
religiosen Identitat - hier ans der Perspektive der Frage nach der Moglichkeit
moralischer Identitat gestellt - hat unterschiedlich pointierte Antworten gefunden: die Dominanz der Alteritat [,.das Antlitz des Anderen" - .E. Levinas, E.
Dussel), die Selbstreflexivitat, die Relationalitat und die Transzendentalitat des
Subjekts. Diese unterschiedlichen Interpretationen stellen das Identitatstheorem
zugleich in Frage. Dieses Problem wird noch verscharft durch die Unmenschlichkeit, mit welcher ganzen Gruppen von Menschen Identitlit vorenthii.lten, genommen oder entfremdet wird.
Die friihesten schriftlichen Zeugnisse des Christentnms zeigen, wie die Bedeutung der Person J esu zunachst in Bekenntnisformeln und Hymnen und dann in
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