Tagung Monde du texte Das Verhältnis zwischen dem monde du texte nach Ricœur und der Lebenswelt nach Husserl Zweifellos ist das Denken Paul Ricoeurs eng mit demjenigen Edmund Husserls verbunden. Als einer der ersten Übersetzer Husserls in Frankreich übersetzte Ricoeur in den 1940er Jahren die Ideen I, welche 1950 unter dem Titel Idées directrices pour une phénomenologie veröffentlicht wurden. Wichtiger noch ist, dass der Einfluss der Phänomenologie im allgemeinen und das Denken Husserls im besonderen deutlich im gesammten Werk Husserls gegenwärtig sind, seit der Veröffentlichung der beiden Bände über die Philosophie des Willentlichen, welche ausdrücklich als phänomenologisches Projekt oder sogar als « Eidetik des Willentlichen und des Nichtwillentliche » (Ricoeur 1950b, 20 s.) verstanden werden, bis zu Parcours de la reconnaissance, wo Ricoeur « eine Philosophie des schuldigen Menschen » entwickelt (Ricoeur 2005, 149 s.). Es ist also nicht verwunderlich, dass sich Ricoeur in seinen Texten immer wieder mit der Philosophie Husserls auseinandersetzt. A l’école de la phénomenologie (Ricoeur 1986b), eine Sammlung von Aufsätzen über die Phänomenologie und das Denken Husserla, ist vielleicht der repräsentativste Text in dieser Hinsicht. Der Einfluss Husserls auf die Philosophie Ricoeurs zeigt sich besonders am Konzept des monde du texte. In Du texte à l’action (1986) beschreibt Ricoeur einen Begriff von Subjektivität ausgehend von demjenigen des monde du texte, mit Bezug auf die Lebenswelt nach Husserl. Ricoeur findet in der Lebenswelt einen Ausdruck der lebendigen Erfahrung, welche vorwissenschaftlich ist, welche aber auch das objektive und erläuternde Wissen durchläuft : « la Lebenswelt […] désigne cette réserve de sens, ce surplus de sens de l’expérience vive, qui rend possible l’attitude objectivante et explicative » (Ricoeur 1986 p. 68-9). Zugleich unterstreicht Husserl die grundsätzlichen Unterschiede zwischen seiner Idee von Subjektivität und derjenigen Husserls. So kritisiert er den « Idealismus » Husserls, welcher aus einem transzendentalen Konzept von Subjektivität resultiere, und welchen er durch ein hermeneutisches Vorgehen ersetzt (Ricoeur 1986, 44 s.). Nach Husserl ist das Subjekt nicht das letzte Prinzip, denn es existiert lediglich als einzelnes « Selbst » in einer symbolischen Vermittlung eines Verstehensprozesses von Welt, welche sich auch als textueller und narrativer Sinn offenbart. Es ist das narrative und hermeneutische Wesen der Identität des Subjekts, welches Ricoeur erlaubt, den Idealismus Husserls zu kritisieren und das menschliche Handeln in Verbindung mit der Idee von Singularität und dem urteilenden und handelnden Selbst im Kontext der historischen Gemeinschaften und Kulturen zu verstehen. Das Selbst nach Rioeur ist eine narrative Identität, wodurch es die Fähigkeit der Selbstreflexion und die Fähigkeit seine eigene Lebensgeschichte inspiriert durch Texte zu erzählen, erhält. Es ist diese Idee des Verstehens der Subjektivität in Verbindung mit der Narrativität, welche das hermeneutische Denken Ricoeurs auszeichnet und von dem epistemologischen Denken Husserls unterscheidet. Das Verhältnis zwischen dem Begriff des « monde du texte »und dem Konzept der Lebenswelt bleibt ein Thema, welches wenig diskutiert wurde in der Forschungsliteratur. Sicher haben einige Autoren Aspekte der Philosophie Ricoeurs im Verhältnis zu derjenigen Husserls untersucht (Foessel 2004, Römer 2010, Tengely 2014). Allerdings analysieren nur wenige Werke systematisch das Erbe Husserls im Hinblick auf die Idee Ricoeurs von dem monde du texte. Diese Tagung hat zum Ziel, das Verhältnis zwischen monde du texte und Lebenswelt und den Einfluss des Denkens Husserls auf die Vorstellung von Subjektivität nach Ricoeur zu entfalten. Folgenden Fragen soll nachgegangen werden: - - Findet Ricoeur in der Lebenswelt ein Konzept von nichttranszendentaler Subjektivität ? In welchem Sinne erlaubt der monde du texte Subjektivität als ein narratives oder metaphorisches Bewusstsein zu denken ? In welchem Zusammenhang steht dieser Begriff, welcher sich vor allem in Du texte à l’action findet, zur Idee von Subjektivität in anderen Werken Ricoeurs ? In Soi-même comme un autre z. B., wo Ricoeur dem angelsächsischen Theorien der Alltagssprache folgend dem Selbst zuvorderst einen physischen und kausalen Körper zuschreibt. In welchem Sinne erlaubt der Begriff des monde du texte, falls er dem transzendentalen Denken nicht nachkommet, die universell ontologischen und objektiven Strukturen des Bewusstseins zu denken ?