3.8 Das Coulombsche Gesetz Aus der Mechanik ist bekannt, dass Körper sich auf Kreisbahnen bewegen, wenn auf sie eine Zentripetalkraft in Richtung Mittelpunkt der Kreisbahn wirkt. So bewegt sich beispielsweise der Mond auf einer Kreisbahn um die Erde, weil auf ihn eine Zentripetalkraft in Richtung Erdmittelpunkt wirkt. Die Zentripetalkraft wird in diesem Fall von der Gravitationskraft, also der allgemeinen Massenanziehung zwischen Erde und Mond geliefert. Sie kann mit Hilfe des Newtonschen Gravitationsgesetzes berechnet werden. Ein weiteres Beispiel für die Wirkung einer Zentripetalkraft ist das Atom. In einem Atom bewegen sich negativ geladene Elektronen in der Atomhülle auf Kreisbahnen um den positiv geladenen Atomkern. Die hierfür verantwortliche Zentripetalkraft wird von der elektrischen Anziehung zwischen positiven und negativen Ladungen geliefert. Ziel der nachfolgenden Überlegungen ist es, analog zum Newtonschen Gravitationsgesetz in der Mechanik, ein Gesetz zu bestimmen, mit dem die Kraft zwischen zwei elektrischen Ladungen berechnet werden kann. In einem Experiment wird eine an einem isolierten Stab befestigte Konduktorkugel mit einer Hochspannungsquelle elektrisch aufgeladen. Bringt man diese Konduktorkugel nun in die Nähe eines Elektroskops, so kann aufgrund der elektrischen Influenz ein Zeigerausschlag beobachtet werden. Entfernt man die Kugel wieder, so geht der Zeigerausschlag zurück. In einem nächsten Schritt werden über die Konduktorkugel zwei metallische Halbkugelschalen gestülpt, sodass diese komplett eingeschlossen ist. Wichtig hierbei ist, dass sich die Konduktorkugeln und die Halbkugelschalen nicht berühren. Es ist zu beobachten, dass sich der Zeigerausschlag des Elektroskops nicht ändert, wenn die geladene Konduktorkugel von den metallischen Halbkugelschalen umschlossen wird. © M. Brennscheidt Dies kann dadurch begründet werden, dass auf den Kugelschalen durch Influenz eine Ladungsträgertrennung hervorgerufen wird, sodass die Innenseite der Kugelschalen positiv und die Außenseite der Kugelschalen negativ geladen wird. Das elektrische Feld außerhalb der Kugelschalen entspricht dem elektrischen Feld der Konduktorkugel ohne Schalen, da jedem Ladungsträger auf der Konduktorkugel genau eine Influenzladung auf den Kugelschalen zugeordnet werden kann, die das äußere elektrische Feld erzeugt. Der Zeigerausschlag des Elektroskops bleibt somit unverändert. Aus diesem Experiment kann geschlossen werden, dass das elektrische Feld nicht von der geometrischen Ausdehnung der felderzeugenden Ladung abhängt. Es ist somit sinnvoll, analog zum Modell des Massepunkts in der Mechanik, in der Elektrizitätslehre den Begriff einer Punktladung einzuführen. In einer Punktladung kann man sich die gesamte Ladung eines geladenen Körpers konzentriert vorstellen. Bei kugelförmigen Körpern befindet sich die imaginäre Punktladung genau im Zentrum der Kugel. Satz: Die Feldstärke in einem beliebigen Raumpunkt hängt nicht ab von der Ausdehnung der felderzeugenden Ladung . Diese kann man sich in einem Punkt vereinigt denken (Punktladung). Die Feldstärke hängt nur ab vom Abstand des Raumpunktes zum Ort der Punktladung ( ) und von der Ladungsmenge . Das Coulombsche Gesetz: Im Folgenden soll nun die Kraft zwischen zwei elektrischen Ladungen hergeleitet werden. In einem Experiment wird eine Konduktorkugel mit dem Mittelpunkt und dem Radius mit der Ladung aufgeladen. Es spielt dabei keine Rolle, ob sich die Ladung im Zentrum der Kugel, oder an deren Oberfläche befindet, da das elektrische Feld außerhalb der Kugel in beiden Fällen gleich ist. Aus diesem Grund wird die Ladung im Folgenden als Punktladung betrachtet. Zunächst soll nun die elektrische Feldstärke in einem beliebigen Raumpunkt , der den Abstand ( ) von der Punktladung besitzen soll, berechnet werden. © M. Brennscheidt Gemäß der ersten Maxwellschen Gleichung existiert ein direkter Zusammenhang zwischen felderzeugender Ladung bzw. der Flächenladungsdichte und der elektrischen Feldstärke : Da die elektrische Feldkonstante aus den vorangegangenen Überlegungen bekannt ist, muss lediglich die Flächenladungsdichte am Ort bestimmt werden, um dort die elektrische Feldstärke berechnen zu können. Wie ist es aber möglich die Flächenladungsdichte von einem Ort zu berechnen, an dem sich zunächst überhaupt keine Ladungen befinden? Hier bedient man sich in Gedanken eines kleinen Tricks: Man stelle sich vor, dass der Radius der Kugel von auf vergrößert sei. Bei diesem Vorgang bleibt die Gesamtladung der Kugel erhalten. Auch das elektrische Feld am Ort ändert sich nicht, da gemäß dem Modell der Punktladung die Ausdehnung der felderzeugenden Ladung keinen Einfluss auf das elektrische Feld hat. Die einzige sich verändernde Größe ist die Flächenladungsdichte, die sich jedoch für eine Kugel mit dem großen Radius leicht berechnen lässt: Die Oberfläche einer Kugel mit dem Radius beträgt: Durch Einsetzen ergibt sich somit die Flächenladungsdichte am Ort : Aufgrund des großen Abstands des Punktes vom Mittelpunkt der Kugel ist das elektrische Feld in einem kleinen Bereich um näherungsweise homogen, das heißt, die Feldlinien verlaufen ungefähr © M. Brennscheidt parallel. In diesem Fall dürfen wir die berechnete Flächenladungsdichte in die erste Maxwellgleichung einsetzen: Hieraus lässt sich nun die Stärke des elektrischen Feldes am Ort berechnen: bzw. Um nun zu berechnen, welche Kraft auf eine Probeladung wirken würde, wenn sie sich im Punkt , also genau im Abstand von der felderzeugenden Punktladung befindet, muss lediglich die elektrische Feldstärke am Ort in die allgemeine Gleichung für die Kraft auf eine Probeladung im elektrischen Feld eingesetzt werden: Dies ist das sogenannte Coulombsche Gesetz für radiale elektrische Felder. Es beschreibt die Kraft zwischen zwei Ladungen und die sich im Abstand voneinander befinden. Sind und gleichnamig, so wirkt die Kraft abstoßend, sind sie ungleichnamig, so wirkt die Kraft anziehend. Auch hier ist zu beobachten, dass das Coulombsche Gesetz sehr große Ähnlichkeiten zum Newtonschen Gravitationsgesetz aufweist. So kann mit dem Coulomb-Gesetz die elektrische Kraft zwischen zwei Ladungen und mit dem Gravitationsgesetz die Kraft zwischen zwei Massen im Abstand berechnet werden. Beide Kräfte nehmen quadratisch mit dem Abstand ab. Das heißt dass sich die Kräfte vierteln, wenn man den Abstand zwischen den Ladungen bzw. den Massen verdoppelt. Gesetze mit dieser Eigenschaft werden deshalb auch als „Abstands-Quadrat-Gesetze“ bezeichnet und sind in vielen Teilgebieten der Physik zu beobachten. So findet man beispielsweise auch bei Schallwellen ein Abstands-Quadrat-Gesetz, da die Lautstärke einer Schallquelle quadratisch mit dem Abstand zur Schallquelle abnimmt. Anmerkung: Sowohl die elektrische Kraft (beschrieben durch das Coulomb-Gesetz), als auch die Gravitationskraft (beschrieben durch das Newtonsche Gravitationsgesetz) gehören neben der Kernkraft und der sog. schwachen Kraft zu den vier Grundkräften der Physik, die alles im Universum zusammenhalten. Alle weiteren Kräfte in der Natur können auf diese vier Grundkräfte zurückgeführt werden. Hierarchisch © M. Brennscheidt betrachtet ist dabei die Gravitationskraft die schwächste der Grundkräfte, gefolgt von der elektrischen Kraft, der schwachen Kraft und der stärksten Grundkraft, der Kernkraft. Achtung: Obwohl das Coulomb-Gesetz und das Gravitationsgesetz große Ähnlichkeiten aufweisen gibt es dennoch Unterschiede zwischen beiden Gesetzen. So wirkt die Gravitationskraft immer anziehend, wohingegen die Coulombkraft je nach Polung der Ladung anziehend oder abstoßend wirken kann. © M. Brennscheidt