EuGH-Urteil zur Irreführung durch Preisvergleich

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EuGH-Urteil zur Irreführung durch Preisvergleich
Ein Preisvergleich muss unter Umständen Angaben zu
den Bezugsorten der verglichenen Produkte enthalten.
In einer Entscheidung vom 8.2.2017 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) einen weiteren
Fall der (verbotenen) irreführenden Werbung definiert. Danach wird bei Preisvergleichen in
der Werbung nunmehr auch darauf zu achten sein, dass die Geschäfte, aus denen die
verglichenen Angeboten stammen, sich von Art und Größe ähneln. Auf die
unterschiedlichen Bezugsorte ist deutlich hinzuweisen.
Februar 2017, Dr. Gösta Schindler
Hintergrund der Entscheidung
Die französische Supermarktkette Carrefour hatte in einer Werbekampagne eine
„Tiefstpreisgarantie“ ausgelobt. In dieser wurden für 500 Produkte die von Carrefour
verlangten Preise mit denen konkurrierender Handelsgruppen verglichen. Ein Verbraucher
sollte die zweifache Preisdifferenz erstattet bekommen, sollte er eines der Produkte
günstiger als zu dem von Carrefour angebotenen Preis finden. Die Werbung bezog sich
ausschließlich auf die Preise in den „Hypermärkte“ von Carrefour, also besonders großen
Geschäften mit weitreichendem Warenangebot und günstiger Preisstruktur. Die
verglichenen Preise stammten aus Angeboten von Supermärkten der konkurrierenden
Handelsketten, die ein beschränkteres Angebot und wohl häufig im Vergleich zu
Großmärkten höhere Preise aufweisen.
Ein französisches Gericht beurteilte die Werbung von Carrefour als irreführend, da sie
gegen das Gebot der Objektivität in der Werbung verstoße. Der Verbraucher sei nicht
deutlich über den angelegten Vergleichsmaßstab – also den Vergleich von Preisen
unterschiedlich großer Märkte – aufgeklärt worden.
Da die anwendbaren Rechtsnormen zum Wettbewerbsrecht auf harmonisiertem
europäischem Recht beruhten und von dessen Auslegung abhängen, legte das
Berufungsgericht dem EuGH folgende Fragen zur Klärung vor:
1. Ist ein Preisvergleich bei Produkten nur zulässig, wenn die Waren in Geschäften gleicher
Größe oder Art vertrieben werden?
2. Ist die Information, dass die verglichenen Preise von Unternehmen unterschiedlicher
Größe stammen eine dem Verbraucher notwendig zur Kenntnis zu gebende Information,
und bejahendenfalls, in welcher Form ist eine solche Information zu vermitteln?
Entscheidung des Gerichtshofes (Urteil v. 8.2.2017, Rs C-562/15)
Der Gerichtshof stellte fest, dass die einschlägigen Normen für vergleichende Werbung
nicht vorsehen, dass die Geschäfte, in denen die dem Preisvergleich unterliegenden Waren
vertrieben werden, gleicher Art oder Größe sein müssten. Auch ein Vergleich zwischen
Preisen verschieden großer Geschäfte könne für den Verbraucher nützlich sein und daher
den Wettbewerb fördern. Nichtsdestotrotz müssten die Grundsätze der Objektivität und
Transparenz eingehalten werden. Der Preisvergleich dürfe also nicht irreführend sein.
Die Gefahr einer Irreführung könne aber dann bestehen, wenn die von der Werbung
betroffenen Mitbewerber jeweils Geschäfte verschiedener Größe und Art unterhielten und
sich der Preisvergleich nicht auf Angebote in Geschäften vergleichbarer Art bezögen, ohne
dass sich dies aus der Werbung ergebe. Der Gerichtshof folgte damit dem Votum des
Generalanwalts, dass „die Preise gängiger Verbrauchsgüter je nach der Art und Größe des
Geschäfts variieren“ könnten (Urteil, Rz. 27). Ein Vergleich könne daher asymmetrischen
sein und den Eindruck eines Preisunterschieds künstlich erzeugen oder vergrößern.
In einem Fall, in dem die betroffenen Mitbewerber Geschäfte unterschiedlicher Art und
Größe unterhielten, ginge der Verbraucher bei einem Preisvergleich davon aus, dass die
Preise aller Arten von Geschäften des Wettbewerbers berücksichtigt worden seien, die
beworbenen Preisunterschiede also für alle Geschäfte des Mitbewerbers gelten. Dies sei
aber nicht zwangsläufig der Fall. Damit treffe der Verbraucher möglicherweise eine
Kaufentscheidung auf Basis falscher Informationen, nämlich in dem Glauben, in jedem Fall
in den Genuss des beworbenen Preisvorteils zu gelangen.
Dieser Irrtum könne jedoch ausgeschlossen werden, wenn der Werbende darauf hinweise,
dass er die Preise von Geschäften unterschiedlicher Größe oder Art vergleicht. Der
Verbraucher wisse dann, dass er nicht zwingend immer von dem beworbenen Preisvorteil
profitieren könne. Diese Information müsse dabei nicht nur klar, sondern auch in der
Werbebotschaft selbst enthalten sein, um dem Gebot der Objektivität der Werbung zu
genügen.
Relevanz für die Praxis
Diese Entscheidung des Gerichtshofes ist in mehrfacher Hinsicht für die Praxis relevant.
Zum einen bestätigt das Gericht, dass auch im Rahmen eines „einfachen Preisvergleichs“
genau darauf geachtet werden muss, dass die Preise tatsächlich vergleichbar sind. Dabei
können auch die konkrete Markt- bzw. Vertriebsgegebenheiten für die Produkte, auf die
sich der Preisvergleich bezieht, eine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit bzw.
Unrechtmäßigkeit der Werbung haben bzw. an die Informationsanforderungen, denen die
Werbung aus rechtlicher Sicht genügen muss.
Interessant sind die Hinweise des Gerichts hinsichtlich dieser Anforderungen. Der
Gerichtshof fordert, dass etwaige Angaben zu der unterschiedlichen Art oder Größe der
Geschäfte, deren Preise verglichen werden, „in der Werbebotschaft selbst enthalten“ sein
muss. Der genaue Inhalt dieses Maßstabs, ergibt sich – wie häufig – nicht aus den
Urteilsgründen oder den Schlussanträgen des Generalanwalts. Es stellt sich die Frage, ob
dies eine Verschärfung der Werbeanforderungen anstoßen wird: Werden
„Sternchenhinweise“, die in der Vergangenheit häufig genügten, um dem Verbraucher
Informationen zu liefern und Irrtümer auszuschließen, auch zukünftig in Konstellationen
wie der hier entschiedenen als hinreichend akzeptiert? Oder ist vielmehr gefordert, dass
Details des Vergleichs in der Hauptwerbebotschaft, dem Hauptclaim, genannt werden, was
den Werbetreibenden sicherlich vor sprachliche Herausforderungen stellen wird?
Die Präzisierung und Anwendung der vom Gerichtshof aufgestellten Maßstäbe obliegt den
nationalen Gerichten. Die Auswirkungen dieser Entscheidung lassen sich demnach noch
nicht bestimmen. Werbetreibende tun jedoch gut daran, im Zusammenhang mit
Preisvergleichen ihre Kampagnen besonders kritisch zu hinterfragen und ggf. Alternativen
vorzuhalten, bis die weitere Rechtsprechungspraxis zeigt, wie dieses Urteil des EuGH
umgesetzt wird.
Ansprechpartner:
Dr. Gösta Schindler
E-Mail: [email protected] | Tel: +49 40 41999 0
Web Version: http://buse.de/insights/eugh-urteil-zur-irrefuehrung-durch-preisvergleich/
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