Der Wiederholungszwang 02-11

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Der Wiederholungszwang
Wahnsinn bedeutet:
Immer das gleiche zu tun
und ein anderes Resultat zu erwarten.
Seit den Anfängen der Psychotherapie bei Freud war es ein Rätsel, warum bestimmte
Symptome trotz langjähriger Behandlung einfach nicht aufhörten1. Die Klienten schienen
geradezu unter einem Zwang zu leiden, ein selbstschädigendes Verhalten immer wieder
zu wiederholen. „Der Wiederholungszwang gehört zu den wichtigsten und in ihren
Ursachen dunkelsten Erscheinungen im Forschungsbereich der Psychologie.“2
„Da lässt sich jemand immer neu auf Aufgaben ein, an denen er schon häufig
gescheitert ist, und mit dieser Erfahrung ist der abermalige Misserfolg gleichsam
vorprogrammiert. Da wird nach dem Scheitern einer Ehe eine Liebeswahl getroffen, die
dem gleichen Imago entspricht; es wird also der Fehler wiederholt, der ein neues
Scheitern zur Folge haben muss. In der Beziehung zu nächsten Angehörigen werden
Streitpunkte, über die man sich nie einig werden konnte, stets neu aufgebracht, auch
wenn sie längst unwichtig geworden sein sollten. Zum Typ des Unfällers gehört es, dass
er sein Unglück immer wieder unbewusst arrangiert. Die Unfähigkeit, sich von früherem
Unheil zu lösen, ist im Extrem das Kennzeichen einer traumatischen Neurose. Diese
Erscheinungen des Wiederholungszwanges, die »jenseits des Lustprinzips« liegen,
führten Freud zu der Annahme eines Todestriebes, der darauf ausgerichtet sei, den
Zustand vor der Geburt wiederherzustellen.“3
Fas Wort "Wiederholungszwang" ist keine Erklärung, sondern nur ein Label, das dass
beobachtete Verhalten bezeichnet. Klar ist jedoch, dass viele Menschen gerade darum
einen Therapeuten aufsuchen, weil sie bemerken, dass sie selbst nicht in der Lage sind,
ein für sie selbst unvorteilhaftes Verhalten beenden zu können, und auch nicht
verstehen, warum sie immer wieder am Versuch, dieses zu beenden, scheitern.
Klar ist, dass beim Wiederholungszwang der adaptive Charakter unseres Lernens
ausgeschaltet ist – wir lernen gar nichts! Es gibt auch die Hypothese, dass die jeweilige
Person im Wiederholungszwang versucht, ein altes Trauma doch noch zu lösen, obwohl
es in den jeweiligen Kontexten gar nicht zu lösen ist. Oder eine andere Hypothese geht
davon aus, dass sich im Wiederholungszwang eine Art Schuld-Sühne-Dynamik
ausdrückt; es wird durch die Selbstschädigung ein unbewusstes Strafbedürfnis realisiert.
Bei Hellinger finden wir Äußerungen wie: "Für manche ist Leiden leichter als Heilung."
Dieser Äußerung beinhaltet eine Art indirekten Vorwurf an den Klienten. Der Klient will,
angeblich, nicht aus der Bindung an die Eltern und ihren Lebensstil aussteigen.
1
Freud führte den Begriff des Wiederholungszwangs 1920 in seinem Aufsatz „Jenseits des Lustprinzips“
ein.
2
http://www.psychology48.com/ (Wiederholungszwang)
3
http://www.psychology48.com/ (Wiederholungszwang)
1
Viel näherliegend ist allerdings, dass der Klient, trotz aller systemischer Interventionen,
unterbrochene Hinbewegung etc., keine Kontrolle über die Sucht bzw. den Zwang hat,
die er über das Dopamin-System ankonditioniert bekommen hat.
Neben dem Wiederholungszwang gab und gibt es auch noch viele andere Symptome,
die, zumindest für bestimmte Methoden, als unheilbar galten bzw. gelten. So waren die
Phobien für die Methoden der Psychoanalyse unzugänglich. Erst die Verhaltenstherapie
und das NLP konnten zeigen, dass diese Symptome sogar relativ leicht und schnell
behandelt werden können.
Heute stehen wir vor dem Problem, dass wir nicht wissen, was wir mit bestimmten
Sexualstraftätern therapeutisch machen sollen.
In meiner Arbeit bin ich immer wieder an die Grenzen der verschiedenen Methoden
gestoßen, die ich im Laufe meiner verschiedenen Ausbildungen gelernt habe. Dies
führte mich zu der Idee der Symptomklassen. Kurz gesagt geht es darum, dass
verschiedene Symptome nur durch spezifische Ansätze therapiert werden können, und
nicht jede Methode verfügt über die geeigneten Techniken. Daher ist eine kompetente
Differentialdiagnostik vonnöten, um den geeigneten Methodenmix zu finden.
Ausgehend vom heutigen Stand der Gehirnforschung ist klar, dass es sich beim
Wiederholungszwang um ein früh gelerntes Muster handelt, welches zum Teil der
Struktur und Chemie unseres Gehirns geworden ist, die als ein Wahrnehmungsfilter und
als ein Blueprint für Verhaltensmuster dient. Die Fragen, die sich also stellen, lauten:
1. Wie genau strukturieren welche Erfahrungen welche Teile des Gehirns, damit das
Phänomen des Wiederholungszwangs überhaupt entstehen kann?
2. Reicht die Neuroplastizität des Gehirns aus, um diese alten Strukturen zu
verändern?
3. Wenn ja, welche Methoden wären am besten geeignet, diese zu verändern?
Die Neurobiologie der kindlichen Gehirnentwicklung
Da das Überleben eines menschlichen Kleinkindes vollständig von der Beziehung zur
Mutter (bzw. einer anderen Person) abhängig ist, sind sich heute Forscher aus den
unterschiedlichsten Disziplinen einig, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung einen kaum
zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns hat.
Und es sind genau diese frühen Prägungen, d. h. die neurologische Architektur des
Gehirns und die Funktion des neuromodulatorischen Systems4, die die Grundlage für
4
Das neuromodulatorische System besteht aus vier Untersystemen, die jeweils einen Neuromodulator
produzieren (Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Azetylcholin). In unendlich vielfältiger Kombination sagen
diese vier Systeme, was die Großhirnrinde tun soll. Zusammen bestehen diese vier Systeme aus
ungefähr 500 000 Neurone, die unsere 100 Milliarden Neurone und damit unsere Psyche und unser
Bewusstsein voll im Griff haben. Der Hippocampus, Amygdala und das limbische System steuern die
neuromodulatorischen Systeme. D. h. es ist unser unbewusstes Gedächtnis und unser unbewusstes
2
das spätere Verhalten und Erleben bilden.
Die Grundlage für die Ausdifferenzierung des Gehirns bildet aber, vor aller Erfahrung,
unsere genetische Ausstattung, die für die Synaptogenese sorgt. Zusätzlich werden die
kritischen Perioden genetisch bestimmt, in denen das Nervensystem für besondere
Entwicklungsprozesse, wie z. B. das Erlernen der Muttersprache, offen ist.
Während seiner gesamten Entwicklungsphase wird die spezifische Struktur der
synaptischen Verbindungen, der Neurotransmitter usw. durch die konkreten
Erfahrungen des Individuums mit bestimmt. Und so kann ein Gehirn entstehen, welches
auf der Basis von „malignant memories“5 (Schwarz & Perry, 1994) operiert. Die
konkreten Erfahrungen werden aber meist nicht erinnert, sondern in den Gefühlen und
Handlungen ausagiert. In solchen Situationen fühlen sich die Menschen nicht mehr frei
in ihren Handlungsalternativen, vielmehr haben sie den Eindruck, dass man in einer
solchen Situation gar nicht anders reagieren kann.
Schon Freud hatte die Hoffung, eine wissenschaftliche Psychologie zu begründen,
musste dieses Projekt aber angesichts der fehlenden neurobiologischen Informationen
aufgeben. Heute sieht die Situation wesentlich anders aus. Seit einigen Jahrzehnten hat
sich die Neuropsychologie als eigenständiges Forschungsgebiet etabliert.
Für die Beantwortung der drei oben aufgeworfenen Fragen müssen wir als erstes einige
wesentliche Ergebnisse der neueren Gehirnforschung zur Kenntnis nehmen.
Die Hemisphären
Der Cortex ist bekanntlich durch eine tiefe Furche (Fissura
longitudinalis) in zwei Hemisphären geteilt. Neuere
Forschungsergebnisse zeigen, dass die so genannten
unbewussten Prozesse eher der rechten Hemisphäre
zuzuordnen sind. Darüber hinaus scheint es auch eine
Spaltung bezüglich positiver und negativer Emotion zu geben.
Danach wäre die linke Hemisphäre eher für die positiven und
die rechte eher für die negativen Emotionen zuständig.
Davidson berichtet z. B., dass bei Kleinkindern das Weinen
wegen einer Enttäuschung mit starken Aktivitäten in der rechten Hemisphäre verbunden
ist.
limbisches System, das mit Hilfe der Neuromodulatoren bestimmt, was in der Großhirnrinde geschieht.
Die Neuromodulatoren als Moleküle bestimmen natürlich nicht die Inhalte des jeweiligen Erlebens.
Dopamin kann, wenn es eine Tätigkeit begleitet, die Erwartung auf eine Belohnung auslösen, aber was da
genau erwartet wird, hängt nicht vom Dopamin ab. Noradrenalin erhöht zwar unsere Aufmerksamkeit,
aber worauf wir aufmerksam sind, bestimmt nicht das Noradrenalin. Es muss also Systeme geben, die
den neuromodulatorischen Systemen Bedeutung zuweisen; z. B. das limbische System.
5
Bösartige, bzw. krankmachende Erinnerungen.
3
Die Amygdala
Die Amygdala (Mandelkern) ist intensiv mit dem Gehirnstamm und höheren cortikalen
Zentren verbunden. „Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt
und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der
emotionalen Bewertung und Wiedererkennung
von Situationen sowie der Analyse möglicher
Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und
leitet die vegetativen Reaktionen dazu ein. Eine
Zerstörung beider Amygdalae führt zum Verlust
von Furcht- und Aggressionsempfinden und so
zum Zusammenbruch der mitunter
lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen.
Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004
deuten darauf hin, dass die Amygdala an der
Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung,
also affekt- oder lustbetonter Empfindungen,
einschließlich des Sexualtriebes beteiligt sein
könnte.“6
Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass die Amygdala in den letzten drei Monaten
der Schwangerschaft und den ersten beiden Monaten nach der Geburt in einer
kritischen Wachstumsphase ist. „This suggests a pivotal position in the creation of both
a repetition and the compulsion associated with it.“7
Das Netzwerk der Emotionen
LeDoux konnte 1992 zeigen, dass konditioniertes Verhalten auch dann beim Auftreten
des sensorischen Auslösers (Anker) auftrat, wenn die zuständigen Zentren im Cortex
geschädigt waren. Daraus schloss er, dass das konditionierte Verhalten von mehreren
Gehirnzentren gesteuert wird, als vom Cortex allein. In diesem Zusammenhang
sprechen wir von einem Netzwerk, das ein bestimmtes Verhalten oder Erleben
hervorbringt.
„Das limbische System ist eine
Funktionseinheit des Gehirns, die der
Verarbeitung von Emotionen und der
Entstehung von Triebverhalten dient. Dem
limbischen System werden auch
intellektuelle Leistungen zugesprochen. Die
Sichtweise, bestimmte Funktionen (wie die
Triebe) nur auf das limbische System zu
beziehen und als vom Rest des Gehirns
funktionell abgegrenzt zu betrachten, gilt
heute als veraltet. Andere kortikale und
nicht-kortikale Strukturen des Gehirns üben
6
7
Wikipedia
Denise K. Shull , The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion. Aufsatz findet sich im Netz.
4
einen enormen Einfluss auf das limbische System aus. Die Entstehung von Emotion und
Triebverhalten muss also immer als Zusammenspiel vieler Gehirnanteile gesehen
werden und darf nicht dem limbischen System allein zugesprochen werden.“8
Das limbische System gliedert sich in folgende anatomische Strukturen:
• Hippocampus
• Fornix
• Corpus mamillare
• Gyrus cinguli
• Amygdala
• Nuclei anterioventrales des Thalamus
Der Hippocampus
„Im Hippocampus fließen Informationen verschiedener sensorischer Systeme
zusammen, die verarbeitet und von dort zum Cortex zurückgesandt werden. Damit ist er
enorm wichtig für die Gedächtniskonsolidierung,
also die Überführung von Gedächtnisinhalten
aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis.
Menschen, bei denen beide Hippocampi entfernt
oder zerstört wurden, können keine neuen
Erinnerungen formen und weisen somit eine
anterograde Amnesie auf. Alte Erinnerungen
bleiben jedoch meist erhalten. Der Hippocampus
wird somit als Struktur gesehen, die
Erinnerungen generiert, während die
Gedächtnisinhalte an verschiedenen anderen
Stellen in der Großhirnrinde gespeichert werden.
(...)
Darüber hinaus spielt die HippocampusFormation auch eine wichtige Rolle für
Emotionen:
1. Personen mit (unipolarer) Depression zeigen reduziertes Volumen der
Hippocampus-Formation,
2. die Hippocampus-Formation ist einzigartig in ihrer Vulnerabilität für starke emotionale
Stressoren; Tiermodelle zeigen hippocampale Atrophie als Effekt von chronischem
emotionalen Stress (bedingt durch Absterben hippocampaler Neurone sowie
Reduktion neuronaler Genese im Gyrus dentatus) und Menschen mit schweren
emotionalen Traumata (bspw. Vietnam-Veteranen oder Opfer sexuellen
Kindesmissbrauchs) zeigen ebenfalls eine Volumenreduktion der Hippocampus8
Wikipedia
5
Formation,
3. Menschen mit abgeflachter Affektivität zeigen funktionelle Unterschiede in der
Hippocampus-Formation bei der Verarbeitung emotionaler Stimuli. V. a. funktionellbildgebende Studien, die neuronale Korrelate von Emotion mit Musik untersuchen,
berichten Aktivitätsunterschiede der Hippocampus-Formation im Zusammenhang mit
musik-evozierten Emotionen.“ 9
Fornix
Funktionell ist er an der Einspeicherung von
Gedächtnisinhalten vom Kurzzeit- in das LangzeitGedächtnis beteiligt und spielt somit eine Rolle beim
Lernen.
Er leitet keine spezifische Information, sondern selektiert
und moduliert die Funktion der Hippocampusformation
durch verschiedene Neurotransmitter (Dopamin,
Noradrenalin, Serotonin und Acetylcholin).
Corpus mamillare
Das Corpus mamillare auch Mammillarkörper ist eine paarige Erhebung an der
Unterseite des Gehirns zwischen den Großhirnschenkeln (Crura cerebri). Es liegt am
Vorderende des Fornix und gehört zum limbischen System.
Das Corpus mamillare spielt vermutlich eine Rolle bei Gedächtnisvorgängen, z. B. dem
episodischen Gedächtnis, der Fähigkeit Erinnerungen an Ereignisse in einen
autobiographischen Kontext zu setzen.
Gyrus cinguli
Funktionen: u. a. Fehlermeldung, Risikound Konfliktmanagement,
Reaktionsinhibition, kognitive Kontrolle,
Anpassung, Mentalisierungstheorie.
Trauer, Schmerz, Abscheu (kognitive
Erkennung - und Verarbeitung)
Anteriores Cingulum
Funktionen: 'Fehlermeldung':
Wahrscheinlichkeit, Auftreten und zu
erwartende Konsequenzen von Fehlern.
Risikovorhersage, Konflikt-Monitoring
und kognitive Kontrolle v. a. bei Konflikten zwischen simultanen, konkurrierenden
9
Wikipepia
6
Repräsentationen, Minimierung von Ablenkungen.
Konflikt -> wirkt als Lehrimpuls für's Vermeidungslernen -> beeinflusst die
Entscheidungsfindung zu Gunsten kognitiv effizienter Aufgaben und Strategien.
Antizipation und Erkennung von Aufgaben und Antwort-Konflikten; das Konfliktsignal
wird z. B. zum DLPFC (Dorsolateral PFC) weitergeleitet, um die kognitive Kontrolle zu
erhöhen.
Informationstransfer: u. a. zum auditorischen Assoziationskortex, Hirnstamm und
autonomen Strukturen als Input für die emotionale Kommunikation und autonome
Aktivierung bei emotionaler Erregung.
Problemlösung, Konzentration auf eine Aufgabe
Reaktions-Inhibition, Selbstregulierung, Emotionsregulierung.
Angst (rACC, Konditionierung in der Amygdala), Schmerz.
Beschäftigung mit eigenen Gedanken und Vorstellungen (Innenwelt), Motivation.
Teil des Belohnungssystems: Antizipation von Belohnungen, (verstärkerbezogene)
Entscheidungsfindung, v. a. auch im Bezug darauf, wie viel Einsatz eine Belohnung wert
ist, Bewertung von Handlungen, Verhaltensentscheidungen im Hinblick auf Belohnung
und Bestrafung, Lernen aus Konsequenzen, Vermeidungslernen, Anpassung nach
Bestrafung.
Sucht-Verlangen (Nikotin)
Empathie (mit Schmerz)
Mentalisierungstheorie ToM (bilateral)
Autonome Funktionen: u. a. Regulierung von Blutdruck und Herzfrequenz
* Dorsal=kognitiv; kognitive Verarbeitung von Stimuli, Verhaltenskontrolle,
Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Fehlererkennung, Konflikt-Monitoring,
Reaktionsauswahl, Antizipation eingehender Informationen, Lenken von
Aufmerksamkeit auf relevante Stimuli.
* Ventral=affektiv: Fokus auf internen emotionalen und motivationalen Status,
Regulierung autonomer Reaktionen.
* Anterior=exekutiv
* Posterior=evaluativ
* Rostral: Imagination kommender positiver Ereignisse, Optimismus, Erkennung von
7
Antwortkonflikten, die durch irrelevante Stimuli verursacht werden.
Posteriores Cingulum
Funktionen: Episodische Erinnerung, Sprachverständnis und -produktion (durch
Erinnerung während der Kommunikation), (starke Verschaltungen zum medialen
temporalen Kortex).
Mentalisierungstheorie ToM
Schmerz (rostral)
Abscheu (kognitive Erkennung - auch z. B. in dargestellten Szenen - und Verarbeitung)
Wiedererkennung von Objekten und Orten, dPCC: Raumorientierung, vPCC:
Verarbeitung von für das Selbst relevanten Informationen und Objekten;
Selbstreflexion.10
Amygdala11
Funktionen: Emotion, Gefahr, Abscheu,
Angst (Konditionierung); Operante
Konditionierung (in enger Verbindung mit
dem pOFC)
Verarbeitung emotionaler und sozialer
Informationen, Erkennung von Emotionen
in anderen, emotionale Bewertung u. a.
von (u. a. negativer) Mimik (Bedrohung
oder nicht?), Empathie.
Modulation von Gedächtnisprozessen
(Verstärkung und Unterdrückung von
Impulsen) u. a. im Hippocampus;
Wiedererkennung negativer Inhalte.
Wesentlicher Teil des Belohnungssystems
Einfluss auf das Autonome Nervensystem, Homeostase (OFC -> Amygdala)
Motivation.12
10
http://www.gehirn-atlas.de/cingulum.html, Die Informationen über das Cingulum habe ich der Seite
gehirn-atlas entnommen. Zu den einzelnen Stichpunkten gibt es Verweise auf entsprechende
Forschungsergebnisse. Für alle, die Näheres erfahren wollen, würde ich diese Links sehr empfehlen.
11
Siehe auch weiter oben
12
http://www.gehirn-atlas.de/amygdala.html
8
Nuclei anterioventrales des Thalamus
Nuclei anterioventrales des Thalamus: wichtige Schaltzentrale für sensible, sensorische
und motorische Informationen, "Tor zum Bewusstsein" (Filterfunktion),
Schmerzkontrolle.
Die neurologischen Entwicklungsstadien
Nachdem wir uns einen kurzen Überblick über die Architektur und Funktionalität des
limbischen Systems verschafft haben, wenden wir uns jetzt den Entwicklungsstadien
des Gehirns zu.
Das Gehirn entwickelt sich hierarchisch vom Gehirnstamm hin zum Cortex. Die
Amygdala ist bereits bei der Geburt aktiv, und das Cingulum wird zwischen dem dritten
und neunten Monat aktiv. Der orbitofrontale Cortex wird zwischen dem 10. und 12.
Monat aktiv. Diese Entwicklungsdynamik gibt uns schon einen ersten Hinweis darauf,
warum die frühen Erfahrungen eine so nachhaltige Wirkung haben. Jeder der
niedrigeren Strukturen des Gehirns modifiziert die Entwicklung der nächst höheren.
Richard Davidson, ein bekannter Neurowissenschaftler an der University of Wisconsin,
schreibt zum Verhältnis von Anlage und Umwelt Folgendes: “What’s particularly
exciting about these findings is that the impact of environment on brain development has
been traced down to the level of actual gene expression. This has, only so far, been
done in animals, but we have every reason to believe it applies to humans, too. For a
person raised in a nurturing environment, there are actually demonstrable, objective
changes in gene expression. For example, there are genes for certain molecules that
play an important role in regulating our emotions and which respond to nurturing.”13
In den Monaten nach der Geburt gibt es eine Explosion von synaptischen
Verbindungen. So verdoppelt sich beispielsweise die Anzahl synaptischer Verbindungen
im visuellen Cortex zwischen dem zweiten und vierten Monat. In den ersten
Entwicklungsmonaten werden viel mehr Synapsen gebildet, als tatsächlich benötigt
werden. Werden Synapsen zu wenig genutzt, sterben sie nach einiger Zeit ab.
Neurowissenschaftler nennen diesen Prozess Apoptosis.14 Dieser Prozess wird stark
von den Erfahrungen beeinflusst, die das Kind während seiner Entwicklung macht.
„“...neurodevelopmental experiences and genetic programming lead the brain to select
wisely which connections to keep and which to destroy. If this is done appropriately, the
individual prospers during this maturational task and advances gracefully into adulthood.
Bad selections theoretically could lead to neurodevelopmental disorders such as
schizophrenia or even ADHD.”15
Wie weiter oben schon erwähnt sind die so genannten kritischen Perioden ein weiteres
wesentliches Element in der Gehirnentwicklung. So können z. B. Singvögel den für die
13
Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion
Die Apoptose von apo „weg“ und ptosis „Fall“, (wie das Fallen der Blätter im Herbst) ist eine Form des
programmierten Zelltods.
15
Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion
14
9
Art typischen Gesang nur lernen, wenn sie diesen während einer kritischen Periode
hören, andernfalls werden sie niemals singen.
Untersuchungen haben gezeigt, dass 60 Tage nach der Geburt menschliche Babys
beginnen, visuelle Informationen durch die Entwicklung der rechten Hemisphäre anders
als vorher zu prozessieren. Sie entwickeln ein starkes Interesse am Augenkontakt und
an Gesichtern allgemein. In dieser kritischen Phase erleben die Babys einen Wandel
ihrer emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Dieser emotionale Austausch zwischen
Mutter und Kind durch den Augenkontakt ist kritisch für die Entwicklung der emotionalen
Kontaktfähigkeit.
In meinen Seminaren mache ich häufig eine Übung, in der sich zwei Personen
gegenüberstehen und sich ansehen. Die Versuchsperson soll sich dann zuerst das linke
und dann das rechte Auge zuhalten und berichten, wie sie den Kontakt mit den beiden
Augen jeweils wahrnimmt. Dabei gibt es oft schon dramatische Unterschiede. Der
zweite Schritt der Übung besteht darin, dass sich das Gegenüber langsam entfernt und
die Versuchsperson sagen soll, wie lange sie den emotionalen Kontakt aufrechterhalten
kann. Auch hierbei gibt es oft erhebliche Unterschiede zwischen dem rechten und dem
linken Auge. Oft kommen bei dieser Übung sehr starke Emotionen hoch, die eindeutig
aus der ganz frühen Bindungsphase zwischen Mutter und Kind stammen. Diese können
dann mit verschiedenen therapeutischen Techniken bearbeitet werden.
Parallel zur Entwicklung der synaptischen Verbindungen findet eine Entwicklung des
Systems der Neurotransmitter und der dazugehörigen Rezeptoren statt. Bei dieser
Entwicklung geht es einerseits um die Speicherung der Neurotransmitter in den Vesikeln
(Bläschen) der Nervenzellen und der Entwicklung der Anzahl der jeweiligen Rezeptoren
und ihrer Empfindlichkeit für den jeweiligen Transmitter.
Nehmen wir als Beispiel ein Kind, welches viel Stress erlebt und daher ein Gehirn
ausbildet, in dem die Synapsen regelmäßig mit Adrenalin überflutet werden. Die
Rezeptoren werden darauf hin ihre Empfindlichkeit für Adrenalin runterfahren, um einen
einigermaßen ausgewogenen Zustand herzustellen. So haben z. B. neuere klinische
Studien gezeigt, dass Borderline-Patienten16 weniger Rezeptoren für Adrenalin haben
als der Durchschnitt. Man geht daher davon aus, dass diese Störung ihre Ursache in
frühen traumatischen Erlebnissen hat, bei denen das Adrenalin-System überstimuliert
wurde. Im späteren Leben wird diese Person in ähnlichen Situationen auf eine
zwanghafte Weise reagieren und sogar dafür sorgen, dass sie wieder in eine solche
Situation kommt, da ihr ganzes System darauf konditioniert ist.
16
„Borderline-Persönlichkeitsstörung (abgekürzt BPS) oder emotional instabile Persönlichkeitsstörung ist
die Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität in
zwischenmenschlichen Beziehungen, Stimmung und Selbstbild gekennzeichnet ist.
Bei einer solchen Störung sind bestimmte Bereiche von Gefühlen, des Denkens und des Handelns
beeinträchtigt, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in
zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im gestörten Verhältnis zu sich selbst äußert. Die BPS wird
sehr häufig von weiteren Belastungen begleitet, darunter dissoziative Störungen, Depressionen sowie
verschiedene Formen von selbstverletzendem Verhalten (SVV). Die Störung tritt häufig zusammen mit
anderen Persönlichkeitsstörungen auf (hohe Komorbidität).“ Wikipädia
10
What fires together
wires together.
Donald Olding Hebb
Donald Hebb formulierte 1949 in seinem Buch The
Organization of Behavior, Lernen könne auf Veränderungen
im Gehirn basieren, die vom Grad der Korrelation von
Neuronenaktivitäten abhängen: Werden zwei Neuronen meist
gemeinsam aktiviert, stärkt sich ihre Verbindung, während sie
sonst schwächer wird. Damit ist es ein elementares Modell für
Lernen und Gedächtnis.
Diese so genannte Hebbsche Regel gilt heute als gesichert und
ist unter anderem die Grundlage der Konditionierungstheorie
und des Ankerns, wie wir es im NLP nutzen.
Um ein alt bekanntes Beispiel zu geben, der Speichelfluss eines Hundes hat erstmal
nichts mit dem Hören eines Klingeltons zu tun. Wenn diese aber häufig genug
zusammen erlebt werden, dann entsteht eine neurologische Verbindung, die dazu führt,
dass das Hören der Klingel den Speichelfluss anregt.
Wenn wir also schon früh in unserer Entwicklung erlebt haben, dass unser Bedürfnis
nach Nähe oft mit einer Ablehnungserfahrung verbunden war, die für uns schmerzhaft
war, dann wird das Bedürfnis nach Nähe mit Schmerz assoziiert und entweder
vermieden, oder man kann sich Nähe ohne Schmerz gar nicht vorstellen und sucht
daher Beziehungen, die diese ursprüngliche Erfahrung immer wiederholen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der synaptischen Plastizität
ist die Langzeit-Potenzierung (LTP). Dabei handelt es sich
um eine Form, in der Synapsen lernen. Wenn eine
Nervenzelle über einen kurzen Zeitraum sehr viele Impulse
erhält, dann reicht danach ein kurzer, schwacher Impuls
aus, damit die Nervenzelle feuert. Die Synapse ist für
diesen Impuls sensibilisiert. Dieses Phänomen nennt man
Langzeit-Potenzierung. Was aber noch wichtiger ist, ist die
Tatsache, dass diese Sensibilisierung Jahre
aufrechterhalten wird.
Dies erklärt das Phänomen, das oft nur ein Blick oder eine Bemerkung ausreichen, um
ein altes neurologisches Muster und damit alte Erfahrungen zu reaktivieren. Diese
Reaktivierung kann für uns angenehm sein, weil wir z. B. sofortigen Zugriff auf eine
früher erworbene Fähigkeit haben, es kann aber auch sehr unangenehm sein, weil wir in
einen kindlichen Zustand regredieren und uns z. B. wie ein kleines trotziges Kind
11
verhalten.
Die LTP ist auch der Mechanismus, mit dem wir uns unter anderem auf andere
eintunen. Neurone haben die Fähigkeit, auf bestimmte Frequenzen stärker zu reagieren
als auf andere und diese dann entsprechend zu verstärken. Durch diese Resonanz
werden ganze Nervennetze in ihrer Aktivität synchronisiert. Schore „sees this working in
the way an infant comprehends and absorbs its mother’s emotions. Study of the
mechanism of resonance in the brain could also shed light on how the compulsion to
repeat comes about. During a person’s conscious evaluation of new acquaintances, his
neurons may be searching behind the scenes for just the right frequency to match a
previous experience. Once they find it, they in lock in on it and color the person’s
perceptions—which leads to altered behavior,which in turn recreates in actuality what
the brain had hidden all along. In relevance to this discussion, Schore asserts that
resonance “tunes” the right brain circuits to process socio-emotional information “17
Dieser Mechanismus könnte auch erklären, warum sich manche Menschen immer
wieder Partner suchen, die ihnen nicht guttun. Sie erkennen ein Muster aus ihrer
Kindheit, welches sofort zu einer Hinbewegung führt.
Unsere Neuroplastizität führt über die Mechanismen der Hebbschen Plastizität, der LTP
und der Resonanz zu dem, was wir unser implizites Gedächtnis oder unser
Unbewusstes nennen können. In diesem impliziten Gedächtnis befinden sich nach
traumatischen Ereignissen von Perry und Pate so genannte “malignant memories” oder
bösartige bzw. krank machende Erinnerungen. In dem Moment in dem diese
unbewussten Erinnerungen aktiviert werden, agieren wir zwanghaft und ohne Kontrolle
auf der Basis dieser traumatischen Erfahrungen.
„LeDoux expands his argument by declaring the indelibility of sub-cortical emotional
memories (LeDoux et. al., 1992). He reviews research showing that stimuli which are
associated with highly charged emotional situations will cause a persistent conditioned
response. He shows that conditioned responses persist for very long periods of time,
even with unreinforced trials. In other words, the arrival of a stimulus-provoking emotion
can produce the same result it initially caused even when much time has passed.“18
Zusammenfassend können wir feststellen, dass der Wiederholungszwang dadurch
entsteht, dass unser Gehirn in seiner Entwicklung sowohl in seiner Struktur, als auch in
der Art und Weise, wie die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Oxytozin
genutzt werden. Der Widerstand gegen Veränderungen dieser Strukturen liegt an der
Wirkungsweise der LTP und des Resonanz-Phänomens, die das Netzwerk von
Gehirnstamm, Amygdala und orbitofrontalem Cortex immer wieder auf dieselbe Weise
aktivieren. Diese Netzwerke enthalten implizite emotionale Erinnerungen aus unserer
frühesten Kindheit und dienen als Wahrnehmungsfilter, um eine gewisse emotionale
Homeostase aufrecht zu erhalten. So stabilisiert das konditionierte Gehirn ein Verhalten
und Erleben, welches uns immer wieder in dieselben Erfahrungen treibt.
17
18
Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion
Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion
12
13
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