Der Wiederholungszwang Wahnsinn bedeutet: Immer das gleiche zu tun und ein anderes Resultat zu erwarten. Seit den Anfängen der Psychotherapie bei Freud war es ein Rätsel, warum bestimmte Symptome trotz langjähriger Behandlung einfach nicht aufhörten1. Die Klienten schienen geradezu unter einem Zwang zu leiden, ein selbstschädigendes Verhalten immer wieder zu wiederholen. „Der Wiederholungszwang gehört zu den wichtigsten und in ihren Ursachen dunkelsten Erscheinungen im Forschungsbereich der Psychologie.“2 „Da lässt sich jemand immer neu auf Aufgaben ein, an denen er schon häufig gescheitert ist, und mit dieser Erfahrung ist der abermalige Misserfolg gleichsam vorprogrammiert. Da wird nach dem Scheitern einer Ehe eine Liebeswahl getroffen, die dem gleichen Imago entspricht; es wird also der Fehler wiederholt, der ein neues Scheitern zur Folge haben muss. In der Beziehung zu nächsten Angehörigen werden Streitpunkte, über die man sich nie einig werden konnte, stets neu aufgebracht, auch wenn sie längst unwichtig geworden sein sollten. Zum Typ des Unfällers gehört es, dass er sein Unglück immer wieder unbewusst arrangiert. Die Unfähigkeit, sich von früherem Unheil zu lösen, ist im Extrem das Kennzeichen einer traumatischen Neurose. Diese Erscheinungen des Wiederholungszwanges, die »jenseits des Lustprinzips« liegen, führten Freud zu der Annahme eines Todestriebes, der darauf ausgerichtet sei, den Zustand vor der Geburt wiederherzustellen.“3 Fas Wort "Wiederholungszwang" ist keine Erklärung, sondern nur ein Label, das dass beobachtete Verhalten bezeichnet. Klar ist jedoch, dass viele Menschen gerade darum einen Therapeuten aufsuchen, weil sie bemerken, dass sie selbst nicht in der Lage sind, ein für sie selbst unvorteilhaftes Verhalten beenden zu können, und auch nicht verstehen, warum sie immer wieder am Versuch, dieses zu beenden, scheitern. Klar ist, dass beim Wiederholungszwang der adaptive Charakter unseres Lernens ausgeschaltet ist – wir lernen gar nichts! Es gibt auch die Hypothese, dass die jeweilige Person im Wiederholungszwang versucht, ein altes Trauma doch noch zu lösen, obwohl es in den jeweiligen Kontexten gar nicht zu lösen ist. Oder eine andere Hypothese geht davon aus, dass sich im Wiederholungszwang eine Art Schuld-Sühne-Dynamik ausdrückt; es wird durch die Selbstschädigung ein unbewusstes Strafbedürfnis realisiert. Bei Hellinger finden wir Äußerungen wie: "Für manche ist Leiden leichter als Heilung." Dieser Äußerung beinhaltet eine Art indirekten Vorwurf an den Klienten. Der Klient will, angeblich, nicht aus der Bindung an die Eltern und ihren Lebensstil aussteigen. 1 Freud führte den Begriff des Wiederholungszwangs 1920 in seinem Aufsatz „Jenseits des Lustprinzips“ ein. 2 http://www.psychology48.com/ (Wiederholungszwang) 3 http://www.psychology48.com/ (Wiederholungszwang) 1 Viel näherliegend ist allerdings, dass der Klient, trotz aller systemischer Interventionen, unterbrochene Hinbewegung etc., keine Kontrolle über die Sucht bzw. den Zwang hat, die er über das Dopamin-System ankonditioniert bekommen hat. Neben dem Wiederholungszwang gab und gibt es auch noch viele andere Symptome, die, zumindest für bestimmte Methoden, als unheilbar galten bzw. gelten. So waren die Phobien für die Methoden der Psychoanalyse unzugänglich. Erst die Verhaltenstherapie und das NLP konnten zeigen, dass diese Symptome sogar relativ leicht und schnell behandelt werden können. Heute stehen wir vor dem Problem, dass wir nicht wissen, was wir mit bestimmten Sexualstraftätern therapeutisch machen sollen. In meiner Arbeit bin ich immer wieder an die Grenzen der verschiedenen Methoden gestoßen, die ich im Laufe meiner verschiedenen Ausbildungen gelernt habe. Dies führte mich zu der Idee der Symptomklassen. Kurz gesagt geht es darum, dass verschiedene Symptome nur durch spezifische Ansätze therapiert werden können, und nicht jede Methode verfügt über die geeigneten Techniken. Daher ist eine kompetente Differentialdiagnostik vonnöten, um den geeigneten Methodenmix zu finden. Ausgehend vom heutigen Stand der Gehirnforschung ist klar, dass es sich beim Wiederholungszwang um ein früh gelerntes Muster handelt, welches zum Teil der Struktur und Chemie unseres Gehirns geworden ist, die als ein Wahrnehmungsfilter und als ein Blueprint für Verhaltensmuster dient. Die Fragen, die sich also stellen, lauten: 1. Wie genau strukturieren welche Erfahrungen welche Teile des Gehirns, damit das Phänomen des Wiederholungszwangs überhaupt entstehen kann? 2. Reicht die Neuroplastizität des Gehirns aus, um diese alten Strukturen zu verändern? 3. Wenn ja, welche Methoden wären am besten geeignet, diese zu verändern? Die Neurobiologie der kindlichen Gehirnentwicklung Da das Überleben eines menschlichen Kleinkindes vollständig von der Beziehung zur Mutter (bzw. einer anderen Person) abhängig ist, sind sich heute Forscher aus den unterschiedlichsten Disziplinen einig, dass die frühe Mutter-Kind-Beziehung einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf die Entwicklung des menschlichen Gehirns hat. Und es sind genau diese frühen Prägungen, d. h. die neurologische Architektur des Gehirns und die Funktion des neuromodulatorischen Systems4, die die Grundlage für 4 Das neuromodulatorische System besteht aus vier Untersystemen, die jeweils einen Neuromodulator produzieren (Noradrenalin, Dopamin, Serotonin, Azetylcholin). In unendlich vielfältiger Kombination sagen diese vier Systeme, was die Großhirnrinde tun soll. Zusammen bestehen diese vier Systeme aus ungefähr 500 000 Neurone, die unsere 100 Milliarden Neurone und damit unsere Psyche und unser Bewusstsein voll im Griff haben. Der Hippocampus, Amygdala und das limbische System steuern die neuromodulatorischen Systeme. D. h. es ist unser unbewusstes Gedächtnis und unser unbewusstes 2 das spätere Verhalten und Erleben bilden. Die Grundlage für die Ausdifferenzierung des Gehirns bildet aber, vor aller Erfahrung, unsere genetische Ausstattung, die für die Synaptogenese sorgt. Zusätzlich werden die kritischen Perioden genetisch bestimmt, in denen das Nervensystem für besondere Entwicklungsprozesse, wie z. B. das Erlernen der Muttersprache, offen ist. Während seiner gesamten Entwicklungsphase wird die spezifische Struktur der synaptischen Verbindungen, der Neurotransmitter usw. durch die konkreten Erfahrungen des Individuums mit bestimmt. Und so kann ein Gehirn entstehen, welches auf der Basis von „malignant memories“5 (Schwarz & Perry, 1994) operiert. Die konkreten Erfahrungen werden aber meist nicht erinnert, sondern in den Gefühlen und Handlungen ausagiert. In solchen Situationen fühlen sich die Menschen nicht mehr frei in ihren Handlungsalternativen, vielmehr haben sie den Eindruck, dass man in einer solchen Situation gar nicht anders reagieren kann. Schon Freud hatte die Hoffung, eine wissenschaftliche Psychologie zu begründen, musste dieses Projekt aber angesichts der fehlenden neurobiologischen Informationen aufgeben. Heute sieht die Situation wesentlich anders aus. Seit einigen Jahrzehnten hat sich die Neuropsychologie als eigenständiges Forschungsgebiet etabliert. Für die Beantwortung der drei oben aufgeworfenen Fragen müssen wir als erstes einige wesentliche Ergebnisse der neueren Gehirnforschung zur Kenntnis nehmen. Die Hemisphären Der Cortex ist bekanntlich durch eine tiefe Furche (Fissura longitudinalis) in zwei Hemisphären geteilt. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass die so genannten unbewussten Prozesse eher der rechten Hemisphäre zuzuordnen sind. Darüber hinaus scheint es auch eine Spaltung bezüglich positiver und negativer Emotion zu geben. Danach wäre die linke Hemisphäre eher für die positiven und die rechte eher für die negativen Emotionen zuständig. Davidson berichtet z. B., dass bei Kleinkindern das Weinen wegen einer Enttäuschung mit starken Aktivitäten in der rechten Hemisphäre verbunden ist. limbisches System, das mit Hilfe der Neuromodulatoren bestimmt, was in der Großhirnrinde geschieht. Die Neuromodulatoren als Moleküle bestimmen natürlich nicht die Inhalte des jeweiligen Erlebens. Dopamin kann, wenn es eine Tätigkeit begleitet, die Erwartung auf eine Belohnung auslösen, aber was da genau erwartet wird, hängt nicht vom Dopamin ab. Noradrenalin erhöht zwar unsere Aufmerksamkeit, aber worauf wir aufmerksam sind, bestimmt nicht das Noradrenalin. Es muss also Systeme geben, die den neuromodulatorischen Systemen Bedeutung zuweisen; z. B. das limbische System. 5 Bösartige, bzw. krankmachende Erinnerungen. 3 Die Amygdala Die Amygdala (Mandelkern) ist intensiv mit dem Gehirnstamm und höheren cortikalen Zentren verbunden. „Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen dazu ein. Eine Zerstörung beider Amygdalae führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 deuten darauf hin, dass die Amygdala an der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, einschließlich des Sexualtriebes beteiligt sein könnte.“6 Neuere Forschungen weisen darauf hin, dass die Amygdala in den letzten drei Monaten der Schwangerschaft und den ersten beiden Monaten nach der Geburt in einer kritischen Wachstumsphase ist. „This suggests a pivotal position in the creation of both a repetition and the compulsion associated with it.“7 Das Netzwerk der Emotionen LeDoux konnte 1992 zeigen, dass konditioniertes Verhalten auch dann beim Auftreten des sensorischen Auslösers (Anker) auftrat, wenn die zuständigen Zentren im Cortex geschädigt waren. Daraus schloss er, dass das konditionierte Verhalten von mehreren Gehirnzentren gesteuert wird, als vom Cortex allein. In diesem Zusammenhang sprechen wir von einem Netzwerk, das ein bestimmtes Verhalten oder Erleben hervorbringt. „Das limbische System ist eine Funktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient. Dem limbischen System werden auch intellektuelle Leistungen zugesprochen. Die Sichtweise, bestimmte Funktionen (wie die Triebe) nur auf das limbische System zu beziehen und als vom Rest des Gehirns funktionell abgegrenzt zu betrachten, gilt heute als veraltet. Andere kortikale und nicht-kortikale Strukturen des Gehirns üben 6 7 Wikipedia Denise K. Shull , The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion. Aufsatz findet sich im Netz. 4 einen enormen Einfluss auf das limbische System aus. Die Entstehung von Emotion und Triebverhalten muss also immer als Zusammenspiel vieler Gehirnanteile gesehen werden und darf nicht dem limbischen System allein zugesprochen werden.“8 Das limbische System gliedert sich in folgende anatomische Strukturen: • Hippocampus • Fornix • Corpus mamillare • Gyrus cinguli • Amygdala • Nuclei anterioventrales des Thalamus Der Hippocampus „Im Hippocampus fließen Informationen verschiedener sensorischer Systeme zusammen, die verarbeitet und von dort zum Cortex zurückgesandt werden. Damit ist er enorm wichtig für die Gedächtniskonsolidierung, also die Überführung von Gedächtnisinhalten aus dem Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis. Menschen, bei denen beide Hippocampi entfernt oder zerstört wurden, können keine neuen Erinnerungen formen und weisen somit eine anterograde Amnesie auf. Alte Erinnerungen bleiben jedoch meist erhalten. Der Hippocampus wird somit als Struktur gesehen, die Erinnerungen generiert, während die Gedächtnisinhalte an verschiedenen anderen Stellen in der Großhirnrinde gespeichert werden. (...) Darüber hinaus spielt die HippocampusFormation auch eine wichtige Rolle für Emotionen: 1. Personen mit (unipolarer) Depression zeigen reduziertes Volumen der Hippocampus-Formation, 2. die Hippocampus-Formation ist einzigartig in ihrer Vulnerabilität für starke emotionale Stressoren; Tiermodelle zeigen hippocampale Atrophie als Effekt von chronischem emotionalen Stress (bedingt durch Absterben hippocampaler Neurone sowie Reduktion neuronaler Genese im Gyrus dentatus) und Menschen mit schweren emotionalen Traumata (bspw. Vietnam-Veteranen oder Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs) zeigen ebenfalls eine Volumenreduktion der Hippocampus8 Wikipedia 5 Formation, 3. Menschen mit abgeflachter Affektivität zeigen funktionelle Unterschiede in der Hippocampus-Formation bei der Verarbeitung emotionaler Stimuli. V. a. funktionellbildgebende Studien, die neuronale Korrelate von Emotion mit Musik untersuchen, berichten Aktivitätsunterschiede der Hippocampus-Formation im Zusammenhang mit musik-evozierten Emotionen.“ 9 Fornix Funktionell ist er an der Einspeicherung von Gedächtnisinhalten vom Kurzzeit- in das LangzeitGedächtnis beteiligt und spielt somit eine Rolle beim Lernen. Er leitet keine spezifische Information, sondern selektiert und moduliert die Funktion der Hippocampusformation durch verschiedene Neurotransmitter (Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und Acetylcholin). Corpus mamillare Das Corpus mamillare auch Mammillarkörper ist eine paarige Erhebung an der Unterseite des Gehirns zwischen den Großhirnschenkeln (Crura cerebri). Es liegt am Vorderende des Fornix und gehört zum limbischen System. Das Corpus mamillare spielt vermutlich eine Rolle bei Gedächtnisvorgängen, z. B. dem episodischen Gedächtnis, der Fähigkeit Erinnerungen an Ereignisse in einen autobiographischen Kontext zu setzen. Gyrus cinguli Funktionen: u. a. Fehlermeldung, Risikound Konfliktmanagement, Reaktionsinhibition, kognitive Kontrolle, Anpassung, Mentalisierungstheorie. Trauer, Schmerz, Abscheu (kognitive Erkennung - und Verarbeitung) Anteriores Cingulum Funktionen: 'Fehlermeldung': Wahrscheinlichkeit, Auftreten und zu erwartende Konsequenzen von Fehlern. Risikovorhersage, Konflikt-Monitoring und kognitive Kontrolle v. a. bei Konflikten zwischen simultanen, konkurrierenden 9 Wikipepia 6 Repräsentationen, Minimierung von Ablenkungen. Konflikt -> wirkt als Lehrimpuls für's Vermeidungslernen -> beeinflusst die Entscheidungsfindung zu Gunsten kognitiv effizienter Aufgaben und Strategien. Antizipation und Erkennung von Aufgaben und Antwort-Konflikten; das Konfliktsignal wird z. B. zum DLPFC (Dorsolateral PFC) weitergeleitet, um die kognitive Kontrolle zu erhöhen. Informationstransfer: u. a. zum auditorischen Assoziationskortex, Hirnstamm und autonomen Strukturen als Input für die emotionale Kommunikation und autonome Aktivierung bei emotionaler Erregung. Problemlösung, Konzentration auf eine Aufgabe Reaktions-Inhibition, Selbstregulierung, Emotionsregulierung. Angst (rACC, Konditionierung in der Amygdala), Schmerz. Beschäftigung mit eigenen Gedanken und Vorstellungen (Innenwelt), Motivation. Teil des Belohnungssystems: Antizipation von Belohnungen, (verstärkerbezogene) Entscheidungsfindung, v. a. auch im Bezug darauf, wie viel Einsatz eine Belohnung wert ist, Bewertung von Handlungen, Verhaltensentscheidungen im Hinblick auf Belohnung und Bestrafung, Lernen aus Konsequenzen, Vermeidungslernen, Anpassung nach Bestrafung. Sucht-Verlangen (Nikotin) Empathie (mit Schmerz) Mentalisierungstheorie ToM (bilateral) Autonome Funktionen: u. a. Regulierung von Blutdruck und Herzfrequenz * Dorsal=kognitiv; kognitive Verarbeitung von Stimuli, Verhaltenskontrolle, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Fehlererkennung, Konflikt-Monitoring, Reaktionsauswahl, Antizipation eingehender Informationen, Lenken von Aufmerksamkeit auf relevante Stimuli. * Ventral=affektiv: Fokus auf internen emotionalen und motivationalen Status, Regulierung autonomer Reaktionen. * Anterior=exekutiv * Posterior=evaluativ * Rostral: Imagination kommender positiver Ereignisse, Optimismus, Erkennung von 7 Antwortkonflikten, die durch irrelevante Stimuli verursacht werden. Posteriores Cingulum Funktionen: Episodische Erinnerung, Sprachverständnis und -produktion (durch Erinnerung während der Kommunikation), (starke Verschaltungen zum medialen temporalen Kortex). Mentalisierungstheorie ToM Schmerz (rostral) Abscheu (kognitive Erkennung - auch z. B. in dargestellten Szenen - und Verarbeitung) Wiedererkennung von Objekten und Orten, dPCC: Raumorientierung, vPCC: Verarbeitung von für das Selbst relevanten Informationen und Objekten; Selbstreflexion.10 Amygdala11 Funktionen: Emotion, Gefahr, Abscheu, Angst (Konditionierung); Operante Konditionierung (in enger Verbindung mit dem pOFC) Verarbeitung emotionaler und sozialer Informationen, Erkennung von Emotionen in anderen, emotionale Bewertung u. a. von (u. a. negativer) Mimik (Bedrohung oder nicht?), Empathie. Modulation von Gedächtnisprozessen (Verstärkung und Unterdrückung von Impulsen) u. a. im Hippocampus; Wiedererkennung negativer Inhalte. Wesentlicher Teil des Belohnungssystems Einfluss auf das Autonome Nervensystem, Homeostase (OFC -> Amygdala) Motivation.12 10 http://www.gehirn-atlas.de/cingulum.html, Die Informationen über das Cingulum habe ich der Seite gehirn-atlas entnommen. Zu den einzelnen Stichpunkten gibt es Verweise auf entsprechende Forschungsergebnisse. Für alle, die Näheres erfahren wollen, würde ich diese Links sehr empfehlen. 11 Siehe auch weiter oben 12 http://www.gehirn-atlas.de/amygdala.html 8 Nuclei anterioventrales des Thalamus Nuclei anterioventrales des Thalamus: wichtige Schaltzentrale für sensible, sensorische und motorische Informationen, "Tor zum Bewusstsein" (Filterfunktion), Schmerzkontrolle. Die neurologischen Entwicklungsstadien Nachdem wir uns einen kurzen Überblick über die Architektur und Funktionalität des limbischen Systems verschafft haben, wenden wir uns jetzt den Entwicklungsstadien des Gehirns zu. Das Gehirn entwickelt sich hierarchisch vom Gehirnstamm hin zum Cortex. Die Amygdala ist bereits bei der Geburt aktiv, und das Cingulum wird zwischen dem dritten und neunten Monat aktiv. Der orbitofrontale Cortex wird zwischen dem 10. und 12. Monat aktiv. Diese Entwicklungsdynamik gibt uns schon einen ersten Hinweis darauf, warum die frühen Erfahrungen eine so nachhaltige Wirkung haben. Jeder der niedrigeren Strukturen des Gehirns modifiziert die Entwicklung der nächst höheren. Richard Davidson, ein bekannter Neurowissenschaftler an der University of Wisconsin, schreibt zum Verhältnis von Anlage und Umwelt Folgendes: “What’s particularly exciting about these findings is that the impact of environment on brain development has been traced down to the level of actual gene expression. This has, only so far, been done in animals, but we have every reason to believe it applies to humans, too. For a person raised in a nurturing environment, there are actually demonstrable, objective changes in gene expression. For example, there are genes for certain molecules that play an important role in regulating our emotions and which respond to nurturing.”13 In den Monaten nach der Geburt gibt es eine Explosion von synaptischen Verbindungen. So verdoppelt sich beispielsweise die Anzahl synaptischer Verbindungen im visuellen Cortex zwischen dem zweiten und vierten Monat. In den ersten Entwicklungsmonaten werden viel mehr Synapsen gebildet, als tatsächlich benötigt werden. Werden Synapsen zu wenig genutzt, sterben sie nach einiger Zeit ab. Neurowissenschaftler nennen diesen Prozess Apoptosis.14 Dieser Prozess wird stark von den Erfahrungen beeinflusst, die das Kind während seiner Entwicklung macht. „“...neurodevelopmental experiences and genetic programming lead the brain to select wisely which connections to keep and which to destroy. If this is done appropriately, the individual prospers during this maturational task and advances gracefully into adulthood. Bad selections theoretically could lead to neurodevelopmental disorders such as schizophrenia or even ADHD.”15 Wie weiter oben schon erwähnt sind die so genannten kritischen Perioden ein weiteres wesentliches Element in der Gehirnentwicklung. So können z. B. Singvögel den für die 13 Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion Die Apoptose von apo „weg“ und ptosis „Fall“, (wie das Fallen der Blätter im Herbst) ist eine Form des programmierten Zelltods. 15 Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion 14 9 Art typischen Gesang nur lernen, wenn sie diesen während einer kritischen Periode hören, andernfalls werden sie niemals singen. Untersuchungen haben gezeigt, dass 60 Tage nach der Geburt menschliche Babys beginnen, visuelle Informationen durch die Entwicklung der rechten Hemisphäre anders als vorher zu prozessieren. Sie entwickeln ein starkes Interesse am Augenkontakt und an Gesichtern allgemein. In dieser kritischen Phase erleben die Babys einen Wandel ihrer emotionalen und sozialen Fähigkeiten. Dieser emotionale Austausch zwischen Mutter und Kind durch den Augenkontakt ist kritisch für die Entwicklung der emotionalen Kontaktfähigkeit. In meinen Seminaren mache ich häufig eine Übung, in der sich zwei Personen gegenüberstehen und sich ansehen. Die Versuchsperson soll sich dann zuerst das linke und dann das rechte Auge zuhalten und berichten, wie sie den Kontakt mit den beiden Augen jeweils wahrnimmt. Dabei gibt es oft schon dramatische Unterschiede. Der zweite Schritt der Übung besteht darin, dass sich das Gegenüber langsam entfernt und die Versuchsperson sagen soll, wie lange sie den emotionalen Kontakt aufrechterhalten kann. Auch hierbei gibt es oft erhebliche Unterschiede zwischen dem rechten und dem linken Auge. Oft kommen bei dieser Übung sehr starke Emotionen hoch, die eindeutig aus der ganz frühen Bindungsphase zwischen Mutter und Kind stammen. Diese können dann mit verschiedenen therapeutischen Techniken bearbeitet werden. Parallel zur Entwicklung der synaptischen Verbindungen findet eine Entwicklung des Systems der Neurotransmitter und der dazugehörigen Rezeptoren statt. Bei dieser Entwicklung geht es einerseits um die Speicherung der Neurotransmitter in den Vesikeln (Bläschen) der Nervenzellen und der Entwicklung der Anzahl der jeweiligen Rezeptoren und ihrer Empfindlichkeit für den jeweiligen Transmitter. Nehmen wir als Beispiel ein Kind, welches viel Stress erlebt und daher ein Gehirn ausbildet, in dem die Synapsen regelmäßig mit Adrenalin überflutet werden. Die Rezeptoren werden darauf hin ihre Empfindlichkeit für Adrenalin runterfahren, um einen einigermaßen ausgewogenen Zustand herzustellen. So haben z. B. neuere klinische Studien gezeigt, dass Borderline-Patienten16 weniger Rezeptoren für Adrenalin haben als der Durchschnitt. Man geht daher davon aus, dass diese Störung ihre Ursache in frühen traumatischen Erlebnissen hat, bei denen das Adrenalin-System überstimuliert wurde. Im späteren Leben wird diese Person in ähnlichen Situationen auf eine zwanghafte Weise reagieren und sogar dafür sorgen, dass sie wieder in eine solche Situation kommt, da ihr ganzes System darauf konditioniert ist. 16 „Borderline-Persönlichkeitsstörung (abgekürzt BPS) oder emotional instabile Persönlichkeitsstörung ist die Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung, die durch Impulsivität und Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen, Stimmung und Selbstbild gekennzeichnet ist. Bei einer solchen Störung sind bestimmte Bereiche von Gefühlen, des Denkens und des Handelns beeinträchtigt, was sich durch negatives und teilweise paradox wirkendes Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen sowie im gestörten Verhältnis zu sich selbst äußert. Die BPS wird sehr häufig von weiteren Belastungen begleitet, darunter dissoziative Störungen, Depressionen sowie verschiedene Formen von selbstverletzendem Verhalten (SVV). Die Störung tritt häufig zusammen mit anderen Persönlichkeitsstörungen auf (hohe Komorbidität).“ Wikipädia 10 What fires together wires together. Donald Olding Hebb Donald Hebb formulierte 1949 in seinem Buch The Organization of Behavior, Lernen könne auf Veränderungen im Gehirn basieren, die vom Grad der Korrelation von Neuronenaktivitäten abhängen: Werden zwei Neuronen meist gemeinsam aktiviert, stärkt sich ihre Verbindung, während sie sonst schwächer wird. Damit ist es ein elementares Modell für Lernen und Gedächtnis. Diese so genannte Hebbsche Regel gilt heute als gesichert und ist unter anderem die Grundlage der Konditionierungstheorie und des Ankerns, wie wir es im NLP nutzen. Um ein alt bekanntes Beispiel zu geben, der Speichelfluss eines Hundes hat erstmal nichts mit dem Hören eines Klingeltons zu tun. Wenn diese aber häufig genug zusammen erlebt werden, dann entsteht eine neurologische Verbindung, die dazu führt, dass das Hören der Klingel den Speichelfluss anregt. Wenn wir also schon früh in unserer Entwicklung erlebt haben, dass unser Bedürfnis nach Nähe oft mit einer Ablehnungserfahrung verbunden war, die für uns schmerzhaft war, dann wird das Bedürfnis nach Nähe mit Schmerz assoziiert und entweder vermieden, oder man kann sich Nähe ohne Schmerz gar nicht vorstellen und sucht daher Beziehungen, die diese ursprüngliche Erfahrung immer wiederholen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der synaptischen Plastizität ist die Langzeit-Potenzierung (LTP). Dabei handelt es sich um eine Form, in der Synapsen lernen. Wenn eine Nervenzelle über einen kurzen Zeitraum sehr viele Impulse erhält, dann reicht danach ein kurzer, schwacher Impuls aus, damit die Nervenzelle feuert. Die Synapse ist für diesen Impuls sensibilisiert. Dieses Phänomen nennt man Langzeit-Potenzierung. Was aber noch wichtiger ist, ist die Tatsache, dass diese Sensibilisierung Jahre aufrechterhalten wird. Dies erklärt das Phänomen, das oft nur ein Blick oder eine Bemerkung ausreichen, um ein altes neurologisches Muster und damit alte Erfahrungen zu reaktivieren. Diese Reaktivierung kann für uns angenehm sein, weil wir z. B. sofortigen Zugriff auf eine früher erworbene Fähigkeit haben, es kann aber auch sehr unangenehm sein, weil wir in einen kindlichen Zustand regredieren und uns z. B. wie ein kleines trotziges Kind 11 verhalten. Die LTP ist auch der Mechanismus, mit dem wir uns unter anderem auf andere eintunen. Neurone haben die Fähigkeit, auf bestimmte Frequenzen stärker zu reagieren als auf andere und diese dann entsprechend zu verstärken. Durch diese Resonanz werden ganze Nervennetze in ihrer Aktivität synchronisiert. Schore „sees this working in the way an infant comprehends and absorbs its mother’s emotions. Study of the mechanism of resonance in the brain could also shed light on how the compulsion to repeat comes about. During a person’s conscious evaluation of new acquaintances, his neurons may be searching behind the scenes for just the right frequency to match a previous experience. Once they find it, they in lock in on it and color the person’s perceptions—which leads to altered behavior,which in turn recreates in actuality what the brain had hidden all along. In relevance to this discussion, Schore asserts that resonance “tunes” the right brain circuits to process socio-emotional information “17 Dieser Mechanismus könnte auch erklären, warum sich manche Menschen immer wieder Partner suchen, die ihnen nicht guttun. Sie erkennen ein Muster aus ihrer Kindheit, welches sofort zu einer Hinbewegung führt. Unsere Neuroplastizität führt über die Mechanismen der Hebbschen Plastizität, der LTP und der Resonanz zu dem, was wir unser implizites Gedächtnis oder unser Unbewusstes nennen können. In diesem impliziten Gedächtnis befinden sich nach traumatischen Ereignissen von Perry und Pate so genannte “malignant memories” oder bösartige bzw. krank machende Erinnerungen. In dem Moment in dem diese unbewussten Erinnerungen aktiviert werden, agieren wir zwanghaft und ohne Kontrolle auf der Basis dieser traumatischen Erfahrungen. „LeDoux expands his argument by declaring the indelibility of sub-cortical emotional memories (LeDoux et. al., 1992). He reviews research showing that stimuli which are associated with highly charged emotional situations will cause a persistent conditioned response. He shows that conditioned responses persist for very long periods of time, even with unreinforced trials. In other words, the arrival of a stimulus-provoking emotion can produce the same result it initially caused even when much time has passed.“18 Zusammenfassend können wir feststellen, dass der Wiederholungszwang dadurch entsteht, dass unser Gehirn in seiner Entwicklung sowohl in seiner Struktur, als auch in der Art und Weise, wie die Neurotransmitter Dopamin, Noradrenalin und Oxytozin genutzt werden. Der Widerstand gegen Veränderungen dieser Strukturen liegt an der Wirkungsweise der LTP und des Resonanz-Phänomens, die das Netzwerk von Gehirnstamm, Amygdala und orbitofrontalem Cortex immer wieder auf dieselbe Weise aktivieren. Diese Netzwerke enthalten implizite emotionale Erinnerungen aus unserer frühesten Kindheit und dienen als Wahrnehmungsfilter, um eine gewisse emotionale Homeostase aufrecht zu erhalten. So stabilisiert das konditionierte Gehirn ein Verhalten und Erleben, welches uns immer wieder in dieselben Erfahrungen treibt. 17 18 Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion Zitiert nach: Denise K. Shull, The Neurobiology of Freud’s Repetition Compulsion 12 13