Einführung 1-1 GRUNDLAGEN DER WECHSELSTROMTECHNIK 1. Einführung In der Elektrotechnik spielen Wechselspannungen und -ströme in fast allen Bereichen eine bedeutende Rolle. Wechselspannungen haben gegenüber Gleichspannungen einige entscheidende Vorteile: einfache Erzeugung einfache Übertragung über große Strecken leichte Verteilung 1.1 Definition einer Wechselgröße Gleichspannung Wechselspannung U u t - zeitlicher Verlauf konstant t - zeitlicher Verlauf nicht konstant - positive und negative Werte - immer wiederkehrender Verlauf Alle Wechselgrößen erfüllen die folgenden zwei Bedingungen: a) Wechselgrößen sind periodisch. b) Wechselgrößen haben einen linearen (arithmetischen) Mittelwert gleich Null. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Einführung 1-2 1.2 Liniendiagramm einer Wechselspannung In der Praxis werden Wechselspannungen durch Drehung einer Leiterschleife (Spule) in einem Magnetfeld erzeugt. Durch die Drehbewegung des Leiters (der Spule) erhält man sinusförmige Spannungen. Im Liniendiagramm werden Wechselspannungen entweder in Funktion der Zeit t oder des Drehwinkels aufgetragen. u u t Kennwerte von Wechselspannungen: Drehwinkel: Der Drehwinkel (in DEG oder RAD) gibt die Lage der Leiterschleife (Spule) im Magnetfeld an. Momentanwert: auch Augenblickswert genannt Dies ist der Wert der Wechselspannung zu einem beliebigen Zeitpunkt (Augenblick). Scheitelwert: auch noch Amplitude genannt Dies ist der maximale Wert der Spannung im positiven bzw. negativen Bereich. Periodendauer: Die Periodendauer T ist die Zeit, die die Spannung zum Durchlaufen einer ganzen Schwingung, das heißt, einer positiven und einer negativen Halbwelle braucht. Frequenz: Die Frequenz f gibt die Anzahl der Perioden pro Sekunde an. f 13 Ge, Elektrotechnik 1 T f Hz( Hertz ) 1Hz 1 s 13ge_wechselstrom(1) Einführung 1-3 Kreisfrequenz: Die Frequenz einer Wechselspannung wird durch die Drehzahl der Leiterschleife (Spule) im Magnetfeld bestimmt. Die Kreisfrequenz ist ein Maß für die Winkelgeschwindigkeit und ist als Rechengröße notwendig, um den Bezug zwischen der Zeit t und dem Drehwinkel herzustellen. 2 T oder 2 f 1 s 1.3 Mathematische Gleichung sinusförmiger Wechselspannungen Eine Wechselspannung lässt sich auch durch eine mathematische Gleichung eindeutig beschreiben. Für sinusförmige Spannungen gilt: u( ) û sin u (t ) û sin( t ) u (t ) û sin(2 f t ) mit t 1.4 Zeigerdiagramm einer sinusförmigen Wechselspannung u Festlegungen: - Die Länge des Zeigers entspricht dem Scheitelwert û. - Der Zeiger dreht sich im Gegenuhrzeigersinn mit einer Umdrehung je Periode. - Der Momentanwert der Wechselspannung entspricht der Gegenkathete in einem rechtwinkligen Dreieck, dessen Hypotenuse durch den Zeiger und dessen Ankathete durch einen Abschnitt auf der Bezugslinie gebildet werden. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Einführung 1-4 Beispiel: f = 50Hz; t = 5ms 2 f t 2 50 0,5 u (5ms) 1 5 10 3 s s 90 û sin 90 û 1.5 Phasenverschiebung In ein Liniendiagramm bzw. ein Zeigerdiagramm können auch mehrere Spannungen eingezeichnet werden. u Wechselgrößen sind dann phasenverschoben, wenn sie ihren Nulldurchgang bzw. Scheitelwert zu unterschiedlichen Zeitpunkten haben. Die Größe der Phasenverschiebung wird durch den Phasenverschiebungswinkel angegeben. Von einer Phasenverschiebung redet man nur bei Wechselgrößen gleicher Frequenz. Mit der Festlegung, dass der Gegenuhrzeigersinn der positiven Richtung von entspricht, lauten die mathematischen Beschreibungen der beiden Wechselspannungen wie folgend: u1 (t ) û1 sin( t ) u 2 (t ) û 2 sin( t ) Man sagt: Die Spannung u2 ist um den Phasenverschiebungswinkel u1. 13 Ge, Elektrotechnik voreilend auf die Spannung 13ge_wechselstrom(1) Einführung 1-5 1.6 Arten von Wechselspannungen u u t t Sinusspannung Dreieckspannung u u t Rechteckspannung t Sägezahnspannung Außer Gleichspannungen und Wechselspannungen kennt man auch noch Mischgrößen. Sie entstehen durch Überlagerung von Gleich- und Wechselanteilen. Der arithmetische Mittelwert einer Mischgröße ist nicht mehr Null. u UMisch UWechsel UGleich t Mischspannung 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Einführung 1-6 1.7 Effektivwert von Wechselgrößen Viele elektrische Verbraucher zeigen das gleiche Verhalten an Gleichspannung wie an Wechselspannung. Beispiele: Glühlampen, Kochplatten, elektrische Heizungen usw. Es stellt sich nun die Frage, wie eine sinusförmige Wechselspannung aussehen muss, damit sie in einem Verbraucher die gleiche Leistung umsetzt wie eine bestimmte Gleichspannung. u U t t Definition des Effektivwertes einer Wechselspannung: Der Effektivwert (wirksamer Wert) einer Wechselspannung ist der Spannungswert, der in einem ohmschen Verbraucher (z. B. Glühlampe, Heizung) die gleiche Leistung umsetzt wie eine gleich große Gleichspannung. Der Effektivwert ist der quadratische Mittelwert einer Wechselspannung (siehe Buch Seite 226). Bei Sinusgrößen gilt: U eff 2 û 2 Scheitelfaktor bzw. I eff î 2 Scheitelwert Effektivwert Beachte: Effektivwerte werden mit Großbuchstaben geschrieben. Ueff = U ; 13 Ge, Elektrotechnik Ieff = I 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-1 2. Addition frequenzgleicher Wechselgrößen Genau wie in der Gleichspannungstechnik kann man auch Wechselgrößen addieren oder subtrahieren (z. B. Reihenschaltung von zwei Spannungsquellen). Damit Wechselgrößen in einem gemeinsamen Zeigerdiagramm dargestellt werden können, müssen sie frequenzgleich sein. 2.1 Nullphasenwinkel Da verschiedene Wechselspannungen normalerweise nicht phasengleich sind, muss bei der Addition von Wechselgrößen besonders auf die jeweilige Phasenlage geachtet werden. Der Nullphasenwinkel einer Wechselgröße entspricht dem Winkel im Zeigerdiagramm, den die Größe mit der Bezugslinie (0° - Linie) bildet. 2.2 Bildung der Addition im Linien- und Zeigerdiagramm Gegeben sind folgende Spannungen: u1 = û1 sin t = 3V sin t u2 = û2 sin( t + = 4V sin( t + 90°) Ermittle im Linien- und Zeigerdiagramm: ug = u1 + u2 u Liniendiagramm: Zum Beispiel alle 30° werden die Momentanwerte der beiden Spannungen addiert. Zeigerdiagramm: Die Zeiger der beiden Spannungen müssen phasenrichtig addiert werden. Dies entspricht einer geometrischen Addition der Zeiger. Merke: Die Gesamtspannung ug ist sinusförmig und hat die gleiche Frequenz wie u1 und u2. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-2 Die Spannungen lassen sich selbstverständlich auch rechnerisch addieren. Dabei geht man gleichermaßen wie bei einer Vektoraddition vor. Beispiel: u1 = 4V sin( t + 30°) und u2 = 4V sin( t + 60°) Bestimme rechnerisch: ug = u1 + u2 Zerlegung in x-Komponenten und y-Komponenten 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-3 2.3 Subtraktion von Wechselgrößen Die Subtraktion von Wechselgrößen erfolgt auf die gleiche Weise wie eine Addition. Dabei muss man nur folgende Eigenschaft von Wechselgrößen beachten. - û sin t = + û sin( t + 180°) Eine Subtraktion wird damit auf eine Addition mit spiegelverkehrtem Zeiger zurückgeführt. u1 = û1 sin( t) u2 = û2 sin( t+90°) Beispiel: Bilde ug = u1 - u2 û2 û1 Wichtige Bemerkung: In den folgenden Kapiteln wird überwiegend mit Effektivwerten von Wechselspannungen und -strömen gearbeitet. Da alle Effektivwerte um den gleichen Faktor kleiner sind als die Scheitelwerte, dürfen grafische Additionen und Subtraktionen im Zeigerdiagramm auch mit Effektivwerten durchgeführt werden. In der Praxis sieht man deshalb oft Zeigerdiagramme die mit den Effektivwerten der Wechselgrößen gezeichnet sind. Aus einem solchen Zeigerdiagramm kann das Liniendiagramm natürlich nicht mehr ermittelt werden. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-4 2.4 Übungen Übung 1 Gegeben sind folgende Spannungen: u1 = 4 V sin( t) u2 = 4 V sin( t + 120°) u3 = 4 V sin( t + 240°) Bestimme mit Hilfe von Zeigerdiagrammen folgende Spannungen: a) u' = - u1 - u2 + u3 b) u'' = u2 - u3 c) u''' = u1 + u2 + u3 Zeichne jeweils das Liniendiagramm von u', u'' und u'''. Maßstäbe: 2V/1cm; 30°/0,5cm a) 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-5 b) c) 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Addition frequenzgleicher Wechselgrößen 2-6 Übung 2 Addiere folgende Wechselspannungen im Linien- und Zeigerdiagramm: u1 = 8 V sin( t+30°) Maßstäbe: 2V/cm ; 30°/cm u2 = 6 V sin( t - 240°) 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis 3-1 3. Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis 3.1 Formeln im Wechselstromkreis I = Ieff G ~ U = Ueff R Die Gesetze der Gleichstromtechnik gelten auch im Wechselstromkreis. I U R P U I W P t U2 R I2 R U I t Merke: Bei einem ohmschen Widerstand im Wechselstromkreis liegen Spannung und Strom in Phase, das heißt, die Phasenverschiebung zwischen Strom und Spannung ist Null. 3.2 Zeitliche Verläufe von Spannung, Strom und Leistung u (t ) û sin( t ) p (t ) u (t ) i (t ) i (t ) û sin( t ) R û î sin 2 ( t ) î sin( t ) mit sin 2 ( t ) p 1 (1 cos 2 t ) 2 p(t ) û î p(t ) U I (1 cos 2 t ) 13 Ge, Elektrotechnik mit û î 2 1 (1 cos 2 t ) 2 û î 2 2 U I 13ge_wechselstrom(1) Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis 3-2 Beispiel Ein ohmscher Widerstand R = 10 liegt an einer Wechselspannung U = 50V. Zeichne die zeitlichen Verläufe von Spannung, Strom und aufgenommener Wirkleistung. û î 2 50V 70,7V û 70,7V 7,07 A R 10 p (t ) u (t ) i (t ) [°] 0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360 u [V] 0 35,4 61,2 70,7 61,2 35,4 0 -35,4 -61,2 -70,7 -61,2 -35,4 0 i [A] 0 3,54 6,12 7,07 6,12 3,54 0 -3,54 -6,12 -7,07 -6,12 -3,54 0 p [W] 0 125 375 500 375 125 0 125 375 500 375 125 0 p[W] i[A] u[V] t 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ohmscher Widerstand im Wechselstromkreis 3-3 Die Leistung schwingt mit der doppelten Frequenz zwischen 0 und p̂ hin und her. Der Mittelwert beträgt P = Peff Peff pˆ 2 Peff U eff I eff û î 2 oder P U I Zeigerdiagramm: 90° 0 180° î û 0° 360° : 2 I U 270° Wirkwiderstand: Wirkwiderstände sind rein ohmsche Leiterwiderstände in denen die zugeführte Energie in Wärmeenergie umgewandelt wird. Strom und Spannung sind über das ohmsche Gesetz u = i R miteinander verknüpft. Zwischen u und i gibt es keine zeitliche Verschiebung (Phasenverschiebung). Wirkwiderstände haben bei Gleichstrom und niederfrequentem Wechselstrom denselben OhmWert. Bei sehr hohen Frequenzen vergrößert sich allerdings der Wechselstromwiderstand gegenüber dem Gleichstromwiderstand. Infolge der dann auftretenden sogenannten Stromverdrängung fließt der Wechselstrom nicht mehr im vollen Leiterquerschnitt, sondern nur noch an der Oberfläche des Leiters. Der wirksame Leiterquerschnitt wird dadurch kleiner und der Wirkwiderstand größer. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4-1 4. Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4.1 Einführung Kondensatoren sind elektrische Bauteile, die in vielfältigen Schaltungen vorkommen. Sie werden z. B. in Gleichrichterschaltungen zur Glättung der Spannung, in Wechselstromkreisen zur Phasenverschiebung, in Schaltungen zur Funkentstörung oder in elektronischen Schaltungen zur Aufteilung der Mischströme in Wechsel- und Gleichströme eingesetzt. Der Kondensator ist aus der Gleichstromtechnik bekannt. Er besteht im einfachsten Fall aus zwei parallelen Metallplatten zwischen denen sich ein Dielektrikum befindet. Im folgenden Bild ist ein solcher Plattenkondensator dargestellt. Das Dielektrikum besteht in diesem Fall aus Luft. A C d C 0 A d 0 A d As ( Farad) V As 8,86 10 12 (elektrische Feldkonstante ) Vm Plattenfläche in m2 Plattenabstand in m Kapazitä t in Die Kapazität eines Plattenkondensators ergibt sich aus obengenannter Formel. Bei den meisten Kondensatoren besteht das Dielektrikum nicht aus Luft, sondern man verwendet spezielle Isoliermaterialien. Die Kapazität kann sich dann beträchtlich erhöhen. C 0 r d A r Permittivitätszahl ( Dielektrizitätszahl ) Merke: Die Permittivitätszahl r gibt an, um wie viel mal sich die Kapazität eines Kondensators durch ein bestimmtes Dielektrikum gegenüber Vakuum ( Luft ) erhöht. Aus der Gleichstromtechnik ist folgendes Verhalten des Kondensators bekannt: Legt man einen Kondenstor an eine Gleichspannung, so fließt kurzzeitig ein Strom. Der Kondensator lädt sich auf. Nach dem Aufladevorgang fließt kein Strom mehr. Der Kondensator hat sich bis auf die angelegte Gleichspannung aufgeladen. Diese Spannung bleibt auch noch am Kondensator bestehen, wenn man ihn von der Spannungsquelle trennt. Es gilt folgender Zusammenhang zwischen der Ladungsmenge Q und der angelegten Spannung U: Q 13 Ge, Elektrotechnik C U 13ge_wechselstrom(1) Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4-2 Man kann den aufgeladenen Kondensator über einen Widerstand oder Kurzschluss wieder entladen. Merke: Ein aufgeladener Kondensator sperrt den Gleichstrom. In diesem Kapitel soll nun das Verhalten eines Kondensators an sinusförmigen Wechselspannungen untersucht werden. Das Verhalten an Wechselspannung unterscheidet sich ganz wesentlich vom Verhalten an Gleichspannung. Da ein Wechselstrom ständig seine Richtung ändert, die Elektronen sich also hin und her bewegen, ist ein Kondensator für Wechselströme nicht mehr sperrend, sondern besitzt einen bestimmten Wechselstromwiderstand. Der Kondensator wird im Wechselstromkreis also ständig aufgeladen und wieder entladen. Alle angestellten Überlegungen sollen für ideale Kondensatoren gelten. Man kann von einem idealen Kondensator reden, wenn sein Gleichstromwiderstand unendlich groß ist. 4.2 Phasenlage zwischen Strom und Spannung i G ~ u C Legt man einen Kondensator an eine Wechselspannung, so fließt auch ständig ein Wechselstrom durch den Kondensator. Dieser Strom lässt sich über die allgemeingültige Definition eines Stromes berechnen: Q t I I konstanter Strom Q t dQ dt nicht konstanter Strom i dQ dt i C û d (C u ) dt d (sin t ) dt C û cos t i bzw. I C du dt mit u mit cos t û sin t sin t 90 î i î sin( t 90 ) i, u 90 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4-3 Merke: Bei einem idealen Kondensator eilt der Strom gegenüber der Spannung um 90° vor. 90° u, i i î u 180° C 0° 360° û 90° 180° 270° 360° 270° 4.3 Kapazitiver Blindwiderstand, ohmsches Gesetz Der Strom durch den Kondensator wurde mit folgender Formel bestimmt: i (t ) C û sin( t 90 ) Darin gilt: î C û Das Produkt BC C wird als kapazitiver Blindleitwert BC bezeichnet: C 1 As s V BC A V S Der Kehrwert von BC wird als kapazitiver Blindwiderstand XC bezeichnet: XC Merke: 1 1 S XC C Wenn f XC Wenn C XC Ohmsches Gesetz: 13 Ge, Elektrotechnik î û XC bzw. I U XC 13ge_wechselstrom(1) Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4-4 4.4 Leistung und Energieumsetzung Beispiel Ein idealer Kondensator liegt an einer Wechselspannung u(t) = 50V sin( t). Er nimmt dabei einen Strom i(t) = 1,5A sin( t + 90°) auf. Zeichne die zeitlichen Verläufe von Spannung, Strom und aufgenommener Wirkleistung. p (t ) u (t ) i (t ) p (t ) û sin t î sin( t 90 ) p (t ) û sin t î cos t mit sin( t 90 ) mit 2 sin t cos t cos t sin 2 t û î sin 2 t 2 p (t ) U I sin 2 t p (t ) [°] 0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360 u [V] 0 25 43,3 50 43,3 25 0 -25 -43,3 -50 -43,3 -25 0 i [A] 1,5 1,3 0,75 0 -0,75 -1,3 -1,5 -1,3 -0,75 0 0,75 1,3 1,5 0 32,5 32,5 0 -32,5 -32,5 0 32,5 32,5 0 -32,5 -32,5 0 p [W] p/W i/A u/V Mittelwert der Leistung = Null ! 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Idealer Kondensator im Wechselstromkreis 4-5 Merke: Ein idealer Kondensator nimmt an Wechselspannung keine Wirkleistung auf. Die Leistungskurve verläuft mit der doppelten Frequenz wie die des Stromes oder der Spannung. Während der positiven Halbwelle der Leistungskurve nimmt der Kondensator Leistung aus der Spannungsquelle auf (Feldaufbau). Während der negativen Halbwelle der Leistungskurve gibt der Kondensator Leistung an die Spannungsquelle ab (Feldabbau). Das Produkt U I wird als kapazitive Blindleistung QC bezeichnet. QC U I QC Var (lies Volt Ampere reaktiv) Im Beispiel: û 50V U 35,36V î 1,5 A I 1,06 A QC U I QC 35,36V 1,06 A QC 37,5Var 4.5 Zusammenfassung der Ergebnisse I U C U C 0 QC A d 1 XC I r C U XC U I 13 Ge, Elektrotechnik in F in in A in Var 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-1 5. Ideale Spule im Wechselstromkreis 5.1 Einführung Spulen spielen in fast allen Bereichen der Elektrotechnik eine große Rolle. Sie werden zum Beispiel als Wicklungen von Elektromagneten, Motoren, Generatoren und Transformatoren verwendet. Ein anderes großes Anwendungsgebiet ist die Relaistechnik. Auch in der Elektronik kann man Spulen in den verschiedensten Anwendungen antreffen. Aus der Gleichstromtechnik ist folgendes über das Verhalten einer Spule an Gleichspannung bekannt: I Wird eine Spule von einem Gleichstrom durchflossen, so wird in ihr ein magnetisches Feld erzeugt. Die Richtung dieses Magnetfeldes ergibt sich durch die Rechte-Hand-Regel. (Umfasst man eine Spule mit der rechten Hand derart, dass die Finger in Stromrichtung zeigen, so zeigt der ausgespreizte Daumen die Magnetfeldrichtung an.) Durch Einbringen von Eisen in die Spule kann das erzeugte Magnetfeld erheblich verstärkt werden. Der Zusammenhang zwischen Strom und Spannung folgt aus dem ohmschen Gesetz. Wird eine Spule an eine Wechselspannung gelegt, so zeigt sie ein gänzlich anderes Verhalten. Selbstinduktionsspannung, Induktivität einer Spule Eine Spule an Wechselspannung besitzt einen höheren Widerstand als an Gleichspannung. Der Unterschied zwischen Gleichstrom- und Wechselstromwiderstand rührt von Induktionsvorgängen innerhalb der Spule her. Diese Induktionsvorgänge sollen an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden. Um die Herkunft des Wechselstromwiderstandes zu analysieren, müssen wir auf die Grundlagen der elektromagnetischen Induktion zurückgreifen. Folgende Kenntnisse wurden in den Grundlagen des Elektromagnetismus erarbeitet: Wird eine Leiterschleife in einem Magnetfeld bewegt (das heißt, schneidet sie magnetische Feldlinien), so wird in ihr eine Induktionsspannung erzeugt. Diese Induktionsspannung ist stets so gerichtet, dass sie ihrer Ursache entgegenwirkt (Lenzsche Regel). Die Ursache liegt hier in der Bewegung des Leiters. Der durch die Induktionsspannung bewirkte Strom durch die Leiterschleife versucht deshalb der Bewegung des Leiters entgegenzuwirken. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-2 Die Größe der Induktionsspannung ergibt sich durch die Formel: u0 N t Diese Kenntnisse wollen wir nun auf eine Spule an Wechselspannung anwenden. Dies führt zu folgenden Überlegungen: Ein Wechselstrom erzeugt in einer Spule ein magnetisches Wechselfeld. Dieses Wechselfeld ändert, so wie der Strom, dauernd seine Stärke und Richtung. Da ein Wechselfeld eine ständige Feldänderung bedeutet, wird nach dem Induktionsgesetz in der Spule eine Spannung induziert. Diese Spannung nennt man Selbstinduktionsspannung. Nach der Lenzschen Regel ist die Selbstinduktionsspannung so gerichtet, dass sie ihrer Ursache entgegenwirkt. Die Ursache ist in diesem Fall der Wechselstrom durch die Spule, beziehungsweise die an der Spule liegende Wechselspannung. Die Selbstinduktionsspannung wirkt deshalb der anliegenden Spannung entgegen, sie versucht den Stromfluss durch die Spule zu verringern. Ein geringerer Strom durch die Spule bedeutet aber nichts anderes als eine Widerstandserhöhung. Der zusätzliche Widerstand bei Wechselstrom wird also durch die Selbstinduktion erzeugt. Merke: Die Selbstinduktionsspannung verringert den Stromfluss durch eine Spule, sie ist die Ursache für einen erhöhten Widerstandswert bei Wechselspannungen. Der zusätzliche Widerstand bei Wechselstrom wird als induktiver Blindwiderstand XL bezeichnet. Induktivität einer Spule Die Höhe der Induktionsspannung hängt im wesentlichen von der Beschaffenheit der Spule ab. Die ursprüngliche Form des Induktionsgesetzes lautet: u0 N B A t B H H B I N lm I N lm I N A lm u0 N 13 Ge, Elektrotechnik I N A lm t 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-3 N, , lm, und A sind Größen, die nur von der Beschaffenheit der Spule abhängig sind. Sie sind unabhängig von der Zeit t und können deshalb vor die Klammer geschrieben werden. Daraus folgt: u0 u0 N2 A lm L I t I t mit L N2 A lm Die Größe L setzt sich aus den Baugrößen der Spule zusammen und wird als Induktivität einer Spule bezeichnet. Merke: Die Induktivität L beschreibt die Baudaten einer Spule und ist für die Größe der Selbstinduktionsspannung verantwortlich. Die Größe Induktivität hat die Einheit Henry. Vs 1H 1 A Im Folgenden wird der Fall einer idealen Spule behandelt. Eine ideale Spule liegt immer dann vor, wenn der Drahtwiderstand vernachlässigbar klein ist. Die Spannung an der Spule ist dann eine reine Induktionsspannung. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-4 5.2 Phasenlage zwischen Strom und Spannung i G ~ u L Legt man eine ideale Spule an eine Wechselspannung, so fällt an ihr nur eine Induktionsspannung ab. Diese Induktionsspannung kann folgendermaßen berechnet werden: u L di dt mit i d (sin t ) dt L î cos t u î sin t L î u mit cos t sin( t 90 ) û û sin( t 90 ) u i ,u 90 Merke: Bei einer idealen Spule eilt der Strom der Spannung um 90° nach. 90° u, i i u L 180° û 0° 360° 90° 180° 270° 360° î 270° 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-5 5.3 Induktiver Blindwiderstand, Ohmsches Gesetz Die Spannung an einer idealen Spule wurde mit folgender Formel bestimmt: u (t ) L î sin( t 90 ) Darin gilt: û L î L wird als induktiver Blindwiderstand XL bezeichnet Das Produkt XL L XL 1 Vs s A V A Der Kehrwert von XL wird als induktiver Blindleitwert BL bezeichnet BL BL 1 L 1 Merke: S Wenn f XL Wenn L XL Ohmsches Gesetz: 13 Ge, Elektrotechnik î û XL bzw. I U XL 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-6 5.4 Leistung und Energieumsetzung Beispiel Eine ideale Spule liegt an einer Wechselspannung u(t) = 50V sin( t). Sie nimmt dabei einen Strom i(t) = 1,5A sin( t - 90°) auf. Zeichne die zeitlichen Verläufe von Spannung, Strom und aufgenommener Wirkleistung. p(t ) u (t ) i (t ) p(t ) û sin t î sin( t 90 ) p (t ) û sin t î ( cos t ) p(t ) p (t ) mit sin( t 90 ) cos t mit 2 sin t cos t sin 2 t û î sin 2 t 2 U I sin 2 t [°] 0 30 60 90 120 150 180 210 240 270 300 330 360 u [V] 0 25 43,3 50 43,3 25 0 -25 -43,3 -50 -43,3 -25 0 i [A] -1,5 -1,3 -0,75 0 0,75 1,3 1,5 1,3 0,75 0 -0,75 -1,3 -1,5 0 -32,5 -32,5 0 32,5 32,5 0 -32,5 -32,5 0 32,5 32,5 0 p [W] p/W i/A u/V Mittelwert der Leistung = Null ! 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) Ideale Spule im Wechselstromkreis 5-7 Merke: Eine ideale Spule nimmt an Wechselspannung keine Wirkleistung auf. Die Leistungskurve verläuft mit der doppelten Frequenz wie die des Stromes oder der Spannung. Während der positiven Halbwelle der Leistungskurve nimmt die Spule Leistung aus der Spannungsquelle auf (Feldaufbau). Während der negativen Halbwelle der Leistungskurve gibt die Spule Leistung an die Spannungsquelle ab (Feldabbau). Das Produkt U I wird als induktive Blindleistung QL bezeichnet. QL U I QL Var (lies Volt Ampere reaktiv) Im Beispiel: û 50V U 35,36V î 1,5 A I 1,06 A QL U I QL 35,36V 1,06 A QL 37,5Var 5.5 Zusammenfassung der Ergebnisse I U U L L N2 lm XL I QL A L U XL U I 13 Ge, Elektrotechnik in H in in A in Var 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-1 6. RL-Schaltungen Das Verhalten einzelner Bauelemente (z.B. Widerstände, Induktivitäten, Kondensatoren) an sinusförmigen Wechselspannungen ist bekannt. Viele elektrische Wechselstromverbraucher müssen als Zusammenschaltung der obengenannten Bauelemente betrachtet werden. Dabei spielen vor allem Verbraucher mit induktivem Verhalten (Elektromotoren, Transformatoren usw.) eine große Rolle. Man spricht dann allgemein von RL-Schaltungen. Man hat für die Zusammenschaltung von R und L folgende Möglichkeiten: R R L L Reihenschaltung Parallelschaltung 6.1 RL-Reihenschaltung I R UR U L, XL UL Durch den Wirkwiderstand R und die Induktivität L fließt der gleiche Strom I. An R fällt die Spannung UR ab. Sie liegt mit I in Phase. An XL fällt die Spannung UL ab. Sie eilt I um 90° vor. Deshalb müssen auch die Spannungen UR und UL um 90° phasenverschoben sein. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-2 6.1.1 Strom- / Spannungsverhalten Im Folgenden werden alle Zeigerdiagramme mit Effektivwerten gezeichnet. Zum Zeichnen des Spannungszeigerdiagramms bezieht man sich auf eine gemeinsame Größe, das heißt, eine Größe, die für jedes Bauelement gleich ist. Bezugsgröße: Strom I Spannungsdreieck 90° Geometrische Addition UL U U UR 180° UL 0° 360° I UR 270° U2 U R2 U L2 cos UR U U R2 U L2 U sin UL U tan UL UR 6.1.2 Widerstandsverhalten Die einzelnen Widerstände der RL-Reihenschaltung können über das Ohmsche Gesetz bestimmt werden. Wirkwiderstand in : R Induktiver Blindwiderstand in Scheinwiderstand in : : XL Z UR I UL I U I Der Gesamtwiderstand der Schaltung wird als Scheinwiderstand Z bezeichnet. Genau wie die Spannungen dürfen auch die einzelnen Widerstände nicht arithmetisch addiert werden. Den Scheinwiderstand Z erhält man über eine geometrische Addition. Der Scheinwiderstand Z wird auch noch als Impedanz bezeichnet. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-3 Widerstandsdreieck Z2 Z R2 X L2 R2 Z X L2 XL R Z cos XL Z sin tan XL R R 6.1.3 Leistungsverhalten Die einzelnen Leistungen können unter Anwendung der allgemeinen Leistungsformel ermittelt werden. Wirkleistung in W : P Induktive Blindleistung in Var : QL Scheinleistung in VA : S UR I UL I U I Das Produkt U I wird als Scheinleistung S bezeichnet. Sie kann auch durch die geometrische Addition von P und QL ermittelt werden. Leistungsdreieck S2 S P2 QL2 P2 S QL2 QL cos P S sin QL S tan QL P P 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-4 6.2 RL-Parallelschaltung I IL IR U R L, XL Am Wirkwiderstand R und an der Induktivität L liegt die gleiche Spannung U an. Durch R fließt der Strom IR. Er liegt mit U in Phase. Durch XL fließt der Strom IL. Er eilt U um 90° nach. Deshalb müssen auch die Ströme IR und IL um 90° phasenverschoben sein. 6.2.1 Strom- / Spannungsverhalten Bezugsgröße: Spannung U Stromdreieck 90° U 180° IR 0° IR 360° Geometrische Addition IL I IL I 270° I2 I R2 cos 13 Ge, Elektrotechnik I L2 IR I I sin I R2 IL I I L2 tan IL IR 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-5 6.2.2 Leitwertverhalten Die einzelnen Leitwerte der RL-Parallelschaltung können über das Ohmsche Gesetz bestimmt werden. Wirkleitwert in S : G Induktiver Blindleitwert in S : BL Scheinleitwert in S : Y IR U 1 R IL U I U 1 XL 1 Z Der Gesamtleitwert der Schaltung wird als Scheinleitwert Y bezeichnet. Er kann auch über die geometrische Addition von G und BL bestimmt werden. Leitwertdreieck G Y2 G2 BL2 BL Y G Y cos G2 Y sin BL Y BL2 tan BL G 6.2.3 Leistungsverhalten Die einzelnen Leistungen der Schaltung können über die allgemeine Leistungsformel bestimmt werden. Wirkleistung : P U IR induktive Blindleistung : QL Scheinleistung : S 13 Ge, Elektrotechnik U IL U I 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-6 Leistungsdreieck P S2 P2 QL2 P2 S QL2 QC S cos P S sin QL S tan QL P Merke: In der Praxis spielt der sogenannte Leistungsfaktor (oder Wirkleistungsfaktor) cos eine wichtige Rolle. Er gibt an, welcher Anteil der Scheinleistung S in Wirkleistung P umgesetzt wird. Er kann, je nachdem ob man es mit einer Reihen- oder Parallelschaltung zu tun hat, über die Spannungen, Ströme, Widerstände, Leitwerte oder die Leistungen bestimmt werden. Der Blindleistungsfaktor sin gibt an, welcher Anteil der Scheinleistung S in Blindleistung QL umgewandelt wird. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RL-Schaltungen 6-7 6.3 Die reale Spule Eine reale Spule setzt sich aus einem Wirkwiderstand R sowie einem Blindwiderstand XL zusammen. Das Ersatzschaltbild ergibt sich durch die Reihenschaltung beider Komponenten. R Z XL L, XL R Ersatzschaltbild Widerstandsdreieck Induktiver Blindwiderstand XL: Der induktive Blindwiderstand hängt von der Induktivität der Spule sowie von der Frequenz ab. Die Induktivität L der Spule wird durch deren Baudaten bestimmt. Wirkwiderstand R: Der Wirkwiderstand berücksichtigt die Verluste in der Spule. Es gibt im wesentlichen zwei Arten von Spulenverlusten: a) Wicklungsverluste Die Wicklungsverluste entstehen durch den ohmschen Drahtwiderstand der Spule. Der ohmsche Drahtwiderstand RCu einer Spule kann mit einer Gleichstrommessung beziehungsweise einem Ohmmeter bestimmt werden. b) Eisenverluste Außer den Wicklungsverlusten treten in einer Spule auch noch Eisenverluste auf. Die Eisenverluste lassen sich einteilen in Wirbelstromverluste und Ummagnetisierungsverluste (Hystereseverluste). Da der Eisenkern elektrisch leitend ist, können sich in ihm durch das magnetische Wechselfeld Wirbelströme ausbilden. Man kann die Wirbelströme durch folgende Maßnahmen sehr klein halten: - Blechung des Eisenkerns (Unterbrechung der Wirbelstrombahnen) - Siliziumzusatz (Erhöhung des ohmschen Widerstandes des Eisenkerns) Die Ummagnetisierungsverluste entstehen durch das ständige Ummagnetisieren der Elementarmagnete im Eisenkern. Man kann die Ummagnetisierungsverluste klein halten, indem man für den Eisenkern weichmagnetische Werkstoffe benutzt. Diese lassen sich leicht ummagnetisieren und besitzen eine schmale Hysteresekurve. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-1 7. RC-Schaltungen Auch Schaltungen mit Widerständen und Kondensatoren werden eingeteilt in RCReihenschaltungen sowie RC-Parallelschaltungen. 7.1 RC-Reihenschaltung I R UR C, XC UC U Durch den Wirkwiderstand R und die Kapazität C fließt der gleiche Strom I. An R fällt die Spannung UR ab. An XC fällt die Spannung UC ab. Sie eilt dem Strom I um 90° nach. Deshalb müssen auch die Spannungen UR und UC um 90° phasenverschoben sein. 7.1.1 Strom- / Spannungsverhalten Bezugsgröße: Strom I Spannungsdreieck 90° I 180° UR 0° UR 360° Geometrische Addition UC U UC U 270° U2 U R2 U C2 cos UR U 13 Ge, Elektrotechnik U R2 U C2 U sin UC U tan UC UR 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-2 7.1.2 Widerstandsverhalten Die einzelnen Widerstände der RC-Reihenschaltung können über das Ohmsche Gesetz bestimmt werden. Wirkwiderstand : R kapazitiver Blindwiderstand : XC Scheinwiderstand : Z UR I UC I U I Widerstandsdreieck R Z2 R2 X C2 R2 Z X C2 XC Z R Z cos XC Z sin tan XC R 7.1.3 Leistungsverhalten Die einzelnen Leistungen können unter Anwendung der allgemeinen Leistungsformel ermittelt werden. Wirkleistung : P UR I in W kapazitive Blindleistung : QC in Var Scheinleistung : S U I S2 P2 UC I in VA Leistungsdreieck P QC2 P2 S QC2 QC S 13 Ge, Elektrotechnik cos P S sin QC S tan QC P 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-3 7.2 RC-Parallelschaltung I IC IR U R C, XC Am Wirkwiderstand R und an der Kapazität C liegt die gleiche Spannung U an. Durch R fließt der Strom IR. Er liegt mit U in Phase. Durch XC fließt der Strom IC. Er eilt U um 90° vor. Deshalb müssen auch die Ströme IR und IC um 90° phasenverschoben sein. 7.2.1 Strom- / Spannungsverhalten Bezugsgröße: Spannung U Stromdreieck 90° Geometrische Addition IC I I IR 180° IC 0° U IR 360° 270° I2 I R2 cos 13 Ge, Elektrotechnik I C2 IR I I sin I R2 IC I I C2 tan IC IR 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-4 7.2.2 Leitwertverhalten Die einzelnen Leitwerte der RC-Parallelschaltung können über das Ohmsche Gesetz bestimmt werden. Wirkleitwert : G kapazitiver Blindleitwert : BC Scheinleitwert : Y IR U 1 R IC U I U 1 XC 1 Z Der Gesamtleitwert der Schaltung wird als Scheinleitwert Y bezeichnet. Er kann auch über die geometrische Addition von G und BC bestimmt werden. Leitwertdreieck Y BC Y2 G2 BC2 G Y cos G2 Y sin BC Y BC2 tan BC G G Leistungsverhalten Die einzelnen Leistungen der Schaltung können über die allgemeine Leistungsformel bestimmt werden. 13 Ge, Elektrotechnik Wirkleistung : P U IR kapazitive Blindleistung : QC Scheinleistung : S U IC U I 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-5 Leistungsdreieck S2 S P2 QC2 P2 S QC2 QC cos P S sin QC S tan QC P P Merke: In der Praxis spielt der sogenannte Leistungsfaktor (oder Wirkleistungsfaktor) cos eine wichtige Rolle. Er gibt an, welcher Anteil der Scheinleistung S in Wirkleistung P umgesetzt wird. Er kann, je nachdem ob man es mit einer Reihen- oder Parallelschaltung zu tun hat, über die Spannungen, Ströme, Widerstände, Leitwerte oder die Leistungen bestimmt werden. Der Blindleistungsfaktor sin gibt an, welcher Anteil der Scheinleistung S in Blindleistung QC umgewandelt wird. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-6 7.3 Verluste bei Kondensatoren Beim Anschluss an eine Spannung werden Kondensatoren geringfügig erwärmt. Dies bedeutet, dass beim realen Kondensator nicht nur Blindarbeit, sondern auch Wirkarbeit verrichtet wird. Die Kondensatorverluste beruhen im besonderen auf folgenden Faktoren: einer geringen elektrischen Leitfähigkeit des Dielektrikums (endlicher Isolationswiderstand) der Umpolarisation der Moleküldipole des Dielektrikums (dielektrische Verluste) einem geringen Widerstand der Zuleitungen und der Kondensatorplatten In der Praxis gilt für Kondensatoren folgendes Ersatzschaltbild: RC Y XC BC GC Die Qualität eines Kondensators wird durch den Verlustfaktor tan gekennzeichnet. tan GC BC XC RC Der Verlustfaktor ist sehr klein und abhängig von der Temperatur und der Frequenz. So haben zum Beispiel MP-Kondensatoren bei einer Frequenz von 50Hz einen Verlustfaktor tan 5 10-3. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-7 7.4 RC-Tiefpass, RC-Hochpass Mit Hilfe von RC-Schaltungen können frequenzabhängige Spannungsteiler aufgebaut werden. Diese werden eingeteilt in Tiefpässe und Hochpässe. Weil bei diesen Schaltungen zwei Klemmen den Eingang und zwei Klemmen den Ausgang bilden, nennt man sie auch noch Vierpole. Unter einem Tiefpass versteht man eine Schaltung, die tiefe Frequenzen, insbesondere auch Gleichspannungen, passieren lässt und hohe Frequenzen sperrt. Bei Hochpässen ist es umgekehrt: tiefe Frequenzen, insbesondere Gleichspannungen, werden gesperrt, hohe Frequenzen können passieren. Der Übergang vom Sperrbereich zum Durchlassbereich und umgekehrt ist fließend; die willkürlich festgelegte Grenze zwischen beiden Bereichen heißt Grenzfrequenz. Man versteht darunter die 1 Frequenz fg bzw. Kreisfrequenz g, bei der die Ausgangsspannung auf 70,7% der 2 Eingangsspannung abgesunken ist. 7.4.1 RC-Tiefpass Schaltung I 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-8 Übertragungsverhalten Ua = f(f) Ua Ue XC Z Ua Ue R2 I X C2 1 2 f C 1 R2 ( )2 2 f C Ue Z Ue R 2 X C2 Ue I R2 ( 1 )2 2 f C 1 R2 2 f C Ua Ue Ua I XC Ua Ue Ua Ue I = f(f) ( 1 )2 2 f C 1 (2 f R C ) 2 1 1 Ue 1 (2 f R C ) 2 Grenzfrequenz Festlegung: Die Grenzfrequenz fg ist die Frequenz wo gilt: 1 1 (2 f g R C ) 2 (2 f g R C ) 2 R R fg 1 2 1 1 (2 f g R C ) 2 fg R C Ua Ue 2 2 2 1 1 1 2 fg C XC 2 1 R C 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-9 7.4.2 RC-Hochpass Schaltung I Übertragungsverhalten Ua = f(f) I = f(f) Ua Ue I Ua Ue Ua Ue Ua Ue Ua Ue Ua Ue Ua R Z R R 2 I X C2 R R2 ( 1 )2 2 f C R 1 )2 2 f R C R2 1 ( R R 1 )2 1 ( 2 f R C 2 1 )2 2 f R C 1 Ue 1 ( Ue Z Ua Ue Ue R 2 X Ue I R2 1 2 1 2 C ( 1 )2 2 f C 1 ( 1 ( 1 )2 2 fg R C 1 2 fg C fg 1 2 1 )2 2 fg R C 1 2 fg R C XC 1 1 ( Grenzfrequenz 2 1 R R 2 1 R C 1 )2 2 f R C 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RC-Schaltungen 7-10 Übertragungsverhalten eines Tief- bzw. Hochpasses mit R = 4,7k , C = 4,7nF und uaSS = 8V 8V (U a 2,83V ) im Frequenzbereich 0-100 kHz. 2 2 3 HP Ua in V für TP und HP 2.5 2 1.5 TP 1 0.5 0 0 fg 20 40 60 80 100 60 80 100 f in kHz 0.6 I in mA für TP und HP 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1 0 0 fg 20 40 f in kHz 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-1 8. RLC-Schaltungen 8.1 RLC-Reihenschaltung I R UR U UR = I R G ~ L UL UL = I XL UC = I XC C UC Bei einer RLC-Reihenschaltung wird der Strom I als Bezugsgröße gewählt. Die Spannung UR liegt mit dem Strom I in Phase. Die Spannung UL eilt dem Strom I um 90° vor. Die Spannung UC eilt dem Strom I um 90° nach. Spannungszeigerdiagramm UC UL UL U UR UC I I UR Die Gesamtspannung U ergibt sich aus der geometrischen Summe der drei Teilspannungen UR, UL und UC. Phasenverschiebung zwischen UL und UC : 180°. Die beiden Spannungen sind entgegengesetzt gerichtet. UL > UC : induktives Verhalten der Schaltung UC > UL : kapazitives Verhalten der Schaltung 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-2 UL > UC : U cos sin U R2 U L UC 2 UC UR U UL U UL UC U I UR I UR UC > UL : U cos sin U R2 UC UL 2 UR U U UC UC UL UL U Widerstandszeigerdiagramm Das Widerstandszeigerdiagramm erhält man, indem man alle Spannungszeiger durch den Strom I dividiert. XL > XC : Z R2 XL XC 2 XC cos sin R Z XL Z XL XC Z I R I R XC > XL : Z cos sin 13 Ge, Elektrotechnik R2 XC R Z XL 2 Z XC XL XC XL Z 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-3 Leistungszeigerdiagramm Das Leistungszeigerdiagramm erhält man, indem man alle Spannungszeiger mit der Stromstärke I multipliziert. QL > QC : S P2 QL QC 2 QC P S cos QL sin QL S QC S P I QC > QL : S cos sin 13 Ge, Elektrotechnik P 2 QC QL 2 I P S P S QC QL QC QL S 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-4 Welche Bedingung muss erfüllt sein, damit die RLC-Reihenschaltung ein rein ohmsches Verhalten aufweist ? (Ohmsches Verhalten bedeutet, dass die Gesamtspannung U mit dem Gesamtstrom I in Phase ist.) Bedingung: UL = UC oder UR 2 U U XL = XC oder QL = QC 2 UL UC UR UC R2 Z Z XL XC 2 UL U = UR R I XL XC 1 L 2 C 1 L C 1 L C fres 1 2 L C Bei einer RLC-Reihenschaltung kann man die Frequenz solange verändern, bis gilt: XL = XC Diese Frequenz wird Resonanzfrequenz fres genannt. Die RLC-Reihenschaltung wird auch noch als Reihenschwingkreis bezeichnet. Bei Resonanz sind die Spannungen am induktiven und am kapazitiven Blindwiderstand gleich groß und entgegengesetzt gerichtet. Die beiden Blindwiderstände heben sich in ihrer Wirkung auf. Der Reihenschwingkreis wirkt bei Resonanz wie ein reiner Wirkwiderstand. Dieser Widerstand ist der Resonanzwiderstand Rres des Reihenschwingkreises. Ein Reihenschwingkreis hat bei Resonanz seinen kleinsten Widerstand. An der Spule und am Kondensator tritt Spannungsüberhöhung auf (Spannungsresonanz). Unterhalb der Resonanzfrequenz überwiegt der kapazitive Blindwiderstand XC. oberhalb der Resonanzfrequenz der induktive Blindwiderstand XL. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-5 8.2 RLC-Parallelschaltung I IC U G ~ IR C IC U XC IL R IR U R IL L U XL Als Bezugsgröße wird die Spannung U gewählt. Der Strom IR liegt mit der Spannung U in Phase. Der Strom IC eilt der Spannung U um 90° vor. Der Strom IL eilt der Spannung U um 90° nach. Stromzeigerdiagramm IL IC IC I IR IL U U IR Der Gesamtstrom I ergibt sich aus der geometrischen Summe der drei Teilströme IR, IC und IL. Phasenverschiebung zwischen IC und IL : 180°. Die beiden Ströme sind entgegengesetzt gerichtet. IC > IL : kapazitives Verhalten der Schaltung IL > IC : induktives Verhalten der Schaltung 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-6 IC > IL : I I R2 IC IL 2 IL IR I cos IC sin IC I IL I U IR U IR IL > IC : I I R2 IL 2 IR I cos sin IC I IL IL IC IC I Leitwertzeigerdiagramm Das Leiwertzeigerdiagramm erhält man, indem man alle Stromzeiger durch die Spannung U dividiert. BC > BL : Y G2 BC BL 2 BL cos sin G Y BC Y BC BL Y G U BL > BC : Y cos sin 13 Ge, Elektrotechnik G2 BL G Y BC 2 U G Y BL BC BL BC Y 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-7 Leistungszeigerdiagramm Das Leistungszeigerdiagramm erhält man, indem man alle Stromzeiger mit der Spannung U multipliziert. QC > QL : S P2 QL 2 QL P S cos sin QC QC S QC QL S P U QL > QC : S cos sin 13 Ge, Elektrotechnik P2 QL P S QC 2 U P S QL QC QL QC S 13ge_wechselstrom(1) RLC-Schaltungen 8-8 Bedingung, damit die RLC-Parallelschaltung ein rein ohmsches Verhalten aufweist: Bedingung: IL = IC oder I R2 I I IC BL = BC IL oder QL = QC 2 IC IR IL G2 Y BC BL 2 I = IR Y G BC U BL 1 C L 1 2 C L 1 C L f res 1 2 C L Bei einer RLC-Parallelschaltung kann man die Frequenz solange verändern, bis gilt: BL = BC Diese Frequenz wird dann Resonanzfrequenz fres genannt. Die RLC-Parallelschaltung wird auch als Parallelschwingkreis bezeichnet. Bei Resonanz sind die Ströme durch den induktiven und den kapazitiven Widerstand gleich groß und entgegengesetzt gerichtet. Die beiden Ströme heben sich auf. Der Parallelschwingkreis wirkt bei Resonanz wie ein reiner Wirkwiderstand. Dieser Widerstand ist der Resonanzwiderstand Rres des Parallelschwingkreises. Ein Parallelschwingkreis hat bei Resonanz seinen größten Widerstand (seinen kleinsten Leitwert). In Spule und Kondensator tritt Stromüberhöhung auf (Stromresonanz). Unterhalb der Resonanzfrequenz ist der induktive Blindwiderstand kleiner als der kapazitive. Durch die Spule fließt dann also der größere Strom. Oberhalb der Resonanzfrequenz ist der kapazitive Blindwiderstand kleiner als der induktive. Durch den Kondensator fließt dann also der größere Strom. 13 Ge, Elektrotechnik 13ge_wechselstrom(1)