9.5 Mehratomige ideale Gase - homepages.uni

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9.5
Mehratomige ideale Gase
Wir wenden uns jetzt dem Problem molekularer idealer Quantengase zu.
9.5.1
Quantenmechanik der starren Hantel
Eine starre Hantel aus zwei Punktmassen m1 und m2 , die durch eine starre, masselose
Stange der Länge r0 verbunden sind, läßt sich auffassen als Zweikörperproblem mit dem
speziellen kugelsymmetrischen Wechselwirkungspotential
V (r) = −V0 δ(r − r0 ).
(373)
In Kugelkoordinaten folgt aus der Schrödingergleichung die Radialgleichung
h ~2 d
i
~2 ℓ(ℓ + 1)
m1 m2
−
+
+
V
(r)
uνℓ (r) = Eνℓ uνℓ (r),
µ=
,
2
2
2µ dr
2µ r
m1 + m2
(374)
für die Funktion uνℓ (r) im Radialteil der Wellenfunktion,
ψνℓm (r, θ, φ) =
uνℓ (r)
Yℓm (θ, φ).
r
(375)
Dabei ist ν = 0, 1, 2, ... die radiale Quantenzahl, also die Anzahl der Knoten (positive
Nullstellen) von uνℓ (r). (Im Zweikörperproblem des H-Atoms – und nur dort – benutzt
man alternativ die sog. Hauptquantenzahl n = ν + ℓ + 1 = 1, 2, 3, ...)
Speziell im Potential (373) gibt es für große V0 und ℓ = 0 eine Lösung,
mV0 mV 2
−a|r−r0 |
a= 2 ,
E00 = − 20 .
u00 (r) = e
~
2~
(376)
u00 (r) ist bei r = r0 stark gepeakt und daher auch für ℓ > 0 näherungsweise eine Lösung.
Für V0 → ∞ wird diese Näherung beliebig genau, mit dem Eigenwert
E0ℓ = E00 +
~2
~2 ℓ(ℓ + 1)
=
E
+
ℓ(ℓ + 1),
00
2µ r02
2I
I = µr02 .
(377)
Wir können den Energienullpunkt so wählen, daß E00 = 0 wird, und den radialen Freiheitsgrad r ignorieren. Dann hängt die Wellenfunktion nur von den Winkelkoordinaten
ab, ψ = ψ(θ, φ), und |ψ(θ, φ)|2 gibt die quantenmechanische Wahrscheinlichkeitsverteilung
der räumlichen Ausrichtung der Hantelachse an. Der Hamiltonoperator ist dann
Ĥ =
L̂2
,
2I
mit den Eigenfunktionen Yℓm (θ, φ) zu den (2ℓ + 1)-fach entarteten Eigenwerten
80
(378)
~2
ℓ(ℓ + 1).
2I
9.5.2
Das zweiatomige ideale Quantengas
Wir betrachten ein Gas aus wechselwirkungsfreien, zweiatomigen Molekülen (Atommassen
m1 , m2 ), etwa HCl oder H2 unter Vernachlässigung intermolekularer Kräfte. Dabei ist
µ=
m1 m2
M
(M = m1 + m2 )
(379)
die reduzierte Masse. Wir wollen zwar Quanteneffekte berücksichtigen, aber nur im Rahmen der korrigierten Maxwell-Boltzmann-Statistik, mit der kanonischen Zustandssumme
1
Z(T, V, N) =
z(T, V )N ,
N!
z(T, V ) ≡ Z(T, V, 1) =
∞
X
e−ǫj (V )/kB T .
(380)
j=1
Die Energien der Einteichenzustände seien vereinfachend Summen aus unabhängigen
Beiträgen von Translation (Tr), Rotation (Rt) und Vibration (Vb) eines Moleküls,
Rt
Vb
ǫj (V ) = ǫTr
i (V ) + ǫℓ,m + ǫn ,
j = {i, ℓ, m, n},
(381)
mit den Einzelbeiträgen
~2
)=
ki (V )2 ,
2M
~2
ℓ(ℓ + 1),
ǫRt
=
ℓm
2I
ǫVb
= ~ω( 12 + n),
n
ǫTr
i (V
o
n 2π αx ex + αy ey + αz ez αx , αy , αz ∈ Z ,
ki (V ) ∈ MV =
L
I = µr02 ,
ℓ = 0, 1, 2, ...,
n = 0, 1, 2, ... .
(382)
Man beachte, daß nur der Translationsbeitrag vom Kastenvolumen V abhängt.
Wegen der Zerlegung (381) haben wir die Produkte
z(T, V ) = zTr (T, V ) · zRt (T ) · zVb (T )
1
Z(T, V.N) =
zTr (T, V )N zRt (T )N zVb (T )N ,
N!
|
{z
} | {z } | {z }
ZTr (T,V,N )
ZRt (T,N )
(383)
(384)
ZVb (T,N )
Für die Freie Energie ergibt sich also ein Summe,
F (T, V, N) ≡ −kB T ln Z(T, V, N)
h
i
= −kB T ln ZTr (T, V, N) + ln ZRt (T, N) + ln ZVb (T, N)
= FTr (T, V, N) + FRt (T, N) + FVb (T, N).
(385)
∂F
)T,N haben also Rotation und Vibration der Moleküle keinen Einfluß auf
Wegen P = −( ∂V
den Druck P bzw. die thermische Zustandsgleichung P = P (T, V, N) des idealen Gases.
81
Wegen S = −( ∂F
)
setzt sich auch die Entropie additiv zusammen
∂T V,N
S(T, V, N) = STr (T, V, N) + SRt (T, N) + SVb (T, N).
(386)
Dasselbe gilt für due Energie U = F + T S,
U(T, V, N) = UTr (T, V, N) + URt (T, N) + UVb (T, N).
(387)
Für jede dieser drei Komponenten von U gilt
UXy = −kB T ln ZXy + kB T
∂
T ln ZXy
.
∂T
V,N
(388)
Für die spezifische Wärme CV folgt daraus
∂2
∂U Xy
Xy
= kB T
T ln ZXy
.
CV ≡
∂T V,N
∂T 2
V,N
(389)
(A) Rotation
Für den Rotationsbeitrag zur Freien Energie berechnen wir die Zustandssumme
∞ X
ℓ
∞
X
X
Rt
−βǫ
ℓ,m
zRt (T ) =
e
=
(2ℓ + 1)e−ℓ(ℓ+1)TRt /T ,
ℓ=0 m=−ℓ
TRt :=
ℓ=0
~2
.
2IkB
(390)
Typische Werte der Temperatur TRt verschiedener zweiatomiger Gase sind
TRt = 85.4 K (H2 ),
43 K (D2 ),
2.9 K (N2 ),
2.1 K (O2 ).
(391)
Da Gl. (390) nicht in geschlossener Form auswertbar ist, betrachten wir zwei Extremfälle.
• Im Fall T ≪ TRt werden die Summanden ℓ ≥ 2 vernachlässigbar,
zRt (T ) → 1 + 3e−2TRt /T .
(392)
Für den Beitrag zur Freien Energie F folgt also
FRt (T, N) ≡ −kB T ln zRt (T )N
→ −NkB T ln(1 + 3e−2TRt /T ).
(393)
Rt
Man prüft leicht nach, daß der Beitrag SRt = −( ∂F
) zur Entropie S mit T → 0
∂T N
verschwindet. Dasselbe weist man mit Gl. (389) auch für die Wärmekapazität CVRt nach.
• Im Fall T ≫ TRt können wir die Summe durch ein Integral ersetzen,
Z ∞
i∞
T
TRt
T h
T
−f (ℓ)
Rt /T
=
−
e
dℓ
(2ℓ + 1) e|−ℓ(ℓ+1)T
.
=
zRt (T ) →
{z
}
TRt 0
T
T
T
0
Rt
Rt
{z
}
|
e−f (ℓ)
f ′ (ℓ)
82
(394)
Dann gilt also
T ,
FRt (T, N) → −NkB T ln
TRt
T SRt (T, N) → NkB + NkB ln
,
TRt
(395)
und mit URt = FRt + T SRt folgt das bekannte klassische Resultat,
2
URt (T, N) → NkB T ≡ NkB T
2
⇒
CV (T, N) → NkB .
(396)
(B) Vibration
Für den Vibrationsbeitrag zur Freien Energie berechnen wir die Zustandssumme
zRt (T ) =
∞
X
Vb
e−βǫn = e−TVb /2T
n=0
∞
X
e−nTVb /T ,
TVb :=
n=0
~ω
.
kB
(397)
Typische Werte der Temperatur TRt verschiedener zweiatomiger Gase sind
TVb = 6340 K (H2 ),
4140 K (HCl),
3380 K (N2 ),
2270 K (O2 ).
(398)
Gl. (397) läßt sich als geometrische Reihe in geschlossener Form auswerten,
zRt (T ) =
e−TVb /2T
.
1 − e−TVb /T
(399)
Der Vibrationsbeitrag zur Freien Energie ist also
FVb (T, N) ≡ −NkB T ln zRt (T ) =
NǫVb
0
−TVb /T
.
+ NkB T ln 1 − e
(400)
Für SVb und UVb = FVb + T SVb ergeben sich
TVb e−TVb /T
SVb (T, N) = −NkB ln 1 − e−TVb /T + NkB
,
(401)
−TVb /T
T
1
−
e
−TVb /T
NkB TVb
NǫVb
(T ≪ TVb ),
Vb
0 + N~ωe
→
(402)
UVb (T, N) = Nǫ0 + T /T
Vb
Nǫ0 + NkB T
(T ≫ TVb ).
e Vb − 1
Für die Wärmekapazität folgt hieraus schließlich
T 2
eTVb /T
NkB ( TTVb )2 e−TVb /T (T ≪ TVb ),
Vb
Vb
CV (N, T ) = NkB
→
NkB
(T ≫ TVb ).
T
(eTVb /T − 1)2
83
(403)
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