Zugleich Herausforderung und Chance

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NEW MARKET RESEARCH
Fokus
Zugleich Herausforderung und Chance
Dr. Michael Bartl, BVM-Vorstand, zu einem für die Profession immer wichtiger werdenden
Tätigkeitsfeld
Zwanzig Jahre World Wide Web und zehn Jahre soziale Netzwerke haben einen neuen Status
Quo geschaffen, wie Informationen über und durch Menschen weltweit entstehen. Es wäre töricht zu glauben, dass dies keine tiefgreifenden und dauerhaften Veränderungen für die Marktund Sozialforschung zur Folge hat. Der BVM wird sich in Zukunft intensiver als bisher mit
diesen Veränderungen auseinandersetzen und sie in seine Aktivitäten integrieren.
Einige inhaltliche und methodische Entwicklungen sind derart
radikaler Natur, dass sie das Zeug haben, die Innovationskraft
unseres Verbandes auf die Probe zu stellen. Die Frage stellt
sich, wie der BVM weiterhin mit dem Wandel der Zeit Schritt
halten kann, ohne leichtfertig seine bewährten Prinzipien in
der Marktforschungsgemeinde in Frage zu stellen. Genau
diesem Spannungsfeld widmen wir das neue Ressort „New
Market Research”.
Was versteht man unter „New Market Research”?
Die digitale Revolution und ihr Einfluss auf Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft hat das Arbeitsfeld der Markt- und
Sozialforschung erheblich erweitert. Die Ansätze der „neuen
Marktforschung” könnte man vereinfacht als „digital” und
„innovativ” bezeichnen. Einige der Trendthemen, mit denen
wir uns im Rahmen von New Market Research beschäftigen
werden, sind Social Media Research, Big Data, Gamification,
Crowdsourcing und Co-Creation sowie Mobile Research. Zudem ist es unser Ziel, weitere Phänomene, die wir heute noch
nicht auf dem Radar haben, frühzeitig zu erkennen und hinsichtlich ihres Nutzens für die Marktforschung zu beurteilen.
1. Social Media Research
Wir beschäftigen uns zwar schon seit einigen Jahren mit Social Media Research, doch wir stehen immer noch am Anfang
eines tieferen Verständnisses der vielfältigen Ausprägungen
und Gesetzmäßigkeiten dieses Phänomens. Social Media ist
Datenquelle, Erhebungsinstrument und neuartiges Verhaltensmuster zugleich. Social Media Monitoring, Market Research Online Communities (MROCs), Netnography und der
Einsatz integrierter Onlinebefragung (z.B. in Facebook) sind
Themenfelder, denen wir uns weiterhin widmen werden.
2. Big Data
Big Data steht für die unvorstellbar große Menge an unterschiedlichen und unsortierten digitalen Daten, die tagtäglich
entstehen. Diese zu erfassen, zu analysieren und zu interpretieren, hat sich die IT- und Softwareindustrie zur Aufgabe gemacht. Mittels Marktforschungskompetenz kann diese
vorwiegend technische Perspektive komplettiert werden, um
entscheidende Erkenntnisse für bessere unternehmerische
Entscheidungen zu gewinnen. Der Big Data Scientist ist für
die Branche somit ein wichtiges Berufsfeld der Zukunft.
3. Gamification
Der Einbau spieltypischer Design-Elemente – beispielsweise
in Form von Ranglisten, virtuellem Geld, realitätsgetreuer Simulation, Challenges, Credits usw. – in ein Forschungsdesign
kann helfen, zwei zentrale Herausforderungen der Marktforschung zu adressieren. Zum einen führt die autotelische Eigenschaft des Spielerischen, also der Spaß an einer Sache
selbst, zu einer höheren Teilnahmemotivation.
Dr. Michael Bartl, Hyve
AG und Mitglied im
BVM-Vorstand
4 BVM inbrief Mai 2012
Zum anderen ergeben sich enorme methodische Potenziale, die klassischen Gütekriterien der Reliabilität und Validität
fragebogenbasierter Forschung sprunghaft zu verbessern.
Fokus
Die „Gamifizierung” von Konsumverhalten und bei der Formulierung zukünftiger Produktwünsche ist eine reizvolle und
zugleich anspruchsvolle Herausforderung, die weit über die
Umsetzung als profane Browsergames, Brettspiele oder Rätselaufgaben hinausgeht.
4. Crowdsourcing und Co-Creation
Crowdsourcing und Co-Creation sind neue Formen kollaborativer Wertschöpfung, die in das Web 2.0. eingebettet sind.
Aus einer zunächst unbestimmten Masse an Internetnutzern
bilden sich Anwendergruppen heraus, die ihre Ideen, Gedanken und Arbeitskraft zur Lösung einer Aufgabenstellung einsetzen.
Derartige Wertschöpfungsprozesse helfen uns, in die Welt
und die Sprache der Verbraucher einzutauchen, deren Kreativität zu aktivieren und ihnen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit sie ihre häufig schwer artikulierbaren Bedürfnisse
besser sichtbar machen können. All dies sind Zielsetzungen,
die für uns Marktforscher von größter Relevanz sind und die
die Kommunikation mit Kunden auf Augenhöhe fördern.
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung
ist es wichtig, neue Personen- und Zielgruppen für den BVM anzusprechen und
mit einzubeziehen, damit keine Paralleluniversen – z.B. im Social Media Marketing
und in der Social Media Research – entstehen.
5. Mobile Research
Bei der Umsetzung der mobilen Marktforschung, also der
Erhebung über mobile Endgeräte, zögern noch viele Unternehmen und Marktforschungsinstitute. Technische Probleme,
Kosten und die mangelnde Akzeptanz durch verschiedene
Zielgruppen werden als Hürden gesehen, denen als Vorteil
der schnelle und ortsunabhängige Zugang zu den Menschen
gegenübersteht. Smartphones, Tablets oder Innovationen wie
das „Google Glass” – eine Brille mit Micro-Display und Kamera, die dem Träger durch Augmented Reality verhilft, den Alltag
besser zu organisieren – werden der mobilen Marktforschung
eine langsame, aber sichere Durchdringung bescheren.
Chancen und Herausforderungen für den BVM
Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung ist es wichtig,
neue Personen- und Zielgruppen für den BVM anzusprechen
und mit einzubeziehen, damit keine Paralleluniversen – z.B. im
Social Media Marketing und in der Social Media Research –
entstehen. Jeder soll von den Erfahrungen des jeweils anderen profitieren können. Insbesondere die Informationswirtschaft, Informatik und Telekommunikationsindustrie können
wertvolle Partner auf unserem digital geprägten Weg sein.
Der erste Schritt, um die Innovationskraft des BVM zu stärken,
liegt in der Erkenntnis, dass die neuen und durch den digitalen Wandel getriebenen Themen keine Bedrohung unserer
Grundsätze sind, sondern neue Chancen für unsere Profession und für die Marktforschergenerationen nach uns darstellen. Der nächste Schritt, die Integration dieser Trends, ist mit
reichlich Entwicklungsarbeit von Seiten unserer Profession
verbunden, das ist uns klar.
BVM inbrief Mai 2012 5
Fokus
So müssen neuartige Methoden entwickelt, getestet, verworfen oder zur Praxistauglichkeit vorangetrieben werden. Unsere
Qualitätsstandards, Standesregeln und der Datenschutz müssen auf ihre Praxistauglichkeit hinsichtlich der neuen Ansätze
geprüft und eventuell überarbeitet werden. Das heißt, dass in
Teilbereichen Anpassungen und Ergänzungen vorgenommen
werden müssen.
Unsere Qualitätsstandards, Standesregeln
und der Datenschutz müssen auf ihre
Praxistauglichkeit hinsichtlich der neuen
Ansätze geprüft und eventuell überarbeitet
werden.
Diese Prozesse lassen sich sicherlich nicht mit einem einzigen
Paukenschlag erledigen, sondern werden Ergebnis kontinuierlicher Bemühungen sein. Dazu will der BVM in den nächsten Jahren mit der Schaffung des Ressorts „New Market Research” beitragen. Einige Aktivitäten wurden bereits in die Tat
umgesetzt.
1. Erweiterung der Aktivitäten von NEON
Die Fachgruppe Neon präsentiert sich 2012 nicht nur mit neuem Logo, sondern setzt den Innovationskurs beim BVM auch
inhaltlich fort. Die bisherige Plattform für Online-Forschung
wird zusätzlich zur Anlaufstelle für Themen der New Market
Research. Gemeinsamer Nenner ist hierbei der digitale Bezug
der Ansätze. In einem noch jungen Forschungsumfeld, das
naturgemäß nicht den gleichen Reifegrad vorweisen kann wie
andere Ansätze der traditionellen Marktforschung, muss die
Fachgruppe Raum für offene Diskussion und auch für Experimente bieten.
Wie bisher wird NEON auch in Zukunft an den Qualitätsstandards onlinebasierter Methoden sowie an den Standesregeln
der Social Media Research arbeiten.
Auf dem diesjährigen BVM-Kongress wird Neon mit eigenen
Programmpunkten vertreten sein. Unter dem Oberthema
„New Market Research – neue Wege der Markt- und Sozialforschung” werden wir Trendthemen wie Gamification, Big
Data und Open Government durch spannende und interaktive
Beiträge beleuchten.
2. Fachtagung zu Big Data und Social Media Research
Beim Trendthema Big Data ist die Notwendigkeit der New
Market Research offensichtlich. Täglich werden in der digitalen Welt mehrere Exabytes an Daten generiert. Erheblicher
Bedarf an neuartigen Ansätzen besteht insbesondere in der
Transformation dieser Datenflut in relevante Erkenntnisse, die
zudem am besten in Echtzeit für unternehmerische Entscheidungen genutzt werden sollen.
Am 15. Mai veranstaltete der BVM gemeinsam mit der AG
Social Media eine Fachtagung, um die Zukunft von Big-DataAnsätzen und Social Media Research zu diskutieren sowie die
Chancen und Herausforderungen für die Marktforschung zu
beleuchten. Im Rahmen der Fachtagung waren neben Marktforschern bewusst auch Referenten und Zuhörer aus anderen
Disziplinen eingeladen, um voneinander lernen zu können.
(Siehe dazu Seite 38 in dieser Ausgabe)
Einige der Trendthemen, mit denen wir
uns im Rahmen von New Market Research
beschäftigen werden, sind Social Media
Research, Big Data, Gamification, Crowdsourcing und Co-Creation sowie Mobile
Research.
3. bvm.org reloaded
Nach mehreren Monaten der Projektarbeit wird die neue
Homepage des BVM in Kürze freigeschaltet. Die Seite präsentiert sich in einem komplett überarbeiteten modernen Design
und zeichnet sich durch größere Übersichtlichkeit und höhere
Funktionalität aus. Der Relaunch trägt dazu bei, den Zugriff
auf die Dienste des Verbandes für die Besucher erheblich zu
vereinfachen.
Zudem wurden eine Reihe interner Prozessinnovationen auf
Geschäftsstellen-Ebene umgesetzt. Hierzu gehören z.B. effizientere Prozesse im Bereich Buchungen und Mitgliederverwaltung sowie die redaktionelle Websitebetreuung durch ein
Content Management System. (Siehe dazu Seite 38 in dieser
Ausgabe)
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