Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie Abteilung Soziologie und Kulturwissenschaft GZ B 0013/1-2015 – Einladung zu den Hearings Universitätsprofessur für Soziologie mit Schwerpunkt „Sozialer Wandel und Mobilität“ Im Anschluss an die 20-minütigen Vorträge finden jeweils ein 10-minütiger Lehrvortrag zum Thema „Der Einstieg oder die ersten 10 Minuten in die Einführungsvorlesung: Sozialer Wandel und Soziale Mobilität“ und eine öffentliche Diskussion von 20 Minuten statt. Montag, 13. Juni 2016, Haus Gesellschaftswissenschaften, Rudolfskai 42, HS 387 09:00-09:50 Uhr Sophie Anne Krossa (Universität Gießen) Vortrag ‚‚Culture Contact‘: Interpretations of Difference and Types of Conflict Communication between Volunteers and Refugees“ 10:30-11:20 Uhr Stefan Selke (Hochschule für angewandte Wissenschaften Furtwangen) Vortrag „Wege aus erschöpften Gesellschaften – Sozialer Wandel zwischen Selbstvermessung und Selbstbegrenzung“ 13:00-13:50 Uhr Kyoko Shinozaki (Universität Osnabrück) Vortrag „Re-embedding migration—mobility in the debates on social change“ 14:30-15:20 Uhr Magdalena Nowicka (Humboldt-Universität zu Berlin) Vortrag „Continuities and discontinuities of habitus.Social transformation through the lens of transnational migration“ Dienstag, 14. Juni 2016, Haus Gesellschaftswissenschaften, Rudolfskai 42, HS 387 09:00-09:50 Uhr Boris Nieswand (Universität Tübingen) Vortrag „Zur Soziologie der Grenzregime. Mobilität und soziale Ungleichheit zwischen Nationalisierung und Transnationalisierung“ 10:30-11:20 Uhr Karin Stögner (Universität Wien) Vortrag „Sozialer Wandel und Mobilität. Grundfragen der Gesellschaftstheorie am Beispiel der Permanenz des Nationalismus“ 13:00-13:50 Uhr Anna Amelina (Universität Frankfurt am Main) Vortrag „Von der Analyse der sozialen Herstellung zur Analyse der Transformation der Europäischen Mobilitäts- und Migrationsverhältnisse: Elemente eines soziologischen Forschungsprogramms“ 14:30-15:20 Uhr Sybille Frank (Technische Universität Berlin) Vortrag „Neighborhoods in the tourist trap? Mobilities and social change in New Urban Tourism“ Sophie Anne Krossa (Universität Gießen) Soziologin und Politikwissenschaftlerin, Studium in Trier und Warschau, Promotion im DFG-Kolleg ‚Europäische Integration und der Wandel sozialer Strukturen‘. 2007 bis 2012 Lecturer in European Studies an der Lancaster University/UK, 2011-2015 verschiedene Vertretungsprofessuren (Allgemeine Soziologie, Allgemeiner Gesellschaftsvergleich). Seit 2011 Herausgeberin der Buchserie ‚Europe in a Global Context‘ bei Palgrave Macmillan. ‚Culture Contact‘: Interpretations of Difference and Types of Conflict Communication between Volunteers and Refugees Wie findet sozialer Wandel auf der Grundlage von Globalisierung und insbesondere von Mobilität und ihren Folgen statt? Ohne direkte Kausalitäten zu unterstellen, lässt sich am konkreten Beispiel sinnvoll untersuchen, wie in – auf Mobilität beruhenden – Situationen von Kulturkontakten im weiteren Sinne jeweils bekannte soziale Formen herausgefordert werden, und zwar gleichsam auf allen Seiten. Ausgangspunkt entsprechender Konstellationen ist dabei typisch zunächst Differenz, die unterschiedlich interpretiert werden kann, z.B. als ästhetische oder als essentielle. In diesem Vortrag werden an zwei Beispielen ganz unterschiedliche Formen und Folgen von essentieller Interpretation gezeigt. Dabei wird deutlich: Auch der Versuch, einem ‚Anderen‘ verständnisvoll entgegenzukommen, kann in essentieller Abgrenzung münden. Konflikttheorie (mit direkten Anschlüssen an Georg Simmel) bietet einen besonders fruchtbaren Ansatz zu dieser Analyse. Genauer wird das vielfältige Potential von Konflikten in den Blick genommen, zu desintegrieren, aber auch zu integrieren, und insbesondere ihre Tendenz zu Ambivalenzen. Während Georg Simmels Hauptinteresse die Frage ist ‚Wie trennt Konflikt nicht nur, sondern verbindet auch?‘, verschiebe ich die Aufmerksamkeit komplementär gleichsam an das andere Ende des Kontinuums, stelle die Diskussion in einen Globalisierungskontext und lege dem Ausschnitt, der in diesem Vortrag präsentiert wird, die folgende Frage zugrunde: ‚Wie verbindet Entgegenkommen und Harmonie nicht nur, sondern trennt auch?‘. Mit dem Bewusstsein dieser und ähnlicher Paradoxa lässt sich folgern: Sozialer Wandel entsteht fraglos aus auf Mobilität folgenden Kulturkontakt, jedoch ohne jeglichen Determinismus. Stefan Selke (Hochschule für angewandte Wissenschaften Furtwangen) Prof. Dr. Stefan Selke studierte zunächst Luft- und Raumfahrttechnik (Aachen) und promovierte später in Soziologie (Bonn). Seit 2008 ist er Professor für „Sozialen Wandel“ an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Furtwangen (Baden-Württemberg, Deutschland) sowie seit 2015 Inhaber der Forschungsprofessur „Transformative und Öffentliche Wissenschaft“. Selke forscht zu Themen des sozialen, technischen und medialen Wandels. www.stefan-selke.de Wege aus erschöpften Gesellschaften – Sozialer Wandel zwischen Selbstvermessung und Selbst-begrenzung Ausgangspunkt des Fachvortrages sind individuelle und kollektive Erschöpfungsdiagnosen, die aus soziologischer Perspektive als Krisensymboliken und -semantiken interpretiert werden. Zwei ‚Hoffnungspole’ erschöpfter Gesellschaften dienen der Illustration zeitgenössischen sozialen Wandels: Digitale Selbstvermessung des Menschen und mobile Immobilien (Tiny Houses) – exemplarisch wird damit das Spektrum zwischen digitalen Transformationsprozessen und analogen Lebensreformbewegungen aufgezeigt. Digitale Selbstvermessung wird unter konflikttheoretischer Perspektive als Prototyp für eine softwareinduzierte Neuorganisation des Sozialen kategorisiert. Unter Rückgriff auf die These rationaler Diskriminierung sowie das Konzept „gieriger Institutionen“ wird der zweckrationale Zusammenhang zwischen Funktionalität der Datensammlungen und neuen Formen sozialer Differenzierung deutlich. Der Beitrag der Soziologie besteht in der Rekonstruktion von Wechselwirkungen zwischen disruptiven Technologien und der Veränderung sozialer Normen sowie von Normalitätsvorstellungen neuer Eliten. Der Kontrollüberschuss durch Big-Data-Prämissen wird als „Übermacht“ und Totalität von Ordnung und die „Herrschaft durch Algorithmen“ als Grundlage für eine sich schleichend verändernde Sozialstruktur interpretiert. Mobile Immobilien (Tiny Houses) stehen am anderen Ende des Spektrums in modernisierungstheoretischer Perspektive für die Renaissance von Konzepten wie Frugalität und Konvivialität (Lebensdienlichkeit). Sie sind Ausdruck sozialer Bewegungen, die den Verbrauch sozialer Utopien und eine gesteigerte Krisenempfindlichkeit in der reflexiven Moderne nach der Finanzkrise veranschaulichen. Auf der Suche nach einem ‚einfachen Leben’ konvergieren neue subjektive Wertorientierungen mit alternativen Lebensentwürfen sowie die Suche nach Naturverbundenheit mit der Sehnsucht nach konkurrenzfreier Vergemeinschaftung. Der Beitrag der Soziologie besteht in der Rekonstruktion (paradoxer) Wechselwirkungen zwischen individuellen Handlungsmotiven und kollektiver Krisenwahrnehmung, was auch performative Selbstwidersprüche zwischen elitären und prekären Suffizienzstrategien einschließt. Abschließend werden die Befunde mit der Frage nach der übergreifenden Rolle einer (möglichen) ‚Soziologie des Neubeginns’ zwischen (planungsorientierter, affirmativer) Sozialtechnologie und (kritikorientierter, gegen-affirmativer) Gesellschaftsdiagnose andiskutiert. Der Vortrag gibt einen komprimierten Einblick in das kontrastreiche Arbeitsfeld einer Soziologie des sozialen Wandels und der Mobilität und demonstriert zugleich, dass die Nachfrage nach soziologischer Deutung in diesen Feldern optimistisch stimmen kann. Kyoko Shinozaki (Universität Osnabrück) Kyoko Shinozaki, Ph.D. habil., ist zurzeit als Senior Researcher am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück tätig. Im Mai 2015 hat sie sich mit der venia legendi für das Fach Soziologie an der Ruhr-Universität Bochum habilitiert. In ihrem internationalen wissenschaftlichen Werdegang in sechs Ländern hat Frau Shinozaki ihr eigenes Profil etabliert, das die Forschungsschwerpunkte der Transnationalisierung, der Intersektionalität sowie der sozialen Ungleichheit kombiniert. Re-embedding migration—mobility in the debates on social change The aim of my talk is twofold: firstly, I will discuss the key challenges that manifest in the study of international migratory movements. Secondly, I will deliberate how we can meaningfully re-embed the discussion emerging from this scholarship into a wider context of social change through examining the intersection of social inequalities. I begin by addressing some of these challenges, including the “paradigmatic separation” between (less-skilled) migration versus (skilled) mobility in scholarship and policy discourse, an assumption of sedentariness, the receiving country bias, the subsequent static understanding of “integration” as a one-way process, and the tendency to take a “snap-shot” of individual migrants’ biographies and larger societal processes. However, taking a broader view, as many scholars have explicitly or implicitly shown, migration is shaped by social change, it can potentially shape processes of social change, and can mediate these. I argue that migration scholarship would progress considerably if we linked the phenomenon of migration and mobility to theories of social change in a more conscious manner. This would require us to investigate the links between spatial mobility and the dynamics related to social change at and across micro, meso, and macro levels, while keeping in mind that the social cannot be taken for granted as a territorially bounded container of the nation-state. One possible way of undertaking this endeavor, I suggest, is to examine human mobility in relation to intersecting social inequalities as a form of social change. I illustrate my argument by drawing upon my own research on migration into ‘less-skilled’ and highly skilled sectors: the issue of social mobility and parenthood across borders among migrant care and domestic workers, political organizing by and for these migrants, the career strategies of highly skilled dual-career couples, and the role of higher education institutions in the career advancement of migrant academics. Magdalena Nowicka (Humboldt-Universität zu Berlin) Magdalena Nowicka is Professor of Migration and Transnationalism at the Humboldt-Universitaet zu Berlin where she leads an ERC financed project TRANSFORmIG. She is also member of the Berlin Institute for Integration and Migration Research. She published on cosmopolitanism, transnational migration and methodological aspects of empirical research. Continuities and discontinuities of habitus. Social transformation through the lens of transnational migration Recently, the scientific concern has shifted from the questions of how migrants assimilate a new culture to the challenges of diversity of positions, aspirations, statuses, practices, lifestyles, and attitudes that is related to immigration of people of different ethnic, religious and cultural backgrounds. This raises questions about under which conditions diversification of population leads to more tension or conflict, or when it enhances cosmopolitanism, tolerance and conviviality - in other words, these are the questions about the conditions of social transformation. I address this question with help of the sociology of Pierre Bourdieu which draws our attention to the dynamic transformations of social actors' values, orientations, beliefs and behaviors in relation to the field of which individuals become part. Using the example of the Polish ‘postenlargement’ immigration to England, I scrutinize how the research participants incorporate, reproduce, and transform racism present in the British multicultural public space into a cultural repertoire (habitus) they internalized before migration. I am in particular interested in irritation described by migrants in situations of racial encounters in their new place of residence. The irritation depicts as the differences between the forms of doxa in Poland and England. It also points to the potential misfit which might lead to discontinuity of habitus. I then draw the attention to how migrants negotiate racism with their peers back in Poland, as these negotiations bear a potential for transformation of habitus of non-migrants as well. I finally argue that a transnational approach which considers space of origin and destination of migrants and the ongoing negotiations of practices and their meanings within trans-border social networks is necessary if we want to adequately address the complex relations between social transformation and migration. Boris Nieswand (Universität Tübingen) Boris Nieswand ist Migrationssoziologe. Er war unter anderem am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften in Göttingen und als Doktorand am MaxPlanck-Institut für ethnologische Forschung in Halle/Saale beschäftigt. Er ist Vorstandsmitglied des Sonderforschungsbereichs 923 „Bedrohte Ordnungen", Mitglied des DFG-Netzwerks "Grundlagen der Flüchtlingsforschung" und des Rats für Migration e.V. Zur Soziologie der Grenzregime. Mobilität und soziale Ungleichheit zwischen Nationalisierung und Transnationalisierung. Die Krise des europäischen Grenzregimes der letzten Jahre hat verdeutlicht, wie wichtig nationale und supranationale Grenzen für das soziologische Verständnis von Mobilität und Prozessen sozialen Wandels ist. Um diese empirisch für die Migrationsforschung zugänglich zu machen, werden die Begriffe der Grenz-Dispositive und der Grenzeffekte eingeführt. Dabei handelt es sich um zwei komplementäre analytische Perspektiven, um die Verschränkungen von grenzüberschreitender Mobilität und staatlicher Grenzpraxis auf ihre Ungleichheitsdimension zu befragen. Bei Grenzdispositiven handelt es sich um die lokalisierten Ausformungen institutionalisierter Grenzpraxis. Diese können zum Gegenstand soziologischer Analyse gemacht werden, um danach zu fragen, auf welche Weise unterschiedliche Manifestationen und Materialisierungen der Grenze (z.B. Flughafengrenzen, Containerhäfen, „grüne Grenzen“, militärisch gesicherte Grenzposten, extraterritorialisierte Grenzpraxis) zur Herstellung differentieller Formen der Mobilität beitragen und wie sich globale Ungleichheiten darin aktualisieren. Komplementär dazu adressieren Grenzeffekte strukturelle Auswirkungen von Grenzregimen auf globale soziale Ungleichheiten. Anhand des Beispiels ghanaischer MigrantInnen kann gezeigt werden, dass staatliche Grenzregime einerseits Ungleichheiten zwischen Westeuropa und Westafrika stabilisieren und dass andererseits daraus wiederum für jene Personengruppen, die in der Lage sind Ungleichheitsgrenzen legal zu überschreiten, Handlungsressourcen eigener Art entstehen. Komplementär zu dem Begriff des Grenzeffekts wird in Anlehnung an Bourdieu der Begriff des Transgressionskapitals eingeführt, um diese Handlungsressourcen transnationaler MigrantInnen zu konzeptionalisieren. Die analytischen Perspektiven der Grenzdispositive und Grenzeffekte sollen Möglichkeiten aufzeigen, das Spannungsfeld, das sich zwischen transnationaler Mobilität und (national)staatlicher Grenzregulierung ergibt, zu einem Gegenstand qualitativer Sozialforschung zu machen und an eine Soziologie globaler sozialer Ungleichheit anzuschließen. Karin Stögner (Universität Wien) Dr. Karin Stögner lehrt soziologische Theorie an der Universität Wien und war langjährige wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Konfliktforschung in Wien. 2009-2011 hatte sie ein EUForschungsstipendium an der Central European University, 2013-2014 ein FWF SchrödingerStipendium an der Lancaster University und der Georgetown University. Derzeit ist sie Gastprofessorin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Sozialer Wandel und Mobilität. Grundfragen der Gesellschaftstheorie am Beispiel der Permanenz des Nationalismus „Sozialer Wandel und Mobilität“ öffnet unterschiedliche Perspektiven für eine Theorie der Gegenwartsgesellschaft und rührt an ein Grundproblem der Soziologie: das Verhältnis von Struktur und Handeln, Statik und Dynamik, letztlich von Gesellschaft und Individuum. Im Nexus dieser Begriffe werfe ich einen kritischen Blick auf das scheinbare Paradox, dass die menschliche Aktivität in der Gesellschaft gerade auch zu Strukturverfestigung führen kann, dass sozialer Wandel nachgerade zum Erhalt und zur Stabilisierung gesellschaftlicher Strukturen notwendig ist. Eine zentrale Kategorie des sozialen Wandels und der Mobilität kommt hier zum Tragen: der Konflikt, nicht Störfaktor sondern gesellschaftlicher Regelfall, sowohl hinsichtlich seiner produktiven als auch seiner destruktiven Potentiale. Angesichts gegenwärtiger Nationalisierungsschübe globalisierter Gesellschaften und der Krisen und Kriege, welche massive Migrations- und Fluchtbewegungen zeitigen, behandle ich die Frage, inwiefern eine auf Stabilität ausgerichtete Gesellschaft Konflikt und Wandel immanent aus sich heraus erzeugt. Mobilität – das akteurzentrierte Pendant zum strukturzentrierten sozialen Wandel – ist indessen ebenso durchdrungen von einer inneren Widersprüchlichkeit. Mobilität impliziert gleichermaßen Freiheit, Unabhängigkeit, Individualisierung, Kommunikation und Autonomie wie wachsende Fungibilität, Verfügbarkeit, Vereinzelung und Erschöpfung des Subjekts. Die aus solchem Widerspruch resultierenden Anomietendenzen drängen gegenwärtig, angesichts der für Europa problematisch gewordenen Fluchtbewegungen, deutlich zutage: Das Grassieren von Nationalismus, Xenophobie und Rassismus, religiösem Fundamentalismus, Sexismus und Antisemitismus, ist Symptom einer Gesellschaft im Wandel, die gerade heute ein Sekuritätsbedürfnis zeitigt. Dieses drängt zum System hin und legitimiert sich zentral auch über Genderthemen und sexualisierte Körperpolitiken. Wie aber ist die Permanenz des Nationalismus durch allen gesellschaftlichen und politischen Wandel hindurch zu erklären? Diese Frage steht im Zentrum des Vortrags. Nationalismus wird dabei als ein Phänomen analysiert, das nicht ins Individuum zu verlagern, sondern aus dem widersprüchlichen Verhältnis von Gesellschaft und Individuum zu verstehen ist. Anna Amelina (Universität Frankfurt am Main) Anna Amelina ist Junior-Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Migrationsforschung an der Goethe-Universität Frankfurt. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen die Europäischen Transformationsprozesse, Migrations- und Transnationalisierungsforschung, Soziologie sozialer Ungleichheiten und Gender Studies. Zuletzt hat sie einen Sammelband „An Anthology of Migration and Social Transformation“ (2016, mit K. Horvath und B. Meeus) bei Springer Science Verlag herausgegeben. Von der Analyse der sozialen Herstellung zur Analyse der Transformation der Europäischen Mobilitäts- und Migrationsverhältnisse: Elemente eines soziologischen Forschungsprogramms Die Ausgangsthese dieses Vortrags lautet, dass die Prozesse der geographischen Mobilität und Migration als ein Ergebnis von sozialen Herstellungsleistungen zu verstehen sind. Am Beispiel der aktuellen Mobilitäts- und Migrationsverhältnisse im erweiterten Europa illustriert der Vortrag diese sozialkonstruktivistische Perspektive, die eine Deessentialisierung der Begriffe, wie „Mobilität“ und „Migration“ und die Beachtung der Wirkmächtigkeit ihrer sozialen Definitionen verlangt. Darüber hinaus plädiert eine solche Herangehensweise für eine gezielte Analyse des Zusammenspiels zwischen diskursiven (ethnisierten und vergeschlechtlichten) Zugehörigkeitsordnungen auf der einen und den politischen Regulierungen von Mobilität und Migration in Europa auf der anderen Seite: Denn die durch die Zugehörigkeitsdiskurse (re)produzierten gesellschaftlichen Unterscheidungen zwischen „Wir“ und den „Anderen“ werden folgenreich für die institutionellen Regulierungen von Wanderungsbewegungen. Schließlich betont eine solche sozialkonstruktivistische Perspektive, dass „Mobilität“ und „Migration“ als sozial konstruierte und, folglich, als historisch wandelbare Prozesse zu verstehen sind. Der Wandel bzw. die soziale Transformation der gesellschaftlichen Mobilitäts- und Migrationsverhältnisse, so das zentrale Argument, sollte mit Hilfe eines nichtteleologischen Konzepts der soziokulturellen Evolution in Anschluss an Niklas Luhmann und Bob Jessop betrachtet werden. Dieser Ansatz identifiziert Prozesse der Variation, der Selektion und der Retention als zentrale Bestandteile gesellschaftlicher Transformationsprozesse. Auch ermöglicht diese theoretische Perspektive die symbolischen Kämpfe um die diskursiven Definitionen von „Mobilität“ und „Migration“, ihre Selektion durch die spezifischen Akteure und Institutionen, sowie ihre (vorläufige) Einschreibung in die institutionellen Strukturen der Migrationsregulierung zu erklären. Auf diese Weise verknüpft der Vortrag die sozialkonstruktivistische mit der wissenssoziologischen Analyseperspektive auf Mobilität, Migration und soziale Transformation und plädiert für die Analyse des sozialen Wandels jenseits der teleologischen Annahmen. Sybille Frank (Technische Universität Berlin) Sybille Frank, Prof. Dr. phil., is Junior Professor for Urban and Regional Sociology at the Institute for Sociology, Technische Universität Berlin. She recently was awarded the position of City of Vienna Visiting Professor for Urban Culture and Public Space 2016. Her work focuses on tourism and heritage studies, on comparative city research, and on the sociology of space and place in times of globalization and diversifying spatial and social mobilities. Neighborhoods in the tourist trap? Mobilities and social change in New Urban Tourism Since several months a debate has raged in numerous international metropolises about the socalled ‘touristification’ of inner-city residential areas. Residential quarters appear as attractive destinations in particular for New Urban Tourism, an informal kind of tourism seeking an ‘authentic’ rather than a standardized travel experience. New Urban Tourists seem to be no longer first of all interested in typical tourist sights; they also seek to experience the ‘real local sense of life’. Instead of checking in at a hotel they like to stay in residential apartments which are privately or quasicommercially rented out, for example via platforms such as Airbnb, 9flats or wimdu. While the real estate and tourism industries are reaping the profits of New Urban Tourism, the rapid changes of social fabric in some urban quarters have triggered objections, protests and sometimes open xenophobia on the part of residents. This short lecture considers drastic rent increases in trendy urban districts and the ‘tourist-friendly’ reconstruction of public and private commercial spaces as symptoms of a social upheaval which raises fundamental questions about life in the 21st century. How may the interests of residents be reconciled with those of ‘new locals’? And how must the traditional idea of urbanity as a cosmopolitan way of life be reinterpreted in an age of diversifying mobilities of more and more social groups? This lecture will give some answers to these questions, and it will identify further important research themes at the topical intersection of mobilities and social change.