evita - HTA-Zentrum Bremen

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E V I T A
Stand: November 2012 – Version 1.3
– EValuation Innovativer Therapeutischer Alternativen – Ein Instrument zur Bewertung neuer Arzneimitteln hinsichtlich des klinischen Fortschritts
HTA-Zentrum der Universität Bremen in Kooperation mit der NEPI-Foundation der Lund-Universität Malmö.
www.evita-report.de
Wirkstoff
Therapeutischer Standard
Agomelatin
-
- ATC NO6AX22
- selektiver Serotonin-Antagonist (an 5HT2C- und 5HT2B-Rezeptoren) und
selektiver Melatonin-Agonist (an MT1- und MT2-Rezeptoren)
- Valdoxan® von Servier
- zugelassene Dosierung: 1 x 25 bis 50 mg/d
Tri- und Tetrazyklische Antidepressiva
Selektive Serotonin-Rückaufnahmehemmer
Monoaminoxidase-Inhibitoren
Selektive Serotonin-/Noradrenalin-Rückaufnahmehemmer
Selektive Noradrenalin-Dopamin-Rückaufnahme-Inhibitoren
N.B.: Auswahl der Substanzen individuell nach Patientencharakteristika,
Begleiterkrankungen, dominierenden Symptomen, Nebenwirkungsprofil etc.
Indikation
Patientenkollektiv, für das der Nutzen untersucht wurde
- Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen
erwachsene Patienten mit schwerer Major Depression
(HAM-D17 > 25 plus CGI-S > 4 plus Anzahl an Depressionssymptomen nach
DSM-IV-TR > 7 plus Dauer der aktuellen Episode > 4 Wochen)
nicht identisch mit Zulassung
- DSM-IV-TR: 296.xx “Major Depressive Störung”
- ICD-10:
F32,- „Depressive Episode“,
F33.- „Rezidivierende depressive Störung“
Therapeutisches Ziel: Behandlung, Krankheitsschwere: Krankheitskategorie I, lebensbedrohlich
Wirksamkeits-Aspekte
.
.
Wirksamkeitsprofil
Den EVITA-Anforderungen genügende RCTs:
Nachweis einer ...
Die CL3-045 Kurzzeitstudie untersuchte an 515 Patienten mit schwerer Major Depression (siehe Kasten
„Patientenkollektiv“) 25-50 mg Agomelatin versus 20-40 mg Fluoxetin. Die grundsätzlich als patientenrelevant zu erachtende primäre Zielgröße „Veränderung des HAM-D17-Gesamtwertes von baseline bis
zum letzt-verfügbaren post-baseline Wert innerhalb eines Zeitraumes von 8 Wochen“, war unter
Agomelatin größer als unter Fluoxetin (Agomelatin -17,3 vs. Fluoxetin -16,0 mit einer „between-group
difference“ von 1,49 (P=0,024). Dieser statistisch signifikante Effektunterschied wird jedoch nicht als
klinisch relevant erachtet. Zum einen liegt er deutlich unter der geforderten HAM-D Differenz von 2
Punkten, die von den Studienautoren selbst als Schwelle für den Überlegenheitsnachweis vorgegeben
war. Zum anderen war die Maximaldosis von Fluoxetin auf 40 mg begrenzt, wohingegen insbesondere
bei schweren Formen der Depression bis zu 60 mg zugelassen sind. Es muss daher angenommen
werden, dass keine äquieffektiven Dosierungen verglichen wurden. Zumindest lassen sich die Daten so
interpretieren, dass keine der geprüften Substanzen der anderen in der Effektivität unterlegen war.
randomisiert kontrollierte Studien
Überlegenheit
Achtzehn abgeschlossene Kurzzeitstudien und eine Langzeitstudie, die primär die antidepressive
Wirksamkeit von Agomelatin bei Major Depression untersuchten, genügen nicht den EVITAAnforderungen aufgrund invalider oder ganz fehlender Kontrolle:
- zwei SNRI-kontrollierte Studien, von denen die eine offen durchgeführt wurde (Martinotti 2010) und
die andere noch nicht publiziert ist (CL3-062).
- fünf Placebo-kontrollierte Kurzzeitstudien (CL2-014, CL3-022, CL3-023, CL3-024, A2303), die .
zusätzlich als so genannten „internen Validator“ einen SSRI-Arm mitführten. Die Zielsetzung und
statistische Auswertung dieser Studien war jedoch nicht darauf ausgelegt, Agomelatin gegenüber .
einer Standardtherapie zu vergleichen. Ergebnisse für Verum-Vergleiche dieser Studien wurden auch
als Sekundäranalysen nicht berichtet.
- elf Placebo-kontrollierte Kurzzeitstudien (CL2-005, CL3-026, CL3-027, CL3-042, CL3-043, CL3-069,
CL3-070, A2301, A2302, C2301, C2302), von denen drei zudem eine nicht zugelassene galenische
Form (sublinguale Applikation) untersuchen.
- eine weder Standardtherapie-, noch Placebo-kontrollierte Dosisfindungsstudie (CL2-007).
Sechs Studien untersuchten nicht primär die antidepressive Wirksamkeit von Agomelatin bei Major
Depression, sondern die Auswirkung auf Schlaf, Sexualfunktion oder Zerebralaktivität im Vergleich zu
Placebo oder anderen Antidepressiva bei Patienten mit einer Depression (CL3-035, CL3-036, CL3-046,
CL3-048, CL3-056, CL3-063). Von ihrer Zielsetzung und Auswertung kommen auch diese Studien somit
nicht für eine EVITA-Bewertung infrage.
Risiko-Aspekte
Nichtunterlegenheit / Äquivalenz
(bei Nachweis einer Unterlegenheit
in anderen RCTs)
0
0
0
1
+5,0
+2,5
>2
+7,5
+3,75
0
0
1
0
-1,67
>2
-0,83
-2,5
-1,25
.
>0
.
0
0
.
0
.
0
1
>2
0
+1,67
+0,83
+2,5
+1,25
0
0
0
1
-5,0
-2,5
>2
-7,5
-3,75
0
Summe
kein Modifikator
Modifikator
0
Wirksamkeits-Punktwert
.
.
Risikoprofil
Interaktionen
Drei Studien untersuchten an Patienten, die auf eine offene Agomelatin-Behandlung eine Remission
(Symptomfreiheit) oder ein Ansprechen (mindestens 50% Symptomreduktion) gezeigt hatten (CL3-021,
CL3-041, A2304), die Rückfallhäufigkeit unter Fortsetzung der Therapie im Vergleich zu Placebo. In
einer ähnlichen Placebo-kontrollierten Studie wurden bei Patienten, die nach zwölfwöchiger Therapie
mit Paroxetin oder Agomelatin symptomfrei waren, über zwei Wochen die Symptome nach Absetzen
dieser Behandlungen verglichen (CL3-030). In einer anderen Studie (CL3-073), deren Design und
Intention nicht schlüssig im ISRCTN-Studienregister beschrieben, werden ebenfalls Absetzsymptome
von Agomelatin im Vergleich zu einem vorher eingenommenen Antidepressivum erfasst. Eine
Kurzzeitstudie ohne Kontroll- oder Placebo-Arm untersuchte an Patienten mit ungenügendem
Ansprechen auf 25 mg Agomelatin den Effekt einer Dosissteigerung auf 50 mg (CL3-025).
Nichtunterlegenheit / Äquivalenz
(bei Nicht-Vorliegen anderer RCTs)
Unterlegenheit
Unerwünschte Arzneimittel-Wirkungen
Den EVITA-Anforderungen NICHT genügende RCTs:
Nichtunterlegenheit / Äquivalenz
(bei Nachweis einer Überlegenheit in
anderen RCTs)
Zielgröße
Anzahl patientensurrogat
an RCT relevant
Schweregrad
Schweregrade 5 + 4
(Tod / lebensbedrohlich /
bleibende schwerwiegende
Beeinträchtigung)
Schweregrad 3
(schwerwiegend)
Schweregrade 2 + 1
(mäßig bis deutlich /
gering bis leicht)
Agomelatin Fluoxetin
25 - 50 mg/d 20 - 40 mg/d
Häufigkeit
>10%
>1%
>0,1%
<0,1%
0
>10%
>1%
>0,1%
<0,1%
0
>10%
>1%
>0,1%
<0,1%
0
häufig oder schwerwiegende klin. Konsequenz
gelegentlich oder klinische Konsequenz
Dosisanpassung erforderlich
unwahrscheinlich oder ohne klin. Konsequenz
unbekannt
-4,0
-3,0
-2,0
-1,0
0
-2,5
-2,0
-1,0
0
0
-1,5
-1,0
-0,5
0
0
-2,0
-1,5
-1,0
0
-1,0
-4,0
-3,0
-2,0
-1,0
0
-2,5
-2,0
-1,0
0
0
-1,5
-1,0
-0,5
0
0
-2,0
-1,5
-1,0
0
-1,0
Summen
.
Risiko-Punktwert
.
Den veröffentlichten Angaben zu unerwünschten Ereignissen fehlen Informationen hinsichtlich des Schweregrades, so dass ihnen im Rahmen der EVITA-Bewertung ein
leichter bis deutlicher Schweregrad (EVITA-Schweregrade 1 und 2) zugeteilt wird. Bei zwei unerwünschten Ereignissen wurden sich auf das EVITA-Risikoprofil
auswirkende Häufigkeitsunterschiede beobachtet: bei Nausea zu Gunsten (8,0% versus 11,4%), bei Nasopharyngitis zu Ungunsten von Agomelatin (4,0% vs. 0,8%). Der
daraus abzuleitende tendentiell positive Risiko-Score zugunsten von Agomelatin wird jedoch von der seit Markteinführung stetigen Zunahme schwerer Leberschädigungen
(Transaminasenanstiegen um mehr als das 10-Fache sowie Leberinsuffizienzen) konterkariert. Diese Nebenwirkung zwang im Oktober 2012 den Hersteller zum
Versenden eines Roten-Hand-Briefes und Ergänzung der Warnhinweise in der Fachinformation. Da außer der Studie CL3-045 keine weitere direkte Gegenüberstellung
von Agomelatin zu Fluoxetin existiert und eine indirekte Gegenüberstellung anhand von Häufigkeitsangaben zu schwerwiegenden Ereignissen aus den Fachinformationen
der beiden Wirkstoffen möglicherweise als willkürlich erachtet werden könnte, wird auf das Ausfüllen des Risikoprofils verzichtet.
EVITA-Bewertung des klinischen Fortschritts von
Agomelatin zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen
Behandlung / Krankheitskategorie I / Studiensetting A1 / EVITA Punktwert Null
Stand: November 2012
Literatur und Studiensetting
EVITA-Anforderungen genügende RCTs
CL3-045: Hale A et al. Int Clin Psychopharmacol 2010 ; 305-14.
Studiensetting
Gibt es mindestens eine
etablierte Therapie in gegebener
klinischer Indikation?
nein
ja
Wurde die Substanz mit der
etablierten Therapie in einem
RCT direkt verglichen?
nein
ja
Patientenrelevante
Zielgröße?
Wurde die Substanz mit Placebo
als Add-on zur etablierten Therapie
in einem RCT verglichen?
nein
ja
A1
zulässige
surrogate
Zielgröße?
nein
Patientennein
relevante
Zielgröße?
zulässige
surrogate
Zielgröße?
ja
ja
B1
nein
ja
ja
nein
Wurde die Substanz
mit Placebo in einem
RCT verglichen?
nein
ja
ja
A2
Patientenrelevante
Zielgröße?
B2
nein
zulässige
surrogate
Zielgröße?
nein
ja
A2
B2
EVITA-Anforderungen NICHT genügende RCTs
In Fachzeitschriften publizierte kontrollierte Studien
In verschiedenen gepoolten Analysen ausgewertete Studien
CL2-007: Loo H et al. Encephale 2002; 356-62. // Loo H et al. Encephale 2003; 165-71.
CL2-014
CL3-041
CL2-014: Loo H et al. Int Clin Psychopharmacol 2002; 239-47.
CL3-021
CL3-042
CL3-030: Montgomery SA et al. Int Clin Psychopharmacol 2004; 71-280.
CL3-022
CL3-043
CL3-035: Lemoine P et al. J Clin Psychiatry 2007; 1723-32.
CL3-023
CL3-045
CL3-036: Kennedy SH et al. J Clin Psychopharmacol 2008; 329-33.
CL3-024
CL3-046
CL3-041: Goodwin GM et al. J Clin Psychiatry 2009; 1128-37.
CL3-035
CL3-048
CL3-042: Olie JP et al. Int J Neuropsychopharmacol 2007; 661-73.
CL3-036
CL3-056
CL3-043: Kennedy SH et al. Eur Neuropsychopharmacol 2006; 93-100.
CL3-063
CL3-046: Kasper S et al. J Clin Psychiatry 2010; 109-20.
A2301
CL3-056 / CL3-056 Extension: Quera-Selva MA et al. Int Clin Psychopharmacol 2011; 252-62.
A2302
A2301:
Zajecka J et al. J Clin Psychopharmacol 2010; 135-44.
A2302:
Stahl SM et al. J Clin Psychiatry 2010; 616-26.
Martinotti G et al. J Clin Psychopharmacol 2012; 487-91.
In RAR / EPAR oder in Novartis-CTRD publizierte kontrollierte Studien
Ergebnisse nicht bekannt
CL3-021 / CL3-021 Extension
CL2-005 / CL2-005 Extension
CL3-022 / CL3-022 Extension
CL2-067
CL3-023 / CL3-023 Extension
CL3-027
CL3-024 / CL3-024 Extension
CL3-042 Extension
CL3-025
CL3-043 Extension
CL3-026 / CL3-026 Extension
CL3-045 Extension
CL3-035 Extension
CL3-048 / CL3-048 Extension
CL3-041 Extension
CL3-062
A2301 Extension
CL3-063 / CL3-063 Extension
A2302 Extension
CL3-070 / CL3-070 Extension
A2303 / A2303 Extension
CL3-073 / CL3-073 Extension
A2304
CL3-083
C2301
Abkürzungen ATC anatomisch-therapeutisch-chemische Wirkstoffklassifizierung, CGI-S Clinical Global Impression-Improvement of Severity, CTRD Clinical
Trial Results Database, DSM-IV-TR Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders Version IV Text Revision, EPAR European Public Assessment
Report, HAM-D17 Hamilton Rating Scale for Depression mit 17 Punkten, ICD-10 International Classification of Diseases Version 10, RAR Refusal Assessment
Report, RCT randomisiert kontrollierte Studie, SNRI Serotonin/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SSRI Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer
EVITA-Bewertung des klinischen Fortschritts von Agomelatin zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen
(Stand November 2012, Version 1.3) www.evita-report.de, S. 2/2
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