Einführung in das Thema ‚Begriffe - UK

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Einführung in das Thema ‚Begriffe’
§1
Was sind Begriffe?
Menschen können nicht nur ihre unmittelbare Umgebung und Umwelt repräsentieren,
sie können auch über in Raum und Zeit weit entfernte Dinge nachdenken (Caesar,
Alpha Centauri, zukünftige Generationen), sie können über abstrakte, nicht direkt
wahrnehmbare Dinge nachdenken (Demokratie, irreale Zahlen) und sogar über Dinge,
die gar nicht existieren (Einhörner, Phlogiston, Pegasus). Und sie können unbestimmt
viele Gedanken denken (Produktivität der Gedanken).
Begriffe sind die Bausteine, Konstituenten oder Teile unserer Gedanken. Gedanken
sind Träger von Wahrheitswerten und Begriffe tragen als Teile dieser Gedanken
systematisch dazu bei, dass ein bestimmter Wahrheitswert vorliegt.
Menschen können ihre Gedanken anderen sprachlich mitteilen und sich so miteinander
über Inhalte streiten und verständigen.
Gedanken werden psychologisch verarbeitet.
B1
Begriffe haben eine semantische Extension (eine Klasse von Dingen, auf
die sie zutreffen).
B2
Begriffstypen sind feiner individuiert als durch ihre Extension:
ABENDSTERN und MORGENSTERN bziehen sich beide auf die Venus,
es handelt sich aber um verschiedene Typen von Begriffen.
B2
Begriffe sind kompositional. Sie lassen sich auf unbestimmt viele Weisen
zu verschiedenen Gedanken zusammensetzen.
B3
Begriffe sind Konstituenten von Gedanken.
B4
Begriffe sind öffentlich. Verschiedene Personen können dieselben Begriffe
haben.
B5
Begriffe können psychologische Realität haben (mentale Einzeldinge sein)
und dennoch (von ihrem Inhalt, Typ her) öffentlich/intersubjektiv sein.
(Frege hat dagegen Begriffe und Sinne ganz objektiv, nicht-psychologisch
aufgefasst. Aber Begriffe müssen doch auch eine Rolle in psychologischen
Denkprozessen konkreter Menschen spielen. Deshalb unterscheide ich
token/type.)
Abgrenzungen:
1
Kant versteht unter Begriffen nur Allgemeinbegriffe (Prädikate): „Begriffe (beruhen)
also auf Funktionen. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit einer Handlung,
verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen.“ (KrV, B 93)
Hier sollen aber auch singuläre Begriffe (indexikalische Begriffe, Eigennamen) sowie
logische Begriffe (Wahrheitsfunktionen) zu den Begriffen gezählt werden!
Begriffe werden in der philosophischen Tradition auch als Erfassen des Wesens einer
Sache (Platon, Hegel) aufgefasst. Auch das soll hier nicht meint sein.
§2
Warum ist es für die Philosophie wichtig zu verstehen, was Begriffe sind?
(i)
Nur wenn Begriffe eine definitionale Struktur haben, wird man mit Hilfe von
Begriffsanalyse notwendige und hinreichende Bedingungen dafür finden
können, dass etwas ein X ist (Sokratische Intuitionen). (Auch die durch Quine
fraglich gewordene Existenz analytischer Wahrheiten (Junggesellen sind
unverheiratete Männer) hängt davon ab.) Nach vielen gegenwärtigen
Positionen ist das DIE Grundlage apriorischer Erkenntnis.
(ii)
Nur wenn man versteht, was ein Begriff ist und welche Identitätsbedigungen er
hat, kann man die Frage beantworten, ob Wahrnehmungen einen begrifflichen
oder nicht-begrifflichen Gehalt haben (und somit unabhängig von unserem
Begriffsrahmen und unseren Theorien sind).
(iii)
Wenn die Identität der Begriffe von unseren Hintergrundstheorien abhängt,
dann könnte es einen Begriffsrelativismus (Inkommensurabilität) geben.
(iv)
Rationalismus (Begriffe sind angeboren: Nativismus); Empirismus (alle
Begriffe werden aus der Sinneserfahrung abstrahiert) oder linguistic turn (über
Begriffe verfügt nur ein Sprecher einer öffentlichen Sprache).
(v)
Welche Rolle spielen Begriffe (begrifflicher Gehalt) für psychologische
Erklärungen von Handlungen?
§3
Theorien des Begriffs
(A)
Die „klassische“ definitionale Theorie (Neoklassizisten: Peacocke)
Begriffe sind komplexe mentale Repräsentationen, deren Struktur notwendige
und
hinreichende
UNVERHEIRATET
Anwendungsbedingungen
und
MANN
sind
einschließt
beide
notwendig,
(Junggeselle:
zusammen
hinreichend)
2
V1
Die Definition determiniert die Extension (Referenz) des Begriffs und erklärt
damit auch unsere Fähigkeit zur Begriffsanwendung.
V2
Begriffserlernen besteht in der Konstruktion neuer Begriffe aus Konstituenten.
E1
Notorische Probleme bei der Explikation notwendiger und hinreichender
Bedingungen (Wissen: Gettierprobleme für JTB, Junggeselle: Was ist mit
Witwern, Jugendlichen, dem Papst, homosexuellen männlichen Partnern in
Lebensgemeinschaften etc.)
E2
Problem des Irrtums (Putnam, Kripke): Kann nicht jeder Analysevorschlag
empirisch widerlegt werden? KATZE: ein TIER von der und der Art. Aber was
wäre, wenn wir herausfinden, dass das, was wir Katzen nennen, von
Marsianern gesteuerte Roboter sind? Würden wir dann nicht sagen, dass
Katzen von Marsianern gesteuerte Roboter sind? WAL: ein Fisch von der und
der Art. Aber wir haben herausgefunden, dass Wale keine Fische sind.
E3
Problem des Nichtwissens (Kripke, Putnam): Wir wissen oft die essentiellen
Eigenschaften der Referenten unserer Begriffe gerade nicht (Gold: Atomzahl,
nicht seine gelbe Farbe), obwohl wir die Begriffe besitzen.
E4
psychologische Typikalitätseffekte (Rosch): Wir klassifizieren bestimmte
Vögel dann als typischer als andere, wenn sie mit anderen Vögeln mehr
Merkmale gemeinsam haben. Psychologisch ist also der Prozentsatz an
Gemeinsamkeiten mit einem Prototyp relevant und nicht die Kenntnis
notwendiger und hinreichender Bedingungen.
(B)
Prototypentheorie (Rosch): Begriffe sind komplexe Repräsentationen, deren
Struktur Bedingungen einschließt, die ihre Referenten der Tendenz nach
erfüllen (Gegenstände in der Extension müssen die Bedingungen also nicht alle
erfüllen, sondern nur eine große Zahl von ihnen). Hinreichende Ähnlichkeit
muss vorliegen, damit etwas in die Extension von X fällt.
V1
Erklärt, warum keine Definition der Begriffe gefunden werden kann.
V2
Erklärt Typikalitätseffekte (weil sie auf demselben psychologischen Prozess
beruhen)
E1
Man kann einen Begriff besitzen, obwohl man falsche oder keine ausreichende
Information über die Referenten hat (Irrtums- bzw. Ignoranzproblem)
E2
Viele Begriffe haben keine Prototypen (insbesondere die komplexen)
E3
Widerspricht den Prinzipien der kompositionalen Semantik.
3
Beispiel: PET FISH
Prototyp PET: enthält Eigenschaften von Hunden und Katzen
Prototyp FISH: enthält Eigenschaften von Dingen wie Forellen
Prototyp von PET FISH wird daraus nicht kompositional gebildet, sondern
enthät Eigenschaften von Goldfischen etc.
(C)
Die Theorie-Theorie (CRS: Sellars)
Begriffe sind mentale Strukturen, die auf Dinge zutreffen, die den Gehalt
erfüllen, der durch die Rolle der Begriffe in Theorien festgelegt wird.
V1
Nach der Theorie können die Referenten auch eine verborgene Essenz haben.
Für die Klassifikation müssen also nicht die perzeptuellen Eigenschaften die
Hauptrolle spielen.
E1
Solange es nur einen informationsarmen Platzhalter für die verborgene Essenz
gibt, bleibt die Referenz unterbestimmt.
E2
Es bleibt unklar, wie eine stabile Referenz trotz Theoriewandels (und partiell
falschen Theorien) möglich ist.
R
Die Begriffe müssen gar nicht identisch, sondern nur hinreichend ähnlich sein.
E
Aber Ähnlichkeit von Begriffsgehalt setzt bereits den Begriff der
Gehaltsidentität voraus.
(D)
Atomistische informationale Theorien (Fodor)
Begriffe haben gar keine Struktur: ihr Gehalt ist NICHT durch ihre Relation zu
anderen Begriffen festgelegt.
Welche Welt-Geist Relation legt die Referenz fest? Kovarianz unter idealen
Bedingungen (früher Dretske); Funktion zu repräsentieren (Millikan);
asymmetrische Dependenz (Fodor).
E1
Atomismus ist auf einen extrem unplausiblen Nativismus festgelegt. Sind
Begriffe wie VERGASER angeboren?
E2
Begriffsindividuation ist zu grob. Es gibt keinen Unterschied zwischen
koextensionalen Begriffen (WASSER und H2O).
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