Übungen zur Einführung in die Astronomie und Astrophysik II Aufgabenblatt 7, 13. Dez. 2007 Aufgabe 14 Sterne der Galaktischen Scheibe umlaufen das Galaktische Zentrum auf einer Kreisbahn (so die Sonne im Abstand R0 = 8.2 kpc und einer Kreisbahngeschwindigkeit von Vrot = 220 km/s). Umso mehr gilt diese Bahnform für Neutralgas- und Molekülwolken in der Scheibe der Milchstraße, deren Stoßquerschnitte ungleich größer sind als die der Sterne. Der folgende Satz von Beobachtungen zeigt die Verteilung der Intensität der wichtigsten CO-Linie im mm-Bereich für verschiedene Galaktische Längen l (Beobachtungen durch Studenten des Harvard Observatory): (a) Konstruieren Sie aus diesen Daten den dadurch zugänglichen Bereich der Rotationskurve der Milchstraße und stellen Sie Vrot (R) als Funktion von R in einer Skizze dar. Geben Sie einen Mittelwert der beobachteten Umlaufgeschwindigkeiten an und vergleichen Sie das Ergebnis mit der Rotationskurve nach Kepler (Gl. 273 im Vorlesungsmanuskript). [4 Punkte] In den beobachteten Spektren der CO-Linien wird die nach der Tangentenmethode jeweils höchste Geschwindigkeit markiert (siehe Abbildung oben). Aus der Umrechnung nach Gl. 628 und 629 erhält man eine Tabelle der Kreisbahngeschwindigkeiten Θ(R). Damit folgt die Rotationskurve (nächste Seite). Die wesentliche Eigenschaft der Galaktischen Rotationskurve ist ihre Konstanz über praktisch den gesamten inneren Bereich, R < R0 . Diese erstreckt sich auch weiter nach außen bis mindestens 15 kpc. Dies bedeutet, daß auch beim galaktozentrischen Abstand der Sonne (R0 ) ein großer Teil der gravitierenden Gesamtmasse der Milchstraße noch nicht erfaßt ist (also außerhalb liegen muß). Auch die Rotationskurve der Milchstraße ist somit ein Indiz für die Existenz dunkler Materie. (b) Welche Voraussetzungen sind für diese Methode nötig? Warum taugt diese Methode nicht zur Verfolgung der Rotationskurve außerhalb R0 ? [2 Punkte] 300 Vrot = 214 ± 11 km/s 250 Θ(R) 200 Kepler−Rotation 150 100 50 0 0 2 4 R [kpc] 6 8 Um die Tangentenmethode eindeutig zu machen, ist es erforderlich, daß die größte beobachtete Geschwindigkeit dem jeweils tangentialen Bogen zugeordnet werden kann. Die Emission der COLinie an diesem Abstand vom Galaktischen Zentrum wird dabei überlagert durch alle weiter außen umlaufenden Molekülwolken. Besitzt deren tangentiale Bahngeschwindigkeitskomponente eine Projektion, die größer ist als die tangentiale Geschwindigkeit weiter innen, so ist die eindeutige Zuordnung nicht mehr möglich. Wie die nebenstehende Skizze zeigt, besitzt die Wolke mit R2 und Θ2 auf der Sehline die projizierte Komponente Θ = Θ2 cos φ2 . Aus dem Dreieck GC – Sonne – Tangentialpunkt erhält man R2 cos φ2 = R0 sin l1 . Eine eindeutige Zuordnung der beobachteten Geschwindigkeiten ist daher nur möglich für Θ2 Θ1 > R1 R2 . Nicht die Kreisbahngeschwindigkeiten Θ sondern die Winkelgeschwindigkeiten ω = Θ/R müssen also monoton mit R fallen. Wie man leicht überlegt, gilt dies auch für konstante oder sogar leicht ansteigende Kreisbahngeschwindigkeiten. Keine Sehlinie mit 90◦ < l < 270◦ ist eine Tangente an einen galaktozentrischen Kreis. Damit ist die eindeutige Bestimmung der Entfernung vom GC nicht mehr möglich. Aufgabe 15 Die spektroskopische Beobachtung von H II-Regionen ergibt folgende Messungen für die Positionen der Hβ-Linie (4861.297 Å) und der [O III]-Linie (5006.9 Å) bei Galaktischen Längen l: l [◦ ] 71 101 119 138 165 λ [Å] 4861.51 4861.23 4861.18 4861.14 4861.18 λ [Å] l [◦ ] 5007.11 75 5006.83 107 5006.78 133 5006.74 164 5006.78 195 λ [Å] 4861.45 4861.19 4861.16 4861.19 4861.45 λ [Å] 5007.05 5006.79 5006.76 5006.78 5007.05 (a) Bestimmen Sie die Entfernungen der H II-Regionen. Nehmen Sie dabei eine mittlere Oortsche Konstante A = 16 km/s/kpc an. Tragen Sie die Orte der H II-Regionen in eine Galaktische Karte der Sonnenumgebung ein und diskutieren Sie das Ergebnis. [4 Punkte] r(Hβ) [kpc] 1.333 0.688 0.530 0.607 0.900 r([O III]) [kpc] 1.276 0.698 0.573 0.601 0.899 Die Verknüpfung der gemessenen Radialgeschwindigkeit vr mit der Entfernung r definiert die Oortsche Konstante A durch vr = Ar sin 2l. Bei Kenntnis der Oortschen Konstante A läßt sich so (ohne große Genauigkeit) die Entfernung aus der Radialgeschwindigkeit bestimmen, welche wiederum aus dem Dopplereffekt folgt. Es ergeben sich die Werte in der oben angegebenen Tabelle. Die Lage der H II-Regionen ist in der nebenstehenden Abbildung dargestellt. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Anordnung um Teile des Lokalen Spiralarms in Richtung Perseus / Cassiopeia / Andromeda, der von der Sonne aus etwa 500 pc entfernt liegt. Die Galaktische Länge l = 0◦ zeigt von der Sonne aus nach unten, die Länge l = 90◦ nach rechts. l [◦ ] r(Hβ) [kpc] 75 1.182 107 0.737 133 0.528 164 0.778 195 1.182 r([O III]) [kpc] 1.122 0.735 0.526 0.848 1.122 1.0 Lokaler Spiralarm 0.5 kpc l [◦ ] 71 101 119 138 165 0.0 -0.5 -0.5 Sonne Galaktisches Zentrum 0.0 0.5 kpc 1.0 1.5 Aufgabe 16 Gilmore & Reid (1983) sind die Entdecker der dicken Scheibe. Sie beobachteten die Anzahl von Sternen mit einer Absoluthelligkeit im Intervall MV = [4, 5] in verschiedenen Abständen z von der Galaktischen Ebene. Die von ihnen gefundenen Werte sind für Intervalle zentriert auf log z mit einer Intervallbreite von ∆ log z = 0.1 angegeben, wobei der erste der folgenden Werte für ein Intervall gilt, das bei log(z/1pc) = 2.05 zentriert ist. Die Daten sind: 3, 7, 19, 22, 38, 50, 79, 107, 135, 149, 197, 207, 218, 233, 265, 301, 322. Hinweis: der zugrundeliegende Survey wurde in einem Feld von 53.3 Quadratgrad durchgeführt, wodurch das entfernungsabhängige Volumen begrenzt wird. (a) Konstruieren Sie aus diesen Daten ein Diagramm der Anzahldichte ν als Funktion des Abstands von der Galaktischen Ebene in einem geeigneten Koordinatensystem und begründen Sie die Existenz zweier Scheibenpopulationen. [5 Punkte] Das geeignete Koordinatensystem ist das einer exponentiell fallenden Anzahldichte (siehe Scheibenpotentiale im Vorlesungsskript S. 88). Diese wird zur Geraden im einfach logarithmischen Koordinatensystem. Zur Berechnung der Anzahldichte muß für jedes Intervall ∆z berechnet werden, sowie die durch das Surveyfeld bestimmte Fläche in der Entfernung√z. Nimmt man der Einfachheit halber ein quadratisches Bildfeld an, so ist dessen Kantenlänge 53.3 = 7.3◦ . Dieser Winkel entspricht einem Tangens von 0.128, so daß in jeder Entfernung z das beobachtete Volumen sich näherungsweise aus dem Produkt ∆z × (0.128z)2 zusammensetzt. Genauer geht es durch Differenzbildung von Pyramidenstümpfen, aber der Unterschied ist marginal. Die Anzahldichte wird anhand einer Division durch ein entsprechendes Volumen bestimmt und logarithmisch über dem linearen Abstand z aufgetragen. Das Ergebnis ist in der folgenden Abbildung dargestellt. -3 log ν [pc-3] -4 -5 -6 0 1000 2000 3000 4000 5000 z [pc] Die obenstehende Abbildung zeigt denn die Existenz zweier durch Geradenstücke approximierbarer Sternpopulationen. Die dünne Scheibe wird durch das linke Geradenstück approximiert, die dicke Scheibe durch das rechte. Die Addition beider Beiträge liefert die gepunktete Kurve.