Architektur und Identität

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Architektur und Identität
Die zeitgenössische, österreichische Architektur geht mit ihrem
baukulturellen Erbe eine perfekte Symbiose ein. Egal ob in den großen
Städten, auf den Bergen oder in den Weinregionen: Das dichte Miteinander
von Alt und Neu sorgt für eine unverwechselbare Identität.
Die Aufregung war riesig, damals vor rund 100 Jahren. Adolf Loos, ein Pionier der
modernen Architektur, brachte mit seinem ersten Bauprojekt am Wiener
Michaelerplatz nicht nur die Stadtbevölkerung und Presse gegen sich auf. Sondern
auch den Kaiser. Das Looshaus entsprach nicht den ästhetischen Vorstellungen.
Die schmuck- und ornamentlose Fassade direkt gegenüber dem imperialen
Prunkbau der Hofburg sorgte für „den größten Architekturskandal in der Geschichte
der Monarchie“, schrieb die Wochenzeitung „Der Morgen“ im Oktober 1910. Kaiser
Franz Josef ließ sogar alle Fenster der Hofburg verhängen, die auf das „hässliche
Gebäude“ blickten. Heute wird das Looshaus als das wahrgenommen und
geschätzt, was es ist: ein architektonisches Meisterwerk, das aus dem Stadtbild
nicht mehr wegzudenken ist.
Die Architektur gibt immer wieder Anlass zur öffentlichen Diskussion. Vor allem
dann, wenn sie sich über kulturelle oder gestalterische Konventionen hinwegsetzt
und geltende Normen sprengt. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen der Erhaltung
des baukulturellen Erbes und der Schaffung zeitgenössischer Architektur. Aber
daraus entstehen auch Gebäude, die Generationen überdauern und langfristig eine
unverwechselbare Identität schaffen. Zum Beispiel das MuseumsQuartier, vormals
die kaiserlichen Hofstallungen. Die Architekten Manfred und Laurids Ortner haben
dem Gesamtkomplex mit seiner über 300-jährigen Geschichte mithilfe
zeitgenössischer Architektur ein neues Leben geschenkt. Der Innenhof ist heute als
modernes, urbanes Wohnzimmer gestaltet – umgeben von alten und neuen
Kulturbauten. Das MuseumsQuartier ist somit einer der belebtesten Plätze der
Stadt und Ruhepol für Einheimische und Gäste im hektischen Großstadtleben.
Nicht nur in Wien ist die Kombination von Historie und Zeitgeist geglückt. Seit dem
Kulturhauptstadtjahr 2003 bereichern etwa der „Friendly Alien“ – wie das Kunsthaus
Graz von den Bewohnern der Stadt liebevoll genannt wird – oder die Murinsel das
Grazer Stadtbild. In Salzburg wachte jahrhundertelang nur die Festung
Hohensalzburg alleine über die barocken Gebäude der Mozartstadt. Heute teilt sie
sich diese Aufgabe mit dem futuristischen Museum der Moderne, das 2004 auf dem
Mönchsberg eröffnet wurde.
Die oberösterreichische Hauptstadt Linz zeigt, dass Architektur einer Stadt oder
einer ganzen Region ein neues Image verleihen kann. Wo bis vor wenigen Jahren
hauptsächlich Stahl verschmolzen wurde, verschmelzen heute Kunst, Wissenschaft
und Technologie zu einer neuen Gesamtkomposition. Das Lentos Kunstmuseum,
das Zukunfts- und Technologiemuseum Ars Electronica und das neue Musiktheater
haben zum Imagewechsel wesentlich beigetragen und auch auf die kulturellen
Wurzeln der Region nicht vergessen. Früher fast nur als Stahl- und Industriestadt
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wahrgenommen, hat sich Linz verändert und wird heute als die avantgardistische
Kunst- und Kulturstadt am Puls der Zeit gesehen.
Um einen Imagewechsel ging es auch den heimischen Winzern. Rund 60 Betriebe
in Niederösterreich, Steiermark, dem Burgenland und Wien sind in den
vergangenen Jahren die einzigartige Allianz mit der zeitgenössischen Architektur
eingegangen. Mit hohem gestalterischem Anspruch hat es die neue, dynamische
Winzergeneration geschafft, ihr verstaubtes Antlitz abzulegen. Fest verankert in
den alten Kulturlandschaften der österreichischen Weinbaugebiete ist eine
eigenständige Weinarchitektur entstanden. Die neue Architektur wird nicht nur den
Anforderungen an einen zeitgemäßen Weinbaubetrieb gerecht. Sie inszeniert auch
Erlebniswelten. Das Spektrum reicht von der Weinerlebniswelt Loisium im
niederösterreichischen Langenlois über die Weinmanufaktur Schilhan im
steirischen Gamlitz bis zu Leo Hillingers Großkellerei im burgenländischen Jois.
Über die rein architektonischen Leistungen hinaus hat Österreich auch in der
Bautechnik internationale Maßstäbe gesetzt – mit dem Ziel, energieeffiziente und
ökologisch nachhaltige Gebäude zu erschaffen. Das ist vor allem den Vorarlberger
Architekten zu verdanken, die schon seit Jahren nachwachsende und lokal
verfügbare Rohstoffe bei ihren Projekten einsetzen. Allen voran Holz. Daraus
entstand eine beeindruckende Alltagsarchitektur bei Familienhäusern mit
sparsamer Energieversorgung.
Neben den klassischen Reisezielen hat sich in Vorarlberg nun auch ein
eigenständiger Architekturtourismus entwickelt. Das Bregenzer Festspielhaus etwa
ist für Opern- und Architekturinteressierte gleichermaßen anziehend. Bei den
Veranstaltungen wird bewusst auf Nachhaltigkeit großer Wert gelegt. So werden
nur Bioprodukte aus der Region verwendet. Daraus ergibt sich eine perfekte
Symbiose von Architektur, Kultur und Nachhaltigkeit.
Der sensible Umgang mit der Natur spielt auch in der Architektur auf den
einzigartigen österreichischen Bergen eine große Rolle. Nirgendwo sonst sind die
baulichen Rahmenbedingungen derart von örtlichen Gegebenheiten abhängig. Das
schließt eine moderne Bergarchitektur aber keineswegs aus. Im Gegenteil, die
Architektur korrespondiert hier eindrucksvoll mit dem Ort. Das verdeutlicht das
Schiestlhaus im steirischen Hochschwabgebirge. Diese fortschrittliche Schutzhütte
wird vollständig aus erneuerbarer Energie und mit einer eigenen
Trinkwasseraufbereitung und Abwasserentsorgung betrieben.
Zeitgenössische, österreichische Architektur hat schon längst höchstes
internationales Niveau erreicht. Quer durchs Land gibt es sie, die architektonischen
Höhepunkte. Sie weichen von geltenden Normen deutlich ab, sind aber doch mit
lokalen Traditionen verankert. Gemeinsam mit dem baukulturellen Erbe sorgen sie
für ein lebendiges Miteinander aus architektonischer Tradition und Moderne. Das
gibt Österreich einen unverwechselbaren Charakter.
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