D eut sc he J u d en i m D i ens t d e r A l l i i e rt e n Werner Tom Angress / Ernst Cramer / Alfred Döblin Stefan Doernberg / Stefan Heym / Henry Kissinger Hans Neumann / Geoffrey Perry / Julius Posener Walter Reed / Manfred Steinfeld / Guy Stern Celia Treitel / Erwin Weinberg LESEHE F T Das Leseheft versammelt alle Texte der Sonderausstellung D e u t s c h e Ju d e n i m D i e n s t de r Al l i i e rt e n im AlliiertenMuseum, Berlin 15. März – 1. Dezember 2013 Deutsche Ju d en im Dienst d er Alliierten Im Themenjahr „Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938-1945“ zeigt das AlliiertenMuseum eine Ausstellung über ein kaum bekanntes Kapitel deutsch-jüdischer Geschichte. Während dem nationalsozialistischen Rassenwahn über sechs Millionen europäische Juden zum Opfer fielen, gelang es rund 30 000 der Verfolgten aus dem Deutschen Reich zu fliehen. Nicht wenige von ihnen kehrten im Zweiten Weltkrieg im Dienst der Alliierten nach Europa zurück. Auch deutsche Juden landeten an den Stränden der Normandie, kämpften an der Front, befreiten Konzentrationslager, arbeiteten in den Militärverwaltungen der vier Besatzungsmächte und gestalteten die politische Zukunft Deutschlands mit. Sie waren für Entnazifizierung und Reeducation zuständig und bauten ein demokratisches Rundfunk- und Pressewesen auf. Nach Kriegsende kehrten die Meisten Deutschland für immer den Rücken, manche setzten sich für Versöhnung ein. Nur wenige entschlossen sich zu bleiben. Die Sonderausstellung veranschaulicht vierzehn bewegte und bewegende Biographien, welche die Erzählungen über Leid und Opfer deutscher Juden im Zeichen nationalsozialistischer Vernichtungspolitik ergänzen. Originalexponate, Fotografien und Zeitzeugeninterviews lassen die denkwürdigen Schicksale lebendig werden. FLUCHT UND EMIGRATION U nmittelbar nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 begann die Verfolgung und Verhaftung von Juden und anderen „Feinden“ des Nationalsozialismus. Sehr bald entstanden erste Konzentrationslager. Die diskriminierenden „Nürnberger Rasse-Gesetze“ von 1935 machten das Leben für Juden in Deutschland vollends unerträglich. Z wischen 1933 und 1938 gab es deshalb die größten Flüchtlingswellen aus dem Deutschen Reich. Je mehr Zeit verstrich, desto schwieriger wurde es allerdings zu fliehen. Spätestens nach den Novemberpogromen von 1938 war offenkundig, dass Juden in Deutschland in Lebensgefahr waren. Doch eine Emigration war kostspielig und mit vielen bürokratischen Hindernissen verbunden. Sämtliches Eigentum und Vermögen musste zurück gelassen werden, so dass die meisten deutschen Juden mittellos in der Fremde ankamen. Eine Auswanderung war mit Statusverlust verbunden; Arbeit zu finden, war im Exil oft sehr schwierig. Selbst jüdische Familien, die – trotz weitgehender Berufsverbote – Rücklagen gebildet hatten, konnten oft nur einem ihrer Kinder die Flucht ermöglichen, die zunächst vielfach in europäische Nachbarländer führte. D ie Konferenz von Evian 1938, in der darüber diskutiert wurde, wie den Juden im Deutschen Reich geholfen werden könnte, zeigte jedoch, dass sich die Aufnahmebereitschaft der meisten Staaten in Grenzen hielt. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges gab es nur wenige Länder, in denen Juden in Sicherheit waren. LEBEN IM EXIL F lüchtlinge versuchten zunächst bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen, die bei den Behörden für die Neuankömmlinge bürgen mussten. Oftmals fehlende Sprachkenntnisse erschwerten die Eingewöhnung. Nicht wenige der jüngeren Flüchtlinge verdienten sich tagsüber mit kleinen Jobs etwas Geld und besuchten abends eine Schule. Ältere Flüchtlinge konnten ihren erlernten Beruf häufig nicht mehr ausüben und hatten in der Fremde größte Schwierigkeiten. Fast niemand wusste, ob er zur dauerhaften Emigration gezwungen oder vorübergehend im Exil war. O bwohl deutsche Juden Verfolgte des NS-Staates waren, galten sie nach Kriegsbeginn 1939 vor allem in den Staaten des Commonwealth und den USA als „Enemy Aliens“ – als feindliche Ausländer. In Großbritannien, Kanada und Australien führte dies zu Verhaftungen und sogar Internierungen. In den USA, erst seit 1941 im Krieg gegen NS-Deutschland und seine Verbündeten, wurde eine öffentliche Debatte über den Umgang mit „Enemy Aliens“ geführt. Internierungen blieben zwar aus, aber Skepsis und Misstrauen gegenüber deutsch-jüdischen Emigranten blieben groß. Erst im weiteren Kriegsverlauf erkannte man, dass sie für den Kampf gegen NS-Deutschland unverzichtbar waren. In den von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern wie Frankreich war das Leben der Juden weiterhin in Gefahr. Selbst im unbesetzten Frankreich wurden sie verfolgt. In alliierten Diensten D ie Angst vor Spionage und Sabotage durch deutsch-jüdische Flüchtlinge war in Großbritannien so groß, dass man sich erst spät entschloss, diese Gruppe zu rekrutieren oder sie freiwillig dienen zu lassen. Allerdings entschied man, sie nicht zu bewaffnen. Somit wurde das „Schaufelregiment“ zur Heimat aller bisherigen „Enemy Aliens“. Der Versetzung zu den Pionieren entsprach bei den USStreitkräften die Verwendung deutsch-jüdischer Flüchtlinge als unbewaffnete Sanitäter. Erst ab 1943 dienten deutsche Juden in allen bewaffneten Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition. A lliierte Geheimdienste und Propagandaabteilungen setzten deutsche Juden vielfach als Übersetzer, Analysten und Verhörspezialisten ein. Besonders die „Ritchie Boys“ – benannt nach Camp Ritchie in Maryland, wo sie ausgebildet wurden – erlangten Berühmtheit. Zu ihnen zählten überwiegend europäische Flüchtlinge, darunter viele deutschen Juden. Schriftsteller, Theaterregisseure, Akademiker und Intellektuelle entwickelten bei den „Ritchie Boys“ ihre eigenen Methoden der psychologischen Kriegführung gegen den Faschismus. A uch die britischen Streitkräfte, de Gaulles Armee des „Freien Frankreich“ und die Rote Armee machten sich das Know-how der Flüchtlinge zunutze, die Flugblätter, Zeitungen und Rundfunksendungen produzierten und so versuchten, deutsche Wehrmachtssoldaten zur Kapitulation zu bewegen. Nach 1945: bleiben, gehen, remigrieren? F ür die meisten deutsch-jüdischen Flüchtlinge, die in der Endphase des Zweiten Weltkriegs 1944/45 im Dienst der Alliierten nach Deutschland zurück kamen, war eine Zukunft im Land der Täter nicht vorstellbar. Vielfach bereits im Kindesalter geflohen, verstanden sich die Befreier inzwischen als Angehörige jener Nation, für die sie in den Kampf gezogen waren. Vor allem das Wissen um die nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen und oftmals auch um die Ermordung ihrer Familien im Holocaust zerstörte jegliches Heimatgefühl. W ährend der alliierten Besetzung Deutschlands waren zahlreiche Juden für die Militärregierungen in den vier Zonen tätig. Nicht wenige zeigten sich enttäuscht, als die Anti-Hitler-Koalition zerfiel und der beginnende Kalte Krieg dazu führte, dass die Alliierten mit dem ehemaligen Feind kooperierten und sogar NS-Mitläufer für die Rüstungsindustrie rekrutierten. W er in Deutschland blieb, sah sich meist mit dem Unverständnis anderer Emigranten ausgesetzt. Die Motive für eine Rückkehr waren unterschiedlich. Manche wussten nicht, wohin sie gehörten. Andere wollten an der Gestaltung eines besseren Deutschland mitwirken. Den Rückkehrern ist es mit zu verdanken, dass jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 wieder Wurzeln schlug. V or k rieg s z eit Werner Karl Angress erlebte bis 1936 eine unbekümmerte Kindheit in Berlin. Als die Situation für Juden immer bedrohlicher wurde, bereitete er sich auf dem Auswandererlehrgut Groß Breesen (Schlesien) mit landwirtschaftlichen Kursen auf ein Leben in Palästina vor. 1937 flüchtete Angress nach Amsterdam, dann in die USA. Seine Mutter und zwei Brüder konnten sich in Holland verstecken. Als er 1940 US-Staatsbürger wurde, nannte er sich mit zweitem Vornamen nach Mark Twains Romanheld Tom Sawyer. Krieg s z eit W. Angress verpflichtete sich 1941 freiwillig. In Camp Ritchie, Maryland, wurde er zum Verhörexperten für Kriegsgefangene geschult. In der Nacht des „D-Day“, am 6. Juni 1944, sprang er mit der 82. US-Luftlandedivison über der Normandie ab. Auf der Suche nach seinen versprengten Kameraden geriet er in deutsche Gefangenschaft, doch vorrückende US-Truppen befreiten ihn wieder. W. Angress kämpfte in Frankreich, den Benelux-Ländern und im Deutschen Reich. 1945 betrachtete er die Mehrheit der deutschen Bevölkerung als einen „verdorbenen Haufen“. Im Schlosspark Ludwigslust war er am 7. Mai 1945 Zeuge, als 200 tote Häftlinge des kurz zuvor befreiten Konzentrationslagers Wöbbelin, begraben wurden. Zuletzt verhörte W. Angress SS-Soldaten. Er verzichtete auf eine Beförderung, um Deutschland und den Krieg so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. B iografi s che Stationen 1920 In Berlin geboren 1937-1939 Flucht über Amsterdam und England in die USA 1941 Eintritt in die US-Armee 1943 Versetzung nach Camp Ritchie Dieser Staat, diese Nation hat ihr Existenzrecht verwirkt. © Dependance des Archivs des Leo Baeck Institutes am Jüdischen Museum Berlin, Schenkung von Werner Tom Angress Werner Tom Angress als Feldwebel der 82. US-Luftlandeeinheit. Juli 1944 N ach k rieg s z eit Auf der Suche nach seiner Familie, die in Holland untergetaucht war, fand W. Angress am 13. Mai 1945 – es war Muttertag – seine Mutter und beide Brüder wieder. Der Vater war in Auschwitz ermordet worden. Nach Rückkehr in die USA begann er eine Laufbahn als Historiker und Hochschullehrer. Später reiste er wiederholt nach Deutschland, bis er sich im Alter von fast 70 Jahren entschloss, an seinen Geburtsort Berlin zurückzukehren. Bis zu seinem Tod berichtete Werner Angress an vielen Schulen über sein wechselvolles Leben. 1944 Fallschirmabsprung am „D-Day“ in der Normandie 1945 Rückkehr in die USA 1988 Remigration nach Berlin 2010 In Berlin gestorben V or k rieg s z eit Ernst Cramer war 1933 Mitbegründer des Bundes deutsch-jüdischer Jugend, aus dem später das Auswandererlehrgut Groß Breesen (Schlesien) hervorging. Junge, oft städtische Juden bereiteten sich dort auf landwirtschaftliche Arbeit im Ausland vor. E. Cramer war Assistent der Gutsleitung. Nach den Novemberpogromen wurde er verschleppt und im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Ein bereits vorhandenes Visum war lebensrettend und ebnete ihm den Weg in die USA. Aus seiner Familie überlebte nur seine Schwester den Holocaust. Krieg s z eit Nach der deutschen Kriegserklärung an die USA meldete sich E. Cramer 1941 freiwillig zur Armee. Obwohl man deutschen Flüchtlingen misstraute und sie oft der Spionage verdächtigte, wurde er 1942 eingezogen. Wie viele deutsche Juden fand er in der psychologischen Kriegführung Verwendung. Am 8. Juni 1944 landete er in der Normandie. Im April 1945 besichtigte er das kurz zuvor befreite Konzentrationslager Buchenwald. Der tiefe Schock über das Gesehene bewegte ihn zu bleiben. E. Cramer wollte mithelfen, ein besseres und gerechteres Deutschland wiederaufzubauen. N ach k rieg s z eit Nach 1945 war er mehrere Jahre stellvertretender Chefredakteur bei der von der USBesatzungsmacht herausgegebenen „Neuen Zeitung“. E. Cramer zählte zu jenen Offizieren, die sich nachhaltig um eine pluralistische Presselandschaft verdient machten. Von 1958 an bestimmte er in Berlin die Geschicke des Axel Springer Verlags mit: in der B iografi s che Stationen 1913 In Augsburg geboren 1938 Auswanderer-Lehrgut Groß Breesen / deportation ins KZ Buchenwald 1938 Flucht in die USA 1941 Freiwilliger Kriegsdienst Nach dem Furchtbaren, das wir gesehen haben, finde ich, es ist nahezu meine Pflicht hierzubleiben. © privat Eine der wenigen überlieferten Aufnahmen von Ernst Cramer als Soldat. Camp Ripley, Minnesota, 1942 Chefredaktion der „Welt“, als Herausgeber der „Welt am Sonntag“ und als Vorstandsvorsitzender der Springer Stiftung. Zeit seines Lebens setzte sich Ernst Cramer für die Aussöhnung zwischen Israel und Deutschland ein. In beiden Ländern wurden ihm Auszeichnungen und Würdigungen zuteil. 1945 Besichtigung des befreiten KZ Buchenwald 1948-1954 Presseoffizier und Redakteur der „Neuen Zeitung“ 1958 Wechsel zum Axel Springer Verlag 2010 In Berlin gestorben V or k rieg s z eit Alfred Döblin entstammte einer bürgerlichen jüdischen Familie. Er begann eine Laufbahn als Nervenarzt und war im Ersten Weltkrieg an der Westfront im Einsatz. Sein Romanerfolg „Berlin Alexanderplatz“ machte ihn zu einem einflussreichen Schriftsteller der Weimarer Republik, was ihn nicht vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten schützte. Im Februar 1933 flüchtete A. Döblin über Zürich nach Paris und nahm 1936 die französische Staatsbürgerschaft an. Krieg s z eit Nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen 1939 war A. Döblin beim französischen Propagandaministerium tätig. Er verfasste Flugblätter, die sich an deutsche Soldaten richteten. Als Paris von deutschen Truppen besetzt wurde, floh er mit seiner Frau nach Südfrankreich und setzte sich über Lissabon schließlich in die USA ab. In Hollywood verdingte sich Döblin erfolglos als Drehbuchautor. N ach k rieg s z eit Der politisch links orientierte Schriftsteller kehrte im November 1945 in französischer Offiziersuniform nach Deutschland zurück. Als Literaturinspekteur der Militärregierung in Baden-Baden und Mainz oblag ihm die inhaltliche Prüfung von Manuskripten deutscher Autoren. A. Döblin baute den Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) mit auf und führte an der Akademie der Wissenschaften und Literatur eine Literaturklasse ein. Als Herausgeber der von den Franzosen finanzierten, literarischen B iografi s che Stationen 1918 In Stettin geboren 1914-1918 Lazarettarzt im Heer des Deutschen Kaiserreichs 1933 Flucht nach Frankreich 1936 Einbürgerung 1939 In Diensten des französischen Propagandaministeriums Und als ich wiederkam, da – kam ich nicht wieder. © Deutsches Literaturarchiv Marbach Der Literaturinspekteur der französischen Besatzungsmacht Alfred Döblin. Um 1947 Monatszeitschrift „Das goldene Tor“ beanspruchte A. Döblin nicht weniger, als in Deutschland „die Menschheit“ wiederherzustellen. Von den politischen Entwicklungen enttäuscht, kehrte er dem Land 1953 erneut den Rücken. Für Klinikaufenthalte kam er jedoch mehrmals nach Deutschland zurück. Alfred Döblin starb 1957 bei Freiburg i. Br. an den Folgen einer Parkinson-Krankheit. 1940 Flucht in die USA 1945 Beauftragter der französischen Militärregierung in Deutschland 1953 Rückkehr nach Frankreich 1957 In Emmendingen während eines Klinikaufenthalts gestorben V or k rieg s z eit Stefan Doernberg wurde als Sohn eines jüdischen KPD-Funktionärs geboren. Er war 11 Jahre alt, als seine Eltern 1935 mit ihm nach Moskau emigrierten. Mit 15 trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands bei, der im Deutschen Reich im politischen Untergrund agierte. Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion meldete er sich freiwillig zur Roten Armee. Krieg s z eit St. Doernberg nahm an Kämpfen in der Ukraine, in Polen und im April/Mai 1945 an der Schlacht um Berlin teil. An den Fronten stellte er Flugblätter her und schrieb Aufrufe, die per Lautsprecher übertragen wurden. Deutsche Wehrmachtssoldaten zur Kapitulation zu bewegen, gelang der sowjetischen Propaganda allerdings selten. Am 2. Mai 1945 übersetzte St. Doernberg für seinen Stab den Aufruf von Wehrmachtsgeneral Weidling, dem Befehlshaber des Berliner Verteidigungsbereichs, an dessen Truppen in Berlin, die Kampfhandlungen einzustellen. N ach k rieg s z eit Von 1946 bis 1950 diente St. Doernberg bei der Sowjetischen Militäradministration Mecklenburg. Er war Dolmetscher und außenpolitischer Redakteur der von der Besatzungsmacht herausgegebenen „Täglichen Rundschau“, dem Gegenstück zur amerikanischen „Neuen Zeitung“. In diesen Jahren absolvierte er auch ein Fernstudium der Geschichte und übernahm 1955 in Ost-Berlin einen Lehrstuhl. St. Doernbergs Wirken blieb herausragend und einflussreich: als kritischer Historiker widmete er sich vor B iografi s che Stationen 1924 In Berlin geboren 1935 Emigration in die Sowjetunion 1939 Mitglied im Kommunistischen Jugendverband Deutschlands 1941 Eintritt in die Rote Armee 1945/1946 Dienst bei der Sowjetischen Militäradministration Mecklenburg Ich war ja nicht gegen Deutsche, ich war gegen Faschisten, das ist etwas anderes. © privat Stefan Doernberg als junger Offizier der Roten Armee. 1945 allem friedenspolitischen Themen. Im Entspannungsprozess zwischen Ost und West, der 1975 bei der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) zur „Schlussakte von Helsinki“ führte, war er DDR-Repräsentant des „Helsinki-Komitees“. Ab 1982 vertrat er die DDR als Botschafter in Finnland. Stefan Doernberg gilt als wichtiger Vertreter der Zeitgeschichte in der DDR. 1946-1950 Außenpolitischer Redakteur 1955 Lehrstuhl für Allgemeine Geschichte am Institut für Gesellschaftswissenschaften in Ost-Berlin 1982-1987 Botschafter der DDR in Finnland 2010 In Berlin gestorben vormals HELMUT F LIEG V or k rieg s z eit Der Chemnitzer Helmut Flieg veröffentlichte 1932 ein antimilitaristisches Gedicht und handelte sich damit eine Auseinandersetzung mit der örtlichen NSDAP und einen Schulverweis ein. Sein Abitur legte er in Berlin ab. Der NS-Terror nach dem Reichstagsbrand 1933 ließ ihn nach Prag flüchten und seinen Namen ändern. Dank eines Stipendiums konnte er in Chicago studieren und promovieren. In New York war er Chefredakteur des „Deutschen Volksecho“. Sein erster Roman „Hostages“ machte ihn in den USA bekannt. Krieg s z eit 1943, im Jahr seiner Einbürgerung, wurde St. Heym zur US-Armee eingezogen und in Camp Ritchie, Maryland, für die psychologische Kriegführung ausgebildet. Während der alliierten Invasion in Nordfrankreich schrieb er für die „Frontpost“, die hinter die deutschen Linien geschossen wurde. Nach der Eroberung des Senders Radio Luxemburg gestaltete er dessen Programm mit, das bis weit ins Deutsche Reich ausgestrahlt wurde. N ach k rieg s z eit 1945 wurde St. Heym Presseoffizier bei der von der US-Besatzungsmacht herausgegebenen „Ruhr-Zeitung“ und der „Neuen Zeitung“. Prosowjetisch eingestellt, eckte er jedoch bald an. Als Schriftsteller kehrte er in die USA zurück. Antikommunistische Auswüchse der „McCarthy-Ära“ veranlassten ihn erneut zur Flucht. 1953 remigrierte er B iografi s che Stationen 1913 In Chemnitz geboren 1933 Flucht nach Prag /Namensänderung 1935 Studium in den USA 1937-1939 Chefredakteur beim „Deutschen Volksecho“ 1943 Einberufung / US-Staatsbürgerschaft Ich habe geweint, als ich mein Gewehr bekam. Ich war nicht mehr wehrlos. Zum ersten Mal konnte ich mich verteidigen. © privat Stefan Heym mit Gewehr und Stahlhelm vor einem Tarnnetz. Vermutlich Normandie, 1944 nach Ost-Berlin, wo er als kritischer Intellektueller bis zum Ende der DDR wiederholt mit dem Regime in Konflikt geriet. Manche seiner Bücher erschienen nur im Westen, wo er zu einem der bekanntesten DDR-Autoren avancierte. 1994 wurde er als unabhängiger Kandidat über die Liste der SED-Nachfolgepartei PDS in den gesamtdeutschen Bundestag gewählt. Seine Eröffnungsrede als Alterspräsident wurde von der CDU/CSU mit Nichtachtung gestraft, was für einen Eklat sorgte. 1995 legte Stefan Heym sein Mandat nieder und widmete sich erneut dem Schreiben. 1944 Landung in der Normandie / Einsatz in der psychologischen Kriegsführung 1945 Rückkehr in die USA / freier Schriftsteller 1953 Remigration in die DDR 1994/1995 Alterspräsident des gesamtdeutschen Bundestag 2001 Auf einer Israelreise gestorben vormals HEIN Z A L F RE D K ISSINGER V or k rieg s z eit Heinz Kissinger erlebte im bayerischen Fürth als Sohn eines Oberstudienrats eine unbeschwerte Kindheit. Seine Familie verstand sich als Teil der deutschen Mittelschicht, doch ihr Verhältnis zum eigenen Land änderte sich mit dem Berufsverbot des Vaters. Heinz und sein Bruder erhielten Schulverbot und wurden von Hitlerjungen verprügelt. Der Familie gelang es, noch vor den Novemberpogromen zu emigrieren. Sie zog nach Washington Heights, einer New Yorker Hochburg deutschsprachiger Flüchtlinge. H. Kissinger konnte sich rasch in die amerikanische Gesellschaft integrieren. Tagsüber arbeitete er in einer Fabrik, abends besuchte er die Schule. Krieg s z eit 1943 wurde H. Kissinger amerikanischer Staatsbürger und trug fortan den Vornamen Henry. Er war 21 Jahre alt, als er am „D-Day“ mit den ersten Invasionstruppen in der Normandie landete. Bald wurde er zum Heeresnachrichtendienst, dem Counter Intelligence Corps, versetzt. Als Unteroffizier gelangte er 1945 nach Deutschland und erlebte die letzten Kriegstage in Hessen. In seinem Einsatzgebiet hatte er für öffentliche Sicherheit zu sorgen. Seine Spezialaufgabe war es jedoch, höhere Ränge des NS-Regimes aufzuspüren und zu verhaften. Von seinen Verwandten, die in Fürth zurückgeblieben waren und deren Schicksal er ausfindig zu machen versuchte, hatte niemand den Holocaust überlebt. B iografi s che Stationen 1923 In Fürth geboren 1938 Flucht nach New York 1943 Einbürgerung 1943 Eintritt in die US-Armee 1945/1946 Militärgeheimdienst in Bensheim (Hessen) Eines Tages werde ich zurückkomme © Dr. Kissinger Henry Kissinger (rechts), ein Kamerad und belgische Mädchen freuen sich über ihr Gruppenbild. 1945 N ach k rieg s z eit H. Kissinger blieb bis April 1946 für die US-Besatzungsmacht in Hessen, wo er dazu beitrug, deutsche Kriegsverbrechen aufzuklären. Nach seiner Rückkehr studierte er in Harvard Politikwissenschaften. Später schlug er eine politische Laufbahn ein. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er von 1973 bis 1977 Außenminister der US-Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford. Der betagte Friedensnobelpreisträger ist bis heute als politischer Spitzenberater seines Landes tätig. 1946/1947 Ausbilder an der US-Geheimdienstschule in Oberursel (Taunus) 1947 Harvard-Universität 1973-1977 US-Außenminister Lebt in den USA V or k rieg s z eit Als Sozialdemokrat und Mitglied beim „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“, der die Weimarer Republik gegen innenpolitische Feinde von links wie rechts verteidigte, bekämpfte Hans Neumann schon vor 1933 die Straßengewalt der NSDAP. 1936 musste der Textilkaufmann Hals über Kopf vor der Gestapo fliehen. H. Neumann meldete sich als Freiwilliger für einen Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg. Von 1937 an kämpfte er in den Reihen der Internationalen Brigaden gegen das faschistische Franco-Regime. Nach der Niederlage in Spanien schlug er sich 1939 nach Holland durch. Krieg s z eit Als die Wehrmacht Holland besetzte, floh H. Neumann nach Frankreich und ließ sich von der Fremdenlegion anwerben. Doch bald war er erneut Verfolgung ausgesetzt: „Vichy-Frankreich“, das mit der deutschen Besatzungsmacht kollaborierte, machte jüdische Fremdenlegionäre zu Zwangsarbeitern. In Strafkompanien mussten sie unter mörderischen Bedingungen einen Schienenweg quer durch die Sahara legen. 1943 wurde H. Neumann von General de Gaulles Exilarmee befreit. Wie zahlreiche Kameraden schloss er sich seinem Befreier an und war in Nordafrika und in Italien im Einsatz. In der Uniform des „Freien Frankreich“ landete er 1944 an der Côte d’Azur, um den Kampf gegen die deutschen Besatzer aufzunehmen. Wenig später marschierte H. Neumann mit de Gaulles Armee und den amerikanischen Befreiern in Paris ein. Im Sommer 1945 quittierte er den Militärdienst und kehrte nach Deutschland zurück. B iografi s che Stationen 1902 In Breslau geboren 1936 Flucht nach Prag 1937 Als internationaler Brigadist Kampfeinsatz im Spanischen Bürgerkrieg 1939 Flucht nach Holland 1940 Flucht nach Frankreich / Eintritt in die Fremdenlegion © privat Hans Neumann in der Armee „Freies Frankreich“ unter General de Gaulle. 1944/45 N ach k rieg s z eit Erst hier erfuhr er vom Ausmaß des Völkermords an den europäischen Juden. In Fulda lernte er Frania Broner kennen, eine polnische Jüdin und Auschwitz-Überlebende. Sie heirateten 1947 und bauten ein Textilgeschäft auf. Bis zu seinem Tode 1972 war H. Neumann Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Fulda. Sein Sohn Moritz pflegt die Erinnerung an Hans Neumann weiter. 1940 Als Jude in Strafkompanie in die Sahara versetzt 1943 Befreiung durch de Gaulles Exilarmee 1944/1945 Einsatz in de Gaulles „Freien Französischen Streitkräften“ 1945 Rückkehr nach Deutschland / Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Fulda 1972 In Fulda gestorben vormals Horst Pinschewer V or k rieg s z eit Geoffrey Perry wuchs als Horst Pinschewer in Berlin auf. Seine Eltern besaßen eine kleine Fabrik, die der Hutproduktion zuarbeitete. Sie erkannten bereits ab 1935 die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging und beschlossen, Horst und seine beiden Geschwister nach England zu schicken. In den Schulferien kamen sie zu Besuch, doch dann wurde es zu gefährlich. Die Eltern folgten ihren Kindern später nach. Von 1938 an arbeitete der 16-jährige G. Perry in England als Pressefotograf. Krieg s z eit Mit Kriegsausbruch wurde G. Perry als „feindlicher Ausländer“ vorübergehend interniert. Später meldete er sich freiwillig, wurde aber, wie die meisten deutschen Flüchtlinge, zunächst nur für eine unbewaffnete Pionier-Einheit zugelassen. Nach der alliierten Invasion in der Normandie brauchte man ihn jedoch als Verhörspezialisten und später als Presseoffizier in der Abteilung für psychologische Kriegführung. Wenige Tage nach der Befreiung sah er im Konzentrationslager Bergen-Belsen mit eigenen Augen die schrecklichen Konsequenzen des Holocaust. Beim Einmarsch britischer Truppen war G. Perry an der Übernahme von Radio Hamburg beteiligt. Für die Durchsagen der Besatzungsmacht nutzte er jenes Mikrofon, in das kurz zuvor noch William Joyce, britischer Faschist in deutschen Diensten, letzte Durchhalteparolen gesprochen hatte. Es war G. Perry, der ihn wenige Tage später in einem Wald bei Flensburg stellte und verhaftete. B iografi s che Stationen 1922 In Berlin geboren 1935 Emigration nach England 1939 Internierung als „feindlicher Ausländer“ 1940 Freiwillige Meldung in das Pionierkorps 1944 Verhörspezialist in der Normandie I shot William Joyce! © privat Der Pionier Horst Pinschewer. England, 1940 N ach k rieg s z eit Im Norden der britischen Besatzungszone war G. Perry führend am Aufbau eines freien Presse- und Rundfunkwesens beteiligt. Er war Redakteur des „Hamburger NachrichtenBlatt“ und zählte zu den Gründern der Tageszeitung „Die Welt“. Das Flaggschiff der britischen Pressepolitik wurde früh zu einem Leitmedium der jungen Bundesrepublik. Zurück in Großbritannien machte er Karriere als Verleger und Herausgeber und trat mit neuen Konzepten für den Zeitschriftenvertrieb hervor. Geoffrey Perry lebt in London. 1944/45 Einsatz in der psychologischen Kriegsführung 1945 Verhaftung des britischen Faschisten William Joyce 1946 Rückkehr nach England Lebt in London V or k rieg s z eit Julius Posener wurde in Berlin in eine großbürgerliche jüdische Familie hineingeboren. Dem Zionismus, für den sich sein älterer Bruder begeisterte, konnte er nicht viel abgewinnen. An der Technischen Hochschule studierte er Architektur. 1933 flüchtete er nach Frankreich und ging zwei Jahre später nach Palästina. Krieg s z eit Als die Erfolge der Wehrmacht in Nordafrika 1941 auch Palästina und die Idee eines Staates Israel gefährdeten, meldete sich J. Posener freiwillig zur britischen Armee. Er wurde Royal Engineer und kurz darauf zum Offizier befördert. Mit Stolz schrieb er später an seine Familie, am 6. April 1945 als erster Palästinenser den Rhein überquert zu haben. Den alliierten Sieg über NS-Deutschland erlebte er im Rheinland. N ach k rieg s z eit Seine Erfahrungen als Besatzungsoffizier hielt J. Posener in dem bis 2001 unveröffentlichten Manuskript „In Deutschland 1945 bis 1946“ fest. Darin kritisierte er auch die britische Politik. Das Ziel des „Umerziehungs-Programms“ – zwölf Jahre Nationalsozialismus gleichsam über Nacht aus den Köpfen der Deutschen zu verbannen – hielt er für fragwürdig; den demokratischen Neuaufbau für unzulänglich geplant. Hinsichtlich der Deutschen widerten ihn Anbiederung, Reue und Betroffenheit an, die er als heuchlerisch empfand. Dass ehemalige Nationalsozialisten wieder in öffentliche Ämter gelangt B iografi s che Stationen 1904 In Berlin geboren 1933-1935 Flucht via Frankreich nach Palästina 1941 In Palästina Eintritt ins britische Militär 1943 Teilnahme am Italienfeldzug der Alliierten 1945 Einsatz im Rheinland Was ich heute empfinde, ist so gemischt aus Erlösung, Furcht, Hoffnung, Schmerz, dass ich es nicht beschreiben kann. © Akademie der Künste, Berlin Julius Posener als Leutnant der britischen Armee. 1945 waren, hielt er für inakzeptabel. J. Posener verlängerte 1947 seine Dienstzeit: für den Geheimdienst beobachtete er nun in der Britischen Zone das politische Leben, sah sich jedoch von interner Zensur behindert. Sein Plan, als Lehrer oder Journalist in Deutschland zu bleiben, ließ sich nicht realisieren. J. Posener zog nach London, wurde britischer Staatsbürger und heiratete. 1961 nahm er einen Ruf an die Berliner Hochschule für Bildende Künste an und war dort zehn Jahre lang als Professor für Baugeschichte tätig. Als Architekturhistoriker wirkte Julius Posener bis zu seinem Tode in Berlin. 1946 Rückkehr nach Palästina 1948 Einbürgerung in Großbritannien 1961 Remigration nach Berlin / Hochschule für Bildende Künste 1972 Vorsitzender des Deutschen Werkbundes 1996 In Berlin gestorben V or k rieg s z eit Werner Moritz Rindsberg wuchs in Mainstockheim (Bayern) auf. In der Reichspogromnacht verhaftete die SA ihn und seinen Vater. Als Kind ließ man ihn nach drei Tagen frei; sein Vater wurde ins KZ Dachau deportiert. 1939 schickten die Eltern den Jungen mit einem Kindertransport nach Belgien. Er sah seine Familie nie wieder. 1940, nach dem Einmarsch deutscher Truppen, kamen die Kinder mit Hilfe ihrer belgischen Beschützer nach Südfrankreich. 1941 flüchtete W. Rindsberg weiter nach New York, wo er tagsüber Geld verdiente und abends zur Schule ging. Krieg s z eit Nach Kriegseintritt der USA wurde W. Rindsberg als 19jähriger zur Armee eingezogen, obwohl er lieber die Schule beendet hätte. Aus Angst vor Benachteiligung verschleierte er seine jüdische Herkunft und gab sich als Walter Reed eine amerikanische Identität. Sechs Tage nach dem „D-Day“ landete er in der Normandie und diente unter General Patton im befreiten Paris als Übersetzer. Einer geheimdienstlichen Spezialeinheit zu gehörig, verhörte er bis Kriegsende deutsche Kriegsgefangene und Zivilisten nahe der Front. N ach k rieg s z eit In der amerikanischen Besatzungszone war W. Reed als Geheimagent im Heeresnachrichtendienst in Hessen tätig. Im Zuge der Entnazifizierung spürte er an der Universität Marburg ehemalige NSDAP-Mitglieder auf. Im Juli 1945 fuhr W. Reed in seine frühere Heimat. Nachbarn berichteten von der Deportation seiner Familie in ein Arbeitslager im B iografi s che Stationen 1924 In Würzburg geboren 1939 Kindertransport nach Belgien 1940 Flucht nach Frankreich 1941 Flucht nach New York 1943 Einberufung Alle waren total ‚brainwashed‘. Wenn die Deutschen nicht Juden zur Vernichtung ausgewählt hätten, wäre ich in meinem Dorf sicher der enthusiastischste Hitlerjunge geworden – da habe ich keine Zweifel. © privat Walter Reed als frisch eingezogener Soldat der US-Armee. Frühjahr 1943 Osten. Was das bedeutete, fand er erst später heraus. 1946 verließ er die Armee und kehrte in die USA zurück, wo er studierte und Public-Relations-Experte wurde. Vor 15 Jahren sah er die Zeit gekommen, seine wahre Identität und Geschichte öffentlich zu machen. Bis heute tritt Walter Reed als Mahner auf, der vor Hass unter den Menschen warnt. 1944 Landung in der Normandie 1945 Entnazifizierung an der Universität Marburg 1946 Entlassung aus Armee Lebt in Wilmette, Illinois V or k rieg s z eit Manfred Steinfeld wuchs im hessischen Josbach auf. Nach den Novemberpogromen 1938 setzte seine Mutter alles daran, ihn und seine Geschwister außer Landes zu bringen. Der Bruder gelangte nach Palästina, während die Flucht der Schwester mit einem Kindertransport nach England scheiterte. Das Mädchen und die Mutter wurden später in einem Konzentrationslager ermordet. Mit Hilfe einer jüdischen Auswanderungshilfsorganisation entkam M. Steinfeld in die USA. In Chicago, wo Verwandte lebten, verdiente sich der 14-Jährige als Zeitungsjunge sein erstes Geld. Krieg s z eit 1943 erhielt M. Steinfeld seine Einberufung und die US-Staatsbürgerschaft. Als NeuAmerikaner wollte er seinen persönlichen Beitrag zum Sieg über den Faschismus leisten. In Camp Ritchie, Maryland, wurde er geschult, um Verhöre zu führen und Luftbilder auszuwerten. Als Fallschirmjäger der 82. US-Luftlandedivision landete er im September 1944 in den Niederlanden. Am 2. Mai 1945 erlebte er ein amerikanisch-sowjetisches Zusammentreffen an der Elbe bei Ludwigslust mit. Wenige Tage vor dem endgültigen Zusammenbruch des Deutschen Reiches übersetzte M. Steinfeld die Urkunde der Teilkapitulation der deutschen Heeresgruppe Weichsel unter General von Tippelskirch. Am selben Tag zählte er zu den Befreiern des Konzentrationslagers Wöbbelin. B iografi s che Stationen 1924 In Josbach (Hessen) geboren 1938 Flucht via Amsterdam nach New York und Chicago 1943 Eintritt in die US-Armee / Einbürgerung 1944 Kampfeinsatz in Holland 1945 Zusammentreffen mit der Roten Armee an der Elbe Wir mussten tun, was zu tun war! © privat Manfred Steinfeld (rechts) bei einem Zusammentreffen seiner Einheit mit der Roten Armee an der Elbe. Grabow, 2. Mai 1945 N ach k rieg s z eit Bei Kriegsende gehörte M. Steinfeld zum Heeresnachrichtendienst. Auf Hinweis einer KZ-Überlebenden nahm er in Boitzenburg einen Mann fest, der sich später als stellvertretender Kommandant des KZ Ravensbrück herausstellte. Danach wurde M. Steinfeld in den US-Sektor von Berlin verlegt. In Dahlem requirierte er Wohn- und Arbeitsräume für den Stab seiner Division. Nach seiner Rückkehr in die USA im Oktober 1945 machte er als erfolgreicher Geschäftsmann Karriere in der Möbelbranche. Manfred Steinfeld lebt in Chicago und Boca Raton, Florida. 1945 Befreiung des KZ Wöbbelin 1945 Stationierung in Berlin 1945 Rückkehr in die USA Lebt in Chicago und Florida vormals G Ü NTHER STERN V or k rieg s z eit Günther Stern war der einzige seiner Familie, dem 1937 die Flucht in die USA gelang, per Schiff über den Atlantik. Ein Onkel in Amerika verschaffte ihm, was jeder Flüchtling benötigte: die „Affidavit“ genannte Bürgschaft. G. Stern ließ sich in St. Louis, Missouri, nieder, wo er zunächst als Kellner arbeitete. Bürgschaften für seine in Deutschland zurückgebliebene Familie zu erhalten, gelang ihm nicht. Krieg s z eit 1942 meldete sich G. Stern freiwillig zur US-Armee. Nach der Grundausbildung kam er, nun als Guy Stern, nach Camp Ritchie, Maryland. Wie viele andere deutsch-jüdischen Flüchtlinge wurde er dort zum Verhörspezialisten für deutsche Kriegsgefangene geschult. Nach der Landung in der Normandie 1944 musste sich das Gelernte in der Praxis bewähren. Im Umgang mit den Deutschen griffen G. Stern und andere „Ritchie Boys“ auch zu besonderen Methoden. Hatten sie es mit überzeugten Nationalsozialisten zu tun, machten sie sich die weitverbreitete Angst vor sowjetischer Kriegsgefangenschaft zunutze. Wer nicht aussagen wollte, wurde in das Zelt eines vermeintlichen Kommissars der Roten Armee geführt. Die Drohung, an ihn überstellt zu werden, brachte viele zum Reden. B iografi s che Stationen 1922 In Hildesheim geboren 1937 Flucht nach New York 1942 Freiwillige Meldung zur US-Armee 1943 Einbürgerung Die Freiheit stand auf dem Spiel – nicht nur in Europa, sondern weltweit! © privat Guy Stern nach seiner Ankunft in Camp Ritchie, Maryland. 1943 N ach k rieg s z eit Nach der Kapitulation der Wehrmacht fahndete G. Stern zunächst in einem Kriegsgefangenenlager bei Koblenz nach Kriegsverbrechern und Saboteuren. In Karlsruhe war er für die Spionageabwehr der amerikanischen Militärregierung im Einsatz. Ende 1945 kehrte er in die USA zurück, studierte und wurde später Professor für deutsche Literatur. Erst im Laufe der Jahre fand er heraus, dass seine gesamte Familie dem Holocaust zum Opfer gefallen war. Er lehrte an verschiedenen amerikanischen Universitäten und hatte wiederholt Gastprofessuren in Deutschland inne. Guy Sterns Engagement für die Völkerverständigung zwischen den USA und Deutschland wurde mit dem Großen Verdienstkreuz gewürdigt. 1944 Landung in der Normandie mit den „Ritchie Boys“ 1945 Rückkehr in die USA Lebt in West Bloomfield, Michigan vormals CILLY TREITEL V or k rieg s z eit Cilly Treitel wurde in eine praktizierende jüdische Familie in Berlin hineingeboren. Ihr Vater war ein Rechtsanwalt und Notar mit vielen Mandanten aus der Theater- und Kunstszene. Als das NS-Regime seine Zulassung als Notar strich, war die Existenzgrundlage der Familie gefährdet. Wie ihre Brüder besuchte Cilly die Amerikanische Schule in Berlin, weil jüdische Kinder an deutschen Schulen keinen Platz mehr bekamen. 1939 wurden ihre Brüder mit einem Kindertransport nach London geschickt. Cilly und ihre Eltern folgten wenige Monate später nach. Der Krieg vereitelte den ursprünglichen Plan, in die USA auszuwandern. Aus Geldnot und Platzmangel musste sich die Familie trennen, und Cilly kam anderswo unter. Da der Name Cilly im Englischen leicht ein Spottname hätte werden können, nannte sie sich fortan Celia. Krieg s z eit Während der Kriegsjahre schloss C. Treitel in London eine Ausbildung als Sekretärin ab und fand in diesem Beruf auch eine Anstellung. N ach k rieg s z eit 1945 folgte C. Treitel einem Aufruf der US-Streitkräfte in England und meldete sich freiwillig. Der militärische Geheimdienst schickte sie als Sekretärin und Übersetzerin zur Civil Censorship Division (CCD) in die amerikanische Zone des besetzten Deutschland, zunächst in die Nähe von Stuttgart, dann nach Frankfurt. Die CCD überwachte den deutschen Telefon- und Postverkehr. Auf diese Weise sollten ehemalige NS-Funktionäre aufgespürt und die allgemeine Stimmungslage der deutschen Bevölkerung erkundet werden. An Tuberkulose erkrankt, kehrte C. Treitel 1950 nach England zurück und erholte sich in einem Sanatorium. Später arbeitete sie als Verkäuferin und bis zu ihrer Pensionierung 1994 im Museum of London. Celia Treitel lebt in einem Londoner Altersheim. © privat Celia Treitel in der Uniform einer zivilen Mitarbeiterin der US-Besatzungsmacht. Um 1949 B iografi s che Stationen 1925 In Berlin geboren 1939 Flucht nach England 1945-1950 Einsatz bei der Zensurbehörde der US-Besatzungsmacht in Esslingen und Frankfurt 1950 Rückkehr nach England Lebt in London V or k rieg s z eit Erwin Weinberg stammte aus einer orthodoxen, in Fulda ansässigen Familie und erlebte schon früh antisemitische Übergriffe. Nach den Novemberpogromen war er für mehrere Wochen im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Nach seiner Entlassung konnte die Mutter seine Flucht nach England organisieren. Wenig später emigrierte auch die Familie. Infolge der deutschen Kriegserklärung an Großbritannien wurde E. Weinberg wie viele andere deutsche Juden in England vorübergehend als „feindlicher Ausländer“ interniert. Ein Jahr später ging er in die USA. Krieg s z eit 1943 erhielt E. Weinberg seine Einberufung und kam ein Jahr später zur strategischen US-Luftwaffe nach England. In der Informationsabteilung wertete er Nachrichten aus, die man geheimdienstlich oder durch das Abhören deutscher Kriegsgefangener erlangte. E. Weinberg gab einen entscheidenden Hinweis auf eine bis dahin von den Alliierten unentdeckte Kugellagerfabrik in seiner Heimatstadt Fulda. In mehreren Luftangriffen wurde diese zerstört. Dabei fiel auch das eigene Elternhaus in Schutt und Asche. Gegen Ende des Krieges war E. Weinberg Fahrer und Übersetzer einer Einheit, die Schäden alliierter Bombenangriffe verzeichnete. Im April 1945 nutzte er eine dieser Touren, um das befreite Konzentrationslager Buchenwald zu besuchen. B iografi s che Stationen 1922 In Fulda geboren 1938 Nach der Reichspogromnacht ins KZ Buchenwald deportiert 1938 Flucht nach England 1939 Internierung als „feindlicher Ausländer“ The world went meschugge! © Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Erwin Weinberg Erwin Weinberg bei der strategischen US-Luftwaffe in England. 1944 N ach k rieg s z eit Im Dezember 1945 kehrte E. Weinberg in die USA zurück und verließ kurz darauf das Militär. Kurzzeitig versuchte er sich als Diamantenschleifer, dann betrieb er einen kleinen Lebensmittel- und Süßwarenhandel. Später verkaufte er in New York koschere Produkte an Supermärkte. In den 1960er Jahren kehrte Erwin Weinberg erstmals für einen Besuch nach Fulda zurück. 1940 Emigration in die USA 1945 Kampfeinsatz im Deutschen Reich / Besichtigung des befreiten KZ Buchenwald 1945 Rückkehr in die USA 2013 In New York gestorben Sonderausstellung D e u t s c h e Ju d e n i m D i e n s t de r Al l i i e rt e n im AlliiertenMuseum, Berlin 15. März – 1. Dezember 2013 Gesamtleitung Dr. Gundula Bavendamm Ausstellungsleitung Florian Weiß Kurator Daniel Schmiedke Grafische Gestaltung Franke | Steinert Hanna Adén Druck LASERLINE SIEGER, BEFREIER, BESATZER: DEUTSCHE JUDEN IM DIENST DER ALLIIERTEN vom 15. März bis 1. Dezember 2013 Alliiertenmuseum | Clayallee 135 | 14195 Berlin Geöffnet täglich außer montags von 10.00 bis 18.00 Uhr Eintritt frei | www.alliiertenmuseum.de Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien