Kapitel 1 - public.fh

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Prof. Dr.-Ing. W.-P. Buchwald
Elektronische Bauelemente
1. Physikalische Grundlagen
1.1 Halbleiter
Die Arbeitsweise elektronischer Verstärker basiert auf den physikalischen Zusammenhängen
eines Halbleiters (von Röhrenverstärkern abgesehen). Als Halbleitermaterial kommt dabei in
den meisten Fällen Silizium (Si) zum Einsatz. Silizium ist ein 4-wertiges Element, das auf der
Erde in großen Mengen vorhanden ist (in Sand und Gestein gebunden als Oxid und als
Silikat). Weitere Halbleitermaterialien sind z.B. Germanium und Selen.
In einer vereinfachten Beschreibung der Atomstruktur ist die Darstellung von Atomkern und
einer Anzahl Außenschalenelektronen (Valenzelektronen) entsprechend der Wertigkeit
üblich, hier in einem beispielhaften Vergleich mit unterschiedlichen Elementen:
1-wertiges Element
z.B. Natrium
4-wertiges Element
z.B. Silizium
6-wertiges Element
z.B. Sauerstoff
7-wertiges Element
z.B. Chlor
In der dargestellten vereinzelten atomaren Struktur kommen Elemente typischerweise nicht in
der Natur vor. Sie versuchen sich durch Bindung mit anderen Elementen oder anderen
Atomen des eigenen Typs eine Schale aus 8 Elektronen zu schaffen, was einer besonders
stabilen Struktur entspricht. Nur Edelgase wie z.B. Neon, Argon oder Xenon weisen bereits
von vornherein 8 Außenschalenelektronen auf und gehen daher i.a. keine chemische
Bindungen ein. Edelgase werden als 0-wertig bezeichnet. Als Sonderfall gilt Helium, das nur
2 Außenschalenelektronen aufweist und trotzdem ebenfalls als 0-wertig einzuordnen ist und
damit ebenfalls keine Bindungen eingeht.
Die Kombination von Elementen lässt sich als Bindung unterschiedlicher Art beschreiben.
Dabei bringen beide beteiligten Atome ihre Außenschalenelektronen ein, deren Summe 8 betragen muss (Edelgaskonfiguration). Das führt zu zwei unterschiedlichen Bindungstypen:
+
-
Na Cl
Ionenbindung (Natriumchlorid)
O=O bzw. O2
Elektronenpaarbindung (Sauerstoffmolekül)
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Siliziumatome gehen nun nicht zu zweit eine Elektronenpaarbindung ein, indem die jeweils 4
Außenschalenelektronen auf zusammen 8 zusammengefügt werden, da die Positionen dieser
Elektronen dies nicht zulassen. Es gruppiert sich hingegen zu jedem einzelnen Elektron ein
Partner eines benachbarten Siliziumatoms, so dass sich letztlich ein Kristallgitter ergibt, das
dreidimensional die Form einer Diamantgitterstruktur aufweist. Zweidimensional lässt sich
das einfacher wie folgt darstellen:
Silizium-Kristallgitter ohne freie Ladungsträger (Nichtleiter)
Da innerhalb dieses Kristallgitters alle Elektronen an ihrem jeweiligen Ort gebunden vorliegen, stehen keine freien Ladungsträger für einen möglichen Stromfluss zur Verfügung. Das
Material ist zunächst nichtleitend. Nur durch von außen einwirkende Energie wie z.B. Wärme
oder auch Licht können Elektronen aus den Bindungen herausgeschlagen werden und einen
Ladungstransport ermöglichen (Eigenleitung, siehe Kap. 1.3).
Der Einfluss höherer Temperaturen führt dazu, dass einzelne Elektronen aus ihren Bindungen
herausgerissen werden. Dadurch sind nunmehr freie Elektronen als bewegliche Ladungsträger
verfügbar und eine Leitfähigkeit ist gegeben. Je höher die Temperatur ist, desto mehr Elektronen können sich aus ihren Bindungen lösen, so dass die Leitfähigkeit entsprechend steigt.
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1.2 Bändermodell
Bei der Beschreibung eines einzelnen Atoms finden sich je nach Element, das durch die Anzahl der positiv geladenen Protonen im Kern definiert ist, eine entsprechende Anzahl von
Elektronen in einer Art „Umlaufbahn“. Diese Bahnen oder auch Schalen weisen unterschiedliche Abstände vom Kern auf und werden auch nur durch eine bestimmte maximale Anzahl
von Elektronen besetzt; die unterste Schale mit 2 Elektronen, die nächste mit 8 und weitere
mit weiter steigenden Zahlen. Bemerkenswert ist, dass die äußere Schale mit maximal 8
Elektronen besetzt ist, was allerdings nur bei Edelgasen der Fall ist. Wie bereits im Kapitel
1.1 dargestellt, sind diese Außenschalenelektronen oder Valenzelektronen für die chemischen
Bindungen von Bedeutung.
Jedem Elektron kann nun eine Energie zugewiesen werden, die mit dem Abstand vom Kern
wächst. Dabei kann ein Elektron nur diskrete Energiewerte (Energieniveaus) einnehmen, was
sich letztlich auch durch die definierten Schalen in bestimmtem Abstand um den Kern zeigt.
Siliziumatom und Darstellung der Energieniveaus der Elektronen
In einem Atomgitter beeinflussen sich nun die einzelnen Elektronen, was zu einer Aufspaltung der diskreten Energieniveaus führt. Sind n Atome in einem Verbund zusammen, so
resultieren z.B. aus jedem diskreten Energieniveau E eine Anzahl von n dicht nebeneinander
liegenden Niveaus, geht n gegen Unendlich, bilden sich kontinuierliche Energiebänder:
Übergang von diskreten Energieniveaus zu Energiebändern
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Das Aufsplitten der diskreten Energieniveaus bis hin zu kontinuierlichen Energiebändern entspricht einem physikalischen Phänomen von verkoppelten Schwingsystemen. Der Energie
eines Elektrons (oder allgemein eines Teilchens) kann eine Schwingfrequenz zugeordnet werden, der Proportionalitätsfaktor ist das Plancksche Wirkungsquantum h:
E = h⋅ f
mit
h=6,626 069 57 × 10 -34 Js bzw. Ws2
Daraus leitet sich auch der sogenannte Welle-Teilchen-Dualismus ab, der einerseits die Beschreibung eines Elektrons als massebehaftetes Teilchen ermöglicht und andererseits eine
Beschreibung als Welle mit entsprechend aus der Energie abgeleiteten Frequenz.
Ein Schwingsystem, wie z.B. eine mechanische Anordnung als Schaukel, enthält eine definierte diskrete Schwingfrequenz. Werden zwei identische Schaukeln verkoppelt (mittels einer
Feder) liefern beide zwei unterschiedliche Schwingfrequenzen in der Nähe der ursprünglichen
Schwingfrequenz. Gleiches gilt für verkoppelte elektrische Schwingkreise.
Einzelschwingkreis:
Zwei verkoppelte identische Schwingkreise:
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1.3 Leitungsmechanismen
Die interessanten Energiebänder für das Verständnis der Leitungsmechanismen in einem
Halbleiter sind das Valenzband und das Leitungsband.
Valenzband
Es enthält die äußeren Elektronen der Atome in dem HalbleiterKristallgitter. Da diese Elektronen an ihre Atome gebunden
sind, ergibt sich hier keine Leitfähigkeit
Leitungsband
Dies beschreibt den Energiebereich, den Elektronen einnehmen,
wenn sie sich aus der Bindung zu „ihrem“ Atom lösen und sich
im Halbleiter-Kristallgitter frei bewegen. Hierdurch wird das
Halbleitermaterial leitfähig.
Ohne weitere äußere Einflüsse und beim absoluten Nullpunkt der Temperatur ist jedes Elektron fest an sein Atom gebunden und befindet sich im Valenzband. Das Leitungsband ist frei
von Ladungsträgern, entsprechend ist der Halbleiter nicht leitend.
Durch Einwirkung von Energie von außen, typisch durch eine steigende Temperatur, werden
einzelne Elektronen zunehmend aus dem Valenzband ins Leitungsband gehoben. Die Energiedifferenz zwischen Valenz- und Leitungsband ∆E muss dabei auf ein Elektron einwirken.
Das kann durch Wärme, aber beispielsweise auch durch Licht geschehen. Licht kann wie ein
Elektron als Teilchen verstanden werden, das Photon genannt wird. Jedes Photon weist analog
zum Elektron eine Energie auf, die entsprechend ebenfalls einer elektrischen Frequenz (bzw.
Wellenlänge) zugeordnet werden kann. Es gilt auch hier E = h ⋅ f wie beim Elektron.
Mechanisch kann man sich dies anschaulich vorstellen, indem ein Ball mit ausreichender Geschwindigkeit (Energie) auf viele auf dem Boden nebeneinander liegende andere Bälle
geworfen wird, die dadurch teilweise nach oben springen und auf einer höher liegenden Ebene zu liegen kommen.
Mechanisches Modell zum Heben eines Teilchens auf ein höheres Energieniveau
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Die Beschreibung im Bändermodell kann analog betrachtet werden. Durch Energiezufuhr
(z.B. Wärme) werden Elektronen aus ihren Bindungen zu ihren Atomen gelöst und können
sich frei im Halbleiterkristall bewegen, da sie aus dem Valenzband in das Leitungsband gehoben wurden.
Anhebung eines Elektrons vom Valenzband ins Leitungsband
Durch das Herausreißen eines Elektrons aus seiner Bindung zum Atom verbleibt am Atom
eine Fehlstelle, die durch das Fehlen der negativen Elektronenladung eine entsprechend positive Ladung aufweist. Diese Fehlstelle wird als Loch bezeichnet.
Wird ein gebundenes Elektron in der Nachbarschaft aus seiner Bindung gelöst, wird es sofort
an die Stelle des Loches gezogen und dort festgehalten. Das positiv geladene Loch erscheint
jetzt an einer verschobenen Stelle. Durch diesen Mechanismus kann das Loch durch den
Halbleiterkristall wandern. Die beteiligten Elektronen hingegen wechseln jeweils immer nur
in der direkten Nachbarschaft ihre Position. Durch diese virtuell bewegten positiven Teilchen
bzw. Löcher ist nun im Valenzband ebenfalls eine elektrische Leitfähigkeit gegeben. Es ist
offensichtlich, dass die Anzahl der Löcher mit der Anzahl der Elektronen identisch ist. Im
Halbleiter gibt es also eine Leitfähigkeit durch Elektronen und Löcher, jeweils zu gleichen
Teilen.
Bei einer an dem Halbleiter angelegten Spannung wandern die freien Elektronen aus dem
Leitungsband von ‒ nach +, während die positiv geladenen Löcher im Valenzband von + nach
‒ wandern. Die Löcherleitung ist im folgenden Bild verdeutlicht, die gleichzeitig vorliegende
Elektronenleitung ist dabei nicht dargestellt.
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1. Schritt
2. Schritt
3. Schritt
4. Schritt
5. Schritt
Löcherleitung durch den Halbleiter bei angelegtem elektrischen Feld
(die beteiligten Elektronen verschieben sich dabei jeweils nur um einen kleinen Abstand,
während die hier nicht dargestellten freien Elektronen durch das gesamte Kristallgitter driften)
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Die durch Zufuhr von Energie gebildeten Elektronen-Loch-Paare (Generation) weisen nur
eine bestimmte Lebenszeit auf. Nach einer gewissen Zeit kommt es immer wieder zu Rekombinationen von freien Elektronen und Löchern, sie neutralisieren sich also und beide stehen
dann für einen Ladungstransport bzw. für die Leitfähigkeit nicht mehr zur Verfügung. Im
thermodynamischen Gleichgewicht ergibt sich eine Ladungsträgerdichte, die für Elektronen
und Löcher gleich groß ist und temperaturabhängig ist. Man spricht hier von Eigenleitung.
n
p
Konzentration bzw. Dichte der freien Elektronen im Leitungsband
(typisch in Anzahl pro cm3)
Konzentration der Löcher im Valenzband
ni=n=p
Eigenleitung (i von Intrinsic-Leitung)
ni ~ e − ∆E / kT
Abhängigkeit der Eigenleitung von der Temperatur mit
∆E Energiedifferenz (Abstand) zwischen Leitungs- und Valenzband
k Boltzmannkonstante
T Temperatur in Kelvin
Beispiel:
ni ≈ 1,5∙1010/cm3
ni ≈ 2,5∙1013/cm3
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Ladungsträgerdichte für Silizium bei 300 K
Ladungsträgerdichte für Germanium bei 300 K
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1.4 Dotierung
Um ein Halbleiter-Kristall definierter leitfähig zu machen, ist es möglich, Fremdatome in das
Gitter zu implantieren. Bei diesem Vorgang spricht man von Dotierung. Dazu benutzt man
Atome, die 3- oder 5-wertig sind, so dass an der Störstelle des Fremdatoms ein Elektron zu
viel bzw. eines zu wenig vorliegt, um die stabile 8er-Konfiguration der
Außenschalenelektronen sicherzustellen.
Wird beispielsweise das Siliziumgitter mit 5-wertigen Atomen, z.B. Phosphor, angereichert,
spricht man von einer n-Dotierung, da von jedem 5-wertigen eingebauten Atom nur 4 negativ
geladene Elektronen für die Elektronenpaarbindung gebraucht werden und das fünfte Elektron
überzählig ist. Da es nur sehr schwach am Phosphor gebunden ist, kann es sich letztlich relativ frei durch das Kristallgitter bewegen und ist damit für die Leitfähigkeit des dotierten
Siliziums verantwortlich. Ein Atom, das im Siliziumkristall Elektronen abgibt, nennt man
einen Donator (lateinisch donare - schenken). Der Leitungsmechanismus beruht auf negativ
geladenen Elektronen im Leitungsband.
Zusätzlich existieren auch noch die vorgenannten Elektronen und Löcher aus der Eigenleitung, die aber typischerweise nur zu einem kleinen Bruchteil an der gesamten Leitfähigkeit
bzw. einem Stromfluss beteiligt sind. Bei einem n-dotierten Halbleiter nennt man die Elektronen Majoritätsträger und die Löcher (aus der Eigenleitung) Minoritätsträger.
n-Dotierung des Silizium-Gitters mit Phosphor (Donator)
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Alternativ können 3-wertige Atome, z.B. Bor, implantiert werden, so dass nunmehr an der
jeweiligen Position des implantierten Atoms ein Elektron zur Vervollständigung der 8erSchale fehlt. In diese Fehlstelle kann nun ein gebundenes Elektron aus der Nachbarschaft
springen, so dass virtuell die Fehlstelle (Loch) wandert. Man spricht jetzt von p-Dotierung
und von Löcherleitung als Leitungsmechanismus. Ein implantiertes Atom, das eine Fehlstelle
im Kristall einbaut bzw. diese Fehlstelle durch ein eingefangenes Elektron besetzt, nennt man
einen Akzeptor (lat. accipere - annehmen). Hier sind nun die Löcher die Majoritätsträger und
die Elektronen aus der Eigenleitung die Minoritätsträger.
p-Dotierung des Silizium-Gitters mit Bor (Akzeptor)
Das 5. Elektron eines Donators lässt sich mit deutlich weniger Energie (∆EDonator) vom Atom
lösen als man brauchte, um Elektronen aus dem Valenzband in das Leitungsband des reinen
Halbleiters zu befördern. Der Donator bzw. sein überzähliges Elektron weist also ein entsprechend höheres Energieniveau auf, das im Bändermodell nahe unterhalb des Leitungsbandes
liegt.
Beim Akzeptor ist das zugehörige Energieniveau entsprechend nahe am unteren Valenzband
zu finden. Auch hier ist nur eine kleine Energie nötig (∆EAkzeptor), um ein Elektron aus dem
Valenzband zum Akzeptorniveau zu transferieren, wodurch ein Loch als Ladungsträger erzeugt wird.
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Darstellung von Donatoren und Akzeptoren im Bändermodell
Die Elektronen, die von den Donatoren im n-Halbleiter ins Leitungsband abgegeben werden,
stellen die frei beweglichen Ladungsträger das (Majoritätsträger), während die positiv geladenen Fehlstellen bzw. Löcher jeweils beim Donator ortsfest verbleiben und keinen weiteren
Beitrag zum Stromfluss liefern.
Entsprechend werden im p-Halbleiter die von Akzeptoren eingefangenen Elektronen fest an
diesen gebunden, die entstandenen Löcher stellen die beweglichen Ladungsträger (ebenfalls
Majoritätsträger) dar.
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