POLITISCHER BERICHT AUS GRIECHENLAND Polixeni Kapellou Leiterin der Verbindungsstelle Athen Nr. 4 / 2015 – 27. Januar 2015 IMPRESSUM Herausgeber Copyright 2015, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel.: +49 (0)89 1258-0, E-Mail: [email protected], Online: www.hss.de Vorsitzende Prof. Ursula Männle Staatsministerin a.D. Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau, Athen / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Tel.: +49 (0)89 1258-202 oder -204 Fax: +49 (0)89 1258-368 E-Mail: [email protected] Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. 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Nach dem bisherigen offiziellen Endergebnis (99,7 Prozent der ausgezählten Stimmen) kommt Syriza auf 36,34 Prozent (149 Mandate) und die Nea Dimokratia des Ministerpräsidenten Antonis Samaras auf 27,80 Prozent (76 Mandate). Die rechtsextremistische Partei „Goldene Morgenröte“, von der viele Abgeordnete in Untersuchungshaft sitzen, kommt auf 6,28 Prozent (17 Mandate) und ist damit die drittstärkste Partei im Parlament. Neben den bereits genannten drei werden des weiteren folgende vier Parteien im Parlament vertreten sein: „To Potami“ (Der Fluss) mit 6,5 Prozent (17 Mandate), „KKE“ (Kommunistische Partei Griechenlands, 5,47 Prozent (15 Mandate), „ Die Unabhängigen Griechen“, 4,75 Prozent (13 Mandate), „ Pasok“, 4,68 Prozent (13 Mandate). Nach dem klaren Sieg seiner Partei erklärte der künftige Ministerpräsident Alexis Tsipras, dass er „die desaströse Sparpolitik“ beenden möchte. Er kündigte zugleich Verhandlungen mit den Internationalen Kreditgebern über einen Schuldenschnitt an. Er strebe einen ausgeglichenen Haushalt und ein eigenes Programm zur Konsolidierung an. Ab jetzt beginne die harte Arbeit, so Tsipras. Der noch amtierende Ministerpräsident Antonis Samaras erklärte nach seiner Niederlage: „Das griechische Volk hat gesprochen, und wir akzeptieren seine Entscheidung“. Er hoffe, die neue Regierung werde nicht die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und in der Währungsunion gefährden. „Ich übergebe ein Land, das Teil der EU und der Eurozone ist. Zum Wohle des Landes hoffe ich, dass die nächste Regierung das Erreichte bewahren wird“, so Samaras. Innerhalb der Nea Dimokratia begann bereits der politische Gärungsprozess. Samaras kündigte einen Parteitag an. Zugleich signalisierte er seinen Willen, den Parteivorsitz zu behalten. Es erhebt sich die Frage, warum Samaras und seine Nea Dimokratia diese Wahl verloren haben. Wahlforschern zufolge hatte die Regierung Samaras viele Wähler wegen der Einführung einer Immobiliensteuer ( auf griechisch ENFIA ) erzürnt. Eine große Zahl dieser Wähler stimmte aus Wut darüber für die Syriza, die diese Steuer sowie viele andere Entscheidungen der Samaras-Regierung rückgängig machen und ein angeblich gerechteres Steuersystem einführen will. Der Wahlkampf von Samaras stützte sich ferner auf eine Angstkampagne vor einem Wahlsieg von Syriza. Auch dass Samaras vor den Wahlen ankündigte, der Sparkurs sei zu Ende, sein Versprechen aber nicht einhielt, nahmen ihm und der Nea Dimokratia viele Wähler übel. Für Syriza ist das Wahlergebnis ein historischer Erfolg. Als Chef der stärksten Partei hätte Tsipras laut Verfassung nun drei Tage Zeit, Sondierungsgespräche zu führen und eine Regierungskoalition zu bilden. Zwei der kleineren Parteien, die Partei der politischen Mitte „To Potami“ und die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ haben sich sofort dazu bereit erklärt. Überraschend schnell verständigten sich die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ mit der Linkspartei Syriza darauf, eine Koalitionsregierung zu bilden. Dies teilte am Tag nach der Wahl der Vorsitzende der ANEL, Panos Kammenos, nach einem Gespräch mit Alexis Tsipras mit. Die rechtspopulistische Partei der „Unabhängigen Griechen“ (Anexartiti Ellines - ANEL) wurde im Februar 2012 durch Abspaltung von der konservativen Nea Dimokratia gegründet. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Parteien ist es, dass sowohl Syriza als auch ANEL den Sparkurs strikt ablehnen. Alexis Tsipras, mit seinen 40 Jahren der jüngste Regierungschef des Landes seit 150 Jahren, hat sofort seine Regierung gebildet. Die Parteiführung der Unabhängigen Griechen schlägt nationalistische Töne an und fordert unter anderem dazu auf, Migranten, die sich illegal in Griechenland aufhalten, auszuweisen. Zwischen Syriza und den „Unabhängigen Griechen“ gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Die roten Linien der Anel-Partei sind: Eindämmung der Zuwanderung, Unterstützung der orthodoxen Kirche und nationalistische Außenpolitik mit viel Verständnis für Putins Russland. Das Parlament muss sich bis zum 5. Februar 2015 konstituiert haben und dann unverzüglich einen neuen Staatspräsidenten wählen. Das Linksbündnis hatte bereits zwei Gesetzentwürfe vorbereitet, um „die humanitäre Krise“ des Landes zu bewältigen und Familien, die unter der Armutsgrenze leben, zu unterstützen. Auf jeden Fall kommt auf die Regierung von Alexis Tsipras eine große Aufgabenliste zu. Sie muss die Reformen voranbringen, für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen, die Wirtschaft nach einer sechsjährigen Rezession ankurbeln, die Auszahlung einer Kredittranche in Höhe von 7,2 Milliarden Euro sichern und weitere Hilfen aushandeln.