POLITISCHER BERICHT AUS GRIECHENLAND

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POLITISCHER BERICHT AUS
GRIECHENLAND
Polixeni Kapellou
Leiterin der Verbindungsstelle Athen
Nr. 4 / 2015 – 27. Januar 2015
IMPRESSUM
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PARLAMENTSWAHL IN GRIECHENLAND:
DIE STUNDE DER WAHRHEIT FÜR SYRIZA HAT GESCHLAGEN
Das Linksbündnis Syriza hat bei den Parlamentswahlen vom 25. Januar 2015 den Wahlsieg mit einem Vorsprung von 8,5 Prozent vor der Nea Dimokratia errungen. Die Partei
von Alexis Tsipras verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp und muss sich einen Koalitionspartner suchen.
Nach dem bisherigen offiziellen Endergebnis (99,7 Prozent der ausgezählten Stimmen)
kommt Syriza auf 36,34 Prozent (149 Mandate) und die Nea Dimokratia des Ministerpräsidenten Antonis Samaras auf 27,80 Prozent (76 Mandate).
Die rechtsextremistische Partei „Goldene Morgenröte“, von der viele Abgeordnete in
Untersuchungshaft sitzen, kommt auf 6,28 Prozent (17 Mandate) und ist damit die drittstärkste Partei im Parlament.
Neben den bereits genannten drei werden des weiteren folgende vier Parteien im Parlament vertreten sein: „To Potami“ (Der Fluss) mit 6,5 Prozent (17 Mandate), „KKE“
(Kommunistische Partei Griechenlands, 5,47 Prozent (15 Mandate), „ Die Unabhängigen
Griechen“, 4,75 Prozent (13 Mandate), „ Pasok“, 4,68 Prozent (13 Mandate).
Nach dem klaren Sieg seiner Partei erklärte der künftige Ministerpräsident Alexis Tsipras,
dass er „die desaströse Sparpolitik“ beenden möchte. Er kündigte zugleich Verhandlungen mit den Internationalen Kreditgebern über einen Schuldenschnitt an.
Er strebe einen ausgeglichenen Haushalt und ein eigenes Programm zur Konsolidierung
an. Ab jetzt beginne die harte Arbeit, so Tsipras.
Der noch amtierende Ministerpräsident Antonis Samaras erklärte nach seiner Niederlage:
„Das griechische Volk hat gesprochen, und wir akzeptieren seine Entscheidung“. Er hoffe,
die neue Regierung werde nicht die Mitgliedschaft Griechenlands in der EU und in der
Währungsunion gefährden.
„Ich übergebe ein Land, das Teil der EU und der Eurozone ist. Zum Wohle des Landes
hoffe ich, dass die nächste Regierung das Erreichte bewahren wird“, so Samaras.
Innerhalb der Nea Dimokratia begann bereits der politische Gärungsprozess. Samaras
kündigte einen Parteitag an. Zugleich signalisierte er seinen Willen, den Parteivorsitz zu
behalten.
Es erhebt sich die Frage, warum Samaras und seine Nea Dimokratia diese Wahl verloren
haben. Wahlforschern zufolge hatte die Regierung Samaras viele Wähler wegen der Einführung einer Immobiliensteuer ( auf griechisch ENFIA ) erzürnt.
Eine große Zahl dieser Wähler stimmte aus Wut darüber für die Syriza, die diese Steuer
sowie viele andere Entscheidungen der Samaras-Regierung rückgängig machen und ein
angeblich gerechteres Steuersystem einführen will.
Der Wahlkampf von Samaras stützte sich ferner auf eine Angstkampagne vor einem Wahlsieg von Syriza. Auch dass Samaras vor den Wahlen ankündigte, der Sparkurs sei zu Ende,
sein Versprechen aber nicht einhielt, nahmen ihm und der Nea Dimokratia viele Wähler
übel.
Für Syriza ist das Wahlergebnis ein historischer Erfolg. Als Chef der stärksten Partei hätte
Tsipras laut Verfassung nun drei Tage Zeit, Sondierungsgespräche zu führen und eine
Regierungskoalition zu bilden.
Zwei der kleineren Parteien, die Partei der politischen Mitte „To Potami“ und die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ haben sich sofort dazu bereit erklärt.
Überraschend schnell verständigten sich die rechtspopulistischen „Unabhängigen Griechen“ mit der Linkspartei Syriza darauf, eine Koalitionsregierung zu bilden. Dies teilte am
Tag nach der Wahl der Vorsitzende der ANEL, Panos Kammenos, nach einem Gespräch mit
Alexis Tsipras mit.
Die rechtspopulistische Partei der „Unabhängigen Griechen“ (Anexartiti Ellines - ANEL)
wurde im Februar 2012 durch Abspaltung von der konservativen Nea Dimokratia
gegründet.
Die einzige Gemeinsamkeit zwischen den beiden Parteien ist es, dass sowohl Syriza als
auch ANEL den Sparkurs strikt ablehnen.
Alexis Tsipras, mit seinen 40 Jahren der jüngste Regierungschef des Landes seit 150 Jahren, hat sofort seine Regierung gebildet.
Die Parteiführung der Unabhängigen Griechen schlägt nationalistische Töne an und fordert unter anderem dazu auf, Migranten, die sich illegal in Griechenland aufhalten, auszuweisen. Zwischen Syriza und den „Unabhängigen Griechen“ gibt es kaum Gemeinsamkeiten. Die roten Linien der Anel-Partei sind: Eindämmung der Zuwanderung, Unterstützung der orthodoxen Kirche und nationalistische Außenpolitik mit viel Verständnis für
Putins Russland.
Das Parlament muss sich bis zum 5. Februar 2015 konstituiert haben und dann
unverzüglich einen neuen Staatspräsidenten wählen.
Das Linksbündnis hatte bereits zwei Gesetzentwürfe vorbereitet, um „die humanitäre
Krise“ des Landes zu bewältigen und Familien, die unter der Armutsgrenze leben, zu unterstützen.
Auf jeden Fall kommt auf die Regierung von Alexis Tsipras eine große Aufgabenliste zu.
Sie muss die Reformen voranbringen, für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen, die
Wirtschaft nach einer sechsjährigen Rezession ankurbeln, die Auszahlung einer Kredittranche in Höhe von 7,2 Milliarden Euro sichern und weitere Hilfen aushandeln.
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