Wie können kleine und mittlere Hotelbetriebe überleben?

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Zu Gast Peter Escher
Wie können kleine und mittlere
Hotelbetriebe überleben?
V
or ein paar Wochen erhielt ich einen Anruf. Ein Mitglied
aus dem Berner Oberland. Der Hotelier sagte mir, er sei
der glücklichste Mensch auf dieser Welt, denn er habe
sein Hotel nach dreissig Jahren verkauft. Der Hotelier hat
Kinder. Und diese hatten die Absicht, das Hotel vielleicht
zu übernehmen. Aber das wollte ihnen der Vater «auf gar keinen
Fall» antun. «Glücklicherweise» konnte er das Hotel verkaufen …
Die Schweizer Hotellerie macht derzeit schwierige Zeiten durch.
Nun, das ist keine Neuigkeit. Neu ist allerdings, dass sich – bedingt
durch den starken Franken und den aktuellen Schneemangel in
den Bergen – schlimme Horrorszenarien abzeichnen. Die kleine
und mittlere Hotellerie ist davon besonders betroffen. Man spricht
in der Branche von rund 1000 Hotelbetrieben, die in ihrer Existenz bedroht sind. Nebst dem starken Franken leiden viele dieser
Betriebe unter dem Defizit, eine geeignete Nachfolge zu finden –
und (vor allem) sind sie nicht mehr in der Lage, in ihre Häuser zu
investieren. Fazit: Es wird geredet, lamentiert, gejammert, kritisiert.
Und es stellt sich die zentrale Frage: Was kann denn der kleine oder
mittelgrosse Hotelier konkret tun, um sein Haus wieder auf eine
wirtschaftlich erfolgreiche Basis zu stellen?
Thema Kosten sparen: Ja, das ist sinnvoll! Aber wie ist dies möglich,
ohne Qualitätsverluste in Kauf zu nehmen? Mein Tipp: Schliessen
Sie sich einer Gruppierung an, welche es Ihnen ermöglicht, durch
gemeinsame Synergien Geld zu sparen. Wann haben Sie zum
letzten Mal Ihre Versicherungspolicen geprüft? Ein mühsames
Thema, doch der Versicherungsprofi (Broker) kann Ihnen helfen. Mir sind Beispiele bekannt, wo der Hotelier bei gleichen
Leistungen über 10 000 Franken sparen konnte!
Thema Verkauf: In den letzten zehn Jahren haben sich die
Verkaufskanäle in der Hotellerie grundlegend verändert.
Mein Tipp: Nutzen Sie die neuen Möglichkeiten im Onlineverkauf! Verlassen Sie sich aber nicht auf einen einzigen
Partner – auch wenn er Ihnen 90 Prozent der Buchungen bringt. Denn genau das versetzt Sie in eine
Abhängigkeit, die gefährlich werden kann.
Ausserdem garantieren Sie bei mehreren
Partnern den Wettbewerb der verschiedenen Portale, was wiederum verhindert,
dass die Kommissionen zu rasch ansteigen. Nutzen Sie die technischen Möglichkeiten der vielen Anbieter, um Ihre
Zimmer online zu vermarkten. Bringt
ein Kanal heute nicht viel, ist es trotzdem gut möglich, dass er morgen der
Marktleader ist.
Betreiben Sie aktives Marketing! Früher war es üblich, zehn bis 15 Prozent des Budgets für das Hotelmarketing einzusetzen. Heute hört man
oft, dass Kommissionen als Marketingausgaben verbucht werden. Lassen
Sie sich nicht täuschen: Der Onlineanbieter macht KEIN Marketing für Sie,
lediglich für sich selber! Wenn Sie morgen
ausgebucht sind, wird nicht Ihr Hotel, sondern das Hotel des Mitbewerbers verkauft.
Die Hotels werden in den Buchungsportalen
zuerst nach der Höhe der Kommission (welche
40
das Hotel dem Portal bezahlt) gelistet, dann nach
Ort, Sternen und Preis. Ihre Leistung innerhalb
des Betriebes spielt dabei gar keine Rolle. Bedanken Sie sich bei Ihren Gästen und lassen Sie sich
auf Ihrer Webseite bewerten. Schreiben Sie Ihre
Kunden an, auch wenn es etwas kostet. Seien Sie
proaktiv, offerieren sie Ihren Gästen etwas, das sie
bei einer Onlinebuchung nicht erhalten.
Thema Stammkunden: Noch nie war es so einfach, dank der Informatik ein gutes Stammkundenmanagement zu betreiben. Kommunizieren Sie mit Ihren Kunden, vielleicht können
Sie sich sogar lokal zusammenschliessen und die
Region als Ganzes verkaufen. Warten Sie nicht,
bis andere Ihre Angebote verkaufen und dafür
Geld kassieren.
Thema Preispolitik: Schauen Sie in die Zukunft
mit der Gewissheit, die Vergangenheit zu kennen.
Wie war Ihr Hotel im Vorjahr belegt? Für welche
Zeitspanne und zu welchem Preis? Oft ist es sinnvoll, die Preise zu senken, dabei aber beispielsweise einen Mindestaufenthalt von zwei oder drei
Nächten zu verlangen. Damit kann die Rentabilität wesentlich gesteigert werden.
Thema Investitionen: Planen Sie Ihre Investitionen! Es ist heute nämlich möglich, Investitionen zu Topkonditionen zu tätigen. Lassen Sie
sich beraten und planen Sie für die nächsten
fünf Jahre.
Nun, es ist einfach zu sagen, was jemand tun
soll. Es ist auch üblich, dass der Hotelier eines
Klein- oder Mittelbetriebes ein 150-Prozent-Pensum einzuhalten hat. Er ist in der Regel komplett
durch das Tagesgeschäft ausgefüllt. Zeit für strategische Planung, Schulungen und solche Dinge
bleibt dabei kaum. Andererseits ist es ungemein
wichtig, sich genau diese Zeit zu nehmen. Man
sollte sich auch immer wieder fragen: Was tut die
Konkurrenz? Was gibt es Neues auf dem Markt?
Wichtige Fragen, um im härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.
Ich besuche monatlich etwa 15 Schweizer Hotels.
Es ist in der Tat bewundernswert, wie aufopfernd
auch heute noch für eine gastfreundliche Schweiz
gekämpft wird. Ich ziehe mit grösstem Respekt
den Hut vor all den Allrounder-Hoteliers, die
Tag für Tag versuchen, ihre Gäste zufrieden­
zustellen.
H
Der Autor: Peter Escher ist dipl. Hotelier (Hotelfachschule
Lausanne). Nach Aufenthalten in Hongkong und Frankreich
war er während zehn Jahren in Spanien als Hotelier und
Restaurateur tätig. Seit Mai 2010 ist er Geschäftsführer von
Ambassador Swiss Hotels. Eine seiner Hauptaufgaben ist die
Geschäftsführung des Non-Profit-Vereins Swiss Budget
Hotels, einer Marketing- und B2B-Gruppierung, der über
140 Hotelbetriebe angehören. www.rooms.ch
12I2011
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