DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 245 Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes 1 Einleitung Praxis & Produkte Von Frank Halling, Fulda worten 81% aller Zahnärzte nach einer kürzlich publizierten Studie, dass die Hautkrebsprävention auch in die zahnärztliche Patientenbetreuung integriert werden sollte [16]. Allerdings fühlen sich 71% der Zahnärzte schlecht über die Thematik bösartiger Hauttumoren informiert und mehr als 3/4 aller Zahnärzte haben ihre eigene Haut selten oder noch nie von einem Dermatologen auf verdächtige Veränderungen inspizieren lassen [16]. Hier soll der folgende Übersichtsartikel etwas Aufklärungsarbeit leisten. Der Zahnarzt kommt dem Gesicht des Patienten berufsbedingt sehr nahe. Ihm wächst deshalb eine besondere Verantwortung zu, indem er seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die für ihn durch das Studium und den beruflichen Alltag vertrauten intraoralen Schleimhautveränderungen richten soll, sondern auch auf Abweichungen im Bereich der Gesichtshaut achten soll [10, 13, 21]. Fast 2/3 aller malignen Gesichtshauttumoren befinden sich im direkten Blickfeld des Zahnarztes, d. h. im Gesicht [9, 10, 14] (Abb. 1). Für den Patienten kann es lebensrettend sein – z.B. im Falle des malignen Melanoms – wenn ihn der Zahnarzt auf Veränderungen der Hautoberfläche aufmerksam macht und ihn frühzeitig einer fachärztlichen Diagnostik und Therapie zuführt [10]. Ziel dieser Fortbildung soll es sein, das Auge des Zahnarztes zu schärfen, um auch harmlos erscheinende Befunde in ihrer Dignität richtig beurteilen zu können. Unbestritten ist, dass Früherkennung und Frühtherapie die besten Abb. 1 Voraussetzungen für eine gute Verteilung von malignen Hauttumoren Prognose sind. Immerhin befür- im Gesicht (nach Halling 2002a) 245 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 246 Praxis & Produkte 2 Epidemiologie und Ursachen maligner Hauttumoren Verbrennungsnarben, Strahlenhaut, chemische Einflüsse (Arsen) usw. haben keine statistische Bedeutung, wohl aber für den indiviIn Deutschland werden pro Jahr duellen Fall. etwa 266.000 neue Hautkrebserkrankungen diagnostiziert [26] (Abb. 2). Bei 430.000 neuen Krebs- 3 Epitheliale Tumoren fällen insgesamt im Jahr ist der Hautkrebs – dazu gehören das Ba- 3.1 Einteilung salzellkarzinom (Basaliom), das Plattenepithelkarzinom und das Die Einteilung der Hautumoren maligne Melanom – die häufigste orientiert sich zum einen an den bösartige Krankheit. Pro Jahr ver- biologischen Eigenschaften, zum sterben über 2000 Patienten an anderen an der zellulären HerHautkrebs [26]. Lear und Smith kunft der Hauttumoren. [22] gehen von einer Häufigkeits- Nach der biologischen Aktivität zunahme von 10% pro Jahr aus. unterscheidet man benigne, semiDie Exposition gegenüber UV- maligne und maligne Tumoren. Strahlen hat in den letzten Jahren Maligne Tumoren sind durch eine nicht zuletzt aufgrund des verän- lokale Destruktion und durch ihre derten Freizeit- und Bräunungs- Metastasierungsfähigkeit gekennverhaltens [7] zu einem dramati- zeichnet. Der semi-maligne Tuschen Anstieg von Hauttumoren, mor ist fast immer das Basaliom, insbesondere in der Gesichtsregi- das lokal destruierend wächst, on, geführt [6, 11]. Beim Basalzell- aber nicht oder nur extrem selten und beim Plattenepithelkarzinom zur Tumorzellabsiedlung in Form ist der Zusammenhang mit der ku- einer Metastasierung führt. Die mulativen UV-Lebensdosis (also gutartigen Tumoren bewirken zudem Sonnenverhalten) gesichert. meist keine nennenswerte lokale Nimmt die Ozonschicht nur um Destruktion und entarten nicht 1% ab, nehmen die Basaliome um im Sinne eines bösartigen Tumors. 5% zu [9]. Andere Karzinogene Eine Einteilung der Hautgewie chronische Narbenreizungen, schwülste nach der Herkunft der 246 Abb. 2 Inzidenz der Hautkrebserkrankungen in Deutschland (Sterry 2008) DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 247 Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes Laser sind in geübter Hand sehr effektiv in der Behandlung auch ausgedehnter Keratosen [11, 23, 27]. Bei Karzinomverdacht sollte allerdings die Exzision erfolgen [23]. 3.2.2 Morbus Bowen Der Morbus-Bowen ist ein intraepidermales Karzinom (Carcinoma in situ) mit Potenz zu invasivem Wachstum und Übergang in ein Bowen-Karzinom. Es finden sich meist solitäre, rötliche, relativ scharf begrenzte Erosionen mit 3.2 Epitheliale Tumoren Schuppen und Krusten. Die Behandlung der Wahl ist die Resekti3.2.1 Aktinische (solare) Keratose Aktinische Keratosen sind fakulta- on im Gesunden. Das Entartungstive Präkanzerosen. Eine fakultati- risiko in ein invasives Plattenepive Präkanzerose ist eine pathologi- thelkarzinom beträgt ca. 3% [27]. sche Hautveränderung, welche die Karzinomentstehung bzw. -ent- 3.2.3 Basaliom (Basalzellwicklung begünstigt [23]. karzinom) Eine maligne Umwandlung von Das Basaliom ist ein infiltrativ aktinischen Keratosen in ein inva- wachsender, zur lokalen Destruksives spinocelluläres Karzinom ist tion fähiger, extrem selten metasin 10–20% der Fälle zu erwarten tasierender Hauttumor. Es lassen [17]. Klinisch sind scharf begrenz- sich nach Härle [9, 10] fünf verte Erytheme mit leichter Schup- schiedene klinische Formen (Abb. pung (Frühstadium) oder erhabe- 3 und Abb. 4) unterscheiden: ner, fest haftender Keratose (Spät- D noduläre Basaliome stadium) typisch für solare Kerato- D nodulär-ulzerierende Basaliosen. Der Übergang in ein me Karzinom ist klinisch meist ein- D morpheaartige Basaliome fach zu verfolgen, da die Läsionen D multizentrische Basaliome und dann zunehmend hyperkerato- D metatypische, „verwilderte“ tisch, erosiv und verkrustet ausseBasaliome. hen [11]. Die Anwendung von topischen 5-Fluorouracil, dem Im- Andere Autoren wie Hartmann munmodulator Imiquimod, die [17] und Rassner [23] benutzen z.T. Kryotherapie und besonders auch umfangreichere Einteilungen, die die Evaporisation mit dem CO2- sich an der klinischen Erschei- Praxis & Produkte Tumorzellen ergibt eine Differenzierung in Tumoren der Epidermis, der Dermis und der Hautanhangsgebilde. Im Allgemeinen sind die epidermalen Tumoren maligne oder semi-maligne, während die mesenchymalen Tumoren der Dermis vorherrschend gutartig sind, was auch weitgehend für die Geschwülste der Hautanhangsgebilde gilt. 247 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 248 Praxis & Produkte Abb. 3 Klinischer Aspekt nodulärer Basaliome nodulares Basaliom nodulär-ulzerierendes Basaliom Abb. 4 Klinischer Aspekt metatypischer Basaliome 248 nungsform, am Pigmentierungsgrad oder auch am histomorphologischen Bild orientieren. Basaliome sind die häufigsten menschlichen Tumoren und zu 90% im Gesicht lokalisiert. 80% der Basaliome finden sich innerhalb der Verbindungslinie beider Mundwinkel zur Helix der Ohrmuschel und dem Haaransatz. Das Basaliom tritt meist nicht vor dem 40. Lebensjahr auf. 99% aller Patienten mit Basaliomen gehören der weißen Rasse an, wobei 95% dieser Menschen zwischen 40–80 Jahre alt sind. Die Inzidenz maligner Epitheliome (einschl. Plattenepithel- und Basalzellkarzinom) liegt bei hellhäutigen Menschen in sonnenreichen Regionen bei 100 Neuerkrankungen/100.000 Einwohner und Jahr [19]. Neben exogenen sind auch hereditäre Komponenten für die Entstehung der Basaliome von Bedeutung. Dies belegt das Auftreten von Basaliomen im Rahmen von Syndromen, wobei das Basalzellnaevussyndrom oder GorlinGoltz-Syndrom für den Zahnarzt und MKG-Chirurgen am geläufigsten ist [8]. Es besteht aus der DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 249 Trias von multiplen Basaliomen, skelettalen Veränderungen (u.a. Keratozysten des Kiefers) und ZNSVeränderungen [10, 23]. Die Therapie des Basalioms ist primär chirurgisch ausgerichtet. Die radikale Ausräumung des Tumors unter histologischer Kontrolle der Resektionsränder ist heute Stand der Wissenschaft [4, 14, 15]. Die chirurgische Therapie gestattet zumeist in einem Eingriff die komplette Entfernung des Tumors, ihre histologische Diagnostik und die plastische Wiederherstellung des Defektes [3, 14, 16, 18, 19]. Im Falle der Ablehnung eines chirurgischen Eingriffs, bei Inoperabilität oder speziellen Lokalisationen können Behandlungen der Tumorzerstörung wie Laser, Kryooder auch Radiotherapie angewendet werden. Weitere Therapieoptionen sind die fotodynamische Therapie und die topische Anwendung von 5-FluorouracilSalbe bzw. Diclofenac-Gel oder dem Immunmodulator Imiquimod [27]. Allerdings reichen alle diese Verfahren nicht an die Sicherheit der mikrografischen Chirurgie heran (siehe 12. Grundlagen der plastischen Tumorchirurgie im Gesicht) [24, 27]. troffen sind überwiegend hellhäutige Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Männer erkranken etwa doppelt so häufig wie Frauen. Nicht selten entwickelt sich das PEC aus einer aktinischen Keratose heraus (siehe 3.2.1 aktinische Keratose). PEC treten als Zeichen eines chronischen Lichtschadens der Haut ebenfalls in etwa 80–90 %der Fälle im Gesicht auf [23, 27] (Abb. 5) und haben in unseren Breiten einen Anteil von 20% aller malignen Hauttumoren. In sonnenreicheren Ländern – wie z.B. Australien – kommt das PEC wesentlich häufiger vor [23]. Die Metastasierungsrate wird mit 0,1–2,5% angegeben [20, 23]. Die Ätiopathogenese entspricht in etwa der des Basalioms. Auffällig ist die Tatsache, 3.2.4 Plattenepithelkarzinom (PEC) (Spinaliom, Stachelzellkrebs) Das PEC ist ein infiltrativ wachsender Tumor, der sich von den Abb. 5 epidermalen Keratinozyten ablei- Klinischer Aspekt von Plattenepitheltet und metastasieren kann. Be- karzinomen im Gesicht Praxis & Produkte Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes 249 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 250 Praxis & Produkte Abb. 6 Differenzialdiagnosen des Plattenepithelkarzinoms der Gesichtshaut Cornu cutaneum 250 dass bei immunsupprimierten Patienten vermehrt Hautkarzinome auftreten, die auch schneller metastasieren [11]. Eine Sonderstellung nimmt das Lippenkarzinom besonders hinsichtlich der Epidemiologie, der Ätiologie, der Lokalisation und der Metastasierungsrate ein. Männer erkranken 25x häufiger am Lippenkarzinom als Frauen, wobei in 80–90% die Unterlippe betroffen ist. Neben der Lichtexposition spielt ätiologisch der Nikotinund/oder Alkoholabusus eine herausragende Rolle. Bei der Erstuntersuchung finden sich in 5% der Unterlippen und in 15% der Oberlippenkarzinome regionale Metastasen [1]. Die Therapie des PEC ist wie beim Basaliom operativ ausgerichtet. In der Regel wird das PEC mit einem Sicherheitsabstand von einem halben bis einem Zentimeter zum gesunden Gewebe entfernt (histo- Keratoakanthom logische Aufarbeitung der Resektatränder!). Insbesondere beim Lippenkarzinom muss eine Metastasierung durch Voruntersuchungen ausgeschlossen sein, ansonsten ist die Lymphknotenchirurgie in Form der suprahyoidalen oder sogar radikalen Neck-dissection indiziert [9, 17]. Die Prognose ist bei kleinen Karzinomen ohne Metastasen und bei histologisch gesicherter in sano – Entfernung mit einer 95% 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit sehr gut [11]. Differenzialdiagnostisch sind abzugrenzen: Keratoakanthom (Abb. 6), aktinische Keratose, Basaliom, M. Bowen, Cornu cutaneum (Abb. 6). 3.2.5 Keratoakanthom Das Keratoakanthom ist ein Beispiel einer epithelialen Pseudokanzerose. Pseudokanzerosen sind gutartige Wachstumsstörungen, DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 251 Praxis & Produkte Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes Abb. 7 Klinischer Aspekt dermaler Naevi die klinisch und auch histologisch Tumoreigenschaften imitieren [23]. Das Keratoakanthom befällt überwiegend erwachsene Männer. Im Bereich der Gesichtshaut, der Unterlippe und sonnenexponierter Areale treten kalottenförmige, rasch wachsende Papeln mit zentralem Hornkegel auf (Abb. 6). Die Differenzialdiagnose zum Plattenepithelkarzinom ergibt sich hauptsächlich über das rasche Tumorwachstum. Die Läsionen weisen eine spontane Regressionstendenz nach ein bis zwei Jahren auf [17]. Da das Plattenepithelkarzinom aber nicht sicher auszuschließen ist, sollte der Tumor exzidiert und histologisch untersucht werden. 4 Pigmentbildende Tumoren 4.1 Pigmentmale Pigmentmale sind die häufigsten Anomalien der Haut. Sie werden unterschieden in [3] (Abb. 7): D Pigmentzellnaevi Das Pigment der Haut, das Melanin, wird in den Pigmentzellen der Haut, den Melanozyten gebildet. Die bekanntesten epidermalen, melanotischen Naevi sind die Sommersprossen (Epheliden), die nicht therapiebedürftig sind. Abzugrenzen ist die Lentigo, eine kleinfleckige, lichtunabhängige Pigmentierung, die durch eine Erhöhung der Melanozytenzahl hervorgerufen wird. 251 DZK 2009.qxd 29.10.2008 09:24 Seite 252 Praxis & Produkte 252 Ab der 4. Lebensdekade treten Lentigines seniles bevorzugt im Gesicht und im Nacken auf. Lentigines in abnorm hoher Zahl im Gesicht kommen beim Peutz-Jeghers-Syndrom vor. Die Pigmentflecken sind bei diesem Syndrom überwiegend auf der perioralen Haut einschl. Lippen und den sichtbaren Schleimhäuten (Augen, Mundhöhle) begrenzt [17, 23]. Wichtig für den Patienten ist die Tatsache, dass bei diesem Syndrom gehäuft Polypen des Magen-Darm-Traktes auftreten, die wegen des Risikos der malignen Entartung (intestinal 2–3% [23]) entfernt werden müssen. Eine Sonderform sind die Caféau-lait-Flecken. Mindestens sechs Milchkaffeeflecken sowie kutane und subkutane Neurofibrome weisen auf den M. Recklinghausen (siehe 11.Neurogene Tumoren) hin [23]. Ein dermaler melanotischer Pigmentzellnaevus ist der Blaue Naevus (Naevus coeruleus), der als blauschwarzes Knötchen im tieferen Bindegewebe imponiert. D Naevuszellnaevi (NZN) Jeder Erwachsene hat mind. 20 Naevi. NZN sind damit die häufigsten gutartigen Hautmale. Sie treten nestförmig an der dermoepidermalen Grenzfläche auf. Auffallend ist besonders der Naevus pigmento- sus et pilosus, der behaart und großflächig ist, und als Tierfellnaevus bezeichnet wird. Das Entartungsrisiko bei großen Naevi liegt bei 6–15% [23]. D Organoide Naevi. Ein organoider Naevus ist z.B. der Naevusa sebaceus am behaarten Kopf mit einer Vermehrung der Talgdrüsenläppchen. In ca. 10–30% der Fälle bilden sich auf dem Boden eines Naevus sebaceus Basaliome, sodass eine Entfernung bereits im Kindes- und Jugendalter angezeigt ist [23]. 4.2 Malignes Melanom (MM) Das MM ist der gefürchtetste Hauttumor, die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 85% [17]. Jedoch haben nur Patienten, die weder klinisch noch histologisch Lymphknotenmetastasen haben, gute Heilungschancen. Die globale Letalität (alle Stadien) liegt bei 20–30% [23]. Immerhin mehr als die Hälfte aller Todesfälle bei malignen Hauterkrankungen geht auf das Konto der MM. Genetische Disposition, UV-Expositionen und chronische Irritationen sollen bei der Entstehung des MM beim Menschen eine wesentliche Rolle spielen [17]. Interessanterweise ist die Zunahme der Hautmelanome im Gesicht, das ständig der Sonne ausgesetzt ist, am geringsten und an intermittierend dem Sonnenlicht ausgesetzten Hautarealen DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 253 Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes b sehr viel höher [10]. Lediglich bei der Lentigo maligna, die fast ausschließlich im Gesicht auftritt [17], spielt die kumulative UV-Dosis die entscheidende Rolle [9, 10, 23]. Entscheidend für das klinische Erkennen ist die Beachtung der ABCDE-Regel: A Asymmetrie B Begrenzung (unregelmäßig) C Farbe (Farbvariation) D Durchmesser (mehr als 5 mm) E Erhabenheit. Histologisch und prognostisch wichtig ist die Einteilung der Melanome nach Breslow (Tumordicke) und nach Clark (Eindringtiefe in die Haut). Ist die Tumordicke nach Breslow dicker als 1,5 mm, fällt die 10-Jahresüberlebensrate von 90 auf 67%! Bei einer Tumordicke über 4,0 mm liegt diese Rate bei nur noch 43% [23]. Praxis & Produkte a Abb. 8 Klinische Formen maligner Melanome Abb. 8a Superfiziell spreitendes Melanom Abb. 8b Noduläres malignes Melanom Abb. 8c Lentigo maligna – Melanom c MM sind definitionsgemäß Tumoren, die von atypischen epitheloiden Melanozyten in der Epidermis ausgehen, die in die Dermis eindringen. Prinzipiell ergibt sich eine Einteilung in vier Formen (Häufigkeit) (Abb. 8): D Superfiziell spreitende Melanome [SSM (60%)] D Nodulär maligne Melanome [NMM 25%] D Lentigo maligna [LMM 7%] D Akrolentiginöses Melanom [ALM 5%]. Obwohl die Lentigo maligna unter allen MM-Typen eine relativ geringe Häufigkeit aufweist, ist sie im Gesicht wesentlich häufiger (19%) [17, 23]. Der häufigste MM-Typ in Europa ist das SSM, die Oberfläche ist bereits in der Frühphase relativ stark verändert. Häufig sieht man „Regressionszonen“. Das NMM ist 253 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 254 Praxis & Produkte Abb. 9 Bilaterale Xanthelasmen ein scharf begrenztes Knötchen mit blauschwarzer Farbe. Das NMM neigt frühzeitig zu Ulzerationen, zum Nässen oder zum Bluten. Die einzig erfolgversprechende und bei Level 1 nach Clark (intraepidermales MM) auch sicher kurative Therapie stellt die Exzision weit im Gesunden dar. Zytostatika sprechen in 10–20% der Fälle an, die Immunstimulation brachte nicht den gewünschten Erfolg. Entscheidend ist deshalb die Früherkennung eines MM für den Patienten. Deshalb ist es auch für den Zahnarzt wichtig, jede pigmentierte Hautveränderung, je schwärzer desto dringender, auf ihre Dignität hin abklären zu lassen [10]. 5 Fibrohistiozytäre Tumoren 254 Das bekannteste Beispiel sind die Xanthelasmen, die meist bilateral an den Augenlidern auftreten, hauptsächlich am Oberlid und am inneren Augenwinkel (Abb. 9). Sie sind Neubildungen als Folge einer Speicherung von Plasmalipopro- teinen durch Makrophagen der Haut. Treten Xanthelasmen als Begleiterkrankung einer Hyperlipoproteinämie auf, muss diese behandelt werden. Liegt keine Lipidstoffwechselstörung vor, hilft nur die Exzision des Befundes. 6 Bindegewebstumoren Bekannt für diese Tumorgruppe ist das Keloid, das von der hypertrophen Narbe abgegrenzt werden muss. Das Keloid ist als benigne, umschriebene Bindegewebsproliferation bei genetischer Disposition definiert. Auslöser für diese Proliferation können Traumata, Infektionen oder chirurgische Maßnahmen sein. Es wird allerdings auch über spontane oder idiopathische Keloide berichtet. Prädisponierende Faktoren sind jugendliches Alter, schwarze Hautfarbe und Lokalisation am Sternum [30]. Die hypertrophische Narbe ist ebenfalls eine sich rasch ausbildende Bindegewebswucherung, DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 255 Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes 8 Muskuläre Tumoren Es handelt sich um relativ seltene Tumoren. Das Leiomyom tritt in 12% aller Fälle im Gesicht und in der Mundhöhle auf. Die Therapie ist die einfache operative Entfernung, Rezidive sind selten [17]. Praxis & Produkte die aber den Narbenrand nicht überschreitet [30]. Neben Applikation von Externa oder der Kortikosteroidinjektion kann nach ca. 12 Monaten die Exzision versucht werden. 7 Fettgewebstumoren Das Lipom ist der häufigste Fettgewebstumor. Lipome können oberflächlich auftreten oder tief liegen. Sie sind als gutartige, umschriebene, knotige Wucherungen des subkutanen Fettgewebes definiert, die solitär oder multipel vorkommen. Die Ätiologie der Lipome ist unklar, eine familiäre Häufung ist bekannt (Lipomatose). Multiple Lipome treten unter anderem als Teilsymptom des Gardner-Syndroms auf [8]. Das Gardner-Syndrom ist für den Zahnarzt von besonderer Bedeutung, da er im Orthopantomogramm eine für den Patienten lebenswichtige Frühdiagnose stellen kann. In diesem Röntgenbild kann vom Zahnarzt bei Patienten mit Gardner-Syndrom in einem hohen Prozentsatz eine Häufung von Osteomen gefunden werden [12]. Der Patient ist dann einer eingehenden endoskopischen Untersuchung der Darmregion zuzuführen, da multiple Kolonpolypen Teilsymptom des Syndroms sind. Sie können in etwa 50% der Fälle maligne entarten. 9 Vaskuläre Tumoren Zwei Tumorformen der vaskulären Tumoren sind im Gesichtsbereich besonders häufig anzutreffen: Der Naevus flammeus und die Hämangiome (Abb. 10 und 11). 9.1 Naevus flammeus (Feuermal) Das Feuermal ist eine angeborene oder sich später manifestierende naevoide Fehlbildung der dermalen Kapillaren. Je nach klinischer Ausprägung wird ein lateraler von einem medialen Typ unterschieden. Im Gesicht und in der Mundhöhle tritt der Naevus flammeus im Ausbreitungsgebiet der Äste des Nervus trigeminus auf (Abb. 10). Die lateralen N. flammei können im Rahmen von Missbildungssyndromen vorkommen (z.B. Sturge-Weber-Krabbe-Syndrom). Bei diesem Syndrom findet sich neben einem Naevus flammeus, eine Gefäßdysplasie des Auges (Glaukom) und des Gehirns (Krampfanfälle) [23]. 255 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 256 Praxis & Produkte papulöse und wulstig-hyperplastische An teile Abb. 10 Ausgedehnter Naevus flammeus Eine Therapie kann bereits im frühen Kindesalter indiziert sein, da es zu keiner spontanen Rückbildung kommt, der Naevus mit dem Wachstum größer wird und sich mit dem zunehmenden Alter z.T. tuberös und dunkelfarbig verändert. 9.2 Hämangiom Hämangiome gehören zu den häufigsten kongenitalen Anomalien des Menschen [5]. Bei den Hämangiomen werden kapilläre von kavernösen und Mischformen unterschieden (Abb. 11). 256 9.2.1 Kapilläre Hämangiome Über die Ätiologie der kapillären Hämangiome ist nichts bekannt. Das juvenile kapilläre Hämangiom tritt bei einem von 200 Säuglingen auf [29]. In ca. 75% der Fälle tritt eine Spontanremission auf. Histologisch liegt bei dieser benignen Veränderung eine Vermehrung von kapillären Strukturen in der oberen Cutis vor. Therapeutisch ist eine Frühexzision zu erwägen, die mit einer Lasertherapie, Kryochirurgie, sklerosierenden Substanzen oder der intraläsionalen Fibrinkleberinjektion kombiniert werden kann. 9. 2. 2 Kavernöse Hämangiome Kavernöse Hämangiome sind seltener als kapilläre Hämangiome, auch über ihre Genese ist nichts bekannt. Histologisch findet sich eine Vermehrung dilatierter Blutgefäße in der unteren Kutis und Subkutis. Sie sind im Gegensatz zu kapillären Hämangiomen weniger umschrieben, größer und wachsen invasiver. Durch die starke Gefäßdilatation ist die Oberfläche meist irregulär. Da das kavernöse Hämangiom keine spontane Re- DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 257 Kapillär-kavernöses Hämangiom der Schläfe Praxis & Produkte Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes Kavernöses Hämangiom der Unterlippe Abb. 11 Verschiedene Hämangiomtypen gression zeigt, muss auf jeden Fall eine Therapie durchgeführt werden. Die Therapieoptionen ähneln denen der kapillären Hämangiome, sind aber durch die starke Vaskularisation der kavernösen Hämangiome schwieriger durchzuführen. Eine Sonderform sind die arteriovenösen Hämangiome, bei denen vereinzelt direkte Verbindungen von Arterien und Venen bestehen. 10 Lymphangiome Lymphangiome sind seltene Tumoren in der Mund-, Kiefer- und Gesichtsregion. Therapeutisch sollte stets eine radikale Entfernung angestrebt werden, da die Prognose sonst problematisch ist. 11 Neurogene Tumoren Erwähnenswert ist hier die sog. Neurofibromatosis generalisata (Synonym: Morbus von Recklinghausen). Es handelt sich um eine autosomal dominante Erbkrankheit in Form einer neuroektodermalen Systemerkrankung (Phakomatose) mit einer Trias von Hautsymptomen: D Neurofibrome D Café-au-lait-Flecken (mindestens 6) D Kleinfleckige Hyperpigmentierungen der Axillen [23]. Die Therapie besteht in der operativen Behandlung, wobei aber häufig die große Ausdehnung der Tumoren eine komplette Entfernung unmöglich macht. Die Prognose der Patienten mit Neurofibromatose ist zum einen wegen der stetigen Progredienz, zum anderen wegen der Malignisierungstendenz (5–15% [23]) z.T. infaust. Auch für die Entwicklung anderer maligner Tumoren besteht ein erhöhtes Risiko. 257 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 258 Praxis & Produkte 12 Grundlagen der plastischen Tumorchirurgie im Gesicht Ein Zitat von Tagliacozzi von 1597 [28] soll am Anfang dieses Abschnittes stehen: „Wir stellen wieder her und vervollständigen Teile des Körpers, die uns von Natur gegeben, jedoch vom Schicksal zerstört wurden. Wir tuen dies nicht so sehr zur Befriedigung unseres Auges, als zur psychischen Wiederherstellung der Betroffenen.“ 1597, CHIRURGIA CURTORUM Im Gesichtsbereich gilt ganz besonders, dass die Prinzipien der 258 Abb. 12 Richtige und falsche Exzisionstechnik Radikalität der Tumorentfernung – insbesondere bei malignen Tumoren – mit den Prinzipien der ästhetischen Chirurgie zum Wohle des Patienten optimal miteinander verknüpft werden müssen. Dies heißt für die Praxis, das nur so viel Gewebe bei der Tumorentfernung geopfert werden darf, um den (malignen) Tumor mit Sicherheit in sano zu exzidieren (Abb. 12). Mithilfe der intraoperativen Schnellschnittdiagnostik, die von Pathologen durchgeführt wird, kann man diesem Ziel sehr nahe kommen. Das Prinzip dieses Verfahrens ist die sparsame Exzision des Tumors (2–4 mm Sicherheitsabstand) mit einer topografi- DZK 2009.qxd 29.10.2008 09:25 Seite 259 Praxis & Produkte Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes Relaxed skin tension lines (RSTL) (Borges u. Alexander 1962) Ästhetische Einheiten (esthetic units) Abb. 13 Zwei wichtige Richtlinien für die ästhetisch-rekonstruktive Chirurgie schen Markierung und anschließender lückenloser Aufarbeitung der gesamten Exzisataussenfläche im Kryostatverfahren (mikrografische Chirurgie) [18]. Damit ist man in der Lage, die meisten Patienten in einer operativen Sitzung von ihrem Tumor zu befreien und im Anschluss direkt den Defektverschluss nach den Prinzipien der plastischen Chirurgie vorzunehmen [14, 15]. Hier sind vor allem zwei Prinzipien zu beachten: Zum einen die Schnittführung, soweit es die Tumorlokalisation erlaubt, in die RSTL (relaxed skin tension lines) zu legen. Die RSTL wurden erstmals von Borges u. Alexander [2] beschrieben. Sie stellen diejenigen Linien im Gesicht dar, in denen die Narbenheilung am günstigsten verläuft. Zum anderen sollten die ästhetischen Einheiten (esthetic units) eingehalten werden, d.h., dass diese Flächen, in die sich das Gesicht natürlicherweise aufteilen lässt, nach Möglichkeit nicht durch Narben unterteilt werden (Abb. 13). Im Gesicht hat die Beachtung nervaler Strukturen höchste Priorität. Dem Operateur muss der Verlauf der Äste des N. trigeminus und des N. fazialis absolut geläufig sein. Diese Nerven sind zu schonen, es sei denn, die Tumorausdehnung erfordert im Sinne der Radikalität des Eingriffs die Opferung von nervalen Strukturen. 259 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 260 Praxis & Produkte troaurikulär, supra- oder infraklavikulär entnommen, da sich die haarfreie Haut aus diesen Regionen ästhetisch am besten in das Gesicht einfügt. Die Entnahme erfolgt mit dem Skalpell, wobei darauf geachtet werden muss, dass keine zur Einheilung störenden Fettpartikel an der Transplantatunterfläche haften bleiben. Im Allgemeinen wird die Entnahme so durchgeführt, dass sich der Entnahmedefekt problemlos verschließen lässt. In unserer Praxis hat es sich bewährt, dass Hauttransplantat mit lang gelassenen Fäden, mit denen ein Schaumstoffstück oder ein Tupfer über dem Transplantat fixiert wird, in den Defekt einzunähen (Abb. 14). Der Druck auf das Transplantat über den Knüpfverband soll verhindern, dass sich zwischen Transplantat und Defektgrund ein Hämatom bildet, welches den innigen Kontakt zum Wundbett behindert. Nach zehn Tagen werden Im Gegensatz zu den gestielten die Fäden entfernt und das HautLappenplastiken, bei denen das transplantat mit einer Fettcreme transplantierte Gewebe für eine nachbehandelt. gewisse Übergangszeit durch einen Stiel mit der Spenderzone in Verbindung bleibt, erfolgt bei der 13 Ausblick freien Gewebeverpflanzung die Ernährung des Transplantates so- Eine vorrangige Aufgabe der wisfort vom Transplantat aus. Im Ge- senschaftlichen Zahnmedizin sichtsbereich werden hierbei Voll- muss es in Zukunft sein, die Hauthautlappen bevorzugt verwendet. krebsproblematik zu thematisieSie bestehen aus der Epidermis ren und für die Zahnärzte immer und der gesamten Koriumschicht wieder bewusst zu machen. Da und werden üblicherweise von re- Zahnärzte neben den Hausärzten Neben der Funktion von Mimik, Augenlidern, Nase und Lippen spielt die Ästhetik im Gesicht eine große Rolle. Da die Haut in der unmittelbaren Nachbarschaft des Defektes die größte Ähnlichkeit mit dem resezierten Gewebe hat, ist aus ästhetischen Gründen die gestielte Hautlappenplastik aus der Umgebung des Primärdefektes bei der Rekonstruktion im Gesicht die Methode der ersten Wahl. Für fast jeden Defekt stehen mehrere Rekonstruktionsverfahren zu Verfügung. Die Auswahl richtet sich nach: D der erforderlichen Lappengröße und -länge D den zu erwartenden Durchblutungsverhältnissen D der möglichst problemlosen Versorgung des Sekundärdefektes D den zu erwartenden Narbenrichtungen D und der Hautqualität. 260 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 261 Praxis & Produkte Tumoren der Gesichtshaut im Blickfeld des Zahnarztes Abb. 14 Technik der Vollhauttransplantation am häufigsten von den Patienten konsultiert werden und sie beruflich dem Gesicht des Patienten sehr nahe kommen, erscheint es sinnvoll, Zahnärzte verstärkt in die Hautkrebsfrüherkennung zu integrieren [10, 13, 16]. Es kann nicht Aufgabe des Zahnarztes sein, Hauttumoren definitiv abzuklären oder zu behandeln, aber nach entsprechender Fort- und Weiterbildung sollte er in der Lage sein, Verdacht zu schöpfen und den Patienten einer kunstgerechten fachärztlichen Behandlung zuzuführen [10, 13, 16, 21]. Nur im konstruktiven Dialog mit anderen medizinischen Fachdisziplinen können Zahnärzte diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen. Die Bedeutung der Zahnmediziner im Bereich der Prävention könnte dadurch erheblich gestärkt werden. Ein erweitertes Selbstverständnis des zahnärztlichen Berufsstandes würde sogar dazu führen, dass nicht nur die Zahngesundheit, sondern auch die Verbesserung der Allgemeingesundheit der Bevölkerung als eine Aufgabe der Zahnmedizin angesehen wird [31]. 261 DZK 2009.qxd 28.10.2008 08:01 Seite 262 Praxis & Produkte Literatur 1. Arnold W, Ganzer U: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 4. Aufl., Thieme, Stuttgart, New York 2005. 2. Borges AF, u. 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