- Praxis Am Bergweg

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Tierärztliche Praxis
Dr. E. Sieverding Fachtierarzt für Schweine u. Geflügel
Dr. D. Schulze Fachtierarzt für Geflügel
Tierärztl. Praxis Am Bergweg GbR – Bergweg 20 – 49393 Lohne
Bergweg 20
49393 Lohne
Tel. 04442 - 9220-0
Fax 04442 - 5861
Lohne im Oktober 2009
Kundenbrief Nr. 69
Anmerkungen zur Darm-Dysbiose
Liebe Kundinnen und liebe Kunden,
nasse Ställe in Folge von Dysbiosen, bzw. unspezifischen Durchfällen, sind seit dem Wegfall der antibiotischen
Leistungsförderer ähnlich häufig geworden, wie Mykotoxine im Getreide bei pflugloser Ackerbestellung. Sind
den Landwirten die hemmende Wirkung der Mykotoxine auf das Abwehrsystem der Tiere bestens bekannt,
verhält es sich bei den (unspezifischen) Durchfällen leider ähnlich. Im Darm befinden sich ca. 70% aller
Abwehrzellen des Körpers. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass der Darm 10mal mehr Mikroorganismen
beherbergt, als der sie umgebende Organismus an Körperzellen besitzt, wird einem die Bedeutung als
Abwehrorgan einmal mehr deutlich.
Über den Schnabel gelangen unzählige infektiöse und nicht infektiöse Bestandteile in das Darminnere. Deren
Eindringen in den Organismus gilt es zu verhindern. Dazu kommt noch die massive Besiedlung des MagenDarm-Traktes mit einer Unzahl von verschiedenen Mikroorganismen, der sogenannten Darmflora. Die
Darmflora übernimmt wichtige Abwehr- und Verdauungsfunktionen. Es handelt sich bei der Darmflora aber
auch um Bakterien, die an einem Übertritt in den Wirtsorganismus gehindert werden müssen. Da der Darm zum
einen notwendigerweise für Resorptions- und Sekretionsmechanismen funktionell durchlässig ist, muss er ein
gut funktionierendes Kontrollsystem in der Freund – Feind – Erkennung besitzen. Daraus ergibt sich fast
zwangsläufig, dass dem Darmkanal erhebliche Bedeutung im Rahmen der körpereigenen Abwehr zugeordnet
werden können. Deshalb ist ein Darm ohne Immunsystem nicht denkbar. Dieser Funktionskreislauf wird als
darmassoziiertes Immunsystem (GALT = Gut associated lymphoid tissue) bezeichnet. Neben wichtigen
unspezifischen Faktoren der Immunabwehr, wie
- Säurewirkung des Magensaftes
- keimhemmende Wirkung der Verdauungssäfte
- vorwärtsgerichtete Darmperistaltik
- Schleimabsonderung
ist die enorm hohe Anzahl der verschiedenen Abwehrzellen (Immunzellen) im Darm von vitaler Bedeutung. In
der Schleimhaut des Darmrohres sind mehr Abwehrzellen lokalisiert als in irgendeinem anderen Körperorgan.
Die Abwehrzellen des Darmes bilden insbesondere die örtlich begrenzte Schleimhautimmunität aus und
verhindern darüber hinaus, dass die lebensnotwendigen Bestandteile aus der Ernährung (Futter, Wasser) zu
keiner Abwehrreaktion des Körpers führen. Dieses lebenserhaltende Erkennungssystem heißt: „orale
Toleranz“.
Um die Vorgehensweise in der Nutzung dieser Mechanismen besser verstehen zu können, gehe ich auf die
anatomischen Einrichtungen des GALT sowie dessen Funktionsabläufe nachfolgend genauer ein.
Im Vergleich zu den in anderen Regionen des Körpers sich befindenden Immunzellen weisen die Abwehrzellen
der Darmschleimhaut einen erhöhten Aktivitätsgrad auf, um den hohen Keimbelastungen im Darmes gerecht
werden zu können. Neben den antikörperbildenden Abwehrzellen befinden sich dort auch unspezifische
Fresszellen (Makrophagen). Dieser Verbund der spezifischen und unspezifischen Abwehrzellen ist die Basis der
Darmgesundheit.
OLB Lohne
BLZ 280 225 11 Kto-Nr. 430 36920 01 UST-Ident-Nr. DE 117787199
LzO Vechta
BLZ 280 501 00 Kto-Nr. 070-405 402 UST-Nr. 23/68/221/00303
Volksbank Bassum BLZ 291 676 24 Kto-Nr. 2 5000 700
Lohner Bank eG BLZ 280 625 60 Kto-Nr. 15 001 001
Ständige Notdienstrufnummern: 0173 200 9760
Eine ganz besondere Bedeutung haben die sogenannten PEYERschen Platten, eine lokale Ansammlung von
Abwehrzellen in der Darmschleimhaut. Sie sind bereits vom geübten Auge als sagokornähnliche
Aufwölbungen, bzw. Fingernagel große, grisselige Darmschleimhautverdickungen zu erkennen. Diese
truppenartige Ansammlung von Abwehrzellen sind bereits vor der Geburt bzw. Schlupf ausgebildet. Auch wenn
ihre Anzahl im Laufe des Lebens abnimmt, findet man auch bei älteren Tieren noch eine größere Anzahl dieser
Zellansammlungen. Die PEYERschen Platten befinden sich im letzten Drittel des Dünndarmes.
Neben den Abwehrzellen befinden sich in der Darmschleimhaut auch sogenannte M-Zellen. Ihnen kommt die
zentrale Bedeutung bei der Bekämpfung von eindringenden Erregern zu. Sie sind über Ausstülpungen mit
benachbarten Abwehrzellen und unspezifischen Fresszellen (Makrophagen) verbunden. Ständig nehmen die MZellen verdächtige Erreger vom Darminneren her auf und reichen sie an die Abwehrzellen weiter. Die M-Zellen
werden deshalb auch als die Pförtner im Darm bezeichnet.
Hat eine Abwehrzelle der Darmschleimhaut ein Bakterium wie oben beschrieben angereicht bekommen und für
gefährlich eingestuft, macht sie sich sofort reisefertig, um mit dieser Botschaft das Darmgewebe über einen
Kanal (Duktus thoracicus) via Blutkreislauf zu verlassen. Ähnlich dem Handwerk befindet sich die Abwehrzelle
auf einer Art Erfahrungsreise im Körper, um nach einiger Zeit gereift an den Ort der Entstehung in die
Darmwand zurückzukehren. Diesen Informationskreislauf der darmstehenden Abwehrzellen nennt man
„Homing“.
Aber nicht alle so gereiften Abwehrzellen kehren in das Darmgewebe zurück. Ein kleinerer Teil (ca. 10%) der
so programmierten Abwehrzellen siedelt sich nach der Körperwanderschaft in den anderen
Schleimhautgeweben des Körpers an: Bronchialschleimhaut, Tränendrüse, Milchdrüse, Mundschleimhaut,
Nasenschleimhaut, Vaginalschleimhaut und Blasenschleimhaut.
Diese Schleimhäute können nun von den Erfahrungen dieser darmstehenden Abwehrzellen profitieren. Alle
Schleimhäute sind also untereinander immunologisch vernetzt und kommunizieren auf diese Art und Weise
miteinander. Die Gesamtheit dieser eng miteinander verknüpften Schleimhautabwehrsysteme wird auch mit
dem übergeordneten Begriff MALT (mucosa associated lymphoid tissue) bezeichnet.
Das Kernstück dieses Abwehrsystems im Darm (GALT) ist das sogenannte sekretorische Immunglobulin
(sIgA). Der Unterschied zu anderen Immunglobulinen ist, dass dieses sIgA einen sogenannten Fraßschutz vor
der eigenen Verdauung besitzt. Die gesamte Darmschleimhautoberfläche ist von diesen Immunglobulinen
überzogen. Dieser „Schutzanstrich“ der Schleimhäute („antibody painting“) sorgt dafür, dass das Anheften und
das Eindringen von schädlichen Eindringlingen verhindert, bzw. erheblich erschwert wird. Durch die Bildung
von Antigen-Antikörper-Komplexen auf der Schleimhautoberfläche kommt es zu einer Verklumpung des
eindringenden Erregers. Dieser Antigen-Antikörper-Klumpen verlässt dann per via naturales den Körper.
Dieser Abwehrmechanismus wird auch als „first line of defense“ bezeichnet. Die Dysbiose stört die so wichtige
erste Verteidigungslinie des Körpers. Eine generelle Erhöhung der Empfindlichkeit gegenüber Erkrankungen
aller Art ist die Folge. Der griechische Arzt, auf den auch alle Ärzte ihren Eid ablegen, hat dies bereits vor gut
2400 Jahren so formuliert: „Der Tod lauert im Darm“. Deshalb dürfen Dysbiosen, bzw. unspezifische
Durchfälle medizinisch nicht unbeachtet bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Erwin Sieverding
OLB Lohne
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