18.3 Ernährung bei Multipler Sklerose M. Reindl 1. Einleitung Die Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste neurologische Erkrankung des jungen Erwachsenen mit einem hohen Risiko für eine spätere schwere Behinderung. Die Erkrankung beginnt typischerweise zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und betrifft Frauen doppelt so häufig wie Männer. Die MS hat in Europa und Nordamerika eine Prävalenz von 80 –140 pro 100.000, wobei die Prävalenz von Norden nach Süden deutlich abnimmt (Compston et al., 2005; Noseworthy et al., 2000). Laut einer aktuellen Studie beträgt die Prävalenz der MS in Österreich 99 pro 100.000 (Baumhackl et al., 2002). Bei 80 – 90 % aller MS Patienten beginnt die Erkrankung als klinisch isoliertes demyelinisierendes Syndrom (CIS) und 30 % dieser Patienten entwickeln innerhalb von 12 Monaten eine klinisch definitive MS (Brex et al., 2002). Die Diagnose erfolgt dabei vor allem durch klinische Kriterien (Zweitschub), während paraklinische Untersuchen wie die Magnetresonanztomographie oder die Liquoruntersuchung zusätzliche Informationen liefern (McDonald et al., 2001). Über 80 % aller MS Patienten haben zunächst einen klassischen schubhaften Krankheitsverlauf, der durch das Auftreten neurologischer Störungen (= Schübe) und deren Rückbildung gekennzeichnet ist. Mit der Zeit konvertieren bis zu 50 % der schubhaften MS Patienten zum sekundär-chronisch progredienten Verlauf, der durch akkumulierende neurologische Schäden charakterisiert ist (Weinshenker et al., 1989). Bei 10 – 20 % aller MS Patienten kommt es zum sogenannten primärchronisch progredienten Verlauf bei dem die Erkrankung von Anfang an rasch voranschreitet (Vukusic et al., 2003). Bedingt durch die Polytopie der Läsionen im Zentralnervensystem (ZNS) können Symptome in jedem neurologischen System auftreten. Erstmanifestationen betref- fen am häufigsten das motorische, sensible und visuelle System. Im Lauf der Erkrankung treten Störungen der Koordination, der vegetativen Funktionen, psychophysische Störungen sowie neuropathische Schmerzen und sogenannte paroxysmale Symptome auf, die weniger als 2 Minuten anhalten, aber bis zu 30mal/Tag auftreten können (z. B. paroxysmale Dysarthrie, Ataxie, sensorische Symptome etc.). Man nimmt heute an, dass die MS eine chronisch-entzündliche, entmarkende und im Spätstadium neurodegenerative Erkrankung des Zentralnervensystems ist (Compston et al., 2005; Noseworthy et al., 2000). Die Pathologie der MS ist durch vier grundlegende Mechanismen gekennzeichnet: Entzündung, Demyelinisierung, Sklerosierung und Axonschaden (Lassmann et al., 2007). Das morphologische Korrelat stellt der demyelinisierende Plaque dar. Es wird angenommen, dass die ersten Symptome einer MS durch entzündliche Demyelinisierung hervorgerufen werden, die zu einer Blockade oder Verlangsamung der neuronalen Leitungsgeschwindigkeit führt. Als Folge wiederholter Krankheitsaktivität kommt es zur irreversiblen Axonschädigung und astroglialer Sklerosierung mit daraus resultierendem Ausfall neurologischer Funktionen (Progression). Generell kann man die Erkrankung in zwei Phasen einteilen, in eine frühe entzündlich-entmarkende und eine späte chronisch-progrediente (Abb. 1). Die heute verwendeten sogenannten Intervall-Therapien (Interferon-E, Glatirameracetat, Natalizumab) wirken alle antientzündlich bzw. immunmodulierend und zeigen daher nur in der frühen Phase der MS eine Wirkung, während sich die therapeutischen Möglichkeiten bei der progredienten MS auf symptomatische Therapien beschränken (Compston et al., 2005; Kieseier et al., 2007). 671 Buch 4.indb 671 15.10.2009 14:18:53 Kap. 18.3 M. Reindl Tabelle 1. Krankheitsverlauf der MS CIS = Klinisch isoliertes demyeliniserendes Syndrom (= MS Erstschub) RRMS = schubförmig remittierende MS SPMS = sekundär chronischprogrediente MS PPMS = primär chronischprogrediente MS HDMP = hoch dosiertes Methylprednisolon 2. Risikofaktoren für MS Bei einer chronischen Erkrankung wie der MS kommt der Ernährung natürlich ein besonderer Stellenwert zu. Schon seit langem wurde ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von MS und Ernährungs- und Lebensgewohnheiten beobachtet. Die Epidemiologie zeigt, dass die geographische Verteilung von MS keineswegs einheitlich ist. Es gibt ein Nord-Süd Gefälle, wobei die Prävalenz mit dem Abstand vom Äquator zunimmt (Compston et al., 2005; Noseworthy et al., 2000). Diese ungleiche Verteilung wurde auf Umweltfaktoren wie Klima, Ernährung oder auf die unterschiedliche Verteilung von infektiösen Erregern zurückgeführt. Inzwischen weiß man aber, dass die weltweite Verteilung der MS weniger mit der Höhe von Breitengraden, sondern mehr mit ethnischen Grenzen korreliert. MS tritt am häufigsten bei Kaukasiern auf. Dies deutet auf den Einfluss genetischer Faktoren hin, der sich auch in der oft beobachteteten familiären Häufung von MS zeigt. Das Risiko, an MS zu erkranken, steigt dabei auf 3 % für Verwandte ersten Grades, 38 % für monozygote Zwillinge, und 1 % für Verwandte zweiten Grades an. Migrationsstudien deuten darauf hin, dass jene Faktoren, die zum Erwerb der Erkrankung beitragen, andere sind als jene, die zum Ausbruch der klinischen Symptomatik beisteuern (Ascherio et al., 2007 a; Compston et al., 2005). Während genetische Faktoren bei der Suszeptibilität eine wichtige Rolle spielen, scheint die klinische Manifestation eher durch Umwelteinflüsse verursacht zu werden. Man vermutet, dass die Interaktion genetischer- und Umweltfaktoren sowohl über protektive als auch schädliche Einflüsse für die unterschiedliche Prävalenz in verschiedenen Ländern verantwortlich ist. Bisher wurde eine große Anzahl von Umweltfaktoren, darunter virale und bakterielle Infektionen, Trauma, Ernährungsfaktoren, Rauchen, geographische Einflüsse, Kontakt zu Tieren, Mineralien, chemische Stoffe, Metalle, organische Lösungen und diverse berufsbedingte Expositionen in Zusammenhang mit MS untersucht (Ascherio et al., 2007 a; Ascherio et al., 2007 b; Compston et al., 2005; Giovannoni et al., 2007; Noseworthy et al., 2000). Bezüglich der Ernährungsgewohnheiten konnte gezeigt werden, dass die Krankheit 672 Buch 4.indb 672 15.10.2009 14:18:54 Ernährung bei Multipler Sklerose umso häufiger auftrat, je mehr Fleisch verzehrt wurde, während Fisch eher einen schützenden Effekt hatte. 3. Rauchen und MS Unter den oben erwähnten Umweltfaktoren hat das Rauchen einen deutlichen Einfluss, sowohl auf das Risiko MS zu entwickeln, als auch auf den klinischen Verlauf der Erkrankung (Ascherio et al., 2007 b; Giovannoni et al., 2007; Hawkes, 2007). Bei Rauchern findet man dabei eine 40 – 80 % höhere Inzidenz der MS als bei Nichtrauchern (Hernan et al., 2001; Pekmezovic et al., 2006; Riise et al., 2003; Thorogood et al., 1998; Villard-Mackintosh et al., 1993). Eine rezente Studie konnte darüber hinaus zeigen, dass Kinder von rauchenden Eltern ein erhöhtes MS Risiko haben und dass dieses Risiko durch die Dauer der Exposition beeinflusst wird (Mikaeloff et al., 2007). Dazu gibt es eine Dosis-abhängige Korrelation mit der Exposition gegenüber dem Rauch. Darüber hinaus haben Raucher mit schubhafter MS ein dreifach erhöhtes Risiko für eine Krankheitsprogression (Hernan et al., 2005), und Rauchen ist ein wichtiger Risikofaktor für eine rasche Konversion zur klinisch definitiven MS nach einem Erstschub (CIS). Obwohl die pathophysiologischen Mechanismen des Rauchens bei der MS noch ungeklärt sind, zeigen alle bisherigen Daten, dass das Rauchen derzeit der einzige modifizierbare Risikofaktor für MS ist. Deshalb sollte allen MS Patienten empfohlen werden, das Rauchen aufzugeben. 4. Die Rolle von Vitamin D bei der MS Wie bereits weiter oben erwähnt, nimmt die MS Prävalenz bei Kauskasiern mit der Entfernung vom Äquator zu. Migrationsstudien deuten auf den Einfluss von Umweltfaktoren hin, und zahlreiche rezente Studien stellen einen Zusammenhang zwischen der Sonnenexposition, Vitamin D und MS her (Ascherio et al., 2007 b; Giovannoni et al., 2007). Sonnenlicht und vor allem UV-Strahlung sind die wichtigsten Quellen von Vitamin D, das von 7-Dehydrocholesterol über mehrere Zwischenstufen zu 1,25-dihydroxyvitamin D3 (1,25(OH)2D3), dem biologisch aktiven Hormon, umgewandelt wird (Holick, 2004). Im Winter wird mit steigender Entfernung vom Äquator die meiste UV-Strahlung in der Atmosphäre absorbiert, womit es zu einem Abfall der Vitamin D Serumspiegel kommt, der erstmalig vor 30 Jahren mit der erhöhten MS Inzidenz in höheren Breitengraden in Verbindung gebracht wurde (Goldberg, 1974). Neben dem Sonnenlicht spielt jedoch auch die Ernährung und die zusätzliche Zufuhr von Vitaminensupplementen eine wichtige Rolle beim Vitamin D Haushalt. In skandinavischen Ländern spielt eine fischreiche Ernährung eine wichtige Rolle bei der Vermeidung von Vitamin D Mangel und könnte so auch die geringere MS Prävalenz in küstennahen Gebieten erklären (Swank et al., 1952). Allerdings sind retrospektive Studien zur Rolle der Ernährung bei chronischen Erkrankungen wie der MS wenig aussagekräftig, da ja die Erkrankung selbst bereits in der präklinischen Phase mit einer Veränderung der Essgewohnheiten einhergehen könnte. In einer prospektiven longitudinalen Studie, der sogenannte „US Nurse Study“, wurde die Rolle der Ernährung bei der MS genauer untersucht (Munger et al., 2004). Dabei wurden mehr als 180.000 Krankenschwestern aus den USA eingeschlossen, von denen 173 MS entwickelten. Diese Studie zeigte, dass die Einnahme von Vitamin D das Risiko an MS zu erkranken deutlich verringerte (Faktor 0,7) und Vitamin D damit einen protektiven Effekt hatte. Diese Beobachtung konnte an einem zweiten prospektiven US Kollektiv, dem „Department of Defense Serum Repository“ verifiziert werden. Dabei konnte gezeigt werden, dass erhöhte Vitamin D Serumspiegel (> 100nmol/l 25(OH)D) vor allem bei jungen Erwachsenen (< 20 Jahren) das Risiko an einer MS zu erkranken deutlich verminderten (Ascherio et al., 2007 b). Diese epidemiologischen Beobachtungen werden auch durch experimentelle Befunde unterstützt, die 673 Buch 4.indb 673 15.10.2009 14:18:55 Kap. 18.3 M. Reindl einen protektiven Effekt von Vitamin D in einem Tiermodell der MS zeigten (Cantorna et al., 1996). Niedrige Vitamin D Spiegel sind nicht nur mit einem erhöhten Risiko für MS assoziiert, sondern man findet bei MS Patienten auch deutlich geringere Vitamin D Spiegel, die mit einem deutlich erhöhten Osteoporoserisiko einhergehen (Nieves et al., 1994). Darüber hinaus zeigte eine rezente Studie, dass es zwar sowohl bei MS Patienten als auch bei gesunden Kontrollen zu saisonalen Schwankungen der Serum Vitamin D Spiegel kommt, aber bei MS Schüben die Serum Vitamin D Spiegel erniedrigt sind. Dazu hatten MS Patienten erniedrigte Serum Kalzium Spiegel, was darauf hindeutet, dass die endokrinen Regelmechanismen für Serum Kalzium bei MS verändert sein könnten (Soilu-Hanninen et al., 2008). Zwei weitere aktuelle Studien bestätigten im Wesentlichen diese Befunde und zeigten darüber hinaus, dass dieser Effekt bei Frauen mit MS deutlicher ist als bei Männern (Barnes et al., 2007; van der Mei et al., 2007). Aus diesen Gründen wurde Vitamin D bereits als Therapie bei der MS untersucht. Eine erste Studie zeigte eine Reduktion der Schubrate nach einer Diät mit Fischleber (hohe Vitamin D Spiegel) (Goldberg et al., 1986). Eine zweite, methodisch bessere, aber ebenfalls sehr kleine Phase 2 Studie (Sicherheit und Verträglichkeit) wurde vor kurzem zu Vitamin D (1,25(OH)2D) bei MS Patienten durchgeführt und eine größere Studie ist geplant (Wingerchuk et al., 2005). Dazu wurde vor kurzem eine kleinere Studie durchgeführt, die zeigte, dass Vitamin D und Kalzium bei MS sicher und gut verträglich sind (Kimball et al., 2007). Wenn auch die derzeitigen Daten auf keinen direkten therapeutischen Effekt von Vitamin D hinweisen, so könnte die Zufuhr von Vitamin D und Kalzium Präparaten bzw. Milchprodukten doch zumindest das deutlich erhöhte Osteoporoserisiko bei Frauen nach der Menopause und bei Patienten mit wiederholter Corticosteroidtherapie verringern. Abschließend muss jedoch gesagt werden, dass das verringerte MS Risiko durch Vitamin D zwar einige, jedoch bei weitem nicht alle Besonderheiten der MS Epidemiologie erklären kann und diese Befunde, vor allem die protektive Rolle von Vitamin D, nicht überbewertet werden sollten. 5. Fette und MS Einige Studien deuten darauf hin, dass eine an gesättigten Fettsäuren reiche Ernährung das MS Risiko erhöhen könnte. Allerdings wurden all diese Studien retrospektiv durchgeführt und der Einfluss anderer Faktoren kann deshalb nicht ausgeschlossen werden. Bis jetzt gibt es nur eine einzige prospektive Studie zu dieser Fragestellung und diese zeigte, dass weder gesättigte noch ungesättigte Fettsäuren mit einem erhöhten MS Risiko assoziiert waren (Zhang et al., 2000). Randomisierte Studien mit Z-6 oder Z-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren zeigten eine geringe Reduktion des Schweregrads und der Dauer von MS Schüben (Bates et al., 1989; Dworkin et al., 1984; Weinstock-Guttman et al., 2005). Diese Studien führten auch zu „MS Diäten“, also zu einer Ernährung mit begrenzter Fettmenge und einem hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren. Dabei wird vor allem der Linolsäure bzw. D-Linolensäure, sowie den im Fischöl reichlich vorhandenen Z-3 Fettsäuren ein günstiger therapeutischer Effekt zugeschrieben. Nach einer Ernährungsempfehlung der Deutschen MS Gesellschaft sollten MS Patienten Fette mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten, physiologisch konfigurierten Fettsäuren und mit möglichst geringem Cholesteringehalt bevorzugen (Bauer, 1994). Dieser Voraussetzung entsprechen Speiseöle, z. B. Sonnenblumenöl und Färberdistel (Saflor)-Öl. Dazu können mehrfach ungesättigten Fettsäuren auch als Supplemente und/oder Lebertran zugeführt werden. 6. Milch, tierische Proteine und MS Zahlreiche Studien zeigten, dass die MS umso häufiger auftrat, je mehr Fleisch verzehrt wurde, 674 Buch 4.indb 674 15.10.2009 14:18:55 Ernährung bei Multipler Sklerose während Fisch eher einen schützenden Effekt hatte. Diese Beobachtung kann aber wie in den vorherigen Kapiteln beschrieben, genauso durch die differentielle Einnahme von Vitamin D und mehrfach ungesättigten Fettsäuren in küstennahen und ruralen Populationen erklärt werden. Die Beobachtung, dass die geographische Verteilung von MS im Wesentlichen der Verteilung von Milchtrinkern entspricht, führte zur Spekulation, dass Milch bzw. Milcheiweiße mit MS kausal assoziiert sein könnten. So konnte im Tiermodell gezeigt werden, dass das Milchprotein Butyrophilin zu einer immunologischen Kreuzreaktion mit dem MS Autoantigen Myelin Oligodendrozyten Glycoprotein (MOG) und damit zu einer entzündlich-entmarkenden Erkrankung führt (Guggenmos et al., 2004). Dieser Befund ist zwar immunologisch interessant, seine Relevanz für die MS dürfte aber gering sein, da bei MS keine erhöhten Immunantworten gegen Butyrophilin gefunden wurden. Da Milch und Milchprodukte wichtige Lieferanten von hochwertigem, gut verdaulichem Protein, Kalzium, Kalium und Vitamin A sind, würde sich ein Verzicht auf Milchprodukte sogar eher schädlich auswirken. den aber auch einige schwer durchführbare und wegen ihrer Einseitigkeit zum Teil bedenkliche Formen, wie bakterienfreie, kohlenhydratfreie, glutenfreie, milchfreie, methanolfreie und andere Kostformen propagiert. Unzureichende oder ungesunde Ernährung, Überernährung und unregelmäßige Nahrungsaufnahme sind allgemein gesundheitsschädigende Faktoren, die bei MS einen ungünstigen Verlauf der Erkrankung herbeiführen können. Die Ernährung von MS Patienten sollte daher den folgenden Empfehlungen entsprechen: r r r r r 7. Ernährungsempfehlungen für MS Patienten Die Deutsche MS Gesellschaft hat eine Ernährungsempfehlung für MS Patienten verfasst (Bauer, 1994), die auch auf den Internetseiten der Österreichischen (www.msgoe.at) und Deutschen (www.dmsg.de) MS Gesellschaft zu finden ist. Generell sollte die Ernährung von MS Patienten ausgewogen und abwechslungsreich sein, viel frisches Gemüse und Obst und weniger Fleisch und Fett enthalten. Hier muss noch einmal in aller Deutlichkeit festgehalten werden, dass es eine „MS-Diät“, welche eine Heilung der MS bewirken könnte, nicht gibt. Dabei gibt es einige durchaus nützliche Kostformen, die im Wesentlichen vegetarisch orientiert sind und Frischkost propagieren. Andererseits wer- r r r r r r ausreichende, aber nicht überschüssige Kalorienzufuhr eine tägliche Proteinzufuhr von 50 – 80 g (ca. 1 g/kg KG), wobei ein großer Teil davon durch pflanzliches hochwertiges Eiweiß gedeckt werden sollte Vermeidung von industriell hergestellten gehärteten (gesättigten) Fetten und tierischen Fetten Verwendung von pflanzlichen Ölen (20 – 50 g) mit vielen mehrfach ungesättigten und essentiellen Fettsäuren (z. B. Sojaöl, Weizenkeimöl, Leinöl usw.) regelmäßige Fischmahlzeiten, da (Meeres) fische einen hohen Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren und wertvolles Eiweiß enthalten komplexe Kohlenhydrate (niedriger Zuckeranteil) (z. B. Vollkornmehl, Vollkornbrot, Naturreis, Haferflocken etc.) der Ballaststoffanteil der Nahrung kann durch Obst, Gemüse und Salate vermehrt werden Fleisch auf zwei- bis dreimal pro Woche beschränken und dabei möglichst mageres Fleisch oder Fischmahlzeiten bevorzugen möglichst abwechslungsreiche Ernährung, Meiden von industriellen Fertigprodukten ausreichend Flüssigkeit (> 2 l pro Tag) bei Osteoporose oder erhöhtem Risiko (Inaktivität, Kortisontherapie) ist die Einnahme von Vitamin D und die vermehrte Zufuhr 675 Buch 4.indb 675 15.10.2009 14:18:55 Kap. 18.3 r M. Reindl von Kalzium (z. B. in Form von Milch) angeraten (siehe oben) Nicht Rauchen! Die Ernährung in speziellen Situationen, bei Komplikationen und Begleitkrankheiten (z. B. Diabetes, Gicht, Leberschäden, gastrointestinalen Erkrankungen) sollte stets nach kompetenter ärztlicher Diagnose und einer entsprechenden zielgerichteten Therapie festgelegt werden. Mangelernährung kann bei schweren MS Fällen durch Hirnstammläsionen (Störungen des Kauens und Schluckens mit häufigem Verschlucken und Gefahr einer Aspirationspneumonie sowie Erstickungsgefahr) bedingt sein. In diesen schweren Fällen bietet sich nur breiige, leicht passierbare Nahrung und Hilfe beim Essen bzw. wenn das nicht möglich ist, Sondenernährung zur Vermeidung von Mangelzuständen an. Literaturverzeichnis Ascherio A, Munger KL (2007 a) Environmental risk factors for multiple sclerosis. Part I: the role of infection. Ann Neurol 61: 288 – 299 Ascherio A, Munger KL (2007 b) Environmental risk factors for multiple sclerosis. Part II: Noninfectious factors. Ann Neurol 61: 504 – 513 Bauer H (1994) Schriftenreihe der DMSG: MS-Information Nr. 2.7.2 Diätische Leitlinien für MS-Betroffene. 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