Im Blickpunkt: Neues aus der Medizin

Werbung
Im Blickpunkt: Neues aus der Medizin
Neue Leitlinien:
Blutdruck stärker senken
Die fatalen Folgen von hohem Blutdruck sind
bekannt. Herzschwäche und andere Herzkrankheiten, Herzinfarkt und Schlaganfall. Trotzdem
ist die Mehrheit der Hochdruckpatienten nicht
oder nicht ausreichend behandelt. Dieses weltweite
Problem hat sich noch weiter verschärft, darauf
weist Cardio News in einem ausführlichen Bericht
über neue internationale Hochdruckleitlinien hin.
Die Weltgesundheitsorganisation hat 1999 neue Zielwerte für die Blutdruckbehandlung festgelegt,
die den Normbereich nach unten verschieben.
Normalbereiche des Blutdrucks:
Kategorie
Systolisch
(mmHg)
Optimal
<120
Normal
<130
Hoch-normal
130-139
Diastolisch
(mmHg)
<80
<85
85-89
In den neuen Leitlinien heißt es: „Es wäre wünschenswert, bei jungen und im mittleren Alter
stehenden Erwachsenen oder bei Diabetikern
einen optimalen oder normalen Blutdruck zu
erreichen, also unter 135/85 mmHg. Bei älteren
Personen sollte wenigstens ein hoch-normaler
Wert unter 140/90 erzielt werden.“ Der Deutsche
Hochdruckexperte I. Franz, Todtmoos, kommentiert die neue Leitlinie: „Es gibt keine scharfe Grenze zwischen gesund und krank. Und es ist
besser 120/80 zu haben als 140/90, auch wenn
140/90 als vernünftiger Grenzwert-Kompromiss anzusehen ist.“
Cardio News Letter, Mai 1999
Gefahr durch langes Sitzen
Thrombose-Risiko beim Reisen
Ergebnisse einer neuen Fallstudie zeigen, dass
Reisen in Autos, Zug oder Flugzeugen, die länger
36
als fünf Stunden dauern, zu einem fast vierfachen Risiko einer Thrombose führen. Die Studie
wurde im Hospital Pasteur, Nizza, durchgeführt.
160 Patienten, die wegen tiefer Venenthrombosen
oder Lungenembolien eingeliefert waren wurden
verglichen mit Patienten, die aus anderen Gründen in das Krankenhaus eingewiesen waren. Mit
einem großen Fragebogen wurde das Reiseverhalten
der beiden Gruppen untersucht.
Der Gefäßspezialist Alexander Cohen, King‘s College, London, sagt dazu, dass diese Studie unterstreicht, wie nötig es ist, allen Reisenden zu raten,
nicht einfach nur sitzen zu bleiben, sondern ihre
Beine und Füße regelmäßig zu bewegen und
ausreichend Wasser zu
trinken. Er schlägt vor,
dass Leute mit einem
geringen Risiko für
Thrombosen vor der Reise Aspirin nehmen sollten.
Reisende, die schon einmal eine Thrombose
durchgemacht hatten, sollten sich vor Ihrer Reise
niedermolekulares Heparin unter die Haut spritzen lassen.
The Lancet, Vol. 353 Nr.
9153
Zigarrenrauchen
Zigarrenrauchen kommt immer mehr in Mode.
Vor allem junge Männer der Oberschicht haben
angefangen Zigarren zu rauchen, aber auch Teenager und Frauen. Dafür gibt es zwei Gründe:
■ Zigarren gelten weniger gesundheitsgefährdend als Zigaretten,
■ von Zigarren geht ein modischer Glanz aus wie
z.B. von Sportwagen.
Das The New England Journal of Medicine hat
jetzt eine Studie über die gesundheitlichen Risi-
ken des Zigarrenrauchens
veröffentlicht. Eine Arbeitsgruppe um Carlos Iribarren,
Oakland, hat 17 774 Männer
beobachtet, die bei der Ausgangserhebung (1964 bis
1973) 30 bis 85 Jahre alt
waren. Bei Zigarrenrauchern
(1 546 Männern) und bei
Männern, die keine Zigarren rauchten (16 228) wurde von 1971 bis Ende 1975 in einer multivarianten Analyse festgestellt, dass das Risiko, an koronarer
Herzkrankheit zu erkranken, bedeutsam erhöht war
(relatives Risiko 1,27). Aus der Studie gab es auch
Hinweise darauf, dass die Gefährdung umso größer ist, je mehr Zigarren geraucht werden. Zugleich
waren die Zigarrenraucher durch Krebserkrankungen der oberen Atemwege und des Verdauungstraktes (relatives Risiko 2,02) und der Lungen
(relatives Risiko 2,14) erhöht gefährdet. Besonders groß ist die Gefährdung, wenn die Zigarrenraucher regelmäßig Alkohol konsumieren.
The New England Journal of Medicine,
Vol. 340, Nr. 23
Ein Korsett für das kranke Herz
Netz aus Polyester soll erweitertes Organ zusammenhalten
Viele Herzleiden führen zunächst zu einer Verdickung, im späteren Stadium der Erkrankung zu
einer Ausweitung der Herzkammern, der Ventrikel. Mit zunehmender Überdehnung der Herzkammern erlahmt die Pumpkraft des Herzens, es
kommt zu einer Herzmuskelschwäche, einer sogenannten Herzinsuffizienz. Ist die Krankheit weit
fortgeschritten, verschaffen Medikamente meist
keine Linderung der Beschwerden mehr. Aussicht auf Erfolg verspricht in solchen Fällen am ehesten eine Herztransplantation. Auf Grund des
Mangels an Spenderorganen erhalten jedoch nur
wenige Patienten ein neues Herz. Um auch den
übrigen Kranken helfen zu können, nutzt man
auch andere, teils äußerst spektakuläre Verfahren. Inwieweit sich die noch in der Erprobung
befindlichen neuen Techniken durchsetzen wer37
den, lässt sich allerdings noch nicht beurteilen.
Eine der neuesten chirurgischen Innovationen
besteht darin, das ausgeleierte Herz mit einem
Netz aus Polyester zu umspannen. Ziel der sogenannten passiven Kardiomyoplastie ist es,
der zunehmenden Erweiterung der Ventrikel
entgegenzuwirken und den Herzen die Pumparbeit zugleich zu erleichtern. Entwickelt
wurde das Verfahren von amerikanischen
Wissenschaftlern um Hani Sabbah vom Henry Ford Heart and Vascular Institut in Detroit; erstmals am Menschen getestet hat es kürzlich Wolfgang Konertz von der Charité in Berlin.
Der Gedanke, den erschlafften Herzmuskel durch
Anlegen eines „Korsetts“ zu stützen, ist nicht neu.
Bei der ursprünglichen Form der Kardiomyoplastie hat man das schwache Herz mit einem Rückenmuskel des Betroffenen umwickelt. Aufwand und
Kosten eines solchen Eingriffs waren erheblich, der
Behandlungserfolg indes vergleichsweise gering.
Aus diesem Grund hat man dieses chirurgische Verfahren bald wieder aufgegeben, sagte Siegfried
Hagl von der Universitätsklinik Heidelberg in
einem Gespräch.
Über den therapeutischen Nutzen der neuen, passiven Kardiomyoplastie lassen sich derzeit noch
keine Angaben machen. Untersuchungen bei Tieren sprechen zwar dafür, dass der – einem Damenstrumpf vergleichbare – Polyestermantel die Ausweitung des kranken Herzens aufzuhalten vermag.
Inwieweit solche Beobachtungen allerdings auf den
Menschen übertragbar sind, ist ungewiss. Wie
Hagl hervorhob, beruht die menschliche Herzschwäche auf einem äußerst komplexen Geschehen, das sich im Tierversuch nur schwer nachahmen
läßt. Der Heidelberger Chirurg warnte daher vor
einer unkritischen Anwendung des neuen Verfahrens. Zurückhaltung scheint auch deshalb
angebracht, weil man die Risiken der neuen Therapie noch keineswegs abschätzen kann.
Natur und Wissenschaft, FAZ vom 16.6.1999
Herunterladen