1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1. Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Zusammenhängen im Staat, der sogenannten Volkswirtschaft. Es werden Themen wie das Bruttoinlandprodukt, der Wirtschaftskreislauf und die Teilnehmer am Wirtschaftskreislauf behandelt. Aber wir lernen auch die Grundlagen der „Nationalen Buchhaltung“, wie wir die „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR)“ auch nennen, kennen. „Nichts ist so beständig wie die Veränderung“ (Heraklit). Das trifft heute ganz besonders auf die Wirtschaft zu. Warum das so ist, erfahren Sie im folgenden Kapitel. Meine Lernziele dieses Kapitels Nach dem Durcharbeiten des Kapitels kann ich pr ob e 💬💬 die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Wirtschaftssysteme erklären. ✋✋ die Wirtschaftssysteme nach ihren Eigenschaften und Besonderheiten richtig zuordnen. 💬💬 den Wirtschaftskreislauf mit all seinen Teilnehmern und ihren Funktionen darstellen. nen. se ✋✋ die unterschiedlichen Wirtschaftssektoren anhand von Beispielen richtig zuord- Le 💬💬 die Bedeutung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) und die Begriffe BIP und BNE erklären und darstellen, sowie beschreiben, wozu das BIP dient und was damit gemessen wird. ✋✋ anhand von Beispielen den Begriff „Vorleistungen“ richtig zuordnen. 💬💬 das reale und das nominelle BIP erklären und auch beschreiben, was bei der Berechnung desselben vernachlässigt wird und warum es sich nur bedingt zur Messung des Wohlstandes einer Volkswirtschaft eignet. 💬💬 beschreiben, wie wichtig Wirtschaftswachstum für eine Volkswirtschaft ist und auch erklären, was unter „Konjunktur“ zu verstehen ist. ✋✋ anhand von Beispielen die verschiedenen konjunkturellen Schwankungen erkennen und die Konjunkturindikatoren richtig einordnen. 7 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.1 Wirtschaftssysteme Das Ziel aller Wirtschaftssysteme war und ist es, möglichst grossen Wohlstand zu schaffen, Menschen Arbeit zu geben und mit genügend Lebensmitteln zu versorgen. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Menschen verschiedene Wirtschaftssysteme entwickelt und erprobt. Alle haben augenscheinlich das gleiche Ziel – doch sie unterscheiden sich fundamental. Die Unterschiede sind vor allem im Ausmass, in dem von den einzelnen Wirtschaftsteilnehmern bzw. vom Staat in wirtschaftlichen Fragen entschieden wird, zu finden. Wirtschaftssysteme Freie Marktwirtschaft Soziale Marktwirtschaft Planwirtschaft pr ob e 1.1.1 Freie Marktwirtschaft Dieses Wirtschaftssystem wird vorrangig von den Komponenten Angebot und Nachfrage dominiert. Demnach sind Preise sowie Mengen frei wählbar, ohne dass der Staat dabei einen Einfluss ausüben kann. Le se Dies hat gezeigt, dass Personen mit besseren Maschinen, Arbeitskräften und Gütern besserer Qualität auch mehr verlangen können und dadurch einen höheren Gewinn erzielen. Ärmere Menschen, welchen keine maschinelle Kraft zur Verfügung steht, setzen allein auf ihre Arbeit. Dies hat zur Folge, dass ihre Produkte generell weniger auf dem freien Markt wert sind und sie demzufolge auch weniger verdienen. Die freie Marktwirtschaft führt schlussendlich dazu, dass Reichere reicher und Ärmere ärmer werden. In der freien Marktwirtschaft, die auf den Ideen des klassischen Liberalismus beruht, gehören Unternehmen, Fabriken und Maschinen Privateigentümern. Wie teuer die produzierten Waren sind, regelt der Markt, also Angebot und Nachfrage. Als Entdecker dieses Marktprinzips gilt Adam Smith, der 1776 in seinem Hauptwerk Wohlstand der Nationen forderte, dass der Staat möglichst wenig in wirtschaftliche Prozesse eingreifen soll. Die einzige Aufgabe des Staates war es, Schutz, Sicherheit und Eigentum der Bürger zu gewährleisten, ein Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen und das Rechtssystem zu erhalten. Für ihn regelte die „unsichtbare Hand“ des Marktes, dass die Unternehmen die passenden Waren und die richtigen Mengen herstellten. 8 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Privateigentum an den Produktionsmitteln freier Wettbewerb freie Preisbildung Freie Marktwirtschaft Gewerbefreiheit Vertragsfreiheit Vorteile Konsumfreiheit Nachteile Grösstmögliche Freiheit des Individuums, Kleine Unternehmen gehen unter, es entallgemeine Wohlfahrtssteigerung und hohe steht soziale Ungerechtigkeit, Ausbeutung Produktivität und Egoismus. 1.1.2 Soziale Marktwirtschaft pr ob e Nun haben wir noch 2 weitere Wirtschaftssysteme im Vergleich. se Das Problem der freien Marktwirtschaft, bei welcher die Schere zwischen Arm und Reich immer grösser wird, sollte mit der sozialen Marktwirtschaft behoben werden. Le Um Gerechtigkeit für alle Beteiligten zu gewährleisten, übernimmt der Staat bei diesem Wirtschaftssystem die Aufgabe, diejenigen zu unterstützen, denen es krankheitsbedingt oder aufgrund fehlender Schulbildung schlechter geht. So werden Schulungen bezahlt und auch Sprachkurse für die ausländischen Mitbürger stehen frei zur Verfügung. Ausserdem werden auch Familien mit Kindern finanziell unterstützt. Ein Nachteil, der bleibt: Um die staatliche Unterstützung zu gewährleisten, müssen Steuern wie z. B. die Einkommenssteuer erhoben werden. Der Staat schenkt somit keinem Bürger etwas, sondern agiert viel mehr als Verteiler, indem er den finanziell Bessergestellten mehr Geld abnimmt, um es für die Unterstützung finanziell Benachteiligter zu investieren. Die soziale Marktwirtschaft ist eine Verbindung des Wettbewerbssystems mit der Idee der sozialen Gerechtigkeit. Die Ordnungselemente der Marktwirtschaft sind weitgehend aufrecht. Dort, wo die freie Marktwirtschaft zu sozial nicht vertretbaren Härten führt, hat der Staat prinzipiell die Aufgabe, durch ordnungspolitische oder ablaufpolitische Massnahmen in das Wirtschaftsgeschehen korrigierend einzugreifen. Alfred Müller-Armack wählte diese Wortverbindung erstmals 1946 in seinem Werk „Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft“, welches 1947 veröffentlicht wurde. Er entwarf die Soziale Marktwirtschaft als „dritte Form“ neben rein liberaler Marktwirtschaft und staatlicher Wirtschaftslenkung. 9 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Für die Wirtschaftsordnung des vom Krieg zerstörten Deutschlands sollte der Markt als „tragendes Gerüst“ in „eine bewusst gesteuerte“ und zwar „sozial gesteuerte Marktwirtschaft“ eingebettet sein. Privateigentum an Produktionsmitteln Gewinnstreben als Leistungsansatz freie Preisbildung auf dem Markt Soziale Marktwirtschaft Ein rechtlicher Rahmen sichert Gewerbe-, Konsum-, Vertragsund Berufsfreiheit Eine staatliche Wettbewerbspolitik soll den Wettbewerb sichern und Monopole und Kartelle verhindern. Nachteile Soziale Sicherheit, politische Stabilität, Ausbildungsqualität, Produktion, Kaufkraft, und Lebensstandard sind hoch, motivierte Mitarbeiter, gute Infrastruktur, Rechtsstaatlichkeit, sowie Möglichkeit für Absatz und Investition. Hohe Personal- und Lohnkosten, kurze Arbeitszeiten, hohe Abgaben und viele Subventionen sowie eine Belastung durch die Globalisierung. se pr ob e Vorteile Le 1.1.2.1 Keynesianismus Der Keynesianismus ist eine Wirtschaftstheorie, die auf den Briten John Maynard Keynes zurückgeht. Der Ökonom ging aufgrund seiner Erfahrungen während der Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre davon aus, dass die Selbstregulierung des Marktes durch Angebot und Nachfrage nicht zu stabilen wirtschaftlichen Situationen und Vollbeschäftigung führt. Stattdessen sei es die Aufgabe des Staates, für eine stabile wirtschaftliche Entwicklung zu sorgen, sowie die Schwankungen von Angebot und Nachfrage auszugleichen. Denn vor allem Schwankungen im Bereich der Investitionen in wirtschaftliche Betriebe sorgen für eine instabile Wirtschaft und führen in der Folge zu Arbeitslosigkeit. Theoretischer Hintergrund Keynes empfiehlt dem Staat in Bezug auf die Wirtschaftspolitik deshalb ein antizyklisches Verhalten in Form von aktiver Konjunkturpolitik. Schliesslich kann sich die Wirtschaft in Phasen der Rezession nicht ohne Hilfe der Politik wieder erholen. Das heisst, bei einer geringen Nachfrage nach produzierten Gütern und Arbeitskraft soll die Nachfrage durch über Kredite finanzierte, staatliche Zuschüsse gesteigert werden. Im Gegenzug sollen diese öffentlichen Ausgaben wieder zurückgenommen werden, sobald sich die Nachfrage auf dem gewünschten Niveau befindet. 10 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Diese Wirtschaftstheorie dominierte vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis weit in die 1970er-Jahre die wirtschaftspolitischen Entscheidungen in allen westlich orientierten Staaten der Welt. Beispiel: Auch dem modernen Wohlfahrtsstaat, wie wir ihn in der Schweiz und in Deutschland kennen, liegt der Keynesianismus in einigen Teilen zugrunde. Allerdings ist der Keynesianismus im Laufe der Jahre auch immer wieder an seine Grenzen gestossen. So mussten Politiker immer wieder erkennen, dass sich die Wirtschaft nicht im Sinne der Wirtschaftstheorie des Briten Keynes steuern lässt, beziehungsweise, dass ihre fiskal- und konjunkturpolitischen Massnahmen schlicht zu spät kamen. pr ob e Dadurch war eine Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Situation und Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch staatliche Massnahmen nicht mehr möglich, oder sie haben die Instabilität und damit die Krise noch verstärkt. 1.1.3 Planwirtschaft Le se Noch eines der Wirtschaftssysteme, die wir im Vergleich haben und bei welchem, auch ohne grossen Erfolg, dennoch einige Staaten den Versuch starteten, die Wirtschaft komplett zu steuern, ist die Planwirtschaft. Mithilfe eines „Plans“ wird nicht nur die genaue Produktion, sondern auch der Konsum so gestaltet, dass die Herstellung einzelner Güter genau auf den Bedarf gerechnet wird. Unternehmen müssen demnach alles in dem Masse herstellen, wie es der Staat verordnet und auch die Preise der Produkte werden staatlich festgelegt. Das Problem, das sich hierbei ergibt, ist, dass der Bedarf verschiedenster Güter nicht genau errechnet werden kann. Weiterhin führt diese genaue Planung dazu, dass niemand mehr gewinnorientiert arbeitet, indem er z. B. durch den Einsatz besserer Maschinen auch bessere Produkte herstellt. Dem Staat gehören die Unternehmen, er bestimmt Preise, Produkte und Löhne. Der geistige Vater dieses Wirtschaftssystems ist Karl Marx, sein Hauptwerk ist Das Kapital. Eine Planwirtschaft ist hierarchisch aufgebaut. Das heisst, die Einzelpläne der verschiedenen Wirtschaftsbereiche müssen sich einem politisch beschlossenen Gesamtplan unterordnen. Nach diesem Gesamtplan produziert und verkauft die Wirtschaft. Angebot und Nachfrage spielen keine Rolle. Oberstes Ziel ist die Planerfüllung. Das Angebot bestimmt die Nachfrage! Wenn die Nachfrage grösser ist als das Angebot, bildet sich ein „Schwarzmarkt“. 11 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Preise und Löhne werden vom Staat festgesetzt Produktionsmittel im Staatseigentum Planwirtschaft keine freie Auswahl des Arbeitsplatzes keine Gewerbefreiheit keine Vertragsfreiheit Nachteile Abschaffung des Klassenkonfliktes, vorhersagbare Ergebnisse, gerechte Verteilung der Ressourcen und fast keine Arbeitslosigkeit. Einschränkung des Individuums, Rückgang der Produktivität aufgrund mangelnder Eigenverantwortung, Bereicherung des Staates durch unrechtmässiges Eingreifen. Die Realität hat gezeigt, dass es regelmässig zu einem Defizit zwischen Planung und Realisierung der geforderten Leistungen gekommen ist. Notwendige Innovationen und Erfindungen für eine langfristige Entwicklung einer Volkswirtschaft können nicht gesichert werden. pr ob e Vorteile se Übung ✋✋ Nun sind Sie an der Reihe. Als Zusammenfassung und zur Wiederholung des Le erworbenen Wissens versuchen Sie, folgende Aufgabe zu lösen und holen Sie sich anschliessend ein Feedback im Lösungsteil. Welche der folgenden Aussagen trifft auf welches Wirtschaftssystem zu? Ordnen Sie richtig zu. Freie Markt- Soziale Marktwirtschaft wirtschaft Wird vorrangig von den Komponenten Angebot und Nachfrage dominiert. Der Staat ist Eigentümer der Unternehmen und bestimmt Preise, Produkte und Löhne. Preise und Mengen sind ohne staatlichen Einfluss frei wählbar. Verbindet das Wettbewerbssystem mit sozialer Gerechtigkeit. Unternehmen stellen Güter nach staatlicher Verordnung her. 12 Planwirtschaft 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Freie Markt- Soziale Marktwirtschaft wirtschaft Planwirtschaft Reichere werden immer reicher und Ärmere immer ärmer. Gerechtigkeit für alle Beteiligten soll gewährleistet werden. Der Staat agiert als Verteiler. Produktion und Konsum der Güter exakt auf den Bedarf abgestimmt. 1.2 Der Wirtschaftskreislauf pr ob e Die Wirtschaft funktioniert wie ein Kreislauf! Ganz nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“ zwischen allen Teilnehmern der Wirtschaft. Alle Teilnehmer sind durch Beziehungen miteinander verbunden. (Auf den Wirtschaftskreislauf wurde bereits in Modul A näher eingegangen.) 1.2.1 Die Darstellung des Wirtschaftskreislaufes Le se Die Idee, die Wirtschaft als Kreislauf darzustellen wird bereits am einfachsten Modell des Wirtschaftskreislaufs – bestehend lediglich aus Unternehmen (Produzenten) und privaten Haushalten (Konsumenten) – deutlich: Um Güter zu produzieren werden den Unternehmen von den privaten Haushalten Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Dafür werden diese im Gegenzug entlohnt. Das heisst, dass die privaten Haushalte Arbeit zur Verfügung stellen und dafür Geld erhalten. Von diesen Einkommen können dann die privaten Haushalte die von Unternehmen produzierten Güter wiederum erwerben. Im erweiterten Wirtschaftskreislauf besteht dann auch die Möglichkeit, dass private Haushalte einen Teil ihres Einkommens sparen. Unternehmen wiederum können Investitionen mit einem Teil des Gewinns tätigen. Damit diese Möglichkeiten berücksichtigt werden können, muss das Kreislauf-Modell um die Beachtung der Vermögensveränderung erweitert werden: Durch Sparen sowie durch Investitionen steigt das Vermögen; die Banken sammeln dann die Spareinlagen und verleihen diese gegen Zinsen an die privaten Haushalte und an Unternehmen, die konsumieren oder investieren wollen. Die Banken leihen Geld aber auch an den Staat. Es ist zu berücksichtigen, dass auch der Staat am wirtschaftlichen Geschehen teilnimmt. Er erzielt z. B. Einkommen, indem er Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (das sind die Zahlungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber für die gesetzliche Kranken-, Pensions-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) einzieht. Diese Einkommen verwendet der Staat für Transferzahlungen an private Haushalte (z. B. Arbeitslosengeld) oder an Unternehmen (Subventionen). Er nimmt aber auch aktiv als Unternehmer und Nachfrager am Wirtschaftskreislauf teil! 13 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft In einer offenen Volkswirtschaft – d. h. einer solchen, welche für den Handel mit anderen Volkswirtschaften offen ist – führen Ex- und Importe von Waren und Dienstleistungen ebenfalls zu Einnahmen- und Ausgabenströmen. Ein Modell des Wirtschaftskreislaufs sollte daher auch diese Beziehungen zum Ausland miteinbeziehen. Der Einfachheit halber werden dabei nur die Beziehungen von Unternehmen mit dem Ausland betrachtet. Importe führen zu einem Ausgabenstrom von den Unternehmen an das Ausland, während Exporte zu einem Einnahmenstrom aus dem Ausland an die inländischen Unternehmen führen. Transferzahlungen Sozialversicherungsbeiträge Staat Sozialversicherungsbeiträge Subventionen Lohn/Gehalt Arbeitskraft Zinsen € pr ob e Spareinlagen privater Haushalt Banken Zinsen Kredite Unternehmen Konsumausgaben Le se Konsumgüter, Dienstleistungen Konsumgüterimporte Konsumgüterexporte Exporte Ausland Importe Alles, was wir an Aktivitäten im Wirtschaftskreislauf sehen können, kann man nun in einer Art nationaler Buchhaltung erfassen und auch in Zahlen darstellen! Wir nennen das die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, mit deren Grundlagen wir uns in Kapitel 1.3. befassen werden. 14 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.2.2 Die Beteiligten am Wirtschaftskreislauf und ihre Verflechtungen Beteiligte am Wirtschaftskreislauf Unternehmen private Haushalte Staat - Gebietskörperschaften: Bund, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände Banken Ausland pr ob e ■■ Unternehmen Sie produzieren Güter und Dienstleistungen und befriedigen damit die Bedürfnisse ihrer Kunden. Die Nachfrager ihres Angebots sind sowohl Haushalte als auch andere Unternehmen. Unternehmen können jetzt privat sein oder aber staatliche Unternehmen. Le se ■■ Private Haushalte Ein Teil der Personen arbeitet in den Unternehmen. Für ihre Arbeitsleistung erhalten diese Personen Geld bzw. Einkommen. Einige der privaten Haushalte geben auch Kapital an Unternehmen (durch den Kauf von Aktien oder Anleihen). Vielleicht stellen sie auch Gebäude sowie Grund und Boden zur Verfügung. Für diese Leistungen erhalten sie ebenfalls Einkommen in Form von Zinsen, Dividenden, Pacht oder Miete. Es fliesst somit ein Güterstrom von den privaten Haushalten zu Unternehmen. In der Gegenrichtung fliesst ein Geldstrom in Form von Einkommen von den Unternehmen an die privaten Haushalte. Dieses Einkommen wird von den Haushalten wieder für Güter und Dienstleistungen ausgegeben, die von den Unternehmen angeboten werden. Das heisst, es fliesst ein Geldstrom zurück zu den Unternehmen und ein Güterstrom zu den Haushalten. ■■ Der Staat Die äusserst vielfältigen Ströme einer modernen offenen Volkswirtschaft mit staatlicher Aktivität können ebenfalls in einem Kreislaufschema dargestellt werden. Der Staat hat auch Anteil an der Wirtschaft, indem er mit Gesetzen regulierend eingreift. Er erhält aber auch Zwangsabgaben in Form von Steuern. Er bietet den privaten Haushalten Transferleistungen (siehe Kapitel 3.1.2.), etwa im Rahmen der Sozialhilfe. Für seine Leistungen erhält er Steuern und Abgaben. Ausserdem tritt der Staat auch als Unternehmer und Nachfrager auf. 15 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft ■■ Banken Zu den Beziehungen des Finanzsektors mit den anderen Teilnehmern des Wirtschaftskreislaufs zählt auch die Geldanlage bei Banken, wofür Zinsen als Gegenleistung erhalten werden. Unternehmen und Haushalte können Kredite aufnehmen. Der Staat verschuldet sich durch die Ausgabe von Anleihen und zahlt dafür Zinsen. ■■ Ausland In das Ausland fliessen Güter und Dienstleistungen. Private Haushalte und Unternehmen erwerben im Ausland Güter. Kreditinstitute vergeben Kredite an Unternehmen im Ausland oder an Staaten und erhalten dafür Zinsen. Der Staat importiert Waren. Der Sektor Ausland besteht dabei aus der Zusammenfassung aller ausländischen Wirtschaftssubjekte. 1.2.3 Die Sektoren der Wirtschaft Wie Sie bereits wissen, haben Unternehmen einen erheblichen Anteil an der Wirtschaft. Betriebe bzw. Unternehmen können, wie bereits in Modul A besprochen, nach verschiedenen Kriterien wie Betriebsgrösse, Umsatz, Branche, etc. unterteilt werden. pr ob e Eine weitere Möglichkeit ist die Untergliederung der Betriebe nach Sektoren bzw. nach den Leistungen, die sie erstellen. Wirtschaftssektoren se Primärer Sektor Le vor allem Land- und Forstwirtschaft Tertiärer Sektor Dienstleistungen Sekundärer Sektor vor allem Erzeugung (Produktion) Quartärer Sektor Höherwertige Dienstleistungen Unsere gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten kann man also in vier Gruppen zusammenfassen: ■■ Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Fischerei und Fischzucht zählen zur ersten Gruppe. Da es diese wirtschaftlichen Tätigkeiten schon seit vielen tausend Jahren gibt und man dabei mit Rohstoffen (z. B. Boden) arbeitet, die schon immer vorhanden waren, spricht man vom primären Wirtschaftssektor. (Primus kommt aus dem Lateinischen und heisst der Erste). In diesen Bereichen tätige Unternehmen sind Betriebe des primären Sektors. 16 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft ■■ Alle Produktionsbetriebe ausserhalb des primären Sektors (von Unternehmen mit grossen Fabriken bis hin zu kleinen Handwerksbetrieben, wie eine Tischlerei) zählen zum sekundären Sektor (die Bedeutung von „second“ kennen Sie aus dem Englischen). In diesen Bereichen tätige Unternehmen sind Betriebe des sekundären Sektors. Zu diesem zählen neben der Sachgüterproduktion die Energie- und Wasserversorgung sowie das Bauwesen. ■■ Die dritte (oder tertiäre) grosse Gruppe von Wirtschaftstätigkeiten ist die Erbringung von Dienstleistungen. Unternehmen, die Dienstleistungen anbieten, sind Betriebe des tertiären Sektors. Dienstleistungsbetriebe sind u.a. Tourismus- und Freizeitbetriebe (z. B. Hotel, Gasthaus, Fitnesscenter), Handelsbetriebe (z. B. Einkaufsmarkt, Boutique, Elektrofachgeschäft), Banken und Versicherungen, Verkehrsbetriebe, Betriebe, die persönliche oder soziale Dienste für ihre Kunden erbringen (z. B. Friseur, Altenheim). pr ob e ■■ Der vierte (oder quartäre) Sektor, den man auch Informationssektor nennt, beinhaltet Tätigkeiten aus dem Bereich des tertiären Sektors, die besonders hohe intellektuelle Ansprüche stellen und eine ausgeprägte Verantwortungsbereitschaft erfordern. Darunter fallen vor allem Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftsberater oder Steuerberater. In der folgenden Aufstellung finden Sie einen kurzen Überblick zu den vier Sektoren: Sekundärer Sektor (Produktion) Beispiele Gewinnung von Rohstoffen Landwirtschaftliche Betriebe, Forst, Bergwerke Möbelfabrik, Autohersteller, Bäckerei etc. se Leistungserstellung Le Sektoren (Betriebsarten) Primärer Sektor (Urproduktion) Herstellung von Gütern, Verarbeitung von Rohstoffen in Industrie und Gewerbe Tertiärer Sektor Bereitstellung von Dienstlei(Dienstleistungssektor) stungen und allen Gütern, die durch private oder staatliche Unternehmen produziert wurden Quartärer Sektor Dienstleistungen mit höherer (Informationssektor) Verantwortung und höherem intellektuellen Anspruch Hotels, Gaststätten, Versicherungen, Lebensmittelhändler, Banken etc. Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater etc. 17 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.3 Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) Die VGR sagt uns, wie gut oder wie schlecht es der Wirtschaft in unserem Staat geht. Sie schafft uns einen Überblick über die wirtschaftlichen Abläufe. Alle diese Wirtschaftseinheiten – Unternehmen, Haushalte, öffentliche Verwaltungen – treffen täglich Entscheidungen, die Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben. Sie konsumieren, sparen, stellen Güter (Sachgüter und Dienstleistungen) her und investieren. Der Staat erhebt Steuern, baut Strassen und Bildungseinrichtungen. Menschen gründen Unternehmen, die expandieren, stagnieren oder auch in Konkurs gehen. Wie soll man da die Übersicht behalten? Ganz einfach – indem Sie sich das Ganze von oben anschauen. Genau das ist mit den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) möglich: ein Blick auf die Wirtschaft aus der Vogelperspektive. Wenn Sie von dort oben hinunterschauen, verlieren Sie natürlich einige Details aus dem Auge. Im Gegenzug erhält man aber auf beeindruckende Weise einen umfassenden Überblick über das ganze (Wirtschafts-) Geschehen. pr ob e Was Sie jetzt sehen, sind nicht mehr die wirtschaftlichen Handlungen einzelner Wirtschaftseinheiten (z. B. ein einzelner privater Haushalt, ein einzelnes Unternehmen), sondern Sie sehen die Zusammenfassungen von Wirtschaftseinheiten (alle Haushalte, ganze Wirtschaftssektoren). Gleichzeitig werden die wirtschaftlichen Vorgänge (wie der Konsum aller privaten Haushalte oder die Investitionen aller Unternehmen) in komprimierter Form dargestellt. se Diese Daten dienen dann als Informations- und Entscheidungsgrundlage für wirtschaftspolitische Massnahmen. Ohne diese Daten kann der Staat keine geeigneten Rahmenbedingungen schaffen. Le Die VGR sind somit ein umfangreiches statistisches System, eine Art nationale Buchhaltung. Ihre wichtigste Kennzahl ist das Bruttoinlandprodukt (BIP) und das Bruttonationaleinkommen (BNE). Sie ist ein geschlossenes Kontensystem, das wesentliche gesamtwirtschaftliche Grössen ausweist (BIP, BNE, verfügbares Einkommen der Haushalte, Finanzierungssaldo des Staates, privater Konsum und private und öffentliche Investitionen). Aber die VGR ermöglichen es auch, wirtschaftliche Tätigkeiten und Vorgänge nach Sektoren der Wirtschaft gegliedert auszuweisen. Die folgende Grafik gibt einen Überblick über die drei grossen Berechnungen zum BIP. BIP Entstehungsrechnung In welchem Wirtschaftsbereichen ist das BIP entstanden? Verwendungsrechnung Wofür wurde das BIP verwendet? Verteilungsrechnung Welche Einkommen sind bei der Produktion entstanden? Im Rahmen dieses Kapitels ist es nicht möglich, auf alle Details der VGR einzugehen, deshalb werden wir uns auf die wichtigste Kennzahl im Rahmen der VGR konzentrieren, auf das Bruttoinlandprodukt (BIP) sowie das Bruttonationaleinkommen (BNE). 18 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Übung 💬💬 Erinnern Sie sich bitte an die Wirtschaftssektoren, dargestellt im Kapitel 1.2.3.: primärer, sekundärer, tertiärer und quartärer Sektor. Was glauben Sie, wie hat sich das BIP (die Wirtschaftsleistung) im Laufe der Zeit in diesen vier Sektoren verändert? Notieren Sie hier Ihre Gedanken. Überprüfen Sie Ihre Vermutungen im Internet unter www.statistik.admin.ch! ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ 1.4 pr ob e ________________________________________ Das Bruttoinlandprodukt (BIP) Le se Um die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Staates zu messen bzw. die Staaten untereinander zu vergleichen, benötigt man Kennzahlen. Die wichtigsten Kennzahlen sind das Bruttoinlandprodukt (BIP) und das Bruttonationaleinkommen (BNE). 1.4.1 Was genau verstehen wir unter dem BIP und dem BNE? Das Bruttoinlandprodukt (BIP) Die mit Abstand wichtigste Kennzahl zur Messung der wirtschaftlichen Leistung im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ist das Bruttoinlandprodukt (BIP). Mit ihm werden die Leistungsfähigkeit und der Wohlstand einer Volkswirtschaft beurteilt. Es dient aber auch dem internationalen Vergleich von Volkswirtschaften. Das BIP pro Kopf Wenn man das BIP als Mass für den materiellen Wohlstand eines Landes heranzieht, genügt es nicht, das reale und das nominelle BIP (siehe Kapitel 1.4.5) zu berechnen. Was ist, wenn das BIP steigt, gleichzeitig aber auch die Bevölkerung? Was bleibt für den Einzelnen übrig? Das ist z. B. ein Problem in vielen Entwicklungsländern, wo das BIP zwar wächst, die Bevölkerung aber noch schneller zunimmt. Und wenn man den materiellen Wohlstand zweier Länder miteinander vergleichen will, ist das BIP auch wenig geeignet. 19 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Beispiel: Deutschland hatte 2015 ein fünfmal höheres BIP als die Schweiz. Das heisst im Umkehrschluss nicht, dass Deutschland auch fünfmal so reich ist, denn in Deutschland leben zehnmal so viele Menschen. Das BIP pro Kopf war 2015 in der Schweiz ungefähr doppelt so hoch wie in Deutschland. Für wirklich aussagekräftige Vergleiche bezieht man das BIP daher auf die Bevölkerungszahl („BIP pro Kopf“). Da es sich beim BIP/Kopf aber nur um eine Durchschnittsrechnung handelt, sagt diese Zahl natürlich über die tatsächliche Verteilung des Wohlstandes nichts aus. Das Bruttonationaleinkommen (BNE) Neben dem BIP gibt es noch andere volkswirtschaftliche/wirtschaftliche Begriffe, z. B.: Bruttonationaleinkommen, Bruttonationalprodukt und das Bruttosozialprodukt. Das sind drei Bezeichnungen für ein und dieselbe Sache, wobei der Begriff des Bruttosozialprodukts nur bis 1999 verwendet wurde und seither als veraltet gilt. pr ob e Im Prinzip stehen sie für die gleiche Aussage wie das BIP. Sie gelten als Kennzahl für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes. Es muss jedoch auf folgende Unterscheidung geachtet werden: se ■■ Das Bruttoinlandprodukt erfasst alle Leistungen, die im Inland erwirtschaftet werden. Dabei ist es egal, ob die Leistung von Inländern oder von Ausländern erbracht wird (Inlandskonzept). Le ■■ Das Bruttonationaleinkommen erfasst dagegen die Leistung von Inländern, egal ob diese im Inland oder im Ausland erbracht wird (Inländerkonzept). Um vom BIP zum BNE zu kommen, subtrahiert man einfach die Einkommen der Ausländer im Inland vom BIP und addiert die Einkommen der Inländer im Ausland dazu. Wir nennen beide Kennzahlen auch das Sozialprodukt eines Landes. 1.4.2 Wozu dient das BIP und was wird mit dem BIP gemessen? Auf das BIP beziehen sich: ■■ Kriterien für die Teilnahme an der gemeinsamen Währung EURO (symbolisiert durch „€“), wie z. B. die maximal zulässige Neuverschuldung (3 % des BIP) oder der maximale Schuldenstand eines Landes (max. 60 % des BIP). ■■ Viele Kennzahlen, wie die Produktivität einer Wirtschaft, ihre Investitionstätigkeit oder die Exportintensität, nehmen ebenfalls Bezug auf das BIP. 20 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 Unter dem Bruttoinlandprodukt (BIP) versteht man die Summe der Werte aller Waren und Dienstleistungen, die in einem Land in einer bestimmten zeitlichen Periode hergestellt werden. Man spricht von dem Inlandsprinzip. Das BIP erhalten wir also, wenn wir alle Endprodukte und Dienstleistungen, die in einem Land produziert bzw. erbracht wurden, addieren. Übung 💬💬 Aber wie addiert man nun so unterschiedliche Produkte wie Bohrinseln und CDs, Haarschnitte und Taxifahrten, Autos und Medikamente, Theatervorstellungen und Flugreisen? Notieren Sie hier Ihre Gedanken und holen Sie sich anschliessend ein Feedback im Lösungsteil! pr ob e ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ se ________________________________________ Le In Wirklichkeit ist diese Rechnung allerdings natürlich nicht ganz so einfach. Nicht alle Waren und Dienstleistungen haben einen Marktpreis. Was ist zum Beispiel mit den unentgeltlichen Leistungen, die der Staat zur Verfügung stellt, z. B. die Arbeitsleistung von Polizisten oder Lehrern? Da es für diese Leistungen keinen Marktpreis gibt, werden sie mit ihren Kosten (also dem Gehalt des Lehrers oder Polizisten) bewertet. All die unterschiedlichen Produkte, die in einem Land hergestellt werden, haben einen Marktpreis. Die Summe der Marktpreise aller Güter ergibt das Bruttoinlandsprodukt. Im BIP werden nur diejenigen Güter erfasst, die in der laufenden Periode hergestellt wurden. Bereits existierende Güter werden nicht berücksichtigt. Der Bau eines Hauses zählt zum BIP, der Handel mit bestehenden Häusern nicht. Eine eventuelle Gebühr für den Immobilienmakler gehört aber ins BIP, weil seine Leistung in der laufenden Periode erbracht wird. 21 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.4.3 Die volkswirtschaftliche Wertschöpfungskette Da die meisten Produktionsprozesse mehrstufig verlaufen, gehen in das BIP nur die Endprodukte ein. Endprodukte sind solche Produkte, die nicht mehr weiter verarbeitet werden. So lassen sich mögliche Mehrfachzählungen vermeiden. Um das zu verstehen, schauen Sie sich ein einfaches Beispiel an: Beispiel: pr ob e Ein Hersteller von Computern kauft bei einem Lieferanten Computerchips. Aus diesen (und anderen Teilen) baut er einen Computer zusammen und verkauft ihn. Der Computerhersteller hat den Chip also nicht selbst produziert. Seine Leistung besteht darin, dass er aus den zugekauften Teilen ein neues Produkt herstellt. Er fügt den zugekauften Teilen also einen zusätzlichen Wert hinzu. Le se Die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Unternehmen, die am volkswirtschaftlichen Wertschöpfungsprozess beteiligt sind, kann sehr unterschiedlich sein. Von der losen, nur vereinzelten Zusammenarbeit bis hin zum Zusammenschluss zweier Unternehmen (Fusion) sind viele Formen der Kooperation möglich. Jedes Unternehmen tritt als Wirtschaftseinheit in der volkswirtschaftlichen Wertschöpfungskette sowohl als Nachfrager, als auch als Anbieter auf. Als Nachfrager besorgt sich ein Unternehmen auf den Beschaffungsmärkten folgende Dinge: Ausreichende Finanzen, qualifiziertes Personal, angemessene Räumlichkeiten und Anlagen, für die Produktion notwendige Rohstoffe, bedarfsgerechtes Material und notwendige Informationen. Als Anbieter verkauft ein Unternehmen auf den Absatzmärkten seine Marktleistungen zu einem attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis. 1.4.3.1 Wertschöpfung Wertschöpfung ist der Mehrwert, den ein Unternehmen im Produktionsprozess schafft. Die Wertschöpfung errechnet sich aus Verkaufserlös minus Vorleistungen. Auf jeder Produktionsstufe wird nur die jeweilige Wertschöpfung zum BIP gerechnet. 22 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 Schauen Sie sich das an einem klassischen Beispiel* an. Sie sehen hier die Darstellung eines vereinfachten, vierstufigen Produktionsprozesses. Bauer SFr. 100.- Müller SFr. 150.- Bäcker SFr. 200.- + + = Bauer Wertschöpfung: SFr. 100.- Müller Bäcker SFr. 50.- SFr. 50.- Supermarkt SFr. 230.- Wert des Brotes beim Verkauf an den Endverbraucher: SFr. 230.- (BIP) 1. Verkauft ein Bauer Weizen für SFr. 100.-, beträgt seine Wertschöpfung SFr. 100.-. 2. Ein Müller kauft den Weizen und macht daraus Mehl. Verkauft er dieses für SFr. 150.-, so beträgt seine Wertschöpfung SFr. 50.-. Das entspricht der Differenz zwischen Vorleistung (Bauer SFr. 100.-) und Verkaufspreis (Müller SFr. 150.-). 3. Ein Bäcker kauft das Mehl (SFr. 150.-) und verarbeitet es zu Brot. Dieses Brot verkauft er für SFr. 200.- weiter (Wertschöpfung SFr. 50.-). pr ob e 4. Supermärkte kaufen das Brot beim Bäcker für SFr. 200.- ein und verkaufen es an den Endverbraucher für SFr. 230.- (Wertschöpfung SFr. 30.-). Wenn wir nun die Wertschöpfung aller vier Produktionsstufen zusammenzählen (SFr. 150.+ SFr. 50.- + SFr. 50.- + SFr. 30.- = SFr. 230.-), so entspricht das genau dem Wert des Brotes, das an den Endverbraucher verkauft wurde. se Die Vorleistungen Weizen, Mehl und Brot gehen nicht ins Bruttoinlandprodukt ein, sie stecken im Wert des Endproduktes. Le Man kann also zusammenfassend sagen, dass die Wertschöpfung der Mehrwert bzw. der Wertzuwachs ist, den ein Unternehmer innerhalb seines Produktionsprozesses schafft. 1.4.3.2 Berechnung der Wertschöpfung Die Wertschöpfung lässt sich wie folgt berechnen: – Verkaufserlös je Produktionsstufe Summe der Vorleistungen Wertschöpfung je Produktionsstufe *Wir möchten darauf hinweisen, dass die hier verwendeten Werte NICHT den tatsächlichen Werten entsprechen, die z. B. ein Bauer für den Verkauf von Weizen erhält. 23 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Grafisch lässt sich das auch wie folgt darstellen: Summe aller Wertschöpfungen = Wert des Endprodukts Wertschöpfung SFr. 50.- Wertschöpfung SFr. 50.- Wertschöpfung SFr. 30.Wert des Endproduktes SFr. 230.- Wertschöpfung SFr. 100.- Vorleistung Weizen SFr. 50.- Vorleistung Mehl SFr. 150.- Vorleistung Brot SFr. 200.- Bauer Müller Bäcker Supermarkt Wir nennen die Darstellung in der obigen Grafik eine sogenannte „Wertschöpfungskette“. pr ob e Sie beginnt beim „Rohstofferzeuger“, dem Bauern (Primärer Sektor), geht weiter beim Hersteller oder Produzenten, dem Müller und dem Bäcker (sekundärer Sektor) und setzt sich dann fort im Handel, dem Supermarkt (tertiärer Sektor). Genaueres zu den Sektoren der Wirtschaft finden Sie in Kapitel 1.2.3. 1.4.3.3 Vorleistungen Le se Produkte, die von anderen Unternehmen zugekauft und weiterverarbeitet werden, nennt man Vorleistungen. Dazu zählen Rohstoffe, Vorprodukte, Handelswaren und Dienstleistungen. Vorleistung Chip + Endprodukt Computer In das BIP fliesst nur der Preis des Endproduktes Computer ein. Der Preis der Vorleistung Chip bleibt unberücksichtigt, sein Wert steckt ja schon im Endpreis des Computers. Würde man den Chip auch noch dazuzählen, würde er doppelt ins BIP eingehen. Wenn Sie sich also dafür interessieren, welche Werte in einer Volkswirtschaft geschaffen werden, müssen solche Doppel- und Mehrfachzählungen natürlich vermieden werden, weil ansonsten der Wert der geschaffenen Produkte weit überschätzt wird. In der Praxis vermeidet man Doppelzählungen, indem man mit der sogenannten Wertschöpfung arbeitet. 24 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 1.4.4 Die Zusammensetzung bzw. die Berechnungsarten des BIP Das Bruttoinlandprodukt (BIP) misst die Produktion von Waren und Dienstleistungen im Inland nach Abzug der Vorleistungen und ergibt sich aus der Summe der Beiträge der einzelnen Wirtschaftsbereiche („Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen“), plus Gütersteuern minus Gütersubventionen (Entstehung des BIP). Es lässt sich aber auch als Summe der Endverwendungskategorien (Konsum, Investitionen und Exporte), abzüglich der Importe darstellen (Verwendung des BIP), oder als Summe aus Arbeitnehmerentgelt, Betriebsüberschuss / Selbstständigeneinkommen und Abschreibungen plus Produktions- und Importabgaben minus Subventionen (Verteilung des BIP). Es gibt also 3 unterschiedliche Methoden, um das BIP zu berechnen, die wir bereits in Kapitel 1.3.1 kennengelernt haben: = Bruttoinlandprodukt (BIP) Verteilungsrechnung Das BIP ist die Summe aller erzielten Einkommen einer Volkswirtschaft. pr ob e Verwendungsrechnung Das BIP entspricht dem Wert aller Ausgaben (=gesamtwirtschaftliche Nachfrage). se Berechung Konsumausgaben der privaten Haushalte + Konsumausgaben des Staates = Konsumausgaben insgesamt + Bruttoinvestitionen + Exporte – Importe Le Entstehungsrechnung Es werden die Werte aller Endprodukte und Dienstleistungen (=Summe aller Wertschöpfungen), die in den einzelnen Wirtschaftssektoren entstanden sind, erfasst. Berechnung Produktionswert zu Herstellerpreisen – Vorleistungen = Bruttowertschöpfung + Steuern – Subventionen = Bruttoinlandprodukt (BIP) Berechnung Arbeitnehmerentgelt + Unternehmenseinkommen + Einkommen aus Vermögen = Volkseinkommen + Abschreibungen + Steuern und Abgaben an den Staat - Subventionen = Bruttonationaleinkommen (BNE) + Einkommen von Ausländern im Inland – Einkommen von Inländern im Ausland = Bruttoinlandprodukt (BIP) Zum besseren Verständnis: ■■ Bruttoinvestitionen sind die Summe von Investitionen privater Unternehmen und den Investitionen staatlicher Unternehmen. 25 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft ■■ Die Differenz von Exporten und Importen nennt man in der Volkswirtschaft auch den „Aussenbeitrag“. ■■ Vorleistungen: Siehe Kapitel 1.4.2. ■■ Unter „Steuern“ versteht man alle Abgaben, die für die gehandelten oder produzierten Waren oder Dienstleistungen zu entrichten sind. Da gehören auch alle Importabgaben, wie z. B. Zölle dazu. ■■ „Subventionen“ sind Zuschüsse vom Staat oder von der EU. 1.4.4.1 Die Verteilungsrechnung Die Verteilungsrechnung sagt uns, welche Einkommen bei der Produktion entstanden sind. Als Basis wird das BNE verwendet. Verteilung des Volkseinkommens Einkommen aus Unternehmenstätigkeit und Vermögen (Gewinnquote) pr ob e Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit (Lohnquote) € Le se Der Anteil der Einkommen aus unselbständiger Tätigkeit, gemessen am gesamten BNE, nennt man die „Lohnquote“, den Anteil der Einkommen aus Unternehmenstätigkeit und Vermögen nennt man „Gewinnquote“. Lohnquote und Gewinnquote gemeinsam ergeben 100% des Einkommens. 1.4.4.2 Die Verwendungsrechnung Die Verwendungsrechnung sagt uns, wofür das BIP verwendet wird. Ein wichtiger Bestandteil der Verwendungsrechnung sind die Investitionen. Investitionen Unter Investitionen versteht man den Kauf von Produktionsmitteln wie Maschinen, Gebäuden und Fahrzeugen etc. 26 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 Investitionen Ersatzinvestitionen Erweiterungsinvestitionen Rationalisierungsinvestitionen ■■ Ein Teil der Investitionen wird dazu verwendet, die im Produktionsprozess verbrauchten Anlagen (Maschinen, Gebäude, Fahrzeuge u. ä.) zu ersetzen und nicht, um zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Wenn ein Speditionsunternehmen einen alten LKW durch einen neuen ersetzt, dann spricht man von einer Ersatzinvestition. ■■ Ganz anders sieht es bei den sogenannten Erweiterungsinvestitionen aus. Durch sie werden die bestehenden Kapazitäten erhöht. Das ist der Fall, wenn die Spedition zusätzlich zu ihrem alten LKW einen neuen anschafft und damit in der Lage ist, mehr als bisher zu transportieren. se pr ob e ■■ Werden noch funktionstüchtige Anlagen durch neue, aber bessere ersetzt, dann nennt man das Rationalisierungsinvestitionen. Das Speditionsunternehmen kann sich beispielsweise entschliessen, seinen alten, noch fahrtüchtigen LKW auszumustern und durch einen moderneren zu ersetzen. So lassen sich Transporte kostengünstiger durchführen. Le Diese 3 Investitionsarten nennen wir auch „Bruttoinvestitionen“. Sie beinhalten den Wertzuwachs aller produzierten Vermögensgüter einer Volkswirtschaft (neue Strassen, neue Schulen, neue Maschinen etc.). Die Bruttoinvestition kann eine Anlageninvestition oder eine Vorrats-bzw. Lagerinvestition sein. Wenn Unternehmen Sachgüter kaufen, die zum Unternehmensvermögen gehören (etwa ein Auto für den Fuhrpark, PC-Anlage, Maschinen usw.), sind das Anlageinvestitionen, wenn sie etwa Material für die Produktion kaufen oder ein Händler grosse Mengen Waren, weil sie gerade günstig sind, ist das eine Vorrats- oder Lagerinvestition). Die Gesamtsumme dieser Güter ist die Bruttoinvestition. Bruttoinvestitionen sind die Gesamtinvestitionen. 27 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Beispiel: Die Annahme, eine Spedition kauft in einem Jahr 4 LKW, jeder kostet SFr. 250‘000.-, dann betragen die Bruttoinvestitionen des Jahres 1 Million SFr. Im Laufe des Jahres verlieren die anderen Wertgegenstände, die dieses Unternehmen hat, durch Gebrauch an Wert, so tritt ein Wertverlust ein. Diesen Wertverlust nennt man „Abschreibung“. Abschreibung gibt den Geldbetrag der Wertminderung eines Wirtschaftsgutes infolge von Benutzung (z. B. bei Maschinen, Gebäuden, Autos, Computern etc.) an. pr ob e Die Differenz zur Bruttoinvestition nennt man Nettoinvestition. Le se Also: Bruttoinvestition ist alles, was in einem Jahr investiert wird. Zieht man davon die Abschreibungen, also den Wertverlust ab, so spricht man von der Nettoinvestition. 1.4.5 Nominelles- und reales Bruttoinlandprodukt Sieht man sich die Definition des BIP an, stellt man fest, dass das Bruttoinlandprodukt aus zwei Komponenten besteht, einer Mengenkomponente („alle Produkte und Dienstleistungen“) und einer Preiskomponente („bewertet zu Marktpreisen“). Das BIP steigt also, wenn entweder mehr produziert wird, oder wenn die Preise (gemeint sind die Durchschnittspreise aller Güter) für die Waren und Dienstleistungen steigen oder wenn beides zutrifft. Man unterscheidet zwischen nominellem und realem Bruttoinlandprodukt. Bruttoinlandsprodukt Nominelles Bruttoinlandsprodukt 28 Reales Bruttoinlandsprodukt ...wird mit Preisen des laufenden Jahres ...wird mit Preisen eines bestimmten bewertet, Preissteigerungen erhöhen das Basisjahres bewertet, Preissteigerungen BIP. erhöhen das BIP nicht. Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 Beim realen Bruttoinlandprodukt wird die Preiskomponente konstant gehalten, es wird die reine Produktionssteigerung gemessen. Daher ist das reale BIP das korrekte Mass für die wirtschaftliche Leistung eines Landes. Wir können aber auch ganz einfach sagen: Das reale BIP ist das, um die Inflation bereinigte, nominelle BIP. Wenn man das nominelle und das reale BIP nun zum Vergleich darstellt, ergeben sich verschieden hohe Wachstumsraten! Das sieht für die Schweiz, dargestellt in einer Grafik, zum Beispiel so aus: Reales und nominelles BIP der Schweiz 2001 – 2014 % Veränderung 8 6 4 2 pr ob e 0 -2 -4 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 se Reales Wachstum Le Nominelles Wachstum 2010 2011 2012 2013 2014 1.4.6 Das BIP als Indikator für Wohlstand und Wirtschaftswachstum Das BIP gilt immer noch als wichtigster Massstab für den Wohlstand eines Landes. Hohes BIP, hoher Wohlstand, niedriges BIP, niedriger Wohlstand, so lautet die einfache Formel. Das BIP zählt aber nur die Wirtschaftsaktivitäten zusammen und bewertet sie. Deswegen gibt es auch Kritik am BIP als Wohlstandsmassstab: ■■ Ob die jeweilige Aktivität Wohlstand steigernd ist, wie z. B. eine innovative Erfindung zur Müllvermeidung, oder ob die Aktivität durch sinnlose Verschwendung von Rohstoffen zukünftigen Generationen das Leben schwer macht, wird im BIP nicht berücksichtigt. ■■ Aktivitäten, durch die Bewohner eines Landes krank werden, die eine Luftverschmutzung verursachen oder die Gewässer verseuchen – sie alle können durchaus zu einer Erhöhung des BIP führen. Es ist aber fraglich, ob das als Wohlstand empfunden wird. 29 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft ■■ Auch die Beseitigung von Umweltschäden, die Entsorgung von Sondermüll, die Rehabilitation von Unfallopfern, steigende Rüstungsausgaben wegen kriegerischer Auseinandersetzungen, der steigende Alkohol- und Tabakkonsum oder mehr Verkehrstote erhöhen das BIP und senken den Wohlstand. Allerdings darf man bei aller berechtigten Kritik am BIP als Wohlstandsmass nicht übersehen, dass oft ein sehr enger Zusammenhang zwischen dem BIP und verschiedenen Kennzahlen, die typischerweise als Wohlstandsindikatoren gelten, besteht. Beispiel: Länder, die ein hohes BIP erwirtschaften, haben tendenziell eine niedrigere Säuglingssterblichkeit, höhere Lebenserwartungen, ein besseres Gesundheitssystem, eine höhere Alphabetisierungsrate und einen besseren Zugang zu Bildung. In seiner Rede über den „wahren Reichtum der Nationen“ am 18.03.1968, an der Universität von Kansas sagte der amerikanische Politiker Robert F. Kennedy: Le se pr ob e „[...] Wir können die Seele unserer Nation weder durch den Dow Jones Index, noch durch die nationale Leistung anhand des Bruttoinlandproduktes messen. Denn das Bruttoinlandprodukt umfasst die Verunreinigung der Luft und Krankenwagen, die das Blutbad auf unseren Autobahnen wegräumen. Es beinhaltet die Schlösser für unsere Türen und die Gefängnisse für jene Menschen, die diese aufbrechen. Das Bruttoinlandprodukt umfasst die Zerstörung der Redwoods und den Tod des Lake Superior. Es wächst mit der Produktion von Napalm und nuklearen Sprengköpfen. [...] Es enthält die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen, die Gewalt verherrlichen, um unseren Kindern Spielzeug zu verkaufen. Und während das Bruttoinlandprodukt dies alles beinhaltet, gibt es doch viel, was es nicht umfasst. Es ist ungeeignet für die Gesundheit unserer Familien, die Qualität ihrer Ausbildung oder die Freude ihres Spielens. Es beinhaltet weder die Schönheit unserer Poesie, noch die Stärke unserer Ehen, noch die Intelligenz unserer öffentlichen Debatte oder die Integrität unserer Amtsträger [...] das Bruttosozialprodukt misst weder unseren Verstand noch unseren Mut, weder unsere Weisheit, noch unser Mitgefühl [...]. Es misst kurz gesagt alles, ausser dem, was das Leben lebenswert macht.“ Das BIP und das BIP/Kopf ist also kein idealer Massstab für die Lebensqualität in einer Volkswirtschaft. Beispiel: Als Regel kann man festhalten, dass bei einem regelmässigen jährlichen Zuwachs des BIP um 2 %, eine Verdoppelung des Wohlstandes in 35 Jahren erfolgt. Bei einem Zuwachs von 1 % dauert die Wohlstandsverdoppelung bereits 70 Jahre. 30 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.4.6.1 Was wird in der VGR bzw. im BIP nicht erfasst? Das BIP misst nicht alle in einem Land erbrachten Leistungen. Grosse Teile werden nicht erfasst, obwohl sie einen durchaus grossen Anteil am BIP eines Landes haben. Was wird im BIP nicht erfasst Tätigkeiten im Haushalt do-ityourselfBewegung Schattenwirtschaft EinkommensArbeitsverteilung bedingungen ■■ Alle Tätigkeiten im Haushalt: Das selbst gekochte Essen trägt nur insofern zum BIP bei, als dass die dafür nötigen Zutaten konsumiert werden; die Wertschöpfung der Hausfrau oder des Hausmannes (z. B. die Arbeit zur Zubereitung des Essens) wird nicht berücksichtigt. pr ob e ■■ Die do-it-yourself-Bewegung: Wer möchte bestreiten, dass durch den Bau des eigenen Hauses ein Wert geschaffen wird. Im BIP wird dieser jedoch nicht berücksichtigt, wohl aber der Einkauf der benötigten Materialien. Beispiel: Le se ■■ Die „Schattenwirtschaft“ (Schwarzarbeit): Alle Leistungen, die am Staat vorbei, steuerfrei erbracht werden, wie z. B. unversteuerter Nachhilfeunterricht, die illegale Beschäftigung von Arbeitskräften oder der nicht gemeldete Untermieter zählen auch nicht zum BIP. In der Schweiz wird die Schattenwirtschaft auf etwa 6,9 % des BIP geschätzt, was im internationalen Vergleich sehr wenig ist. ■■ Des Weiteren berücksichtigt das BIP weder Einkommensverteilung noch Arbeitsbedingungen. Ein Land kann zwar ein sehr hohes BIP haben, wenn der Reichtum aber nur wenigen Leuten gehört, profitiert ein Grossteil der Bevölkerung aber nicht vom hohen BIP. Darüber hinaus kann ein Land mit einem hohen BIP solch schlechte Arbeitsbedingungen aufweisen, dass viele Menschen trotz Reichtum eine niedrige Lebensqualität haben. Um den Wohlstand in einem Land besser darzustellen, verwendet man eine exaktere Messgrösse, nämlich, den Human Development Index (HDI). 31 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.4.6.2 Der Human Development Index Human Development Index Lebenserwartung Schulbesuchsdauer Lebensstandard Dieser Index beinhaltet folgende Faktoren bzw. Indizes: ■■ Die Lebenserwartung bei der Geburt. ■■ Die durchschnittliche und die voraussichtliche Schulbesuchsdauer in Jahren. ■■ Der Lebensstandard, dargestellt als BNE/Kopf in Kaufkraftparität (KKP). Der HDI ist ein Mittelwert aus diesen 3 Indizes. 1.5 pr ob e Dieser HDI wird von der UNO jährlich im sogenannten Human Development Report veröffentlicht. Wirtschaftswachstum Le se Unter Wirtschaftswachstum versteht man eine Erhöhung des realen BIP. Von einer wachsenden Wirtschaft wird also dann gesprochen, wenn in einem Jahr mehr Güter hergestellt werden als im Jahr zuvor. 1.5.1 Die Bedeutung von Wirtschaftswachstum für eine Volkswirtschaft Wirtschaftswachstum beschreibt die prozentuelle Veränderung des realen BIP zum Vorjahr. Grundsätzlich wird Wachstum als Normalfall angesehen. Bleibt das reale BIP konstant, spricht man von Stagnation oder Nullwachstum, und erst bei Schrumpfen des realen BIP spricht man vom „Minuswachstum“. Wirtschaftswachstum ist in vielen Volkswirtschaften eines der Hauptziele staatlicher Wirtschaftspolitik, da daraus eine Vermehrung des Wohlstandes abgeleitet wird. 32 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 Wirtschaftswachstum Wohlstand der Bevölkerung Güter Arbeitsplätze Umverteilung Staatseinnahmen Warum ist für eine Volkswirtschaft Wirtschaftswachstum wichtig? pr ob e ■■ Es erhöht das Volkseinkommen und somit den Wohlstand der Bevölkerung. ■■ Es stellt ein höheres Güterangebot und damit eine bessere Güter-Versorgung der Bevölkerung sicher. ■■ Es sichert bzw. schafft Arbeitsplätze. ■■ Es erleichtert die Umverteilung von Einkommen und Vermögen. ■■ Es erhöht die Staatseinnahmen und stellt dadurch bessere Finanzierungsmöglichkeiten für öffentliche Aufgaben sicher. 1.5.2 Quantitatives und qualitatives Wirtschaftswachstum Le se Wirtschaftswachstum kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden. Zum einen unter einem mengenmässigen und materiellen Gesichtspunkt (quantitatives Wachstum) und zum anderen unter einem qualitativen Gesichtspunkt (qualitatives Wachstum). Nicht immer bedeutet quantitatives Wachstum auch ein qualitatives Wachstum. Betrachtungsarten für das Wirtschaftswachstum quantitativ qualitativ ■■ Quantitatives Wachstum Die Wirtschaft wächst von Jahr zu Jahr und die Einkommen in der Volkswirtschaft steigen kontinuierlich. Messgrössen des quantitativen Wachstums wären z. B. eine steigende Zahl an PKW, Eigentumswohnungen, Handys etc. ■■ Qualitatives Wachstum Hier handelt es sich um ein nachhaltiges Wachstum! Die Umwelt sollte bei wachsender Wirtschaft intakt bleiben und zukünftige Generationen sollen durch das gegenwärtige Handeln so gering wie möglich belastet werden. Natürliche Ressourcen sollten nur in dem Ausmass verbraucht werden, in dem sie sich auch wieder nachbilden können. 33 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Als Messgrösse gibt es den Vorschlag der OECD mit folgenden Zielen: Gesunde Umwelt, Ausbildung, Freizeit, Sicherheit, sowie Gesundheit und Qualität im Arbeitsleben. Wenn es zu einem Wirtschaftswachstum unter diesen Aspekten kommt, dann kann man auch von einem qualitativen Wachstum sprechen. Übung 💬💬 Womit hängt das quantitative und qualitative Wirtschaftswachstum in den verschiedenen Regionen der Erde zusammen? Notieren Sie hier Ihre Gedanken und recherchieren Sie anschiessend im Internet ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ pr ob e ________________________________________ 1.5.3 Gründe für Wirtschaftswachstum se Was sind nun die Gründe für ein Wirtschaftswachstum? Le Gründe für ein Wirtschaftswachstum Geburtenrate Investition Technischer Fortschritt, Ausbildung, Spezialisierung Entwicklung neuer Produkte und Verfahren Zunahme der Arbeitskräfte Zunahme der Produktionsmittel Steigerung der Produktivität Innovationen ■■ Steigt in einem Land die Geburtenrate, so wirkt sich dies auf die Anzahl der Einwohner/Anzahl der Arbeitskräfte aus. ■■ Wird in einem Land mehr investiert, so nimmt die Zahl der Produktionsmittel zu. Produktionsmittel sind zum Beispiel Gebäude, Maschinen oder auch Verkehrsflächen, also alles, was indirekt zur Produktion dient. ■■ Durch den technischen Fortschritt, verbesserte Ausbildung und Spezialisierung steigt die Produktivität in einem Land. Dadurch können mehr Güter von einer einzelnen Arbeitskraft produziert werden. 34 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 ■■ Die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren bewirkt Innovationen, die das Wirtschaftswachstum ebenfalls steigern. Übung ✋✋ Was glauben Sie, was spricht für, was gegen ein Wirtschaftswachstum? Notieren Sie drei Gründe, die für ein Wirtschaftswachstum sprechen und drei Gründe, die gegen ein Wirtschaftswachstum sprechen, in die vorgesehenen Zeilen und holen Sie sich anschiessend ein Feedback im Lösungsteil. pro contra pr ob e 1.5.3.1 Produktivität se Die Produktivität ist ein Mass für die Leistungsfähigkeit der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Sie gibt das Verhältnis von Produktionsmenge und eingesetzten Produktionsfaktoren an. Le Sehen wir uns das an einem Beispiel an. Beispiel: Ein Unternehmen produziert Autos. Wenn in einem Jahr von 100 Arbeitern 100 Autos produziert werden, dann kommt auf einen Arbeiter 1 Auto. Werden von denselben Arbeitern 120 Autos produziert, dann kommen auf einen Arbeiter 1,2 Autos, die (Arbeits-)Produktivität ist gestiegen und zwar gleich um 20 %. 35 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Steigende Produktivität bedeutet, dass die gleiche Produktmenge mit weniger Arbeitskräften hergestellt werden kann oder dass die gleiche Anzahl an Arbeitskräften mehr Güter herstellen kann. Für die Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens ist eine steigende Produktivität von großer Bedeutung. Gründe für die steigende Produktivität sind höher qualifizierte Arbeitskräfte und der technische Fortschritt. Ausserdem tragen der Einsatz von immer besseren Anlagen und Maschinen, die bessere Ausbildung der Arbeitskräfte und eine immer stärkere Spezialisierung zur Produktivitätssteigerung bei. 1.5.3.2 Innovationen Le se pr ob e Die Wirtschaft entwickelt sich aber nicht nur weiter, weil mehr Arbeitskräfte und mehr oder bessere Maschinen vorhanden sind. Eine besonders wichtige Rolle spielen Innovationen. Darunter versteht man das Ergebnis von Forschung und Entwicklung und seine Umsetzung in neue Produkte oder Prozesse. Innovationen Produktinnovationen Prozessinnovationen Neue Produkte, z.B. Schreibmaschine, Fax und Telefon (drei sehr innovative Produkte) werden von Computer, E-mails und Handy abgelöst Neue Produktstrukturen und -verfahren, z.B. Roboter in der Autoindustrie schweißen schneller, genauer und kostengünstiger Durch solche Innovationen können ganze Wirtschaftszweige neu entstehen und alte verschwinden. Für den österreichischen Ökonomen Joseph Alois Schumpeter ist dieser Prozess der „kreativen Zerstörung“ der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine wachsende Wirtschaft hat für ein Land eine grosse Bedeutung. ■■ Wie schon in Kapitel 1.4.6. erwähnt, verdoppelt sich das BIP innerhalb von 35 Jahren, wenn es jährlich um 2 % wächst. Dann kann jede Generation mit einem doppelt so hohen materiellen Wohlstand rechnen wie die vorige. ■■ Wenn das BIP durchschnittlich nur um 1 % wächst, dauert es 70 Jahre, bis es sich verdoppelt. Über die Zeit haben also schon kleine Unterschiede in den Wachstumsraten eine grosse Auswirkung. 36 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 ■■ In einer Wirtschaft, die nicht wächst, können Einkommenssteigerungen für eine bestimmte Gruppe nur dann erzielt werden, wenn anderen etwas weggenommen wird. Wenn der „Kuchen“ grösser wird, kann auch jeder ein grösseres Stück bekommen. Aber nicht nur zur Hebung, sondern auch zur Erhaltung des Lebensstandards ist eine wachsende Wirtschaft wichtig. Bei einer wachsenden Bevölkerung würde das BIP pro Kopf sinken, wenn die Wirtschaft nicht wachsen würde. 1.6 Konjunktur Der Begriff Konjunktur beschreibt die wirtschaftliche Gesamtlage eines Landes bzw. einer Volkswirtschaft. pr ob e 1.6.1 Die Konjunktur – das Auf und Ab der Wirtschaft se Der Wirtschaftsablauf eines Landes besteht aus vielen einzelnen Vorgängen, wie Sie bereits im Abschnitt über die Verflechtungen im Wirtschaftskreislauf erkennen konnten. Solche Prozesse sind natürlich immer wieder grösseren oder kleineren Schwankungen unterworfen, da in bestimmten Zeiträumen z. B. mehr investiert, produziert und konsumiert wird als in anderen. Le Diese Schwankungen nennen wir das Auf und Ab der Wirtschaft oder ganz einfach „Konjunkturschwankungen“. Dieses mittelfristige Auf und Ab kann gesamtwirtschaftlich betrachtet werden, oder sich auf bestimmte Zeiträume (saisonale Schwankungen) oder einzelne Wirtschaftszweige (Branchenkonjunktur) beziehen. Wir stellen die Konjunktur in einer sogenannten „Konjunkturkurve“ dar. Diese ergibt sich aus der jährlichen Veränderung des realen BIP. Dargestellt wird das prozentuelle Wachstum des realen BIP, gemessen am Vorjahr. 37 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Für die Schweiz stellt sich eine Konjunkturkurve der letzten 14 Jahre folgendermassen dar: Reales BIP-Wachstum in der Schweiz in % 2000 – 2014 7 6 5 4 Prozent 3 2 1 0 -1 -2 -3 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 pr ob e Veränderung in % zum Vorjahr Quelle: www.bfs.admin.ch Übung se ✋✋ Was glauben Sie, was könnten die Ursachen von Konjunkturschwankungen sein? Le Notieren Sie hier Ihre Gedanken und holen Sie sich anschliessend ein Feedback im Lösungsteil. ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ ________________________________________ Folgende Arten von Wirtschaftsschwankungen lassen sich aufgrund der Länge der Zyklen unterscheiden: 38 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 1.6.2 Konjunkturelle, strukturelle und saisonale Schwankungen Wie kommt es zu diesen Schwankungen und worin liegt der Unterschied? Konjunkturschwankungen haben in den seltensten Fällen eine einzige Ursache. Fast immer ist es ein Bündel von Ursachen, die bewirken, dass eine Wirtschaft in eine Rezession gerät oder sich daraus befreien kann. Eines haben alle Konjunktursituationen gemeinsam: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimmt nicht mit dem Angebot überein. Sehen Sie sich einmal ein kleines (und sehr vereinfachtes) Szenario an: Beispiel: se pr ob e Ausgangspunkt ist ein kräftiger Anstieg der Rohölpreise. Das verteuert viele Produkte. Die Menschen haben weniger Geld, um andere Güter zu kaufen. Die sinkende Inlandsnachfrage bewirkt, dass die Unternehmer weniger Gewinn erzielen. Dadurch können sie auch weniger investieren. Von der Ölpreiserhöhung sind auch andere Länder betroffen. Das hat Auswirkungen auf die Exportnachfrage. Arbeitskräfte müssen entlassen werden. Dadurch sinken die Einkommen und die Nachfrage geht weiter zurück. Die Wirtschaft ist auf dem Weg in eine Rezession. Le Wie man sieht, kann sich eine Ursache verstärken und die Wirtschaft in einer negativen Spirale nach unten ziehen. Auslöser war in diesem Fall eine Verteuerung der Ölpreise. Neben solchen Preisschocks können auch andere Dinge die Konjunktur beeinflussen. Häufig treten mehrere Ereignisse ein. Die jeweiligen Ursachen sind vielfältig. Konjunkturschwankungen Saisonal Konjunkturell Strukturell ■■ Saisonale Schwankungen sind kurzfristig und relativ leicht vorhersehbar. Häufig werden sie durch die sich jahreszeitlich ändernden Wetterbedingungen hervorgebracht und machen sich besonders in bestimmten, diesen besonderen Einflüssen besonders stark unterworfenen Wirtschaftszweigen, wie etwa der Baubranche, bemerkbar. 39 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft ■■ Konjunkturelle Schwankungen sind mittelfristiger Natur. Sie sind schwieriger in den Griff zu bekommen und sind die typische Aufgabe von Konjunkturpolitik. Sie kommen durch Ungleichgewichte zwischen gesamtwirtschaftlicher Nachfrage und gesamtwirtschaftlichem Angebot zustande, die zudem noch von zeitlichen Anpassungsverzögerungen beeinflusst werden. Ein Beispiel wäre eine Steuerreform. ■■ Strukturelle Schwankungen sind langfristiger Natur (rund 50 bis 60 Jahre). Sie werden durch tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft ausgelöst (Innovationen in den Schlüsseltechnologien) und haben grosse Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Hier kann Politik nur schwer gestaltend eingreifen. Einer der bekanntesten derartigen Zyklen ist der „Kondratieff-Zyklus“. Kondratieff-Zyklus pr ob e Die in 3 langen Wellen verlaufenden Schwankungen der Weltkonjunktur, die von dem russischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai D. Kondratieff (*1892, †1938) im Jahre 1926 erstmalig beschrieben wurden: Le se Aufschwung vor und Abschwung nach 1814, 1873 und 1920. Nach seiner Erkenntnis wird die Boom-Phase des neuen Zyklus von neuen Basisinnovationen ausgelöst. (Basisinnovationen sind Innovationen, die eine grundlegende Veränderung der Einstellungen und Verhaltensmuster der Käufer nach sich ziehen). Lässt dieser Wirtschaftsaufschwung nach, dann schlittert die Volkswirtschaft in einen Abschwung. Diese langfristigen Konjunkturbewegungen werden dabei in Zeitabschnitte von etwa 50 bis 60 Jahren eingeteilt. Am Beginn jedes langfristigen Wirtschaftsaufschwungs steht dabei, wie vom österreichischen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter (*1883, †1950) festgestellt wurde, eine neue, umwälzende Technologie, die tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft bewirkt. Heute beträgt der Abstand dieser Boom-Phasen nur noch ca. 30 Jahre. In der folgenden Tabelle finden Sie einen Überblick über die Ursachen und die Dauer von saisonalen, konjunkturellen und strukturellen Schwankungen. 40 1 Saisonale Schwankungen Einige Wochen bis Monate, eher kurzfristig Konjunkturelle Schwankungen •Short term/3-4 Jahre Jahreszeitenwechsel Permanentes Ungleichge- Technologische und wicht zwischen gesamtwirt- gesellschaftliche Innovaschaftlicher Nachfrage und tionen gesamtwirtschaftlichem Angebot, Ursachen Dauer Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft Strukturelle Schwankungen Teilweise 50 bis 60 Jahre •Mid term/5-7 Jahre •Long term/7-10 Jahre •Winterarbeitslosigkeit in der Baubranche •Angst vor Wirtschaftskrise •Hoher Heizölverbrauch im Winter •Änderungen der staatlichen Budgetpolitik können bewirken, dass der Staat mehr oder weniger nachfragt. •Dampfmaschine •Automobil •Fliessband pr ob e •Automatisation •Hohe oder niedrige Zinsen beeinflussen die Investitionstätigkeit der Unternehmen. •Computer •Internet •Telekommunikation se •Hohe Umsätze der Gärtnereien im Sommer •Ölpreisschock Erfindung Le Beispiele – Auswirkungen Weltpolitische Ereignisse 41 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.6.3 Die vier Phasen des Konjunkturzyklus Die folgende Grafik zeigt einen Konjunkturverlauf mit den vier typischen Phasen: Wachstum des BIP in % Nachfrage Produktion Arbeitslosigkeit Inflation Löhne Zinsen steigend steigend sinkend steigend steigend steigend Nachfrage Produktion Arbeitslosigkeit Inflation Löhne Zinsen Hochkonjunktur Aufschwung sinkend sinkend steigend sinkend sinkend sinkend Das Wirtschaftswachstum verläuft nicht gleichmäßig, sondern unterliegt Schwankungen. Die typischen Phasen eines Konjunkturzyklus sind Krise (Depression), Aufschwung, Hochkonjunktur und Abschwung (Rezession). pr ob e niedrig niedrig hoch niedrig niedrig niedrig Abschwung/Rezession Nachfrage Produktion Arbeitslosigkeit Inflation Löhne Zinsen Krise, Depression Nachfrage Produktion Arbeitslosigkeit Inflation Löhne Zinsen hoch hoch niedrig hoch hoch hoch Zeit Le se Zu beachten ist, dass in der Grafik die Wachstumsraten des BIP dargestellt sind und nicht die absoluten Werte des BIP. In der Krise kommt es nicht zwangsläufig zu einem Rückgang des BIP. Das BIP wächst nur langsamer, und zwar so langsam, dass das Wachstum keine positiven Effekte (z. B. auf die Beschäftigung) hat. Ein Rückgang der absoluten Werte, also ein „Minuswachstum“, kommt, wie Sie in den vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, eher selten vor. Die Zeitspanne von einem Tief- bzw. Hochstand zum jeweils nächsten bezeichnet man als Konjunkturzyklus. Ausgangs- und Endpunkt können je nach Stärke des Auf- und Abschwungs auf verschiedenen Niveaus liegen. Ist die Wirtschaft nach einem Konjunkturzyklus auf einem niedrigeren Niveau als am Beginn, dann ist die Wirtschaft geschrumpft, ist sie auf einem höheren Niveau, dann ist sie gewachsen. Es werden kurz-, mittel- und langfristige Konjunkturzyklen unterschieden. Die mittelfristigen Konjunkturzyklen dauern meist zwischen zwei und sieben Jahre. 1.6.3.1 Aufschwung (Expansion) Nach dem Erreichen des unteren Wendepunktes (Depression), folgt die Erholungsphase (expansive Phase). Damit beginnt der Aufschwung der Konjunktur. Es folgt eine Zunahme der Produktion und der Beschäftigung. Die Phase der Expansion wird von einem steigenden Wirtschaftswachstum geprägt. Die Angebote und Investitionen nehmen zu und auch die Stimmung ist optimistisch. Einkommen und somit auch die Nachfrage steigen, was 42 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1 natürlich die Preise ankurbelt (leichte Inflation). Mit der grösseren Konsumnachfrage steigt dann auch die Nachfrage nach Arbeitsplätzen. 1.6.3.2 Hochkonjunktur (Boom) Der Boom ist der Höhepunkt der Hochkonjunktur. In dieser Phase sind die Kapazitäten der Wirtschaft aufgrund der starken Nachfrage voll ausgelastet. Es werden Arbeitskräfte und Produktionsmittel langsam knapp. Es herrschen Vollbeschäftigung, ein grosses Angebot, ebenso wie Investitionsneigung, Einkommen und Nachfrage. Die Produktion wird so lange gesteigert, bis es zu einer Überlastung kommt. Es folgt eine Marktsättigung mit dem Ergebnis, dass das BIP zwar weiterhin noch wächst, dafür jedoch mit sinkenden Wachstumsraten. Damit kommt es zum nächsten Konjunkturabschnitt, dem Abschwung (Rezession). 1.6.3.3 Rezession 1.6.3.4 Depression (Konjunkturtief) pr ob e Das deutlichste Merkmal der Rezession ist ein sinkendes BIP über mindestens zwei Quartale. Die wirtschaftliche Grundstimmung wird schlechter. Nachfrage und Investitionsneigung sinken. Die Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit nehmen zu. Preise und Zinsen sinken nur sehr langsam und die Sparneigung steigt. Als Ergebnis hat man vor allem sinkende Produktionen und Gewinne. Sollte sich der Abschwung weiter steigern oder kommt es zu einer anhaltenden Stagnation, so spricht man von einer Depression. Le se So bezeichnet man den wirtschaftlichen Tiefstand einer Volkswirtschaft. Die Depression zeichnet sich vor allem durch eine ungewöhnlich hohe Arbeitslosigkeit aus. Die Kapazitätsauslastungen nehmen weiter ab, ebenso wie die Nachfrage. Ist die Depression besiegt, folgt anschliessend wieder ein neuer Aufschwung. 1.6.4 Konjunkturindikatoren Bisher wurde immer von Konjunktur gesprochen. Doch wie misst man die Konjunktur eigentlich? Welche ökonomischen Massstäbe repräsentieren die Konjunktur am besten? Mit sogenannten Konjunkturindikatoren (Indikator = Anzeiger) versucht man festzustellen, in welcher Phase des Konjunkturzyklus sich die Wirtschaft befindet. Konjunkturindikatoren Frühindikatoren Präsenzindikatoren Spätindikatoren ■■ Frühindikatoren oder vorauseilende Indikatoren Sie zeigen Änderungen des Wirtschaftsverlaufs früh an und sind daher für Prognosen gut geeignet. Man kann aus ihnen die zukünftige Entwicklung der Wirtschafts43 1 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft lage herauslesen. Folgende Frühindikatoren kann man verwenden: Aktienindex, Gewinnerwartungen der grossen Unternehmen, Einkaufsmanagerindex oder auch der Rohstoffindex und der Konsumklimaindex. ■■ Präsenzindikatoren oder Gegenwartsindikatoren bzw. Ist-Indikatoren Sie beschreiben die aktuelle wirtschaftliche Situation. Man kann aus ihnen die gegenwärtige wirtschaftliche Situation einer Volkswirtschaft herauslesen. Dazu werden aktuelle Werte wie die Konsumzahlen, das BIP eines Monats, Zahlen von Lagerbeständen und Industrieproduktion ebenso wie die gegenwärtige Sparquote verwendet. Le se pr ob e ■■ Spätindikatoren Sie reagieren mit einer gewissen Verzögerung auf die wirtschaftliche Entwicklung und zeigen die Wirtschaftsentwicklung der Vergangenheit an. Als Indikatoren werden hier vor allem die Arbeitslosenquoten, das BIP eines Jahres, die Inflationsrate, die Steuereinnahmen oder aber die Insolvenzrate verwendet. 44 Bestimmungsgrössen der Volkswirtschaft 1.7 1 Zusammenfassung ■■ Wirtschaftssysteme sollen möglichst grossen Wohlstand schaffen, Menschen in Arbeit bringen und mit genügend Lebensmitteln versorgen. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Menschen unterschiedliche Wirtschaftssysteme entwickelt und erprobt. Alle haben das gleiche Ziel – doch sie unterscheiden sich fundamental. ■■ In marktwirtschaftlichen Systemen (freie Marktwirtschaft und soziale Marktwirtschaft) gehören Unternehmen, Fabriken und Maschinen Privateigentümern. Wie teuer die produzierten Waren sind, regelt der Markt, also Angebot und Nachfrage. Dass die Unternehmen die passenden Waren und die richtigen Mengen herstellen, regelt die „unsichtbare Hand“ des Marktes. ■■ Das Gegenstück zu diesem Konzept ist die Planwirtschaft: Dem Staat gehören die Unternehmen, er bestimmt Preise, Produkte und Löhne. ■■ Die soziale Marktwirtschaft ist eine Verbindung des Wettbewerbssystems mit der Idee der sozialen Gerechtigkeit. Die Ordnungselemente der Marktwirtschaft sind weitgehend aufrecht. pr ob e ■■ Der Wirtschaftskreislauf funktioniert wie ein Kreislauf nach dem Prinzip „Geben und Nehmen“ zwischen den Wirtschaftsteilnehmern. Das Zusammenwirken aller beteiligten Teilnehmer kann stark vereinfacht im Wirtschaftskreislauf dargestellt werden. se ■■ Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) ist eine Untersuchung und Darstellung des Wirtschaftsgeschehens für eine abgelaufene Periode. Die Hauptindikatoren sind das BIP und das BNE. Le ■■ Unter dem Bruttoinlandprodukt (BIP) versteht man den Wert aller Endprodukte und Dienstleistungen, die in einem Land in einer bestimmten Periode hergestellt werden. Es errechnet sich, vereinfacht ausgedrückt, aus der Summe aller Wertschöpfungen (= Verkaufserlös minus Vorleistungen) einer Volkswirtschaft. Für aussagekräftige Vergleiche bezieht man das BIP in einer Durchschnittsrechnung auf die Bevölkerungszahl (BIP pro Kopf). ■■ Das Bruttoinlandprodukt erfasst alle Leistungen im Inland (von In- und Ausländern). Das Bruttonationaleinkommen (BNE) dagegen erfasst die Leistungen von Inländern (auch im Ausland). ■■ Das nominelle BIP wird mit Preisen des laufenden Jahres bewertet – somit können Preissteigerungen das BIP erhöhen. Das reale BIP wird mit Preisen eines Basisjahres bewertet. Preissteigerungen erhöhen das BIP nicht, es wird die reine Produktionssteigerung gemessen (Wirtschaftswachstum). Das reale BIP ist somit das richtige Mass für die wirtschaftliche Leistung eines Landes. ■■ Man unterscheidet drei Rechnungen zum BIP: Entstehungs- (welche Wirtschaftsbereiche), Verwendungs- (privater und öffentlicher Konsum, Bruttoinvestition) und Verteilungsrechnung (Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit, Unternehmertätigkeit und Vermögen). 45