Medizinische Soziologie, Teil I: Vorlesung Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung Direktor: Prof. Dr. med. Cornelius Borck Übersicht über die Termine und Themen im WS 2008/09 • Mi, 26.11.08 Einführung: Thema – Struktur – Literatur • Mi, 03.12.08 Grundbegriffe, Forschungsmethoden: Parsons und die Folgen • Mi, 10.12.08 Gesundheit interkulturell • Mi, 17.12.08 Arztbild, Arztrolle, Sozialisation des Arztes • Mi, 14.01.09 Compliance und Konkurrenz auf dem Gesundheitsmarkt • Mi, 21.01.09 Krankenversorgung und Gesundheitswesen • Mi, 28.01.09 Krankensein – Krankenhaus – Konflikte Klausur am 6.2.2009 15:00 – 16:00 Uhr in V1/V2 Soziologie ist die Lehre vom Zusammenleben der Menschen in einer Gesellschaft, begründet von Auguste Comte (1798-1857) Zwei (konträre) Beispiele wichtiger Soziologen in Deutschland und ihrer Werke: Max Weber (1864-1920), „verstehende Soziologie“: „Soziologie soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. ‚Handeln‘ soll dabei ein menschliches Verhalten [...] heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden.“ Wirtschaft und Gesellschaft (1920) Niklas Luhmann (1927-1998), systemtheoretische Soziologie: Gesellschaft nicht als eine Ansammlung von Menschen, sondern als operativ geschlossener Prozess der Kommunikation Soziale Systeme: Grundriß einer allgemeinen Theorie (1984) Medizinische Soziologie Wissenschaft von den sozialen Bedingungen und Folgen der Gesundheit bzw. Krankheit sowie der staatlichen, medizinischen und privaten Prävention, Kuration und Rehabilitation. Soziologie der Medizin: Analyse der medizinischen Institutionen und medizinischen Verhaltensweisen sowie ihrer normativen Voraussetzungen. Soziologie in der Medizin: Analyse der Wechselbeziehungen von sozialen Faktoren (Schicht, Alter, Geschlecht, sozioökonomische Verhältnisse etc.) und Gesundheit bzw. Krankheit. Medizinische Soziologie Wissenschaft von den sozialen Bedingungen und Folgen der Gesundheit und Krankheit sowie der staatlichen, medizinischen und privaten Prävention, Kuration und Rehabilitation. Soziologie der Medizin: Analyse der medizinischen Institutionen und medizinischen Verhaltensweisen sowie ihrer normativen Voraussetzungen. = Medizinische Soziologie (Talcott Parsons, Eliot Freidson): Medizin als Gegenstand der Soziologie, Medizin als Sonderfall bzw. zentraler Sektor menschlicher Gesellschaften, Analyse der Medizin (bzw. einzelner Bereiche) als Teilsysteme der Gesellschaft bzw. Teilaspekte menschlichen Handelns Soziologie in der Medizin: Analyse der Wechselbeziehungen von sozialen Faktoren (Schicht, Alter, Geschlecht, sozioökonomische Verhältnisse etc.) und Gesundheit bzw. Krankheit. = Sozialmedizin, Soziale Medizin (George Rosen, Henry Sigerist): Soziologie als Hilfsdisziplin der Medizin, Einsatz soziologischer Methoden (wie z.B. Morbiditätsund Mortalitätsziffern) zur Beurteilung und Verbesserung der medizinischen Versorgung [Die Gesellschaft übernimmt hierbei sozusagen die Rolle des Patienten.] Als Lehrbücher empfohlen… • Johannes Siegrist: Medizinische Soziologie [6. Aufl.], München: Urban & Fischer, 2005. • Lehrbuch medizinische Psychologie und medizinische Soziologie, hrsg. von Bernhard Strauß et al., Göttingen: Hogrefe, 2004. „Das gute Buch“ – Für Neugierige zum Weiterlesen empfohlen… Die Bücher von Paul Lüth (1921-1986), Landarzt und kritischer Mediziner, z.B.: • Ansichten einer künftigen Medizin, München: Hanser, 1971. • Medizin in unserer Gesellschaft, Weinheim: VCH, 1986. • Kritische Medizin: Zur Theorie-PraxisProblematik der Medizin und der Gesundheitssysteme, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1972. „Das gute Buch“ – Für Neugierige zum Weiterlesen empfohlen… Außerdem: • Anatomien medizinischen Wissens, herausgegeben von Cornelius Borck, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1996. • Thoman McKeown: Die Bedeutung der Medizin: Traum Trugbild oder Nemesis, Frankfurt am Main: edition suhrkamp, 1979. Zitierte Literatur (in der Reihenfolge ihres Auftretens): Eliot Freidson: Der Ärztestand: Berufs- und wissenschaftssoziologische Durchleuchtung einer Profession, Stuttgart: Enke, 1979. Ivan Illich: Die Enteignung der Gesundheit: Medical Nemesis, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975. Lernziele • • • • • • • • • Soziologie vergleichsweise junge, empirische Wissenschaft Analyse von Strukturen und Funktionen der sozialen Wirklichkeit Medizin ist Gegenstand der Soziologie als spezialisierter Teilbereich der Gesellschaft = Soziologie der Medizin: Soziologie untersucht Medizin bzw. einzelne Aspekte Soziologie als Hilfswissenschaft liefert der Medizin wichtige Einsichten in Funktionalität bzw. Dysfunktionalität einer bestimmten Organisationsweise von Medizin = Soziologie in der Medizin: Medizin stützt sich auf soziologische Analysen Aktuelle Medizin erscheint immer als selbstverständlich und notwendigerweise so = Rede von der „zweiten Natur“: soziale Institutionen wirken in einer Gesellschaft so unumstößlich wie Naturtatsachen Jedes Gesundheitssystem immer ein Kompromiss widerstreitender Kräfte bzw. Ziele (Interessen, Finanzierung, Wissenschaft, Pflege, etc.) Als essentieller Teil des menschlichen Lebens bleibt Gesundheit immer ein Zentrum von Politik und ständig neuen Kompromissen Auch die allerbeste Ärztin und der beste Arzt sind den strukturellen Konflikten im Gesundheitssystem ausgesetzt. Viele Konflikte resultieren aus schlechter Kommunikation, einige Konflikte aus mangelhafter Praxi Die meisten Konflikte können Sie besser bewältigen, wenn Sie in der Lage sind, strukturelle und institutionelle Probleme von individuellen und persönlichen zu trennen.