Kulturgeschichte Blattgemüse

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Die Kulturgeschichte des Blattgemüses
von Wolfgang König, vorgetragen anlässlich der Herbstversammlung 2009 des
OGV-Zinzenzell am 5. November 2009
Blattgemüse – vor allem das grüne Blatt, enthält zahlreiche Inhaltsstoffe, die
für unsere Gesundheit von großer Bedeutung sind.
Was zeichnet unser Blattgemüse aus? Neben sehr wenig Fett (unter 0,1-0,3
%), 1-3 % Eiweiß, 2-5 % Kohlehydraten und 0,5-2 % Rohfaser (Ballaststoffe) enthält
unser Gemüse meist über 90 % Wasser, 1 % Mineralstoffe, Vitamine und sekundäre
Pflanzenstoffe.
Bezogen auf den Gehalt von Eiweiß und Kohlenhydrate enthält das Gemüse
ein Vielfaches an Mineralstoffen als Getreide oder Fleisch. Diese Mineralstoffe sind
meist basische Salze, die bei einer reinen Gemüsediät entsäuernd wirken und einen
basischen Metabolismus vortäuschen: Man pinkelt nun neutral bis basisch, während
bei einer Getreide- und/oder Fleischreichen Diät der Urin sauer reagiert. Das ist das
Geheimnis des „Basenfastens“. Besonders reich an basischen Mineralsalzen sind die
äußeren – grünen – Blätter, während die guten, zarten gelben Blättchen in Gemüsen
und Salaten, verspeist, bereits sauer wirken können [Ragnar Berg, Die Nahrungsund Genussmittel, Verlag Emil Pahl, Dresden 1925, Seite 8].
Die Mineralstoffe sind für unseren Körper sehr wichtig – doch offensichtlich
kommen die durch die Nahrung aufgenommenen Salze oft nicht dort an, wo sie
gebraucht werden. So kann es trotz ausgeglichener Ernährung oft zu einer
Unterversorgung an Mineralstoffen kommen.
Damit die Mineralien im Körper an die richtige Stelle gelangen, werden
Patienten oft mit den so genannten Schüßler-Salzen therapiert. Das sind
homöopathische Zubereitungen von Salzen. Die Schüßler-Salze ergänzen also nicht
die Mineralsalze, sondern eine mineralstoffreiche Ernährung ist die Voraussetzung,
dass Schüßler-Salze wirken können.
Die 13 bekannten Vitamine sind lebenswichtige Mikronährstoffe, die der
menschliche Körper mit Ausnahme von Vitamin D nicht selbst herstellen kann. In der
Regel nimmt man bei uns mit einer ausgewogenen Ernährung genügend Vitamine
auf. Die Folsäure [lateinisch: folium = das Blatt], die für Blutbildung, Zellteilung und
das Immunsystem wichtig ist, befindet sich vor allem in Blattgemüse und
Hülsenfrüchten – doch auch in roten Rüben. Sie ist extrem hitze- und
lichtempfindlich. Beim Garen gehen bis zu 100 Prozent verloren. Am besten deckt
man seinen Tagesbedarf von etwa 400 Mikrogramm Folsäure durch Rohkost-Salate.
Dagegen kann es gefährlich werden, wenn man mit Vitaminen künstlich
angereicherte Nahrungsmittel (functional food) zu sich nimmt.
So haben hohe Vitamin C-oder Vitamin E-Einnahmen keinen Effekt auf HerzKreislauferkrankungen und verlängern nicht das Leben. Hohe Vitamin E Dosen
scheinen dagegen das Risiko von Hirnblutungen zu steigern und Vitamin A und BetaCarotin erhöhen das Risiko auf Lungenkrebs. Erhöhte Vitamin A-Einnahmen senkt
sogar die Knochendichte und erhöhen das Risiko von Brüchen an der Hüfte.
[Greenpeace Magazin 2.09, Seite 62-64]
Die sekundäre Pflanzenstoffe sind eine komplexe Mischung von etwa 500010000 verschiedenen Verbindungen, die anticancerogen, antioxidativ,
immunmodulierend, cholesterinsenkend, blutdruck- und blutglukoseregulierend,
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entzündungshemmend, antimikrobiell und antithrombotisch wirken können.
[Deutsche Apotheker Zeitung 137 (1997) 302, 563]
Wir haben also mit den sekundären Pflanzenstoffen eine großartige Apotheke!
Krebshemmende Wirkung zeigen vor allem die sekundären Pflanzenstoffe der
verschiedenen Kohlsorten. Besonders empfohlen wird hier der Brokkoli.
In den vergangenen Jahrzehnten sind sekundäre Pflanzenstoffe wie
Polyphenole, Saponine und Salicylate im Gemüse weniger geworden. Diese
Substanzen produziert die Pflanze zur Abwehr von Schädlingen. Wenn die Pflanzen
jedoch mit Pestiziden behandelt werden, halten sie sich damit zurück, weil sich die
Natur keinen überflüssigen Luxus erlaubt. Wenn man also Pflanzen ohne Pestizide
heranzieht, haben diese wieder die richtige Menge an sekundären Pflanzenstoffen.
In Biotomaten fand man z.B. bis zu 97 % mehr Polyphenole als in den Früchten aus
konventionellem Anbau.
Der Urmensch mit der Blutgruppe 0, der Jäger und Sammler, war zwar ein
Fleischesser, doch nebenher aß er zweifellos auch Grünzeug, das auf seinen
Jagdzügen oder von seiner Familie gesammelt wurde. Die Vielfalt dieser damals wild
wachsenden Pflanzen übertrifft sicher bei weitem unser heutiges Angebot vom
Supermarkt. Einen kleinen Eindruck dieser essbaren Kräuter vermittelte der Vortrag
von Angela Marmor „Unkraut - oder nicht?“ [nachlesbar auf der Homepage des OGVZinzenzell]. Als der Mensch sesshaft wurde, begann er Getreide und Gemüse zu
kultivieren. Er baute sie in Gärten und auf Feldern an und vermehrte nur die
schmackhaftesten und ertragreichsten Sorten. Damit ging es mit der Vielfalt bereits
bergab. Das begann, so viel man heute weiß, vor etwa 12500 Jahren in der heute
trockenen Sahelzone in Afrika, die damals aber kräftig grünte. [Eric Huysecom,
Spektrum der Wissenschaft 8/08, 62-67].
Zu uns nach Niederbayern kam die Landwirtschaft erst vor etwa 7600 Jahren
mit Einwanderern, den so genannten Linearbandkeramikern, die vorher am
Schwarzen Meer sesshaft waren. Sie bauten bereits hübsche Langhäuser.
Da es bis zu den alten Ägyptern vor etwa 5400 Jahren keine Abbildungen
und schriftlichen Überlieferungen über das damals verwendete Gemüse gibt, ist man
nur auf Samen oder andere Reste von Pflanzen angewiesen, die man in den
Kulturschichten mit viel Glück finden und identifizieren kann. Wie das Gemüse
aussah, bleibt damit aber trotzdem im Dunkeln.
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1. Kohl-Familie (Brassica)
Anhand von archäologischen Funden lässt sich die Kultivierung von Kohl(Brassica-) Gemüsen in China bis vor etwa 7000 Jahre zurückverfolgen. Damit
gehören die Arten der Brassica-Familie zu den frühesten kultivierten
Nahrungspflanzen in China.
1.1 Rübsen, Mai- bzw. Stoppelrübe, Rübstiel (Brassica rapa)
Vor etwa 5000 Jahren wurde in Europa in der Seeufersidlung SeebergBurgäschisee-Süd (bei Solothurn/Schweiz) und in anderen neolithischen Siedlungen
Samen von Feldkohl (Brassica campestris = Brassica rapa) gefunden. Aus dieser
Wildform entwickelten sich in Europa mehrere Kulturpflanzen: die Ölpflanze Rübsen
(Brassica rapa ssp. oleifera oder silvestris), die Mairübe bzw. Herbst- und
Stoppelrübe (Brassica rapa, ssp. rapa) und das daraus gewonnene Blattgemüse
Rübstiel oder Stielmus. Im Rheinland, Westfalen und in den Niederlanden hat
dieses Gemüse eine sehr lange Tradition. Rübstiel zieht der Bauer, indem er
Mairübchen zu dicht sät. Die Pflanzen wachsen schnell und schlank. Die Rüben sind
unbrauchbar, die Stiele allerdings lecker und knackig. Verwendet wird aber auch die
spezielle, aus dem wilden Rübsen gezüchtete Sorte ‘Namenia’(Brassica rapa var.
rapifera subvar. pabularia) mit stark gefiederten Blättern. Rübstiel hat einen feinsäuerlichen Geschmack und wird am besten frisch nach der Ernte verzehrt, weil die
zarten Blätter schnell welken. Im Rheinland und in Westfalen werden die Stiele und
Blätter meist gehackt und gedünstet zu Fleischgerichten serviert. Üblich ist auch eine
Mischung mit Kartoffelbrei. In weiteren traditionellen Zubereitungen wird er zu
Eintöpfen oder roh zu Salaten verarbeitet.
Die erste Abbildung der Mai- oder Stoppelrübe stammt von Dioskorides um 60
n. Chr. Ein Holzschnitt aus dem Kräuterbuch von Otto Brunfels (1532) zeigt die
gleiche Pflanze.
In China wurde aus den Rübsen der Chinakohl (Brassica rapa, ssp.
pekinensis) und Pak-choi (Brassica rapa ssp. chinensis) gezüchtet. Der
Chinakohl war als Kopfkohl schon im alten China seit der Tang-Zeit (618-907 n.
Chr.) eines der am weitesten verbreiteten Gemüse, bei uns in Deutschland wurde er
erst seit etwa 1970 bekannt.
Der Chinakohl wird in China bei Husten in Verbindung mit Verstopfung, bei
fiebrigen Erkältungen, bei Nervosität mit Durst, bei Störung der Blasenentleerung, bei
Blähungen und bei Verstopfung angewendet. Man nimmt hierbei meist eine
Abkochung oder eine Suppe des Chinakohls zu sich. Auch der Saft des Chinakohls,
der mit Honig gesüßt werden kann, wird in China als Arznei verwendet.
Pakchoi, der in unseren Breiten sehr zum Schossen neigt, wird bei uns selten
angebaut.
1.2 Kohl (Brassica oleracea)
Vermutlich wurde in China – was aus archeologischen Funden hervorgeht schon vor etwa 7000 Jahren Kohlgemüse kultiviert.
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Über den Kohl berichtet schriftlich erstmals der griechische Philosoph
Theophrastos (371-287 v. Chr.). Er unterschied drei Arten von Kohl: den
Krausblättrigen, den Glattblättrigen und die wilde Art.
Der römische Staatsmann Cato der Ältere (* 234 v. Chr. in Tusculum; † 149
v. Chr. in Rom), schätzte den Kohl ganz außerordentlich. Auch er unterschied drei
Arten: eine mit ausgedehnten Blättern und großen Stängeln, eine andere mit krausen
Blättern, welche er Eppichkohl (Apiana) nannte und eine dritte mit kleinen Stängeln,
mild und zart, aber am wertlosesten.
Der Römer Caius Plinius Secundus, der die erste umfassende
Naturgeschichte um 60 n. Chr. herausbrachte, unterschied bereits sieben Kohlarten:
Die cumanische Art hat sitzenden Blätter und einen offenen Kopf. Die aricinische
Art ist nicht höher, hat mehr, aber weniger zarte Blätter und wird für die beste
gehalten, weil sie fast unter allen Blättern besondere Stiele treibt. Die
pompejanische Art ist höher, der Stängel von der Wurzel an dünn, in der Nähe der
Blätter aber dick, die Blätter sind weniger zahlreich und schmäler, aber ihrer Zartheit
wegen geschätzt, verlieren jedoch durch Kälte. Dagegen ist die Kälte der
brutianischen Art mit großen Blättern, dünnem Stängel und von scharfem
Geschmacke zuträglich. Die sabellische Art hat ausgezeichnet krause Blätter, deren
Dicke den Stängel selbst dünn macht, und wird für die süßeste von allen gehalten.
Die seeturmige Art aus dem aricinischen Tale, wo ehemals ein See war und zu
Caius Plinius Secundus Zeiten noch ein Turm stand, hat einen sehr großen Kopf und
zahllose Blätter, von denen sich einige rundum ausdehnen, andere in die Breite
wachsen. Auch der Seekohl, der nur am Meer wächst, ist vorzüglich und hält sich
selbst auf langer Seefahrt grün. Alle Arten macht der Reif delikater, meinte Caius
Plinius Secundus.
Bei dem griechischen Arzt Dioskorides findet sich 60 n. Chr. auch eine breite
Palette an Kohlsorten: Es gab wilden und kultivierten Kohl. An Formen gab es 1.
Stängelkohl (Strunkkohl), darunter bereits rundliche, also wohl Kohlrabi-ähnliche
Sorten. 2. Sprossenkohl, bei dem aus einem hochwüchsigen Stängel zahlreiche
Seitenzweige hervor wuchsen, die immer wieder geschnitten wurden, eine Form, die
dem „ewigen Kohl“ recht nahe kommt. 3. Formen mit hohen Stängeln und krausen
Blättern, vermutlich ähnlich unserem Grünkohl. 4. niederwüchsiger Kohl mit
ausgebreiteter Krone aus nach innen gekrümmten, großen Blättern, welche aber
noch nicht zu festen Köpfen zusammengeschlossen waren, Vorläufer unseres
Weißkrauts. 5. Ein Brokkoli-ähnlicher Kohl, dessen Knospenstand um die Zeit der
Frühlings-Tag- und Nachtgleiche gesammelt wurde.
Weißkraut wurde im Jahre 650 in China unter der Bezeichnung „lancai“ im
diätetischen Kapitel der „Rezepturen, die tausend Goldstücke wert sind“ erstmals
erwähnt.
Eine Miniatur aus dem 14. Jahrhundert zeigt wie damals der Kohl aussah: ein
hoher Strunkkohl, von dem die Blätter geerntete wurden.
Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen ist frischer, der zu Zitronenfarbe neigt.
Nutzen: er löst Verstopfungen.
Schaden: schlecht für die Eingeweide.
Verhütung des Schadens: mit viel Öl.“
Im Mittelalter, um 1000 nach Christus, gab es in Deutschland neben dem
Kohlrabi aber auch bereits Kopfkohl-Sorten. Im Kräuterbuch von Otto Brunfels
finden wir 1532 die erste Abbildung von fest geschlossenem Kopfkohl (Kappes).
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Auch Leonhard Fuchs zeichnete 1543 einen Kopfkohl (Kappisskraut), dazu einen
krausen Kohl (analog unserem Grünkohl).
Der Brokkoli und der Blumenkohl stammen aus Südgriechenland (vermutlich
aus Kreta oder Cypern). Die Genuesen waren wohl die ersten, die Brokkoli und
Blumenkohl um 1490 herum von Griechenland nach Italien brachten.
Joachim Camerarius zeichnete erstmals 1586 den Blumenkohl und den
Kohlrabi, die allerdings erst 1626 gedruckt wurden.
Unter den Kopfkohlen gibt es heute zahlreiche Formen: den Rippenkohl, den
Wirsing, das Weißkraut, bei dem der Kopf plattgedrückt, kugelig, länglich,
verkehrteiförmig, spitz und die Blätter auch blassgrün oder wie beim Blaukraut blau
bis violett sein können. Wegen der kleinen Familien und Singlehaushalte geht heute
der Trend in die Züchtung kleiner Köpfe, wie z.B. bei Wirsing, Weißkraut und
Blaukraut.
Neben dem wertvollen grünen Brokkoli aus Italien, der als Anti-KrebsGemüse probargiert wird, gibt es den bei uns gebräuchlichen weißen Blumenkohl
und einige Farbvarianten davon mit gelblichweißen, gelben, rosa oder violetten
Blütenständen.
Der Markstammkohl, der bei uns als Viehfutter angepflanzt wird, ist eine
Kulturvariante der Strauchkohle. Dazu gehören auch der Grünkohl und der
Rosenkohl, eine recht junge Züchtung. Der Rosenkohl wurde in Belgien unter der
Bezeichnung Brüsseler Kohl erst 1785 erwähnt. Eine recht unbekannte Variante
unter den Strauchkohlen ist der Ewige Kohl, der zahlreiche Verzweigungen und
Sprosse bildet, die sich beim größer werden oft auf dem Boden legen und dort
Wurzeln bilden. Man kann dann von einem Spross oft zahlreiche, bereits bewurzelte
Ableger machen. Ein Ableger nimmt dann etwa einen Quadratmeter im
Gemüsegarten ein. Wird er größer, muss man ihn aufessen! Dieser ewige Kohl dürfte
mit der seeturmigen Art aus dem aricinischen Tale identisch sein, die der Römer
Caius Plinius Secundus beschreibt. Auch der griechische Arzt Dioskorides
beschrieb schon diese Kohlvariante. Den ewigen Kohl kann man nicht aussähen,
denn er blüht nicht, und wenn er wirklich so alle 15 Jahre mal blühen sollte, bildet er
lediglich taube Samen. Man kann ihn nur durch Stecklinge vermehren. Den Winter
über bleibt er meist frosthart, verträgt aber hohen Schnee sehr schlecht.
Medizinische Anwendung des Kohls:
Schon die alten Griechen und Römer verwendeten den Kohl als Heilmittel.
Chrysippus oder Crisipo von Soli (280 – 207 v. Chr.) widmete den Vorzügen des
Kohls ein ganzes Buch, das aber leider nicht erhalten ist. Der Römer Cato der Ältere
(um 200 v. Chr.) bevorzugte den krausen Kohl. Der krause Kohl – so sagte Cato –
ist dem Magen dienlich und wirkt auf den Unterleib gelinde erweichend. Er rühmt ihn
auch gegen Kopfweh und bei Beschwerden der Augen, der Brust und der Milz.
Umschläge mit Kohlblättern helfen bei Krankheiten der Glieder und Gelenke.
Umschläge aus blanchiertem Kohl dienen auch bei alten und neuen Wunden und
selbst bei Krebsschäden, sagt Cato.[Die Therapie von Krebs mit Kohl wurde von dem
Krebsarzt Dr. Josef Issels in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder
aufgegriffen; er fand aber bei den Schulmedizinern damit kein Gefallen und wurde
ein Jahr ins Gefängnis verbannt. Er starb, völlig rehabilitiert, am 11.2.1998, wenige
Wochen nach Vollendung des 90. Lebensjahres, in seinem selbstgewählten Exil
Kalifornien an Lungenentzündung.] Gekocht mit reichlich Öl und Salz genossen
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vertreibt der Kohl die Schlaflosigkeit. Cato rät bei Schwerhörigkeit den Saft von Kohl
warm mit Wein vermischt in die Ohren zu tröpfeln. In dieser Form kann man ihn auch
gegen die Flechten anwenden, welche dadurch heilen ohne Geschwüre zu bilden.
Die Chinesen benutzen das Weißkraut bei krampfartigen, heftigen Schmerzen
im Abdomen und bei Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Es wird hier
empfohlen das Weißkraut roh, in Form von Säften oder kalten, salatähnlichen
Zubereitungen zu sich zu nehmen.
Mehrere Autoren geben den Kohlblättern eine Wirkung auf die Stimmbänder:
„So sie einer kaut und den Saft schluckt, bringen sie die verlorene Stimme wieder“
(Leonhard Fuchs 1543)
Jean Carper (1993) schreibt, dass am besten roher Kohl und Krautsalat das
Krebsrisiko, vor allem auf Dickdarmkrebs senkt. [Kohlinhaltsstoffe fördern den
Umbau des Östradiols zu 2-Hydrox-östron und können so z.B. einem Brustkrebs
entgegen wirken, Spektrum der Wissenschaft 12/1995, 38-44]. Kohlarten haben auch
eine Schutzwirkung vor radioaktiver Strahlung. So überlebten Meerscheinchen oder
Kaninchen besser wenn sie vorher mit Kohl gefüttert wurden. Am besten überlebten
die Tiere, wenn sie vor und nach der Bestrahlung Kohl zu fressen bekamen. So
nimmt es kein Wunder, dass die allgemeine Sterblichkeitsrate beim Menschen mit
steigendem Kohlgenuss sinkt.
1.3 Kohlrübe, Raps, Bremer Scheerkohl (Brassica napus)
Im klassischen Altertum kannte man unter „napus“ die Kohlrübe (Brassica
napus var. napobrassica) Das sind die Steckrüben, Scherrüben, Dorschen oder
Dotschen, wie man sie in Bayern nannte. Diese Rüben sind wie auch Raps (Brassica
napus) eine Kreuzung aus Kohl (Brassica oleracea) und Rübsen (Brassica rapa ssp.
oleifera).
Erst 1360 wird in den Niederlanden Rapssaat unter den fetthaltigen
Nahrungsmitteln erwähnt.
Ein schnellwüchsiges Blattgemüse ist die Brassica napus-Unterart „Bremer
Scheerkohl“ (Brassica napus ssp. napus), der wie Spinat, Mangold oder Wirsing
zubereitet wird. Es ist ein gesundes Frühgemüse, das schon nach etwa 4 bis 5
Wochen schnittreif ist und sich bis zu drei Mal ernten lässt bevor es auswächst.
Natürlich kann man es auch als Herbstgemüse aussäen. Über den Bremer
Scheerkohl ist nur wenig bekannt und er wird auch seit 1950 kaum mehr angebaut.
Vermutlich wird er auch oft mit Rübstiel verwechselt.
2. Salat (Lactuca sativa)
Unser Salat (Lactuca sativa) ist am nächsten mit dem wilden KompassLattich (Lactuca serriola) verwandt, mit dem er sich auch kreuzen lässt.
Die ältesten Darstellungen von Salat stammen aus Ägypten der 4. Dynastie
(2680/2580 v. Chr.) auf Reliefs und Gemälden in Grabkammern. Er hat dort
Ähnlichkeit mit dem heute bekannten römischen Salat (= Römersalat oder
Bindesalat).
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722-711 v. Chr. regierte der babylonische König Merodachbaiadan. Aus
dieser Zeit existiert eine Pflanzenliste aus den Gärten des babylonischen Königs.
Diese Liste enthält unter anderen Speisepflanzen auch den Salat.
Der Grieche Theophrastos (371-287 v. Chr.) unterschied drei Salat-Sorten.
Es gab aber noch keine mit Köpfen. Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) berichtet
auch von den drei Salatsorten der alten Griechen: Eine davon soll einen so breiten
Stängel gehabt haben, dass daraus sogar kleine Gartentürchen verfertigt worden
sein sollen. Die zweite Art hatte einen runden Stängel und die dritte saß (an der
Erde) und hieß die laconische. Genauere Landwirte unterschieden noch mehrere
Arten: eine purpurrote, eine krause, die cappadocische, eine griechische mit längern
Blätter und breitem Stängel, ferner eine mit langen und schmalen Blättern wie die
Cichorie und eine schwarze, die wegen des in großer Menge darin enthaltenen
Schlaf erregenden Milchsaftes Meconis genannt wurde. [Meconis kommt von
Meconium, eine alte Bezeichnung für das Schlaf erzeugende Opium, das aus Mohn
gewonnen wird.] Die alten Bewohner Italiens kannten nur die letztere Art und
nannten sie wegen des Milchsafts Lactuca [Lactuca kommt vom lateinischen lactare
= Milch geben]. Davon gab es im alten Italien auch mehrere Varianten und Caius
Plinius Secundus schrieb, dass zu seinen Lebzeiten gerade eine sehr beliebte Art,
welche die cilicische hieß und ein der cappadocischen ähnliches jedoch krauses und
breites Blatt hatte, unter den Gartengewächsen Eingang fand.
Junius Moderatus Columnella, ein römischer Landwirt und Schriftsteller
nennt um 60 n. Chr. mehrere Salat-Sorten, wobei jede ihre besondere Aussaatzeit
habe. So besitzt der cäcilianische braune, fast purpurrote oder auch grüne krause
Blätter und wird im Januar ausgesät. Der cappadocische zeichnet sich durch bleiche,
dicke, kammförmig eingeschnittene Blätter aus und wird im Februar gesät.[Die
Aussaatzeiten beziehen sich hier natürlich auf Italien!]. Eine Sorte aus der Provinz
Bätika ist weiß und stark krausblättrig. Der Zyprische trägt rötlich-weiße, glatte sehr
zarte Blätter.
Die Römer aßen den Lactuca-Salat zunächst als Vorspeise (acetarium), da er
als appetitanregend galt. Kaiser Augustus soll ihn zum Stillen des Durstes genossen
haben. Später wurde er wegen seiner leicht einschläfernden Wirkung an den Schluss
des Males verlegt (Dioskorides, Celsus). Auch damals erfolgten die Zubereitungen
wie heute mit Essig und Olivenöl.
Seit über 1300 Jahren wird in China der Spargelsalat angebaut. Er wurde
erstmalig im Jahre 650 schriftlich erwähnt. Neben den Blättern wird hier auch der
dicke Stängel geerntet, der gedünstet tatsächlich wie Spargel schmeckt. Bei den
Chinesen wurde der Salat auch medizinisch verwendet. Er fand Anwendung bei
Miktionsstörungen und bei zu geringem Milchfluss der Mutter nach der Geburt.
Im Entwurf zu dem Garten des Benediktinerklosters von St. Gallen aus dem
Jahr 820 wird auch Salat aufgeführt.
Eine Miniatur aus dem 14. Jahrhundert zeigt den Salat noch in recht lockeren
Köpfen. Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen ist großer, zur Zitronenfarbe neigender.
Nutzen: er hilft gegen Schlaflosigkeit und Samenfluss.
Schaden: mindert die geschlechtliche Potenz und die Sehkraft.
Verhütung des Schadens: durch Mischen mit Sellerie.“
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Leonhart Fuchs (1543) zeigt zwei Kulturformen des Salats im Bild als
blühende Pflanzen: Den Krausen breiten Lattich (Lactuca sativa crispa &
rotunda) und den Grossen oder weißen Lattich (Lactuca capitata). Er beschrieb
aber drei Formen: „1. Der krause Lattich ist der schönste, hat krause gefaltete,
runzelige, zerkerfte Blätter, anzusehen wie ein Kalbsgekröse. 2. Der Breite Lattich
hat runde, breitere Blätter, ist sonst aller Gestalt nach dem krausen gleich. 3. Der
Große Lattich gewindt grosse breyte bletter, thüt sich gegen dem hertzen zusammen
wie kleine weiße Kohlköpfe.“ Die dritte Form ist die in Deutschland älteste
Beschreibung eines Kopfsalats.
Bei Camerarius (1586, gedruckt 1626) findet sich dann die älteste Abbildung
eines Kopfsalats.
Langethal (1845) unterschied drei Formen des Salats (Lactuca sativa): a)
den Schnittsalat, mit tief eingeschnittenen, mehr oder weniger krausen, grün oder rot
gefärbten Blätter, b) den Bindesalat mit ganzrandigen, langen, in einer
halbgeschlossenen Rosette aufrecht stehenden grünen oder roten Blättern (=
Römersalat), und c) den Kopfsalat, mit breiten, blasigen, in einer dichten Rosette
beisammen stehenden Blättern, die sich später zu einem Kopfe vereinigen.
Nur 21 Jahre später beschreibt Friedrich Alefeld (1866) bereits 65 Sorten.
Diese Sorten beruhen auf den Beschreibungen des französischen Lattich-Kenners
Noisette. Unter diesen Sorten befindet sich bereits der Eichen-Schnittsalat mit
rotgefleckten bzw. dunkelroten Blättern. Der Bindesalat (Römischer Salat) wird mit
neun Sorten aufgeführt. Es gab 44 Sorten Kopfsalat, sogar zweifarbige, rotfleckige,
gelbe und grüne. Es gab Kopfsalat für Frühjahr und Herbst, für den Sommer und für
Überwinterung.
Medizinische Anwendung des Salates im Abendland:
Nach Ibn Botlan (11. Jahrhundert) hilft Salat gegen Schlaflosigkeit und
Samenfluss. Er mindert die geschlechtliche Potenz, was allerdings durch Vermischen
mit Sellerie verhindert werden kann. Den Mönchen wurde er deshalb als
Antiaphrodisiakum empfohlen.
Die hl. Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) empfiehlt, den Salat mit Dill,
Essig oder etwas anderem zu beizen, wenn man ihn essen will. So zubereitet stärkt
der Salat das Gehirn und macht eine gute Verdauung. Wenn jemand an Schmerz
oder Schwellung des Zahnfleischs leidet, nehme er Lattich, zerreibe ihn mäßig, füge
Wein hinzu und lege es eine Zeitlang in seinen Mund. Das vertreibt die unrechten
Säfte im Zahnfleisch.
Nach Hieronymus Bock (1577) ist Lattich ein besonders gutes Kraut für alte
Leute, denn er erhält die gute Feuchtigkeit bei ihnen. Deshalb hatte ohne Zweifel
Galenus da er alt war, stets Lattich mit Wurtz genossen, sagt Antonius Gaizo. Wer
nicht Wurtz hat, mag den Lattich mit Minzen und Petersilienkraut essen, schreibt
Constantinus. [Was mit Wurtz gemeint ist, wird allerdings nicht verraten. Aber wir
haben ja die gute Petersilie! Und vergesst nicht den Sellerie!] Alle hitzigen Übel des
Haupts, der Leber und des Magens mögen mit Lattichkräutern gedämpft werden,
wenn sie grün aufgelegt oder mit dem Saft Umschläge gemacht werden. Den Saft
von Lattich auf die Stirn gestrichen wirkt einschläfernd, ist gut bei hitzigem Fieber und
mildert Kopfschmerzen. Lattich mit Agrest gesotten und gegurgelt, ist gut bei
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Halsschmerzen. [Agrest bzw. Verjus ist ein aus unreifen Weintrauben gepresster
Saft. Er war im Mittelalter in ganz Europa verbreitet, bevor die Kreuzfahrer die
Zitronen brachten.]
Nebenwirkungen: Der Salat enthält ein schwaches Allergen, das zu
Kontaktdermatitis führen kann, die bei Kaltmamsellen öfters vorkommt. Verfüttert
man Salat an Meerschweinchen und versucht sie anschließend zu sensibilisieren, so
schlägt dies fehl. Sensibilisiert man aber Meerschweinchen bevor sie mit Salat
gefüttert wurden, so ist eine Sensibilisierung durchaus zu erzielen. Das Essen von
Salat schützt also vor der Kontaktallergie mit Salat.
3. Mangold, rote Rüben (Beta vulgaris)
Reste von Beta wurden in der jungsteinzeitlichen Küstensiedlung in
Aartswoud in Nordholland (2000 v. Chr.) gefunden. Vermutlich waren es Blätter der
wilden Meeresstrands-Rübe (Beta vulgaris ssp. maritima), die gegessen wurden,
denn für diese Zeit gibt es keine Hinweise für den Anbau von Gemüsepflanzen im
nördlichen Mitteleurpa.
Den ersten schriftlichen Hinweis auf Beta lieferte der babylonische König
Merodachbaiadan (722-711 v. Chr.) Aus dieser Zeit existiert eine Pflanzenliste von
den Gärten des babylonischen Königs, die auch silqa, eine Mangold-/Rübenform
mit essbarer Wurzel beschreibt. Vermutlich wurde sie aus Sizilien nach Babylon
eingeführt, denn silqa ist kein babylonisches Wort und ähnelt sehr dem sicula für die
sizilianische Bezeichnung von Beta.
Die Beta-Rübe galt im alten Athen als alltägliche Marktware, von der man
sowohl die Blätter als auch die Wurzeln verzehrte. Man hatte damals bereits im 4.
Jahrhundert vor Chr. eine weiße und eine rote Form der Beta-Rübe.
Der griechische Arzt Endemos (etwa 300 v. Chr.) erwähnte nicht lange
danach vier Sorten Beta: die weiße Rübe, die rote Rübe, die die gewöhnliche ist, die
mit dem Stängel (Stielmangold) und die, deren Blätter gepflückt werden
(Blattmangold).
Bei den Römern war Mangold nicht so beliebt. Die römischen Ärzte meinten,
er sei schädlicher als Kohl. Zu Zeiten von Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) galt
es in den gehobenen Kreisen Roms für bedenklich, ihn zu kosten. Und man glaubte,
dass er sich nur für kräftige Personen eignen möchte.
Die ältesten Funde von Mangold- oder rote Rüben-Samen in Deutschland
stammen aus dem römischen Militärlager Novaesium in Neuß am Rhein und aus der
römischen Zivilsiedlung des Militärlagers Butzbach im Rhein-Main-Gebiet.
Im Capitulare Karls d. Großen und im Entwurf zu dem Garten des
Benediktinerklosters von St. Gallen aus dem Jahr 820 werden auch betas (rote
Rüben oder Mangold) aufgeführt.
Vom 16. Jahrhundert an war der Mangold für Blatt-/Rippennutzung sehr
gebräuchlich. Es gab eine dunkelgrüne und eine gelbblättrige Sorte. Die roten
Rüben gab es seltener. Sie besaßen eine längliche Rübe und dienten als
Salatrüben.
Die ersten Abbildungen finden wir bei Otto Brunfels (1532), Leonhard Fuchs
(1543) und Hieronymus Bock (1577).
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Heute gibt es bei uns vier Beta-Varianten: den Blatt- und Stielmangold, die
roten Rüben, die Runkelrübe und die Zuckerrübe.
Die ersten Runkelrüben gab es bereits vor 1561 am Rhein. Sie wurde
wahrscheinlich aus einer gelben beta-Variante aus Italien gezüchtet.
Die Zuckerrübe wurde aus einer weißen Runkelrübe in Oberschlesien durch
züchterische Auslese in den Jahren 1838 bis 1908 entwickelt. Der
Hugenottennachfahre und Berliner Akademiedirektor Professor Franz Carl Achard
begann bereits 1786 in Oberschlesien mit den Versuchen zur
Rübenzuckererzeugung.
Über die Verträglichkeit des Mangolds gibt es widersprüchliche Angaben in
der alten Literatur. Vermutlich verträgt ihn der eine gut, der andere dagegen schlecht.
Dr. Peter D’Adamo beschreibt Mangold als sehr bekömmlich für Träger der
Blutgruppe 0 und A; für Blutgruppe B und AB ist er neutral – danach sollte Mangold
also recht bekömmlich sein.
4. Der Sellerie (Apium graveolens)
Etwa 1500 v. Chr. findet der Sellerie als Heillpflanze Erwähnung im Papyrus
Ebers aus Ägypten. Dieser Papyrus ist die älteste schriftliche Überlieferung.
Um 1000 v. Chr. gibt es einen weiteren Beleg auf den Sellerie. Er stammt
ebenfalls aus Ägypten: Mit einer Girlande aus den Blättern und Blüten des Sellerie,
zusammen mit blauen Lotusblüten war die Mumie des Kent geschmückt. [Gisela
Graichen, Heilwissen versunkener Kulturen, Econ-Verlag, Seite 36]
Sellerie wird von Theophrastos (371-287 v. Chr.) als Nutzpflanze erwähnt.
Dioskorides, (60 n. Chr.) erwähnt den Sellerie als Arzneipflanze und
Gemüsepflanze.
Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) schrieb, dass Selleriekraut in reichlicher
Menge in die Suppen kam. Der Sellerie nahm bei den Römern als Gewürz einen
besonderen Stellenwert ein. Er war auch Bestandteil zahlreicher Heilmittel.
Die ältesten Sellerievorkommen in Deutschland datieren aus der Römerzeit
in Ellingen bei Weißenburg/Bayern, Welzheim/Rems-Murr-Kreis, Köngen am Neckar,
Butzbach/Rhein-Main Gebiet und Neuss als auch Xanten am Rhein.
Die Chinesen erwähnten den Sellerie zum ersten Mal schriftlich in der späten
Hanzeit, also 25 bis 220 n. Chr. Die Chinesen kannten nur den Stangensellerie, der
bei ihnen bis heute gerne in der Küche Verwendung findet. Er wird entweder roh
oder mit anderen Gemüsen angebraten oder gedünstet verwendet. In China wird
dieser Stangensellerie auch medizinisch bei Schwindel, Kopfschmerzen,
Miktionsstörungen, Übelkeit und Erbrechen, vermindertem Appetit und bei
vorzeitigem Einsetzen der Regelblutungen verwendet.
Im Capitulare Kars d. Großen und im Entwurf zu dem Garten des
Benediktinerklosters von St. Gallen aus dem Jahr 820 wird auch Sellerie
aufgeführt.
Die hl. Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) schreibt, dass Sellerie
gekocht recht gesund sei. Mit Selleriesamen und anderen Ingredienzien bereitet sie
das „beste Mittel gegen die Gicht“.
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Eine Miniatur aus dem Mittelalter (14. Jahrhundert) zeigt die Ernte von
Stangensellerie. Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen ist der im eigenen Garten gezogene.
Nutzen: Er löst Verstopfungen im Körper. Man reiche ihn mit Lattich (Salat Lactuca),
um Kopfschmerzen zu vermeiden.
Als Zutat verleiht er angenehmen Geschmack. Er wird für alte Menschen und kalte
Konstitutionen empfohlen.“
Eine der ersten Abbildungen aus dem 16. Jahrhundert stammt von Leonhard
Fuchs (1543). Diese Abbildung zeigt, dass züchterisch am Sellerie bis ins 16.
Jahrhundert noch nicht viel passiert war.
Erst im 17. Jahrhundert wurden Bleich- und Knollensellerie in Italien
herangezüchtet. Von dort kamen sie dann zu uns. Heute gibt es bei uns
Knollensellerie, Stangen- bzw. Bleichsellerie und Schnittsellerie.
5. Die Gartenmelde (Atriplex hortensis)
Die Gartenmelde erwähnte Theophrastos (371-287 v. Chr.). Sie stammt
wahrscheinlich aus dem mittleren Asien.
Dioskorides (60 n. Chr.) schreibt, dass sie ein bekanntes Gemüse sei. Sie
diene gekocht zum Essen und hätte auch einige Heilkraft.
Der erste Fund der Gartenmelde in Deutschland war im römischen Ostkastell
von Welzheim (Südwestdeutschland). Sie wurde zweifellos von den Römern
eingeführt.
Im Capitulare Karls d. Gr. taucht die Gartenmelde unter der Bezeichnung
adripias auf.
Die hl Hildegard von Bingen führt attriplex oder melda auf. Sie glaubt, dass
die Gartenmelde eine gute Verdauung bewirkt. Die in Wasser gekochte Melde,
ausgepresst und warm auf Skrofeln gelegt, verspricht Besserung. [Als Skrofeln
wurde im Mittelalter ein umfangreicheres Krankheitsbild bezeichnet, das
verschiedene Hals- und Gesichtskrankheiten umfasste, die vor allem bei Kindern,
aber auch bei Erwachsenen auftraten.]
Eine der ersten Abbildung der Gartenmelde findet sich bei Leonhard Fuchs
(1543)
Hieronymus Bock (1577) schreibt, dass es drei Gartenmelden gibt: rote,
weiß-grüne und schwarz-grüne. „Alle drei Arten werden von den Weibern in den
Gärten im Frühling zum ersten gepflanzt.“
Die Gartenmelde wurde später vom Spinat völlig aus den Gärten verdrängt.
Und das eigentlich zu Unrecht, denn Spinat erntet man bei uns im Herbst und im
Frühjahr, während die Gartenmelde im Sommer geerntet werden kann.
Medizinische Verwendung:
Das Kraut wirkt harntreibend, die Samen dagegen purgierend und emetisch.
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Verwandt mit der Gartenmelde ist der Baumspinat (Chenopodium
giganteum). Der Baumspinat stammt ursprünglich aus Indien und ist heute in allen
gemäßigten Gebieten anzutreffen. Es wird vermutet, dass die Pflanze mit anderen
Handelsgütern wie Baumwolle nach Europa kam. Die Blätter der Pflanze werden wie
Spinat verwendet. Sie schmecken auch wie Spinat! Die Pflanzen können entweder in
einer Höhe von 20 bis 30 cm als Ganzes geerntet oder als Pflückspinat nach und
nach entblättert werden. Die Pflanzen werden etwa zwei Meter hoch und samen sich
selbst aus.
6. Spargel (Asparagus officinalis)
Im klassischen Altertum war die Kultur des Spargels sowohl in Griechenland
als auch in Rom wohlbekannt.
Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) spottete ein wenig über die extreme
Sorgfalt, die auf die Spargelzucht gelegt wurde: „Die Natur gab uns wilden Spargel,
damit sich ein jeder davon ausstechen könne; doch siehe, jetzt hat man gemästeten
Spargel.“ Er meint damit wohl, gut gedüngten.
In Deutschland wird der Spargel das erste Mal von Albertus Magnus (12001280) als sparagus erwähnt.
Am besten schmecken vom Spargel die zarten Köpfchen. Die sind aber laut
Ragnar Berg für eine Basendiät nicht geeignet – die Stängel dagegen schon
[Ragnar Berg, Die Nahrungs- und Genussmittel, Verlag Emil Pahl, Dresden 1925,
Seite 8]
Zwei Miniaturen aus dem Mittelalter (14. Jahrhundert) zeigen die Ernte von
Grünspargel. Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen sind die Spargelstangen, deren Köpfe sich zur Erde neigen.
Nutzen: Der Spargel öffnet die Verstopfungen, die den regelmäßigen Fluss der
Körpersäfte behindern, und verstärkt das Streben nach Liebesgenuss.
Schaden: Er schadet den Darmzotten
Verhütung des Schadens: Kochen in Wasser mit Salz und Essig.
Was es erzeugt: Er ist eine nahrhafte Speise und geeignet für die Alten.“
Reifen Grünspargel mit einem blühenden und einem fruchtenden Trieb,
Entwicklungsstadien, die in der Natur nicht gleichzeitig vorkommen, aquarellierte
Georg Oelinger (1553)
Tabernaemontanus (1664) und andere Autoren des 16. Und 17.
Jahrhunderts zeigen vor allem Bilder des fruchtenden Spargels.
7. Endiviensalat (Cichorium endivia)
Der Endiviensalat leitet sich von der wilden Endivie ab, die im ganzen
Mittelmeergebiet als Wildpflanze verbreitet ist. Vermutlich wurde sie in Italien zuerst
kultiviert. So beschreibt der Römer Caius Plinius Secundus 60 n. Chr. die
Cichorium Endivia: „Sie verträgt den Winter besser als der Salat Lactuca sativa“.
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Die Kultur des Endiviensalats wurde in Frankreich besonders gepflegt. Von Burgund
aus wurde er nach Deutschland gebracht.
Im Capitulare de villis Karls d. Großen (800 n. Chr.) findet man auch eine
schriftliche Erwähnung der Endivie (intubas).
Leonhard Fuchs (1543) zeigt eine Abbildung der blühenden Endivie.
Bei Camerarius (1586) finden sich die zwei Grundformen des
Endiviensalats, eine ganzrandige und eine geschlitztblättrige im essbaren
Rosettenstadium.
Tabernaemontanus (1664) unterscheidet drei Endivien: Die große Endivie mit
breiten Blättern, die kleine Endivie mit schmalen Blättern und die krause Endivie.
Die breitblättrigen Formen werden in Frankreich und Italien vor allem gekocht
als Gemüse verwendet. Die schmalblättrigen und krausen Sorten dienen als frische
Salate im Herbst und in den Wintermonaten. Der Endiviensalat hat einen leicht
bitteren Geschmack.
Medizinische Anwendung:
Ein Tee aus den frischen oder getrockneten Blättern wird bei jeder Art von
Gallenleiden empfohlen.
Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) beschreibt die Anwendung des
Endiviensalats bei Leber- und Blasenleiden. Auch kann man ihn bei tränenden
Augen auflegen.
Tabernaemontanus (1664) hält den Endiviensalat wohl als Universalmittel:
„Er sei hilfreich bei allen hitzigen Krankheiten.“
8. Zichoriensalat (Cichorium intybus)
Der Römer Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) erwähnt Cichorium Intybus, die
Wegwarte.
Eine Gartenform der Wegwarte (Zichoriensalat) wurde von Camerarius
(1586) abgebildet: Die „Gartenwegwart“ wird der „Feldwegwart“ gegenübergestellt.
Auch Tabernaemontanus (1664) berichtet über die „Zahme Wegwarten
Cichorii sativi“, dessen Blätter weniger tief gespalten seien und zur Speise lieblicher
als bei der wilden Wegwarte. Sie spielt aber im Vergleich zum Endiviensalat im 16.18. Jahrhundert keine große Rolle.
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Wurzel kultiviert (Wurzelzichorie)
und in geröstetem Zustand als Kaffee-Getränk verwendet.
Um 1830 ist der Chicorée im Gebiet von Brüssel als „Brüsseler Witloof“
aufgekommen. Der Chicorée wurde aus der Wurzelzichorie entwickelt. Er wird im
Winter aus der Wurzel getrieben und dient als gesunder, etwas bitterer Salat.
Zunächst wurden die Wurzeln mit Erde zum Treiben abgedeckt. Später gab es
Züchtungen (z.B. Tardivo), die das nicht mehr nötig haben.
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Die weitere Züchtung der Zichoriensalate lag wohl in Italien. Erst 1960 wurde
der Zuckerhut und 1990 der Radicchio in Deutschland angebaut. Sie vertragen
leichte Fröste besser als der normale Kopfsalat.
Medizinische Anwendung:
Caius Plinius Secundus (60 n. Chr.) meint, dass die Cichorie vorteilhaft für
Leber, Nieren und Magen sei. Blasenleiden und Schmerzen beim Urinieren können
mit Cichorie behoben werden.
Tabernaemontanus (1664) empfiehlt sie, wie schon den Endiviensalat, bei
allen hitzigen Erkrankungen.
9. Fenchel (Foeniculum vulgare)
Der Fenchel wurde früher, z.B. bei den Römern, wie Caius Plinius Secundus
(60 n. Chr.) berichtet, als Arznei verwendet. Der Saft des Krautes galt als gut für die
trüben Augen.
Bei den Chinesen wurde um das Jahr 650 der Fenchel als Gemüse
beschrieben. Man verwendete damals das Fenchelkraut, da der Knollenfenchel
noch nicht gezüchtet war. Nach den Chinesen regulierte der Fenchel das Qi, die
Grundlage der aktiven Energie.
Die erste Erwähnung des Fenchels aus Deutschland stammt aus dem 9.
Jahrhundert: Walafrid Strabo, Abt des Klosters Reichenau am Bodensee, empfahl
Fenchel mit Wein und Ziegenmilch zu trinken um Blähungen zu lösen, träge
Verdauung zu verbessern und Husten zu lindern.
Die Heilige Hildegard von Bingen (12. Jahrhundert) spricht wie folgt über
den Fenchel: „Und wie er auch immer gegessen wird, macht er den Menschen
fröhlich und vermittelt ihm angenehme Wärme und guten Schweiß, und er verursacht
gute Verdauung. Wer Fenchel oder seinen Samen nüchtern isst, der vermindert den
üblen Schleim oder die Fäulnisse in ihm und er unterdrückt den üblen Geruch seines
Atems und der bringt seine Augen zu klarem Sehen. Sogar ein Mensch, den die
Melancholie plagt, der zerstoße Fenchel zu Saft, und er salbe oft Stirn, Schläfen,
Brust und Magen, und die Melancholie in ihm wird weichen. Aber wenn jemand
gebratenes Fleisch oder gebratene Fische oder etwas anderes Gebratenes
gegessen hat und davon Schmerzen leidet, dann esse er alsdann Fenchel oder
seinen Samen und es wird weniger schmerzen.“
In einer mittelalterlichen Miniatur aus dem 14. Jahrhundert und ist von einer
Knolle noch nichts zu sehen. Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen ist jener, der aus dem Hausgarten kommt.
Nutzen: er ist gut für die Sehkraft und bei langanhaltendem Fieber.
Schaden: er ist schlecht für den Menstruationsfluss.
Verhütung des Schadens: mit Pillen aus Johannisbrot.“
Von Leonhard Fuchs (1543) gibt es einen Holzschnitt vom Fenchel – auch
ohne Knolle.
Tabernaemontanus (1664) beschreibt 13 Seiten lang Fenchel als
Universalmittel: Das geht mit den Augen an, beschreibt die günstige Wirkung für das
Haupt, guten Atem und weiße Zähne, Magen, Leber, Milz, Nieren, Blase,
Gebärmutter, Galle, Lunge Verdauung, bei Hunde- und Weiberbiss,und eheliches
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Werk; gut gegen Ohnmacht, Schwindel, Zittern, Blasensteine, Heiserkeit, Husten,
Herzklopfen, Verstopfung, Wassersucht, Gelbsucht, Winde im Magen und
Gedärmen, Nierenschmerzen, Blasenschmerzen, erschwertes Harnen oder
Inkontinenz, Fieber, Taubheit und Geschwülste. Weiterhin erzeugt Fenchel viel Milch
bei stillenden Frauen und regt den Appetit an.
Der Knollenfenchel wurde vermutlich erst in letzterer Zeit in Italien,
wahrscheinlich in Bologna, kultiviert. In Deutschland scheint er erst in den letzten
Jahrzehnten bekannter geworden zu sein. So wird der Knollen-Fenchel in dem Buch
von Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland, von 1995, noch nicht
erwähnt.
10.
Spinat (Spinacia oleracea)
Albertus Magnus (1200-1280) nennt in seinem Buch „De natura rerum“ als
erster den Spinat als spinachia. Er schreibt, als Gemüse übertreffe der Spinat die
Melde.
Leonhart Fuchs schreibt „Spinat oder Spinet würde auch Bynetsch genennt, auf
Arabisch Hispanach, vielleicht darum, dass es aus Hispania erstlich in andere
Nationen ist gebracht worden.“
Tatsächlich kommt der Spinat jedoch aus Persien, Südturkestan oder Nepal.
Die Araber brachten ihn in die von ihnen seit dem 8. Jahrhundert eroberten Teile
Spaniens.
Eine Miniatur aus dem Mittelalter (14. Jahrhundert) zeigt wie man Spinat
elegant nach Hause bringt. Dazu die Anweisung:
„Vorzuziehen wenn er noch regenfeucht ist.
Nutzen: er ist gut gegen Husten und für die Brust.
Schaden: er stört die Verdauung.
Verhütung des Schadens: in Salzwasser gekocht oder mit Essig und aromatischen
Stoffen
zubereitet.
Was er erzeugt: mäßige Nährstoffe. Zuträglich für Menschen mit warmer
Komplexion, für
Jungendliche, zu allen Jahreszeiten und allen Gegenden.“
Eine der ersten Abbildungen von Spinat aus dem 16. Jahrhundert stammt von
Leonhard Fuchs (1543).
Aus den alten Abbildungen geht hervor, dass unser heutiger Spinat breitere
und weniger gezähnte Blätter hat. Der Spinat mit den spieß- und pfeilförmigen
Blättern ist heute nicht mehr im Gebrauch.
11.
Feldsalat (Valerianella locusta)
Der Feld- oder Ackersalat wuchs früher als „Unkraut“ an Feldrändern und in
Weinbergen und wurde von den Bauern im Winter und im Frühjahr bis Ende April als
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willkommene Abwechslung für die Küche gesammelt. Man bereitete daraus mit
Olivenöl und Essig einen wohlschmeckenden, den Appetit anregenden Salat.
Tabernaemontanus (1664) nennt den Feldsalat „Lämmerlattich“ und bestätigt
ihm einen „guten anmutigen Geschmack“. Eine Abbildung zeigt ein blühendes
Exemplar. In der Medizin wurde der Feldsalat damals nicht verwendet.
Wahrscheinlich erst ab 1700 wurde der Feldsalat in Gärten angebaut. Er stammt aus
Mitteleuropa. 1866 gab es erst zwei Gartensorten.
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Literatur:
Udelgard Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland, Nikol Verlagsgesellschaft
mbH&Co.KG., Hamburg, 1995.
Die Naturgeschichte des Caius Plinius Secundus, herausgegeben von Lenelotte
Möller und Manuel Vogel, marix Verlag GmbH, Wiesbaden, 2007.
Ute Engelhardt und Carl-Hermann Hempen, Chinesische Diätetik, Verlag Urban &
Fischer, München, Jena, 2. Auflage, 2002.
Tacuinum Sanitatis, Das Buch der Gesundheit, herausgegeben von Luisa Cogliati
Arano, Heimeran Verlag, München 1976.
Von der gesunden Lebensweise, nach dem alten Hausbuch der Familie Cerruti, BLV
Verlagsgesellschaft München Wien Zürich, 1985.
Jean Carper, Nahrung ist die beste Medizin, ECON Verlag, Düsseldorf Wien New
York, 4. Auflage, 1993.
Hl. Hildegard, Heilkraft der Natur „Physica“, herausgegeben von der Basler
Hildegard-Gesellschaft, Basel, Pattloch Verlag, 1991.
D. Iacobi Theodori Tabernaemontani, New vollkommen Kräuter-Buch, Gedruckt zu
Basel / durch Jacob Werenfels / in Verlegung Johann Königs / M.DC.LXIV. Reprint
von Conrad Behre, Hamburg.
Leonhard Fuchs, New Kreüterbuch, Gedruckt zu Basel durch Michael Isingrin, 1543.
Hieronymus Bock, Kreüterbuch, Gedruckt zu Straßburg durch Josiam Rihel, 1577.
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