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LABORINFORMATION
März 2013
Genetische Diagnostik bei Infertilität
Bei etwa 15 Prozent der kinderlosen Paare in
Deutschland besteht ein unerfüllter Kinderwunsch.
Dessen Ursachen sind vielfältig und nicht selten
sind genetische Faktoren hierfür verantwortlich. Die
Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin können
vielen Paaren ihren Kinderwunsch erfüllen. Vorab
oder aber zu Beginn der Fruchtbarkeitsbehandlung
sollte eine humangenetische Abklärung empfohlen
werden, um Chromosomenaberrationen oder
Gendefekte
als
Ursache
der
Infertilität
diagnostizieren zu können. Genetisch bedingte
Faktoren der Infertilität finden sich bei etwa drei bis
fünf
Prozent
der
Paare
aus
der
Kinderwunschsprechstunde. Die Diagnostik ist
dabei nicht nur für die Patienten selber zur
Abklärung möglicher Ursachen der Infertilität
wichtig, sondern auch im Hinblick auf eventuell
bestehende
Risikoerhöhungen
für
Chromosomenfehler und genetisch bedingte
Erkrankungen bei Nachkommen.
Dementsprechend fordert die Richtlinie der
Bundesärztekammer (2006) zur assistierten
Reproduktion unter anderem eine genetische
Beratung bei Fertilitätsstörungen und bei habituellen
Fehl- und Totgeburten.
Bisher sind mehrere hundert Genmutationen
bekannt, die zu reproduktiven Problemen führen,
darunter zahlreiche Syndrome. Die genetische
Diagnostik unklarer Fertilitätsstörungen umfasst
daher eine oder mehrere der folgenden
Untersuchungen:
Chromosomenanalyse,
gegebenenfalls molekularzytogenetische (FISH)
und molekulargenetische Diagnostik.
Genetische Diagnostik bei Mann:
Chromosomenanomalien:
Da
bei
infertilen
Paaren
vermehrt
Chromosomenanomalien beobachtet werden, sollte
zur weiteren Abklärung in der Regel zunächst eine
Chromosomenanalyse bei beiden Partnern
erfolgen.
Als auffällige Chromosomenbefunde werden beim
Mann in Abhängigkeit vom Spermiogrammbefund
gefunden:
Bei Azoospermie: 13,1 % chromosomale
Aberrationen, davon mit ca. 93% überwiegend
gonosomale Aberrationen, vor allem 47, XXY
A-Li-Kinderwunsch 2012 .doc
Dr. Niemann-Seyde
(Klinefelter-Syndrom),
auch Mosaikbefunde,
seltener andere Chromosomenaberrationen
Oligozoospermie
4,3
%
chromosomale
Aberrationen, vorwiegend die autosomalen
Chromosomen betreffend, häufig
RobertsonTranslokationen, zum Beispiel t(13;14), seltener
reziproke Translokationen, etc.
Nach TESE (testikulärer Spermienextraktion) und
ICSI (intrazytoplasmatischer Spermieninjektion)
konnten
einige
Schwangerschaften
bei
Partnerinnen von Männern mit Klinefelter-Syndrom
erzielt werden, insbesondere wenn die
Diagnosestellung früh erfolgte und eine
Spermatogenese noch sporadisch erhalten blieb.
Das Vorliegen von Mosaikbefunden kann zudem die
reproduktiven Chancen erhöhen. Es besteht ein
leicht erhöhtes Risiko für Kinder mit gonosomalen
Aberrationen.
Die
Vererbungsmuster
von
RobertsonTranslokationen sind komplex und abhängig von
den beteiligten Chromosomen und dem Geschlecht
des Trägers. Im Gegensatz zu Frauen liegt zum
Beispiel bei Männern mit einer RobertsonTranslokation (13;14) das Risiko für Nachkommen
mit einer unbalancierten Translokation bei unter
einem Prozent, da die Produktion abnormer
Spermatozoen selektionsbedingt gering ist.
Bei Trägern von reziproken Translokationen
variiert die Wahrscheinlichkeit für Nachkommen mit
aberrantem Chromosomensatz zwischen 0-50% in
Abhängigkeit von den beteiligten Chromosomen
und der Größe der Rearrangements.
Indikation:
Infertilität unklarer Genese
Material:
5 ml unzentrifugiertes Heparinblut
Methode:
Karyotypisierung nach Kurzzeitkultivierung
Gendiagnostik:
Mikrodeletionen im Azoospermiefaktor (AZF)
Ca. 4-14% der Patienten mit einer nichtobstruktiven Oligozoospermie und ca. 11-18% der
Patienten mit einer Azoospermie weisen
mikroskopisch nicht erfassbare Mikrodeletionen in
einer für die Spermatogenese essentiellen Region
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auf dem langen Arm des Y-Chromosoms (Yq11)
auf. Diese wird in 3 Bereiche AZFa, AZFb und AZFc
unterteilt:
Während der
AZFa-Locus bereits in der
Embryogenese und Kindheit für die Bereitstellung
und Differenzierung von Spermatogonien von
Bedeutung ist, spielen die AZFb- und AZFc-Loci bei
der Spermienreifung eine Rolle. Somit führen
Deletion von AZFa im Allgemeinen zum Fehlen von
Keimzellen (Sertoli-cell-only-Syndrom, SCOS) ohne
die Möglichkeit zur testikulären Spermienextraktion
(TESE). Bei Deletionen der AZFb Region ist die
Chance für das Auffinden von Spermien sehr
gering, während die am häufigsten vorkommenden
AZFc Mikrodeletion mit einem sehr variablen
Phänotyp von Azoo- bis Oligozoospermie die größte
Chance für eine erfolgreiche assistierte
Reproduktion zeigen.
Zu beachten ist, dass bei männlichen Nachkommen
wiederum Fertilitätsprobleme zu erwarten sind.
Indikation:
Infertile Männer mit nicht obstruktiver, idiopathischer
Azoospermie,
hochgradiger
Oligozoospermie
Material:
1-2 ml EDTA-Blut
Methode:
DNA-Isolierung mit anschließender Amplifikation
von 6 „sequence-tagged sites“ (STS) aus den
Regionen AZFa, AZFb und AZFc des YChromosoms. Nachweis der Deletion mittels
Gelelektrophorese.
Mutationen im Gen für Cystische Fibrose (CF)
CFTR-Gen
Die CF ist eine der häufigsten autosomal-rezessiv
vererbten monogenen Erkrankungen in der
kaukasischen Bevölkerung (Heterozygotenfrequenz
1:25). Über 1.600 Mutationen des CFTR (Cystic
Fibrosis Transmembrane Regulator)-Gens wurden
bislang beschrieben, wobei bestimmte Mutationen
zu einer meist bilateralen Vas-deferens Aplasie
(congenital bilateral aplasia of the vas deferens =
CBAVD) mit oder ohne Manifestation einer CF
führen können. So findet man bei ca. 65% der
Patienten mit CBAVD Mutationen im CFTR-Gen.
Dabei liegt allerdings meist ein anderes
Mutationsspektrum vor, als bei der CF. Während bei
den CF-Patienten die „schweren“ Mutationen
dominieren, tritt bei dem größten Teil der CBAVDPatienten eine Compound-Heterozygotie für eine
„schwere“ und eine „milde“ CFTR-Gen-Mutation auf,
seltener wird eine Homozygotie für „milde“
Mutationen gefunden. Häufig sind CompoundHeterozygotie für R117H / ΔF508 oder für das 5TAllel in Kombination mit einer „schweren Mutation“.
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Dr. Niemann-Seyde
Auch der Nachweis von nur einer, heterozygot
vorliegenden Mutation ist möglich.
Indikation:
CF,
Männer
mit
CBAVD,
hochgradige
Oligozoospermie, Azoospermie
Material:
1-2 ml EDTA-Blut
Methode:
Oligonucleotide
Ligation
Assay,
Kapillarelektrophorese zum Nachweis der 33 in der
kaukasischen Bevölkerung häufigsten Mutationen
innerhalb des CFTR-Gens.
Empfehlung:
Partnerinnen von Patienten mit CBAVD und
nachgewiesener Mutation im CFTR-Gen sollten
aufgrund der hohen Heterozygotenfrequenz
(Häufigkeit der Anlageträgerschaft in der
Bevölkerung von 1:25) ebenfalls auf Mutationen im
CFTR-Gen getestet werden.
Genetische Diagnostik bei der Frau:
Chromosomenanalyse
Chromosomenstörungen bei der Frau finden sich
bei ca. 3,3-9,8 % aller infertilen Paare. Als
häufigste Aberration ist das Ullrich-TurnerSyndrom (45,X) zu nennen. Bis zu 50 % der
Trägerinnen zeigen Mosaikbefunde unter anderem
mit strukturellen Aberrationen des X Chromosoms
(39%),
dem
Y-Chromosom
(6%) oder
numerischen Aberrationen (7%). Bei einigen
Mosaikbefunden (z.B. mos,45X/46,XX) kann es zur
Keimzellbildung kommen. Da das Risiko für eine
prämature Ovarialinsuffizienz (POI) bei Betroffenen
erhöht ist, sollte eine rechtzeitige Realisierung eines
Kinderwunsches
empfohlen
werden,
beziehungsweise die Abklärung der ovariellen
Reserve und gegebenenfalls Asservierung von
Eizellen. Im Fall eines Mosaiks mit Anteilen des YChromosoms
(SRY)
ist
ein
erhöhtes
Gonadoblastom-Risiko zu berücksichtigen.
Bei Frauen mit 47,XXX-Karyotyps (Inzidenz etwa
1:1000) ist die Fertilität in jungen Jahren gegeben,
doch liegt ein erhöhtes Risiko für eine POI vor.
Bei infertilen/subfertilen Frauen werden auch
vermehrt strukturelle Chromosomenaberrationen
gefunden, allerdings seltener als bei infertilen
Männern. Betreffen sie das X-Chromosom, können
sie ein erhöhtes Risiko für eine POI bedingen.
Das Risiko für chromosomal kranke Kinder bei
elterlichen
strukturellen
Chromosomenveränderungen muss je nach Art der
Chromosomenaberration beurteilt werden. Bei
gonosomalen numerischen Aberrationen liegt in der
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Regel
kein
Durchschnittsbevölkerung
Wiederholungsrisiko vor.
gegenüber
der
erhöhtes
Indikation:
Infertilität unklarer Genese
Material:
5 ml unzentrifugiertes Heparinblut
Methode:
Karyotypisierung nach Kurzzeitkultivierung
Gendiagnostik:
FMR1 (Fragile X mental Retardation 1)-Gen
Als Ursache für einen frühen Eintritt der Menopause
vor dem 40. Lebensjahr findet sich bei ca. 10-15%
der betroffenen Frauen eine Verlängerung eines
Triplettrepeats im FMR1-Gen im Sinn einer
Prämutation. In der Eizellreifung kann es zur
weiteren Verlängerung des CGG-Triplettrepeats in
den Bereich der Vollmutation kommen. Dieses Gen
ist ursächlich für das Fragile-X-Syndrom (FraXSyndrom), der häufigsten monogen bedingten
Ursache einer Entwicklungsverzögerung und
mentalen Retardierung. Aufgrund der Xchromosomalen Vererbung findet sich das Vollbild
der Erkrankung bei betroffenen Jungen und
Männern, seltener bei Mädchen und Frauen.
FMR1-Prämutationsträgerinnen haben ein Risiko
von ca. 20% für eine POI. Außerdem ist das Risiko
für ein „Fragile X Related Tremor/Ataxia Syndrome“
(FXTAS) erhöht. Prämutationsträgerinnen haben
ein erhöhtes Risiko für Nachkommen mit einer
mentalen Retardierung [fra(X)-Syndrom].
Indikation:
Frauen mit Fertilitätsstörungen und erhöhten FSHWerten vor dem 40. Lebensjahr oder
POI/Menopause bei zwei Familienmitgliedern bei
unauffälligem Karyogramm
Material:
10 ml EDTA Blut
Methode:
DNA-Amplifikation (PCR) des variablen Bereichs im
Exon 1 des FMR1-Gens zum Nachweis einer CGGExpansion,
Fragmentlängenanalyse
mittels
Kapillarelektrophorese, gegebenenfalls Southern
Blot nach EcoRI / EagI-Restriktionsverdau
21-Hydroxylasedefizienz (Cyp21A2-Gen)
Beim Adrenogenitalen Syndrom (AGS) handelt es
sich um eine autosomal-rezessiv vererbte
Erkrankung, die überwiegend durch Mutationen im
21-Hydroxylase-Gen (CYP21A2) auf Chromosom
6p21.3 verursacht wird. Klinisch unterscheidet man
das klassische kongenitale AGS von der late-onset
Form (Prävalenz 1:1000), wobei sich Letzteres bei
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erwachsenen Frauen vor allem durch polyzystische
Ovarien, Zyklusstörungen und Oligo-Amenorrhoe,
Hirsutismus und Akne manifestieren kann.
Verursacht wird das late-onset AGS durch
Homozygotie einer "milden" Mutation oder durch
kombinierte Heterozygotie einer "milden" und einer
"schweren" Mutation im 21-Hydroxylase-Gen.
Indikation:
Verdacht auf 21-Hydroxylase-Defizienz (late-onset
Form)
Material:
5 ml EDTA Blut
Methode:
Sequenzierung des CYP21A2-Gens, Multiplex
Ligation-dependent Probe Amplifikation (MLPA)
Empfehlung:
Im Fall einer Homozygotie oder CompoundHeterozygotie sollte unbedingt der Partner
untersucht werden, da die Heterozygotenfrequenz
in Zentraleuropa bei 1:50 liegt. Erhält ein Kind von
beiden Elternteilen eine „schwere“ Mutation, kann
es am kongenitalen AGS erkranken.
Bei
spezifischen
Fertilitätsstörungen
oder
Syndromverdacht können weitere gezielte Analysen
angezeigt sein.
Hinweis:
Ausnahmekennziffer: 32010
Schriftliche Einwilligungserklärung gemäß GenDG
erforderlich
Literatur
Bundesärztekammer:(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der
assistierten Reproduktion – Novelle 2006. Dtsch Arztebl 2006;
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Ludwig M. et al.: Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft
Reproduktionsgenetik der Deutschen Gesellschaft für
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Diagnostik bei Kinderwunschpaaren. J Reproduktionsmed.
Endokrinol, 2004, 1(3): 190-3
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und Fragiles-X assoziiertes Tremor/Ataxie Syndrom. medgen
2009b; 21: 276 –83 (auch unter www.gfhev.de ).
GfH Leitlinie zur Molekulargenetischen Diagnostik der
Cystischen Fibrose.medgen 2009a; 21:268–75 (auch unter
www.gfhev.de ).
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http://www.dggg.de/fileadmin/public_docs/Leitlinien/2-2-2-wsa2010.pdf
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Mau U.A.: Somatic chromosomal abnormalities in infertile men
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Jarzabek K. et al.: Cystic fibrosis as a cause of infertility.
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Cuppens H. et al.: CFTR mutations and polymorphisms in male
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