Handout Kinderpsychiatrie SFU SS15

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Einführung in die
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Sabine Völkl-Kernstock
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Medizinische Universität Wien
Wien, April 2015
Aufgaben der
Kinder- und Jugendpsychiatrie
vorbeugen
erkennen
behandeln
rehabilitieren
begutachten
2
Problemstellungen in der
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Entwicklungsstörungen
Verhaltensstörungen
Psychische Störungen
Psychosoziale Störungen
Psychosomatische Störungen
(neurologische Störungen)
3
Wie kommen Störungen zustande?
Mangelhafter Aufbau des Nervengewebes
Zerstörung/Beschädigung des Nervengewebes
Funktionsverschlechterung des Nervengewebes
Mangelhafte Entwicklung der seelisch-geistigen
Funktionen
Überlastung der seelisch-geistigen Funktionen
4
Wodurch kommen Störungen
zustande?
Genetische Fehlinformationen
Physikalische Einwirkungen (Verletzungen)
Chemische Einwirkungen (Vergiftung)
Biologische Einwirkungen (Krankheitserreger)
Mangelnde Ernährung
Mangelnde Anregung/Förderung
Erlebnisvermittlung (seelische
Überforderung/Traumatisierung)
5
BIO-PSYCHO- SOZIALES MODELL
Prädisponierende Bedingungen: genetische,
biologische und soziale Faktoren
Auslösende (situative) Bedingungen:
biologisch, psychosozial
Aufrechterhaltende Bedingungen:
Funktionalität, kurzfristige und langfristige
Konsequenzen der Symptomatik, real oder
antizipert.
6
Prädisponierende Bedingungen
Genetische Einflüsse
Biologische Einflüsse: Temperament,
Exekutivfunktionen, körperliche Faktoren etc.
Abnorme Psychosoziale Einflüsse: siehe
Achse V der Multiaxialen Klassifikation
(Verbindung zu Bindungsfähigkeit, Selbstwert,
soziale Kompetenz, etc.)
Psychische Störungen
sonstiges
7
Auslösende (situative) Bedingungen
Life events
Traumatisierungen
Entwicklungsschritte und
Entwicklungsaufgaben
Konflikte
……
8
Aufrechterhaltende Bedingungen
Biologisch:
Temperament, Exektuiv-Funktionen, körperliche
Eigenschaften und Merkmale
Sozial:
Abnorme Umgebungsbedingungen,
interpersonelle Absicherung, fehlende soziale
Kompetenz
Psychisch: z.B. Identitätssicherung
9
Interdisziplinarität durch
multiprofessionelles Team
Kinder- u. JugendpsychiaterInnen
PsychologInnen
PsychotherapeutInnen
SozialarbeiterInnen
ErgotherapeutInnen
PhysiotherapeutInnen
LogopädInnen
SozialpädagogInnen
Sonder- und HeilpädagogInnen
10
Kinder- und jugendpsychiatrische
Untersuchung
Anamnese
- Vorstellungsanlass/Aufnahmemodus
- Familienanamnese
- Eigenanamnese
Psychopathologische Befunderhebung
Körperliche Untersuchung
- intern- pädiatrischer Befund
- entwicklungsneurologischer Befund
11
Familienanamnese
Von jedem Verwandten Angaben über:
− Alter
− Krankheiten (Fehlbildungen, chronische Krankheiten, psychische
Auffälligkeiten, psychiatrische Krankheiten, Klinikaufenthalte)
− soziale Stellung und Beruf
Familiäre Situation:
−
−
−
−
sozioökonomische Lage,
Persönlichkeit und Entwicklung der Eltern und Geschwister,
Geschwisterkonstellation,
Beziehung des Patienten zu den übrigen Familienmitgliedern,
Interaktion und
− Aktivitäten innerhalb der Familie
12
Persönliche Anamnese (1)
Entwicklung
Schwangerschaftsverlauf, Geburt, Neugeborenenperiode,
Säuglings- und Kleinkindentwicklung, Entwicklung in
Vorschulalter/Schulalter/ Adoleszenz
Schule und Beruf
Einschulung, Schulstand, Leistungen,
Schularbeitssituation, Berufsplane, Ausbildung in Lehre
und Beruf
Soziale Situation
Freundschaftsbeziehungen, soziale Stellung, soziale
Aktivitäten, Freizeitunternehmungen
13
Persönliche Anamnese (2)
Sexualität
sexueller Entwicklungsstand, Einstellung zur Sexualität,
sexuelle Aktivitäten
Frühere Krankheiten
Beginn, Maßnahmen und Verlauf
Genussmittel, Drogen und Medikamente
Nikotin, Alkohol, Rauschmittel und Arzneimittel: jeweils
gekennzeichnet hinsichtlich Art, Dosis, Frequenz und
Dauer der Einnahme
Hobbys und Interessen
14
Psychopathologische Befunderhebung
bei Kindern und Jugendlichen (1)
Äußerliches Erscheinungsbild
Attraktivität, Größe, Gewicht, Reife, Fehlbildungen,
erworbene körperliche Entstellungen, Kleidung,
Sauberkeit
Kontakt- und Beziehungsfähigkeit
Abhängigkeit von der Begleitperson, Aufnahme der
Beziehung zum Untersucher, Rapport, Selbstsicherheit,
Kooperation
Emotionen
Stimmung, Affekte, Angst, psychomotorischer Ausdruck
15
Psychopathologische Befunderhebung
bei Kindern und Jugendlichen (2)
Denkinhalte
Ängste, Befürchtungen, Phantasien, Träume,
Denkstörungen, Selbstkonzept, Identität
Kognitive Funktionen
Orientierung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Auffassung,
Wahrnehmung, Gedächtnis und Merkfähigkeit, allgemeine
Intelligenz
Sprache
Umfang, Intonation, Artikulation, Vokabular, Komplexität,
Sprachverständnis, Gesten
16
Psychopathologische Befunderhebung
bei Kindern und Jugendlichen (2)
Motorik
Antrieb und Aktivität, qualitative Auffälligkeiten
(zB Tics, Stereotypien, Automutilation, Jaktationen)
Soziale Interaktion
Position/Beziehungen innerhalb von Familie /
Schulklasse / Gleichaltrigengruppe, Freundeskreis
17
Psychopathologische Befunderhebung
bei Kindern und Jugendlichen (3)
Einschätzung der Suizidalität!
Selbstmordgedanken, -impulse, SMV in der
Vorgeschichte oder im Bekanntenkreis
18
Basisbefunderstellung unter Heranziehung der
4 Basisbereiche der Entwicklung
Körperliche Entwicklung
Emotionale Entwicklung
Kognitive Entwicklung
Soziale Entwicklung
19
Erstellung einer psychiatrischen
Diagnose nach ICD oder DSM
DSM-V
ICD-10
20
Multiaxiale Diagnosestellung
Achse 1: Klinisch- psychiatrische Syndrome
Achse 2:Entwicklungsrückstände
Achse 3: Intelligenzniveau
Achse 4: Körperliche Symptomatik
Achse 5: aktuelle psychosoziale Umstände
Achse 6: Globalbeurteilung der psychosozialen
Anpassung
21
Assoziierte aktuelle abnorme
psychosoziale Umstände (Achse 5)
Abnorme intrafamiliäre Beziehungen
Psychische Störung, abweichendes Verhalten od. Behinderung in
der Familie
Inadäquate od. verzerrte intrafamiliäre Kommunikation, abnorme
Erziehungsbedingungen
Abnorme unmittelbare Umgebung
Akute belastende Lebensereignisse
Gesellschaftliche Belastungsfaktoren
Chronische zwischenmenschliche Belastung im Zusammenhang mit
Schule und Arbeit
Belastende Lebensereignisse/ Situation infolge von
Verhaltensstörungen/Behinderung des Kindes
22
Liste der psychiatrischen ICD- 10
Kategorien (Überblick)
F0 organische einschließlich symptomatischer psychischer Störungen
F1 psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen
F3 Schizophrenie, schizotypische und wahnhafte Störungen
F4 neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen
F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und
Faktoren
F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7 Intelligenzminderung
F8 Entwicklungsstörungen
F9 Verhaltens- und emotionelle Störungen mit Beginn in der
Kindheit
23
Klassifikationsschemata
Kinder und Jugendliche
Multiaxiales Klassifikationsschema für
psychische Störungen des Kindes- und
Jugendalters nach ICD-10
6-achsige Beurteilung
24
MAS
1. Klinisch-psychiatrisches Syndrom
2.Umschriebene Entwicklungsstörungen
3. Intelligenzniveau
4. Körperliche Symptomatik
5. Assoziierte Abnorme Psychosoziale
Umstände
6. Globalbeurteilung des psychosozialen
Funktionsniveaus
25
Klassifikationsschemata
• Kleinkinder: ZERO TO THREE
Diagnostische Klassifikation: 0-3.
Hrsg. National Center für Infants, Toddlers and Families,
2005)
5 Achsen
- 1. Primäre Diagnose
- 2. Klassifikation von Beziehungen
- 3. Medizinische Probleme und
Entwicklungsstörungen
- 4. Psychosoziale Stressoren
- 5. Funktionell-emotionales Entwicklungsniveau
26
Psychische Störungsbilder bei
Kindern und Jugendlichen
Angststörungen
ADHS
Essstörungen
Tiefgreifende Entwicklungsstörung
Störung des Sozialverhaltens
Juvenile Psychosen
Zwangsstörungen
27
ANGSTSTÖRUNGEN
28
Angst oder Furcht ist
eine normale Reaktion
höherer Lebewesen auf
akute oder vorgestellte
Gefahr, die sich im
Verhalten sowie als
inneres Gefühl äußert
und von
physiologischen
Veränderungen
begleitet wird.
(Marks 1987)
Angst dient zur
Vorbereitung auf
Flucht oder
Kampf
Angst im Kindes- und Jugendalter
1. Epidemiologie der
Angststörungen
2. Symptome der Angst
3. Formen der
Angsterkrankungen
4. Therapie der
Angststörungen
Epidemiologie der Angststörungen
•
•
•
•
•
•
•
Häufigste psychiatrische Störung
10% der 8-jährigen
Lebenszeitprävalenz 14% bis 19%
Spezifische Phobien am häufigsten
Frauen doppelt so oft betroffen
Hohe Komorbidität (Depression, Zwang)
Unbehandelt hohes Chronifizierungsrisiko
und Risiko der Substanzabhängigkeit
Prävalenzrate
8 LJ
(Felderer et al
2000)
Prävalenzrate
7-16 LJ
(Steinhausen 1998)
Lebenszeitprävalenz
Agoraphobie
6%
Soziale Phobie
2,5%
Störung mit sozialer
Ängstlichkeit des
Kindesalters
0,4%
4,7%
Spezifische Phobien
Phobische Störungen
des Kindesalters
10%
5,2%
5,8%
Panikstörungen
2%
Emotionale Störungen 2,8%
mit Trennungsangst
0,8%
6,6%
Generalisierte
Angststörungen
Generalisierte
Angststörungen des
Kindesalters
1,4%
Gesamt
Ca. 10%
0,6%
2. Symptome der Angst
Symptome der Angst I
Emotion
Angst manifestiert
sich auf der Ebene
der Emotion, des
Verhalten und des
Körpers
Verhalten
Körper
Symptome der Angst II
Herz-Kreislauf
Herzklopfen, Herzrasen
Atembeschwerden
Beklemmungsgefühl
Brustschmerz
Symptome der Angst III
Verdauungstrakt
Mundtrockenheit
Schluckbeschwerden
Übelkeit, Erbrechen
Bauchschmerzen
Diarrhoe
Harn- und Stuhldrang
Symptome der Angst IV
Weitere
Schweißausbrüche
Hitzewallungen oder Kälteschauer
Erröten
Zittern
Gefühllosigkeit
Schwächegefühl
Muskelverspannung
Kopfschmerz
Symptome der Angst V
Psychisch
Angst vor Kontrollverlust oder verrückt zu werden
Angst vor Trennung von Bezugsperson
Angst zu sterben
Angst vor Peinlichkeit und Bloßstellung
Keine Milderung durch rationale Erklärungen oder
Beruhigungsversuche
Erwartungsangst
Vermeidungsverhalten
Depressive Stimmungslage
Befangenheit, Verlegenheit
Schlafstörungen, Alpträume
Schreien, Wutausbrüche, Reizbarkeit
Ruhelosigkeit und Nervosität
Konzentrationsprobleme
2. Formen der
Angsterkrankungen
Angststörungen
Ungerichtete
Angststörungen
Gerichtete
Angststörungen
Agoraphobie
Panikstörung
Soziale
Phobie
Emotionale Störung
mit Trennungsangst
Störung mit
sozialer Ängstlichkeit
des Kindesalters
Generalisierte
Angststörung
Generalisierte
Angststörung
des Kindesalters
Spezifische
Phobien
Phobische Störung
des Kindesalters
Angst und
depressive Störung
gemischt
1. Agoraphobie
– Hauptmerkmal ist die Angst,
sich an Orten oder in
Situationen zu befinden, von
denen aus ein Rückzug an
einen sicheren Platz, im
Allgemeinen nach Hause,
schwierig oder peinlich ist
– Die Angst muss in mindestens
zwei der folgenden
Situationen auftreten:
1. Menschenmengen
2. öffentlichen Plätzen
3. bei Reisen mit weiter
Entfernung von zu Hause
4. bei Reisen alleine
– Vermeidungsverhalten
– Psychovegetative Symptome
2.1. Soziale Phobie
Diese Störungen zentrieren
sich um die Furcht vor
prüfender Betrachtung
durch andere Menschen in
verhältnismäßig kleinen
Gruppen (nicht dagegen in
anonymen
Menschenmengen)
Die Angst ist auf bestimmte
soziale Situationen
beschränkt oder überwiegt
in solchen Situationen
Die phobischen Situationen
werden vermieden
Der Beginn liegt häufig im
Jugendalter
3.1. Spezifische Phobien
Angst isoliert auf
bestimmte Objekte
oder spezifische
Situationen
Diese Objekte oder
Situationen werden
vermieden
Spezifische Phobien
entstehen gewöhnlich
in der Kindheit und
können unbehandelt
jahrzehntelang
bestehen.
Tier-Typ
Naturgewalten-Typ
(Frigophobie, Pa-leng,
Donner, Wasser)
Blut-InjektionVerletzungs-Typ
(Aichmophobie, Anblick
von Blut )
Situativer Typ
(Akrophobie,
Klaustrophobie,
Prüfungsangst,
Schulangst, Zahnarzt,
Krankenhaus, öffentliche
Toiletten, Lift, Tunnel)
3.2. Phobische Störungen des
Kindesalters
Abnorm gesteigerte Furcht vor alterstypisch
angstbesetzten Objekten oder Situationen
Der Beginn liegt in der
entwicklungsangemessenen Altersstufe
Ausgeprägtes Vermeidungsverhalten
gegenüber solchen Objekten oder Situationen
Entwicklungstypische Ängste
(Nach Scarr 1999)
Alter
Psychologische / Quelle
soziale
entwicklungsKompetenz
typischer Angst
Alterstypische
klinisch
relevante Angst
2-4
Präoperationales Denken,
kein Trennen von Fantasie
und Realität
Fantasiekreaturen,
potentielle Einbrecher,
Dunkelheit
Trennungsangst,
Dunkelheit,
Geister
5-7
Konkret-operationales
Denken,
Fähigkeit konkret-logisch
zu denken
Naturkatastrophen,
Verletzungen, Tiere,
medienbasierte Ängste
Tierphobie,
Blutphobie
8-11
Selbstwert basiert auf
akademischen und
sportlichen Leistungen
Schlechte schulische und
sportliche Leistungen,
Prüfungen
Schulphobie
12-18
Formal-operationales
Denken,
Gefahren werden antizipiert
Selbstwert durch
Gleichaltrige
Ablehnung durch
Gleichaltrige
Sozialphobie,
Agoraphobie,
Panikstörung
4.1. Panikstörung
Ungerichtet
Wiederkehrend
Spontan und
unvorhersehbar
Intensive psychovegetative
Symptome
Kurz (1-60 Min.)
Nach Barlow (1988) können
Kinder nicht internal
attribuieren und es fehlt
dadurch die Spontaneität für
Panik Attacken
4.2. Emotionale Störung mit
Trennungsangst des Kindesalters
Angst vor der Trennung von wichtigen
Bezugspersonen
Ablehnung und Vermeiden von Trennung, auch
zu Hause und in der Nacht
Somatische Symptome bei Trennung
Beginn vor 6. Lebensjahr
(Trennungsangsthypothese von Klein 1980,
Trennungsangst hat enge Verbindung zu
Panikstörung und Agoraphobie,
durch ständige Fehlalarmierung Störung des
Kontrollmechanismus)
5.1. Generalisierte Angststörung
Ungerichtete (frei
flottierende) und
anhaltende Angst an
den meisten Tagen
einer Woche
Mit vielfältigen,
insbesondere
vegetativen
Symptomen
5.2. Generalisierte Angststörung
des Kindesalters
Fast täglich intensive Ängste und übermäßige
Sorgen,
nicht panikartig und nicht auf eine Sache gerichtet
Schwierigkeit Sorgen zu kontrollieren
Gefühl der Anspannung
Ängstliche Erwartung
Bedürfnis nach Rückversicherung
Müdigkeit und Konzentrationsprobleme
Phobische Störung
des Kindesalters
Emotionale Störung
mit Trennungsangst
des Kindesalters
Angst vor einer oder wenigen
Situationen
Unrealistische / anhaltende Sorge
über Trennung von Eltern
Abneigung und Vermeidung von
Trennungssituationen
Störung mit sozialer
Ängstlichkeit des
Kindesalters
Generalisierte
Angststörung des
Kindesalters
Angst vor Blamage und Peinlichkeit Angst und Sorge in den meisten
Lebensbereichen
vor Fremden in sozialen Situationen
Sorgen können schwer kontrolliert
werden
Bedürfnis nach Rückversicherung
4. Therapie der Angststörungen
Multimodale Behandlung mit dem Ziel, dass
der Betroffene lernt sich wieder in Angst
auslösenden Situationen zu behaupten
Informationsvermittlung über Angststörung
Etablierung eines Arbeitsbündnisses
Rücksprache / Beratung mit Schule
Verhaltensorientierte Interventionen (z.B.
Expositionstraining, Entspannungstherapie)
Psychodynamische Psychotherapie (Förderung der
Persönlichkeitsentwicklung)
Familientherapeutisches Setting
Erst wenn die vorangestellten Interventionen keinen
Erfolg zeigten, kann nach sorgfältiger Abwägung eine
psychopharmakologische Behandlung indiziert sein.
Psychopharmakologische
Behandlung
Erst wenn die kognitive Verhaltenstherapie keinen
sichtbaren Erfolg zeigt, kann nach sorgfältiger
Abwägung eine psychopharmakologische
Behandlung indiziert sein.
Aufgrund der geringen und wenig gravierenden
Nebenwirkungen empfiehlt sich dann der
Einsatz von SSRI.
(Cave: möglicherweise erhöhen SSRIs suizidales
Verhalten bei Kindern- und Jugendlichen)
Panikstörung
SSRIs
•Fluoxetin (Fluctine ®)
•Citalopram (Seropram®)
•Paroxetin (Seroxat®) (bis 40mg/d) (Masi, 2001)
SNRIs
Trizyklische Antidepressiva
Benzodiazepine
Störung mit sozialer
Ängstlichkeit des
Kindesalters
SSRIs
•Fluoxetin (Fluctine ®) (Young, 2006; Clarck, 2005)
•Paroxetin (Seroxat®) (Wagner, 2004)
SNRIs
RIMA
•Moclobemid (Aurorix®)
Emotionale Störung mit
Trennungsangst des
Kindesalters
SSRIs
Trizyklische Antidepressiva
Benzodiazepine (max. 6 Wo.)
Generalisierte
Angststörung des
Kindesalters
SSRIs
•Paroxetin (Seroxat®) (Kapczinski, 2003)
•Fluoxetin (Fluctine ®) (Clarck, 2005)
SNRIs
•Venlafaxin (Efectin ®) (Kapczinski, 2003)
Trizyklische Antidepressiva
Buspiron (Buspar ®)
Aufmerksamkeitsdefizit- und
Hyperaktivitatsstörung
56
Erscheinungsbild
Impulsivität
(mangelnde Verhaltenskontrolle u.
Fähigkeit, Belohnung aufzuschieben)
Unaufmerksamkeit
(mangelnde gleichmäßige
Aktivierung bei hoher
Affektlabilität)
Überaktivität
(innere Getriebenheit)
57
Erscheinungsbild (2)
Auffälligkeiten in allen 3 Kernbereichen - inkonsistente
(zu viel oder zu wenig) Aufmerksamkeit, ein hohes
Niveau an Aktivität und Impulsivität (mit extremen
Emotionen)
hauptsächlich Aufmerksamkeitsschwächen, aber
weniger impulsives und motorisch unruhiges Verhalten
(„Träumerchen“)
impulsiver, motorisch unruhiger Typ, weniger
Konzentrationsschwächen - ein hohes Niveau an
Aktivität und Impulsivität (mit extremen Emotionen)
58
Epidemiologie und Verlauf
Weltweit sind ca.5-9 % der Kinder von ADHS betroffen
Bei 50-75% persistieren die Symptome bis zur
Adoleszenz
Bei 10-66 % Symptome bis ins Erwachsenenalter
Prävalenz bei Erwachsenen ca.4 %
Störungsbild, welches im Kindesalter beginnt und laut
epidemiologischen Untersuchungen in bis zu 80% der
Fälle bis ins Erwachsenenalter bestehen bleiben kann.
59
ICD 10
F90 hyperkinetische Störung
Die Diagnose fordert das eindeutige Vorliegen eines
abnormen Ausmaßes an Unaufmerksamkeit,
Überaktivität und Impulsivität.
Die Störung ist situationsübergreifend und andauernd
und nicht durch andere Störungen verursacht.
Die Symptome müssen mindestens 6 Monate lang in
einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu
vereinbarenden und unangemessenen Ausmaß
auftreten.
60
Relevante Diagnosekriterien
Durchgehendes,
→ nicht alters- und entwicklungsentsprechendes,
→ situationsübergreifendes Muster von:
Unaufmerksamkeit
motorischer Unruhe
Impulsivität
→vor dem 6. LJ beginnend
→mindestens 6 Mo bestehend
→mindestens 2 Lebensbereiche
→v. a. in Gruppensituationen
61
Klinisches Erscheinungsbild
Unaufmerksamkeit
leichte Ablenkbarkeit
Unaufmerksamkeit gegenüber Details
scheinbares nicht zuhören
Schwierigkeiten im Organisieren von Aufgaben
Verlust, Vergessen von Gegenständen,
Aufträgen
vorzeitiges Abbrechen von Aufgaben
Vermeiden von längeren
(konzentrationsintensiven) Aufgaben
62
ICD 10 – Kriterien
Unaufmerksamkeit (min. 6 Symptome)
Die Kinder
sind häufig unaufmerksam gegenüber Details/ Sorgfalts- fehler bei
Schularbeiten und sonstigen Arbeiten und Aktivitäten.
sind häufig nicht in der Lage, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben und beim
Spielen aufrecht zu erhalten.
hören häufig scheinbar nicht, was ihnen gesagt wird.
können oft Erklärungen nicht folgen oder ihre Schularbeiten, Aufgaben und
Pflichten am Arbeitsplatz erfüllen.
sind häufig beeinträchtigt, Aufgaben u. Aktivitäten zu organisieren.
vermeiden ungeliebte Arbeiten, wie Hausaufgaben, die häufig geistiges
Durchhaltevermögen erfordern.
verlieren häufig Gegenstande, die für bestimmte Aufgaben wichtig sind.
werden häufig von externen Stimuli abgelenkt.
sind im Verlauf der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich.
63
Klinisches Erscheinungsbild
Hyperaktives Verhalten
anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivitäten
ungerichtetes Hin- und Herbewegen der Extremitäten
Hin- und Herrutschen beim Sitzen
Ständiges Verlassen des Sitzplatzes (Schule, Hort,
etc.)
Herumlaufen und Klettern in unpassenden Situationen
Nur kurze Strukturierbarkeit
64
ICD 10 – Kriterien
Überaktivitat (mind. 3 Symptome)
Die Kinder:
fuchteln häufig mit Händen und Füssen oder winden sich auf den
Sitzen.
verlassen ihren Platz im Klassenraum oder in anderen Situationen,
in denen Sitzenbleiben erwartet wird.
laufen häufig herum oder klettern exzessiv in Situationen, in denen
dies unpassend ist.
sind häufig unnötig laut beim Spielen oder haben Schwierigkeiten
bei leisen Freizeitbeschäftigungen;
zeigen ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivitäten,
die durch den sozialen Kontext oder Verbote nicht durchgreifend
beeinflussbar sind.
65
Klinisches Erscheinungsbild
Impulshaftigkeit
ungebremste Antworten, dazwischenreden
nicht warten können
Unterbrechen und Stören
exzessives Reden, ohne auf Grenzen
entsprechend zu reagieren
ungebremste Raptuszustände
mangelnde Frustrationstoleranz
66
ICD 10 – Kriterien
Überaktivität (mind. 1 Symptom)
Die Kinder:
platzen häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage
beendet ist.
können häufig nicht in der Reihe warten oder warten, bis
sie bei Spielen oder in Gruppensituationen an die Reihe
kommen.
unterbrechen und stören andere häufig (z.B. mischen
sich ins Gespräch oder Spiel anderer ein).
reden häufig exzessiv, ohne angemessen auf soziale
Beschränkungen zu reagieren.
67
Komorbidität
Störung mit oppositionellem Trotzverhalten oder Störung des
Sozialverhaltens
Häufig
Spezifische Lernstörungen, Angststörungen, Entwicklungsbezogene
Koordinationsstörungen
Manchmal
Tic-Störungen, Depressive Störungen
Selten
Autismusspektrumsstörungen, Intelligenzminderung
Mehr als 85% der Patienten haben mindestens eine komorbide
Störung, und ungefähr 60% der Patienten haben mindestens zwei
komorbide Störungen.
68
PSYCHOPHARMAKOTHERAPIE
Es hat sich nicht gezeigt, dass die
Behandlung einer ADHS mit Stimulanzien
zu unerlaubtem Drogenkonsum/missbrauch führt.
Sorgfältige Titrierung und Überwachung
der pharmakologischen Behandlung führt
zu besserer Wirksamkeit.
69
PSYCHOPHARMAKOTHERAPIE
Häufigste Nebenwirkungen
STIMULANZIEN
Kopfschmerzen
Bauchschmerzen
Appetitverlust
Schlaflosigkeit
Benommenheit
NORADRENERGE SUBSTANZEN
Appetitverlust
Benommenheit
Dermatitis
Dyspepsie
(Bei Desipramin:
EKG-Auffälligkeiten,
Schläfrigkeit)
Die meisten Nebenwirkungen sind vorübergehend
70
Therapieschlussfolgerungen
Ein gutes Therapiekonzept muss individuell
zugeschnitten, kontinuierlich überwacht und optimiert
werden.
Begleitende Pädagogik bildet die Grundlage für alle
Behandlungsformen bei ADHS
Wirksame Interventionen beinhalten Psychoedukation
und Begleitung für den Patienten und seine Familie,
in der Schule und zu Hause
Motivation / Kooperation des Kindes spielt in vielen
Fällen eine zentrale Rolle
ADHS ist eine chronische Erkrankung, die eine
Langzeitbehandlung erfordert
71
Essstörungen
72
ICD-10
Essstörungen - F50
F50.0 Anoriexia nervosa
F50.1 atypische AN
F50.2 Bulimia nervosa
50.3 atyp. BN
F50.4 Essattacken bei sonstigen psychischen
Störungen
F50.5 Erbrechen bei psychischen Störungen
F50.8 sonstige Essstörungen
F50.9 nicht naher bezeichnete Essstörung
73
Anorexia nervosa
Körpergewicht unter 3. Perzentile (mind.
15% unter der Norm)
Gewichtsverlust ist selbst verursacht
Körperschemastörung
Endokrine Störung/Amenorrhoe
74
Epidemiologie
Höchste Inzidenz 10 – 19 Jahre,
Altersgipfel liegt bei 14 Jahren
w:m = 10:1
ca. 0,3% Prozent der Mädchen haben
Anorexie
75
Massive körperliche Veränderungen! (zB Minderwuchs,
Osteoporose, Haarausfall, massive Karies,
Speicheldrüsenschwellung, Blutbild-, Elektrolyt-,
Hormonveränderungen, Hypothermie,
Bradycardie, Hypotonie, Atrophie des Hirns etc.
Mortalitätsrate 2-10 Prozent
Heilungsrate inzwischen bei rund 70 Prozent
Etwa ein Fünftel entwickelt eine Bulimie
76
Bulimia nervosa
Heißhungerattacken, ständige
Beschäftigung mit Essen
(mind. 2x/Woche über 3 Monate)
Versuche, durch Erbrechen etc.
abzunehmen
Krankhafte Furcht zuzunehmen
Häufig nach anorektischer Phase
77
Prävalenzraten in Österreich
Lebenszeitprävalenz der Bulimie ca. 1 bis
4 Prozent;
bei Mädchen 1-2 Prozent,
bei Burschen 0,2-0,3 Prozent.
Bulimie beginnt später als AN
78
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
[email protected]
79
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