GYMNASIUM BAMMENTAL SCHULINFORMATIONEN NR. 14 DEZEMBER 2013 „UNSER GEHIRN WIRD SO, WIE WIR ES BENUTZEN“ PROFESSOR KORFF INFORMIERTE IM GYMNASIUM BAMMENTAL ÜBER DIE ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN GEHIRNENTWICKLUNG, LERNEN UND MEDIENNUTZUNG (bb) Die Neue Mensa war am 15. Oktober gut gefüllt, als Professor Dr. Thomas Korff, Physiologe an der Universität Heidelberg, einen lebendigen Vortrag hielt und zur Diskussion einlud. Im Publikum saßen Vertreter aller Generationen, vom Mittelstufenschüler bis zum Pensionär, und alle wurden mitgerissen von der humorvollen und zugleich tiefgründigen Art, mit der Prof. Korff wissenschaftliche Theorien und Erkenntnisse darstellte – immer mit Bezug auf das menschliche Lernen. Dramatisch ist beispielsweise der Gehirnumbau in der Zeit der Pubertät. Nur 5-15% der Lerninhalte können in dieser Zeit langfristig gespeichert werden. Wäre es vielleicht besser, diesen Bereich „wegen Umbauarbeiten“ vorübergehend ganz zu schließen? Im Gegenteil, so machte Prof. Korff deutlich, das Gehirn muss aktiv sein, und es sollte in geeigneter Weise aktiv sein, denn: „Unser Gehirn wird so, wie wir es benutzen“. Die Tätigkeiten, die wir in der Zeit der Gehirnentwicklung, auch in der Pubertät, ausüben, prägen das Gehirn und seine Funktionsweisen dauerhaft. Besondere Schwierigkeiten bereitet die Tatsache, dass die Dopaminrezeptoren in der Adolsenzenz spürbar reduziert sind. Dopamin ist als Neurotransmitter „der Motivator des Gehirns“. Pubertierende fühlen sich daher häufig unmotiviert und haben Konzentrationsschwierigkeiten. Mitgefühl und Moralempfinden erscheinen beeinträchtigt. Pubertierende sind auf diese Weise besonders empfänglich für Reize, die das „Belohnungssystem“ (Nucleus accumbens) ansprechen und durch exzessiven Medienkonsum oder Drogenmissbrauch hervorgerufen werden können. So typisch diese Verhaltensweisen sind, so gefahrvoll sind sie bei vermehrter Praxis für die Gehirnentwicklung. Neuronenbahnen werden ausgebaut oder abgebaut je nach Aktivität des Individuums. Auf diese Weise kann beispielsweise Medienkompetenz verankert werden, es kann aber auch Mediensucht zum bleibenden Merkmal der Gehirnaktivität werden. Prof. Korff warnte vor allem vor Drogenkonsum: „Drogen zerstören die Neuroarchitektur“. Den Lernprozess definierte Prof. Korff als Verarbeiten und Speichern von Informationen. Nachhaltiges Lernen gelingt dann, wenn Informationen im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden. Der Weg dorthin führt vom sensorischen Gedächtnis über das Kurzzeitoder Arbeitsgedächtnis. Dieser Weg ist keine Datenautobahn. Der Mensch kann nur sieben Informationen (+/- 2), sog. „chunks“, gleichzeitig im Kurzzeitgedächtnis verarbeiten und sich nur über eine begrenzte Zeit konzentrieren. Jeder Mensch verarbeitet Informationen anders. Anhand der Theorie von den drei Lerntypen zeigte Prof. Korff, was diese Unterschiede bedeuten: visueller, auditiver und motorischer Typ sind auf das Sehen, Hören oder Handeln angewiesen. Jeder Mensch entwickelt einen Lernstil, der sich aus solchen Komponenten zusammensetzt. Dies hat für das schulische Lernen wichtige Konsequenzen, denn es kommt darauf an, Informationen richtig zu dosieren, vertiefend zu wiederholen oder anzuwenden, SCHULINFORMATIONEN NR. 14 GYMNASIUM BAMMENTAL SCHULINFORMATIONEN NR. 14 DEZEMBER 2013 einen geeigneten Rhythmus zu finden und vieles mehr. Die unsachgemäße Mediennutzung kann diesen Lernprozess erschweren oder sogar massiv beeinträchtigen, wenn die Verarbeitung von Informationen im Kurz- und Langzeitgedächtnis ständig durch Reize von elektronischen Medien gestört wird. Dieser Effekt kann durch die Ausschüttung von Stresshormonen verstärkt werden, die insbesondere bei übermäßiger Nutzung interaktiver Computerspiele verbunden ist, bei denen z. B. ein Wettbewerbsdruck entsteht oder unter Zeitdruck Aufgaben gelöst werden müssen. Daher ist es wichtig, zwischen schulischem Lernen und individueller Mediennutzung Karenzzeiten einzubauen. Dies gilt grundsätzlich für alle elektronischen Medien, seien es soziale Netzwerke oder Computerspiele. Besonders drastisch, so beweisen mittlerweile zahlreiche Studien, wirkt sich die Nutzung nicht altersgemäßer Medien auf die Gehirnaktivität aus. Das Gehirn gerät unter einen besonderen Stress, der Lernprozesse blockiert und gleichzeitig zu einer Abstumpfung führt. Prof. Korff warnte eindrücklich vor dieser Entwicklung, aber auch vor allzu dramatischen Einschätzungen: „Gewalthaltige Computerspiele und Medien machen nicht kriminell, können aber kurzfristig die Aggressivität steigern.“ Übermäßiger Medienkonsum führt nicht nur zur Verringerung der Lernleistung, sondern auch zu neuronalen Fehlentwicklungen. Insbesondere leidet die Fähigkeit, Zusammenhänge zwischen Informationen herzustellen, was für die individuelle Aneignung von Informationen und ihre erfolgreiche Anwendung bei der Lösung von Problemen besonders wichtig ist. Umso wichtiger, so Prof. Korff, sind Pausen und Ruhezeiten. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch die zentrale Bedeutung des Vergessens: Ein Mensch, der nicht vergessen kann, „überfordert“ sein Gehirn und verliert die Fähigkeit, Unwichtiges herauszufiltern. Ganz natürlich ist dabei der Effekt, die Vergangenheit zu „positivieren“, denn der Mensch erinnert sich lieber an positive Erfahrungen und vergisst negative, insbesondere wenn sie kleinteilig sind. Abschließend gab Prof. Korff sieben Empfehlungen für eine gesunde Entwicklung des Teenager-Gehirns: 1. Sport, Sport, Sport, Sport!!! 2. Acht bis zehn Stunden Schlaf täglich 3. In der Schule keine Handyspiele Kommunikation in sozialen Netzwerken / 4. Eine Stunde vor und nach dem Lernen keine Medien nutzen 5. Beim häuslichen Lernen nicht online sein und Ablenkungen durch Medien vermeiden 6. Fernseher und Computer gehören nicht ins Kinderzimmer (Betonung: „Kinder“ – bei Jugendlichen kann das anders sein) 7. „Pro Tag sollten Kinder und Jugendliche (1016 J.) insgesamt nicht mehr als 90-120 Min. vor Maschinen verbringen.“ SCHULINFORMATIONEN NR. 14