Wie gut sind Herzpatienten in Deutschland versorgt?

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Wie gut sind Herzpatienten in
Deutschland versorgt?
Deutscher Herzbericht
Wie hat sich die Herzinfarktsterblichkeit in
den einzelnen Bundesländern entwickelt? Wo
ist sie am höchsten, wo am niedrigsten? Wie
häufig wurde in Kliniken wegen eines Herzinfarkts oder anderer Herzkrankheiten behandelt? Wie hoch ist die Sterblichkeit bei Klappenerkrankungen, Rhythmusstörungen oder
Herzschwäche? Gibt es auffällige Entwicklungen bei den neueren Therapieverfahren? Wo
werden die meisten Herzoperationen durchgeführt? Wo bestehen weiterhin Versorgungsmängel?
Neue Erkenntnisse zu diesen und vielen weiteren Fragen bietet der jährliche Herzbericht, der
eine fächerübergreifende Analyse der kardiologischen und herzchirurgischen Versorgung
in Deutschland bietet. Zum ersten Mal hat die
Deutsche Herzstiftung den neuen 24. Deutschen Herzbericht 2011 in Zusammenarbeit
mit den Vorständen der deutschen Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), für Thorax-,
Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) sowie für
Kinderkardiologie (DGPK) herausgegeben
und Anfang des Jahres in Berlin vorgestellt.
Damit führen die Herzstiftung und die Fachgesellschaften die mehr als 20-jährige Arbeit von
Dr. Ernst Bruckenberger fort.
„Aufgabe der Herzstiftung ist es, die Informationen für Vorbeugung, Diagnostik und Therapie von Herzkrankheiten und angeborenen
Herzfehlern zu verbessern. Dafür ist der Herzbericht ein unverzichtbares Instrument“, sagt
der Herzspezialist Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen
Herzstiftung, und betont: „Wir haben die Aufgabe der Herausgeberin übernommen, auch
um zu gewährleisten, dass der Bericht im Kon-
sens aller drei Fachgesellschaften zustande
kommt und nicht jede Gesellschaft ihre eigenen Berichte jeweils separat veröffentlicht.“
Anhand seiner Daten lassen sich Versorgungsmängel erkennen, weshalb der Deutsche Herzbericht für die Planung von Verbesserungen in
der Versorgung von Herzpatienten von großer
Bedeutung ist. „Er ist eine wichtige Grundlage
für Entscheidungsträger, insbesondere für
Krankenkassen und die Gesundheitspolitik.
Alle Beteiligten arbeiten konsequent daran,
den Bericht den aktuellen Anforderungen
anzupassen und die Datenbasis kontinuierlich
zu verbessern“, versichert Prof. Meinertz.
Infarktsterblichkeit, Herzrhythmus–
störungen, Herzschwäche
Ungebrochen ist der Bedarf an Ausbau und
Verbesserung der Versorgung von Herzpatienten trotz einer weiterhin rückläufigen Infarktsterblichkeit in Deutschland. So hat sich zwar
die Sterblichkeit des akuten Herzinfarkts von
2000 bis 2010 von 81,8 auf 67,9 Verstorbene
pro 100 000 Einwohner reduziert und die Zahl
der Sterbefälle ist innerhalb der letzten 30 Jahre
von 92 801 (1980) auf 55 541 (2010) gesunken.
Jedoch sind für andere Herzkrankheiten
wie Herzklappenkrankheiten, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche (Herzinsuffizienz) von 1995 bis 2010 deutliche Anstiege
bei den in Kliniken behandelten Fällen zu verzeichnen: bei den Herzklappenkrankheiten
von 69 im Jahr 1995 auf 90 im Jahr 2010 je
100 000 Einwohner, bei den Herzrhythmusstörungen von 282 (1995) auf 488 (2010) und
bei der Herzschwäche von 275 (1995) auf 454
(2010).
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Der Deutsche Herzbericht 2011 (183 Seiten) ist zum
Preis von 49,90 Euro (zzgl. 3,80 Euro Versandkosten)
erhältlich unter www.herzstiftung.de/herzbericht/ oder bei:
Deutsche Herzstiftung e.V., Vogtstraße 50, 60322 Frankfurt am Main.
Versorgung von Herzpatienten nicht
überall gleich gut
Allerdings kann von einer gleichmäßigen Versorgungslandschaft für Herzpatienten mit
ischämischen Herzkrankheiten (Herzinfarkt
und Krankheiten als Folge einer Mangeldurchblutung des Herzens), Herzschwäche, Herzklappenkrankheiten und Herzrhythmusstörungen nicht gesprochen werden. „Die
Versorgung von Herzpatienten ist in den verschiedenen Regionen nicht gleich gut“, kritisiert Prof. Meinertz. So war die Herzinfarktsterblichkeit im Jahr 2010 in den einzelnen
Bundesländern unterschiedlich hoch, zum
Beispiel 53 pro 100 000 Einwohner in Hamburg,
111 in Sachsen-Anhalt oder 101 in Brandenburg. Die Ursachen für die länderspezifischen
Unterschiede sind unklar. Wahrscheinliche
Ursachen sind eine regionale Unterversorgung
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der Patienten, ein weniger effektives Notarztsystem, ein zu langes Zögern der Patienten die
112 zu rufen und ein niedrigerer Informationsstand der Bevölkerung wegen ungünstiger
sozioökonomischer Bedingungen. Auch der
Kardiologe und DGK-Präsident Prof. Dr. med.
Georg Ertl fordert, „dass an einer besseren Flächenversorgung in den neuen Bundesländern
konsequent gearbeitet werden muss“.
Weniger Herzkatheter-Eingriffe
Eine „Trendwende“ bei den HerzkatheterEingriffen sieht die DGK in dem deutlichen
Rückgang bei diagnostischen und therapeutischen kardiologischen Eingriffen im Herzkatheterlabor. So ging zwischen 2010 und 2011
die Anzahl der Linksherzkatheter-Untersuchungen von 901 400 (2010) auf 870 282 (2011),
also um mehr als 30 000, zurück.* Bei Katheter-
Eingriffen in den Herzkranzgefäßen (PCI)
nahm die Anzahl von 338 744 (2010) auf 328 654
(2011), das heißt um mehr als 10 000, ab.*
„Heute werden 36 Prozent der Linksherzkatheter-Untersuchungen und 35 Prozent der PCI
bei Patienten mit einem Alter zwischen 70 und
80 Jahren durchgeführt, und jeweils rund 15
Prozent bei Über-80-Jährigen. Das war noch
vor kurzer Zeit kaum vorstellbar und bedeutet
insbesondere für diese ältere Patientengruppe
einen enormen Fortschritt und Gewinn“, so
Prof. Ertl.
Anteil der Bypass-Operationen stabil
Dass der Anteil der 55 299 Bypass-Operationen
auch 2011 mehr als die Hälfte der Eingriffe am
Herzen von insgesamt 100 291 ausmachte und
somit stabil geblieben ist, darauf machte Prof.
Dr. med. Jochen Cremer, erster Vizepräsident
der DGTHG, aufmerksam. Prof. Cremer gibt zu
bedenken, dass die Bypass-Operation gerade
bei Befall mehrerer Herzkranzgefäße sowie
komplizierten Verengungen insbesondere im
Hinblick auf die Überlebensrate und dauerhafte Lebensqualität der Patienten nach dem
jeweiligen Eingriff die bessere Wahl sei. Die
herzchirurgischen und kardiologischen Fachgesellschaften haben in Leitlinien u. a. festgelegt, dass grundsätzlich ein Herzteam aus
einem Kardiologen und einem Herzchirurgen
jeden Patienten individuell begutachten soll,
um gemeinsam zu entscheiden, ob für ihn die
Bypass-Operation oder das Einsetzen eines
Stents die richtige Therapie ist. „Diese Herzteams sind zwar noch nicht überall, aber bereits
an sehr vielen Kliniken etabliert. Wir raten den
Patienten, bei der Auswahl einer Klinik gezielt
nachzufragen, ob ein solches Herzteam zur
Verfügung steht. Wenn nicht, ist unsere Empfehlung, sich auf jeden Fall sowohl von einem
Kardiologen als auch von einem Herzchirurgen beraten zu lassen, um sicherzustellen, dass
man wirklich die für den individuellen Krank-
heitsfall beste Behandlung erfährt“, so der
Herzchirurg Prof. Cremer.
Trends beim Aorten- und
Mitralklappenersatz
In der Aortenklappenchirurgie stieg 2011 im
Vergleich zum Vorjahr die Zahl der eingesetzten
biologischen
Herzklappenprothesen
(Gewebe vom Schwein oder Rind) an, während der Anteil der mechanischen weiter
abnahm. So wurden rund 1 700 krankhaft veränderte Aortenklappen durch mechanische
Herzklappenprothesen, aber über 9 800 durch
biologische ersetzt. Die Fachgesellschaft der
Herzchirurgen (DGTHG) macht angesichts des
zunehmenden Alters der Patienten, die eine
künstliche Aortenklappe erhalten, darauf aufmerksam, dass biologische Prothesen zwar im
Vergleich zu den mechanischen „keine dauerhafte Einnahme von Blutverdünnern erfordern, jedoch eine begrenzte Haltbarkeit von
zumeist rund 15-20 Jahren haben“.
Dass in der operativen Behandlung undichter
Mitralklappen die Rekonstruktion (Wiederherstellung) im Vergleich zum vollständigen Klappenersatz deutlich überwiegt, belegen die
Zahlen für 2011: Bei rund zwei Drittel der Patienten bzw. 3 587 von insgesamt 5 511 wurden
die Mitralklappen wiederhergestellt und nicht
ersetzt (1 924). „Hierdurch behalten die Patienten weiterhin ihre eigene Herzklappe mit allen
für eine gute Herzpumpfunktion notwendigen
Strukturen. Der Ersatz der Mitralklappe ist aber
weiterhin notwendig, wenn die Klappe stark
verkalkt oder gar durch Entzündungen zerstört
ist“, erklärt die DGTHG.
Angeborene Herzfehler
Heute erreichen mehr als 90 % der Patienten
mit angeborenen Herzfehlern das Erwachsenenalter. Jedoch stellt für das Gesundheitssystem die Versorgung der (jungen) Erwachsenen
* Nach DGK-Hochrechnungen
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Großes Interesse der Medien: Vorstellung
des Herzberichts im Tagungszentrum der
Bundespressekonferenz. V.l.n.r.: Prof. Ralph
Grabitz, Prof. Achim A. Schmaltz, Prof. Eckart
Fleck, Prof. Thomas Meinertz, Prof. Friedhelm
Beyersdorf, Prof. Jochen Cremer.
mit angeborenem Herzfehler (EMAH) eine
große Herausforderung dar, besonders in der
Übergangsphase von der kinderkardiologischen in die Erwachsenenversorgung ab dem
18. Lebensjahr. Hier verlieren viele Patienten
den Anschluss an eine regelmäßige kardiologische Versorgung, die für sie lebenswichtig ist.
Die Zahl der EMAH-Patienten liegt nach Angaben der kinderkardiologischen Fachgesellschaft DGPK zwischen 180 000 und 280 000.
Weiter rückläufig ist die Zahl der kinderkardiologischen Standorte mit invasiver Diagnostik,
sodass im Jahr 2011 Herzkatheter-Untersuchungen an 33 Standorten und kinderherzchirurgische Verfahren an 28 Standorten durchgeführt
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wurden. „Wir begrüßen diese Konzentration,
die zwar etwas längere Wege für die Eltern und
Angehörigen bedeutet, dafür aber eine erhöhte Routine und Ablaufsicherheit in der Versorgung der Kinder mit angeborenen Herzfehlern
bewirkt“, betont der Kinderherzspezialist Prof.
Dr. med. Achim A. Schmaltz, Geschäftsführer
der DGPK. Eindrucksvoll ist die Abnahme der
Sterblichkeit bei den angeborenen Herzfehlern. Starben im Jahr 1980 noch 1 716 Patienten
mit angeborenen Fehlbildungen am Herzen,
waren es 2010 458 Patienten.
Michael Wichert
Schleswig-Holstein
Mecklenburg-Vorpommern
Hamburg
Bremen
Niedersachsen
Berlin
Brandenburg
Sachsen-Anhalt
Nordrhein-Westfalen
Sachsen
Hessen
Thüringen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Bayern
Baden-Württemberg
Hellgelb und Hellgrün bedeutet eine Unterschreitung der bundesdurchschnittlichen Sterbeziffer
von 67,9 und damit eine niedrigere Infarktsterblichkeit als Grün und Dunkelgrün (Überschreitung des Bundesdurchschnitts).
Sterbeziffer beim akuten Herzinfarkt 2010
Altersbereinigte Abweichung vom Bundesdurchschnittswert (67,9) in %
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