Mutterschutz: Fragestellungen und die Praxis aus betriebsärztlicher

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Mutterschutz
Fragestellungen und die Praxis aus
Betriebsärztlicher Sicht
Friedrich Leonhard, Magistrat Bremerhaven, Betriebsärztlicher Dienst
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Beschäftigungsverbote
Die Fragestellungen ergeben sich im wesentlichen aus den
Beschäftigungsverboten des Mutterschutzgesetzes (MuSchG)
Danach dürfen werdende Mütter grundsätzlich nicht mit schweren
körperlichen Arbeiten und nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen
sie schädlichen Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen oder
Strahlen, von Staub, Gasen oder Dämpfen, von Hitze, Kälte oder Nässe,
von Erschütterungen oder Lärm ausgesetzt sind (§ 4 Abs. 1 MuSchG)
Beschäftigungsverbote
Weitere Beschäftigungsverbote
(Auswahl aus § 4, Abs.2 MuSchG)
Werdende Mütter dürfen z.B. nicht beschäftigt werden
• mit Arbeiten, bei denen regelmäßig Lasten von mehr als fünf Kilogramm Gewicht oder
gelegentlich Lasten von mehr als zehn Kilogramm Gewicht ohne mechanische
Hilfsmittel von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden. Sollen größere Lasten
mit mechanischen Hilfsmitteln von Hand gehoben, bewegt oder befördert werden, so
darf die körperliche Beanspruchung der werdenden Mutter nicht größer sein als bei
Arbeiten nach Satz 1,
• mit Arbeiten, bei denen sie infolge ihrer Schwangerschaft in besonderem Maße der
Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt sind oder bei denen durch
das Risiko der Entstehung einer Berufskrankheit eine erhöhte Gefährdung für die
werdende Mutter oder eine Gefahr für die Leibesfrucht besteht,
• mit Arbeiten, bei denen sie erhöhten Unfallgefahren, insbesondere der Gefahr
auszugleiten, zu fallen oder abzustürzen, ausgesetzt sind.
Gefährdungsbeurteilung
Durch eine Gefährdungsbeurteilung ist zu ermitteln, ob am
Arbeitsplatz Einwirkungen vorliegen, die zu einer gesundheitlichen
Gefährdung der Mutter oder des Kindes führen.
Mit Hilfe von Checklisten (z.B. der Gewerbeaufsicht) kann zunächst
ein Überblick über gefährdende Tätigkeiten gewonnen werden.
Beim Vorliegen potenziell gefährdender Tätigkeiten sind
entsprechende Maßnahmen zum Schutz der Schwangeren und
ihres Kindes festzulegen.
Maßnahmen
Ziel der Maßnahmen:
Weiterbeschäftigung der schwangeren Kollegin, wenn
auch unter veränderten Bedingungen
Maßnahmen
Organisatorische Maßnahmen
Beispiele
Heben von Lasten zu zweit statt alleine (z.B. Pflegeberufen, Gartenbau)
Kein Wickeln von Kindern (z.B. Krippen Kindergärten),
Keine Blutabnahmen (z.B. medizinische Einrichtungen, Rettungsdienste)
Gefährdende Anteile der Arbeit ersetzen durch nicht gefährdende Aufgaben
(z.B. Innendienst für Polizistinnen, Mitwirkung nur an nicht zu lauten
Musikstücken für Musikerinnen)
Maßnahmen
Technische Maßnahmen
Beispiele
Einsatz von Hilfsmitteln zum Heben und Tragen (z.B. Hebelifter im
Pflegedienst)
Installation von Absauganlagen beim Umgang mit Gefahrstoffen (z.B.
Laborarbeiten)
Einsatz von Stehhilfen (z.B. für Friseurinnen)
Maßnahmen
Persönliche Maßnahmen
Beispiele
Einsatz von Schutzhandschuhen (z.B. Pflegeberufen, Friseurhandwerk)
Einsatz von Gehörschutz (z.B. für Musikerinnen)
Fragestellungen und Praxis aus betriebsärztlicher Sicht
oder
Probleme bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung
Nicht immer ist eine Gefährdung eindeutig zu bestimmen
• Was bedeutet z.B. „regelmäßig“ beim Lastenheben
• Wie gefährdend ist laute Musik für eine Musikerin oder ihr Kind
• Wie ist das Risiko einer Ringelröteln- oder Cytomegalie - Infektion bei nicht
vorhandener Immunität einer Lehrerin einzuschätzen
• Wie ist das Risiko aggressiver Übergriffe bei Hausbesuchen von
Sozialarbeiterinnen einzuschätzen.
• Was bedeutet es, infolge der Schwangerschaft in besonderem Maße der
Gefahr, an einer Berufskrankheit zu erkranken, ausgesetzt zu sein
Fragestellungen und Praxis aus betriebsärztlicher Sicht
oder
Probleme bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung
Wer übernimmt die Verantwortung für die Gefährdungs- (Risiko-) beurteilung
Wie schätzt die Schwangere selbst ihr Risiko ein
Welche Belastungen entstehen durch die Veränderungen der
Arbeitsbedingungen
Ist ein Beschäftigungsverbot nicht im Zweifelsfall problemloser und sicherer
Beispiel aus der Praxis
Schwangere Lehrerin
Mögliche Gefährdungen
• Infektionskrankheiten
• Arbeitszeiten (z.B. Elternabende, Klassenfahrten)
• Unfallgefahren, z.B. im Sportunterricht
• Verletzungen durch aggressive Schülerinnen/Schüler
• Arbeitszeiten (Elternabende, Klassenfahrten)
• Hausbesuche (z.B Verletzungsgefahr durch Haustiere, Infektionsrisiken)
Mm09 06 GEFDOC Muttersch, Lehrerinnen
,
geänderte Fassung.doc
Beispiel aus der Praxis
Schwangere Lehrerin
Tätigkeitsbereich Grundschule
Infektionsrisiko, z.B. durch Cytomegalie
Viruserkrankung
Wird selten diagnostiziert, da meist ohne Symptome verlaufend
Erkrankte Kinder besuchen in der Regel weiter den Kindergarten oder die
Schule
Übertragung durch Körperflüssigkeiten, wie Urin, Speichel durch Kontakt zu
Schleimhäuten oder Wunden
Haltbarkeit des Virus auf feuchten Oberflächen bis zu 6 Stunden
Die Infektiosität bei Erkrankung nimmt bei Kindern mit zunehmendem Alter ab
Keine Impfung möglich
Ca. 58% der Schwangeren sind nicht immun
Beispiel aus der Praxis
Infektionsrisiko, z.B. durch Cytomegalie
Gefahren für das Kind
Ca. 0,5% aller Schwangeren infizieren sich während der Schwangerschaft
Eine Übertragung auf das Kind ist in jeder Schwangerschaftsphase möglich
Schwere der Erkrankung und Abort-Risiko nimmt mit zunehmender
Schwangerschaftsdauer ab (1.Trimenon: 4% schwere Erkrankungen, 20%
Abort)
Spätfolgen bei erkrankten Kindern: Hör-, Sehstörungen, geistige Retardierung
(IQ < 70), motorische Einschränkungen
:
Daten aus S2k-Leitlinie „Labordiagnostik schwangerschaftsrelevanter Virusinfektionen“
AWMF Registernummer 0093/001
Beispiel aus der Praxis
Infektionsrisiko, z.B. durch Cytomegalie
Schutzmaßnahmen
Hygieneberatung der Schwangeren
Vermeidung eines Kontaktes von Körperflüssigkeiten zu Schleimhäuten
(Mund, Augen) oder Wunden
Sorgfältige Händehygiene
(Empfehlung vieler Arbeitsschutzbehörden: Kein Kontakt zu Kindern mit
Behinderung !?)
Beispiel aus der Praxis
Infektionsrisiko, z.B. durch Cytomegalie
Fragestellungen
Kann ein Kontakt von Körperflüssigkeiten zu Schleimhäuten (Mund, Augen)
oder Wunden wirklich immer sicher vermieden werden
Wer übernimmt die Verantwortung, falls es trotz sorgfältiger Gefährdungsbeurteilung und Aufklärung der Schwangeren zu einer Infektion kommt
Kann die Beschäftigung einer Schwangeren trotz individuell bestehender und
nicht ausräumbarer Ängste vom Arbeitgeber durchgesetzt werden (oder ist
hier evt. ein ärztliches Beschäftigungsverbot aufgrund einer psychischen
Gefährdung angezeigt)
Zusammenfassung
Ziel von Mutterschutz und Arbeitsschutz ist die Weiterbeschäftigung der
Schwangeren
Grundlage ist eine sorgfältige Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung
der Schwangeren und bei Bedarf des Betriebsärztlichen Dienstes und der
Arbeitssicherheit
Information der schwangeren Kollegin über die Risiken und mögliche
Schutzmaßahmen
Maßnahmen sollten im Zweifelsfall immer gemeinsam zwischen Arbeitgeber,
schwangeren Kollegin und evt. Personalvertretung, Frauenbeauftragten,
Betriebsärztlichem Dienst festgelegt werden
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