Tierschutzrechtliche Anforderungen an Schweinemastanlagen und Anlagen zur Haltung von Zuchtschweinen und Ferkeln bis zum Absetzen von der Sau. Mit oben genanntem Erlass wurde mitgeteilt, dass bei der Festlegung anlagenbezogener Anforderungen im Rahmen der Genehmigung von Anlagen zur Schweinehaltung nach immissionsschutzrechtlichen oder baurechtlichen Vorschriften die Verordnung zum Schutz von Schweinen bei Stallhaltung vom 18. Februar (1994 BGBl. I S. 312), zuletzt geändert durch die zweite Verordnung zur Änderung der Schweinehaltungserordnung vom 2. August 1995 (BGBl. I S. 1016), keine Anwendung mehr finden kann. Der Erlass zur Festlegung der Anforderung an die Haltung von Mastschweinen vom 6. Juni 2001, Az. w.o., wird in nachfolgender Form modifiziert. Ich bitte Sie, ab sofort bei der Errichtung und Inbetriebnahme von Anlagen zur Haltung von Schweinen zur Durchsetzung der Anforderungen des § 2 Tierschutzgesetz und der Empfehlungen des Europarates zur Haltung von Schweinen die nachfolgenden Maßnahmen anzuwenden. Soweit in den nachfolgenden Festlegungen bestimmte Bereiche nicht geregelt werden, sind die materiellen Anforderungen der o.g., als nichtig anzusehenden Schweinehaltungsverordnung als Mindeststandard ausreichend. I. Allgemeines Der Stall muss nach seiner Bauweise, seinem Material, seiner technischen Ausstattung und seinem Zustand so beschaffen sein, dass von ihm keine vermeidbaren Gesundheitsschäden für die Schweine ausgehen können und eine Deckung der Grundbedürfnisse der Tiere möglich ist. Schweine müssen Sichtkontakt zu anderen Schweinen haben. Die Schweine müssen insbesondere liegen, aufstehen, sich hinlegen, eine natürliche Körperhaltung einnehmen sowie ungehindert Futter und Wasser aufnehmen können. Bei Anzeichen von Erkrankung, Verhaltensstörungen, Unverträglichkeiten in der Gruppe sowie bei körperlichen Schäden müssen die für die Pflege und Betreuung der Schweine verantwortlichen Personen unverzüglich die jeweilige Ursache ermitteln und Abhilfe schaffen. Kranke und verletzte Tiere müssen erforderlichenfalls in geeigneten Haltungseinrichtungen mit trockener, weicher Einstreu oder Unterlage abgesondert werden können. Die Pflege und Betreuung der Schweine muss durch eine oder mehrere Betreuungspersonen erfolgen, die über die hierfür notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen. Über diese Kenntnisse und Fähigkeiten ist ein Sachkundenachweis zu führen. Als Sachkundenachweis gilt eine abgeschlossene landwirtschaftliche Ausbildung oder eine Bescheinigung der Landwirtschaftskammern. Weiterhin kann die Sachkunde ebenfalls von den Landwirtschaftskammern bescheinigt werden, wenn eine einschlägige berufliche Ausbildung für die zu betreuende Tierart vorliegt oder die Person ohne Beanstandungen mindestens schon 5 Jahre lang Schweine regelmäßig betreut. Um die angemessene Betreuung der Tiere sicherzustellen, sollte zur Versorgung von 1500 Mastschweineplätzen oder 250 Sauenplätzen ca. eine Vollzeitarbeitskraft (einschließlich der übrigen landwirtschaftlichen Arbeiten, wie z.B. dazugehöriger Ackerbau, Gülleausbringung etc.) zur Verfügung stehen. Dabei sind neben dem Betriebsleiter/der Betriebsleiterin auch mithelfende Familienangehörige im Umfang ihrer Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb und landwirtschaftliche Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Die für die Betreuung verantwortlichen Personen ins im Genehmigungsantrag zu benennen. II. Anlagen zum Halten von Mastschweinen 1. Lichtverhältnisse: In Stallgebäuden muss der Einfall von Tageslicht sichergestellt sein. Die Fensterfläche darf 3 % der Stallgrundfläche nicht unterschreiten; die Fenster müssen so angeordnet sein, dass im Tierbereich eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Lichtes erfolgt. Bei Änderungsgenehmigungsverfahren kann die Behörde hiervon im Einzelfall aus bautechnischen Gründen Ausnahmen zulassen, wenn sichergestellt ist, dass ein Tageslichteinfall in jedes Stallabteil gewährleistet ist. Eine Lichteinfallsfläche von 1,5 % muss jedoch in jedem Fall erreicht werden. Die Ställe sind so auszuleuchten, dass eine Lichtstärke von mindestens 60 Lux im Tierbereich erreicht wird. Werden Schweine in Ställen gehalten, in denen zu ihrer Pflege und Versorgung wegen eines zu geringen Lichteinfalls, etwa im Herbst oder im Winter, auch bei Tageslicht eine zusätzliche künstliche Beleuchtung zur Erreichung der Mindestlichtstärke von 60 Lux erforderlich ist, so muss der Stall mindestens 8 Stunden beleuchtet sein. Die Beleuchtung muss dem natürlichen Tagesrhythmus entsprechen. 2. Liegebereich Liegeflächen sind plan zu befestigen, sie dürfen drainiert sein, allerdings dürfen die Drainkanäle nicht mehr als ca. 10 % der Liegeflächen ausmachen. Dieser als Ruhefläche anzusehende Bereich ist mit einer, den Liegekomfort des Tieres fördernden Unterlage oder einem entsprechenden Belag (z.B. entsprechend perforierte Gummimatte, Stroheinstreu, kunststoffbeschichtete perforierte Böden u. ä.) auszustatten. Wenn Einstreu verwendet wird, muss diese aus Gründen der Tiergesundheit regelmäßig ausgetauscht werden. Als Alternative zur weichen Liegefläche kann den Tieren ein Außenauslauf zur Verfügung gestellt werden. Da Schweine beim Kotabsatz Ansätze von Revierverhalten zeigen und versuchen, ihre Bucht an den Grenzen zu den Nachbarbuchten zu markieren ist es vorteilhaft, die Liegefläche in der Mitte der Stallbucht einzurichten. Ach die Errichtung der Fütterungsstelle im Bereich der Liegefläche kann die Erhaltung einer sauberen Liegefläche unterstützen, da die Schweine offensichtlich vermeiden, in unmittelbarer Nähe der Fütterungsstelle zu koten. Zusätzlich gilt für abgesetzte Ferkel bis zu einem Körpergewicht von 30 kg Mindestens 50 % der uneingeschränkt nutzbaren Bodenfläche muss als Liegebereich ausgestattet sein. Dieser als Ruhefläche anzusehende Bereich ist so auszugestalten, dass eine ausreichende Thermoregulation der Tiere gewährleistet ist. Zusätzlich gilt für Mastschweine über 30 kg Körpergewicht: Mindestens ein Drittel der uneingeschränkt nutzbaren Bodenfläche muss als Liegebereich ausgestaltet sein. 3. Aktivitätsbereich Im Aktivitätsbereich (Flächen, die nicht als Liegebereich gelten) dürfen folgende Schlitzbreiten nicht überschritten werden: Durchschnittsgewicht der Schweine (kg) Ferkel bis 15 kg Ferkel 16 – 25 kg Mastschweine 26 – 125 kg Maximale Schlitzbreite (cm) 1,0 1,3 1,7 Insbesondere beim Einsatz von Betonspaltenböden sind die Grate der Betonleisten zu brechen bzw. abzurunden. 4. Stallgrundfläche Für die uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche je Tier dürfen folgende Werte nicht unterschritten werden: Durchschnittsgewicht Bis 10 kg 11 – 30 kg 11 – 30 kg 31 – 50 kg 31 – 50 Tiere 51 – 80 kg 51 – 80 kg 81 – 110 kg 18 – 110 kg 111 – 125 kg 111 – 125 kg Gruppengröße – Bis 29 Tiere Ab 30 Tiere Bis 29 Tiere Ab 30 Tiere Bis 29 Tiere Ab 30 Tiere Bis 15 Schweine Ab 16 Schweine Bis 15 Schweine Ab 16 Schweine Bodenfläche (m2/je Tier) 0,15 0,35 0,30 0,50 0,42 0,75 0,84 1,00 0,85 1,20 1,00 Insbesondere Großgruppen dienen der Erweiterung des Mobilitätsspielraums der Tiere. Aufgrund dessen kann die uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche pro Tier bei Großgruppenhaltung wie oben beschrieben verringert werden. 5. Stallklima Die Anlagen sind mit Lüftungen und Luftanlagen auszustatten, die sicherstellen, dass eine Schadgaskonzentration von 20 ppm NH3, ca. 30 cm über dem Boden gemessen, nicht überschritten wird. Zusätzlich sind in Stallungen für Mastschweine ab 26 kg Körpergewicht Einrichtungen zu installieren, die eine Abkühlung der Schweine bei hohen Stallinnentemperaturen sicherstellen. Eine effektive Abkühlungsmöglichkeit für Mastschweine ist bei hohen Stallinnentemperaturen erforderlich, damit die vorgesehene Trennung zwischen Liegebereich und Aktivitätsbereich auch bei höheren Außentemperaturen bestehen bleibt und die Tiere sich nicht im Aktivitätsbereich niederlegen, um sich dort abzukühlen. 6. Beschäftigungsmaterial Die Anlagen sind mit gesundheitlich unbedenklichem Beschäftigungsmaterial für Schweine auszustatten. Ziel der Einbringung ist die Befriedigung des angeborenen Erkundungsverhaltens der Schweine. Von den folgenden Varianten sind allen Schweinen mindestens der Zugang zu zwei verschiedenen, veränderbaren Beschäftigungsmöglichkeiten, die die Schweine anbeißen und bewegen können, anzubieten: 1. Spielketten mit befestigten Holz-/Gummiteilen 2. Strohraufen mit Auffangschallen 3. Beschäftigung durch Gestaltung der Futterdarreichungstechnik (Aktivitätserfordernis der Tiere zur Freisetzung von Futter, z. B. Einsatz von Breiautomaten) 4. Scheuerbaum und Bälle 5. Weitere, der Beschäftigung der Tiere im Sinne von Satz 2 dienenden Gerätschaften Auch einfache Ketten u. ä. können den Schweinen zusätzlich als Beschäftigungsmaterial zur Verfügung gestellt werden. III. Anlagen zur Haltung von Zuchtschweinen und Ferkeln bis zum Absetzen von der Sau Darüber hinaus sind für Anlagen zum Halten von Zuchtschweinen einschließlich noch nicht von der Sau abgesetzter Ferkel folgende zusätzlichen Tierschutzrelevanten Anforderungen zu stellen: 1. Lichtverhältnisse Die Beleuchtung in Zuchtställen muss den Anforderungen nach Nr. II.1. entsprechen: In Abweichung davon muss jedoch die Lichtstärke im Arbeitsbereich bei den Zuchttieren mindestens 100 Lux betragen. 2. Haltung von Sauen im Abferkelbereich: a) Grundfläche der Abferkelbucht: Die Abferkelbucht muss eine Mindestfläche von 4 m2 aufweisen. Innerhalb der Abferkelbucht sind beheizte und wärme gedämmte Ferkelnester einzurichten, die eine Mindestfläche von 0,6 m2 aufweisen müssen. Die Liegefläche der Ferkelnester muss geschlossen, planbefestigt und mit geeigneter weicher Unterlage versehen sein. b) Ferkelschutzkörbe in der Abferkelbucht Ferkelschutzkörbe im Abferkelbereich müssen in Breite und Länge verstellbar sein, um die der Größe der Sauen anpassen zu können. Ferner müssen die Ferkelschutzkörbe einen Klappmechanismus aufweisen, um einen freien Zugang zu den Sauen zu ermöglichen. Die lichte Höhe der Körbe muss mindestens 110 cm betragen. Die Wasserversorgung der Sauen muss nach Stand der Technik durch ständigen Zugang über den Trog oder über Tränkenippel gewährleistet sein. Sobald praxiserprobte technische Möglichkeiten vorhanden sind, die gewährleisten dass Sauen sich zu Geburt ohne höhere Ferkelverluste frei bewegen können, dürfen sie außer zu Behandlungen oder zu Eingriffen nicht mehr im Ferkelschutzkorb fixiert werden. Frei in der Abferkelbucht laufenden Sauen muss spätestens einen Tag vor dem errechneten Abferkeltermin geeignetes Nestbaumaterial zu Verfügung gestellt werden. c) Beschäftigungsmaterial Für Sauen im Abferkelbereich muss – bis auf weiteres – dem jederzeitigen Zugang zu Beschäftigungsmaterial durch ein mindestens zweimal tägliches Angebot von grobstrukturiertem Futter Rechnung getragen werden, es sei denn, die Sauen werden ab libitum gefüttert oder haben die Möglichkeit, sich jederzeit Futter in kleine Portionen aufzurufen. d) Absetzen der Ferkel Ferkel dürfen nicht vor dem 21. Tag nach der Geburt abgesetzt werden. Das Gewicht der Ferkel sollte zu dieser Zeit durchschnittlich 7 kg betragen, aber in keinem Fall unter 6 kg liegen. Bei Ferkeln, deren Gewicht unter 6 kg liegt, sollt die Vorsorgung gegebenenfalls durch eine Amme sichergestellt werden. Bei Erstellung des Raumprogrammes muss den unterschiedlichen Platzansprüchen Rechnung getragen werden. 3. Haltung der Sauen nach dem Absetzen (Haltung im Deckzentrum): Sauen müssen grundsätzlich in Gruppen gehalten werden. Da die Besamung oder Belegung der Sauen der entscheidende Zeitpunkt im Bereich der Schweinezucht ist, ist es aus arbeitstechnischen Gründen erforderlich, in dieser Zeit Besamungsstände bis zum 2. Tag nach Belegung zur Verfügung zu stellen. Die Haltung im Besamungsständen ist vom 3. Tag bis zum 28. Tag nach der Belegung zulässig, wenn die Sauen den Ausgang selbst bedienen, und/oder die Buchten verlassen können. 4. Haltung der Sauen nach der erfolgreichen Belegung oder Besamung bis kurz vor dem Abferkeln (Haltung im Wartestall): Sauen müssen grundsätzlich in Gruppen gehalten werden. Abweichend dürfen gruppenunverträgliche Tiere in Fressliegebuchten gehalten werden. Das Tier-Fressplatz-Verhältnis innerhalb der Gruppenhaltung darf bei Sattfütterung max. 4:1 betragen. 5. Flächen a) Stallgrundfläche je Tier: Für die uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche je Tier dürfen folgende Werte im Deck- und Wartestall nicht unterschritten werden: Durchschnittsgewicht (kg) 125 - 150 > 150 Gruppe ab 25 Sauen (> 150kg) Gruppe ab 40 Sauen (> 150 kg) Eber Bodenfläche (m2/je Tier) 1,70 2,50 2,20 2,00 6,00 Bei einer Gruppenhaltung von < 6 Sauen ist die uneingeschränkt nutzbare Bodenfläche um 10 % zu vergrößern. 6. Bodengestaltung a) Abferkelbucht Mindestens 40 % der Bodenfläche im Ferkelschutzkorb ist als Liegefläche zu gestalten. Der Perforationsgrad dieser Fläche darf 10 % nicht überschreiten. Ferner muss die Liegefläche planbefestigt und mit einer den Liegekomfort des Tieres fördernden Unterlage mit entsprechendem Belag (z. B. perforierte Gummimatte, Stroheinstreu, kunststoffbeschichtete perforierte Böden u. ä.) versehen sein. Die Schlitzbreite der Böden darf 10 mm nicht überschreiten. b) Fressliegebucht: Die Mindestfläche der Fressliegebucht ab Trog muss für Jungsauen 1,3 m2 (2 m x 0,60 m) und für Altsauen 1,4 m2 (2 m x 0,7 m) gemessen als Achsmaß betragen. Mindestens 50 % der Buchten müssen für Altsauen ausgelegt sein. Der Boden muss ab Trog auf 0,9 m Länge als Liegebereich ausgestaltet sein. Der Laufgang hinter den Fressliegebuchten muss mindestens 1,6 m breit sein. Die Schlitzbreite der Böden darf 20 mm nicht überschreiten. c) Gruppenhaltung Die Gruppenhaltung der Sauen erfolgt analog zur Gruppenhaltung der Mastschweine. Lediglich die Gruppengrößen in Relation zum Platzangebot und die maximale Schlitzbreite werden wie unter 5a) bzw. 6b) dieses Erlasses festgelegt. 7. Beschäftigungsmaterial im Wartestall Es sind die Anforderungen nach Nr. II.6 dieses Erlasses zugrunde zu legen. Insbesondere bei Sauen, bei denen erst vor kurzer Zeit die Ferkel abgesetzt wurden, dient sinnvolles Beschäftigungsmaterial der Ablenkung der Tiere und mindert die Rangordnungskämpfe zwischen den Sauen. 8. Weiterentwicklung von Haltungssystemen Zu Erprobungszwecken oder zur Weiterentwicklung von Haltungssystemen können Abweichungen von den vorstehenden Anforderungen im Einzelfall im Einvernehmen mit dem MUNLV zugelassen werden, wenn Zweck und Ausmaß der tierschutzrelevanten Anforderungen der vorstehenden Ausführungen erreicht werden. Ich bitte um Beachtung in neuen und laufenden Genehmigungsverfahren und um Neubegutachtung von Anlagen, deren Genehmigungsbescheide noch nicht bestandskräftig geworden sind. Einen Bericht über die Zahl der nach den o.g. Kriterien genehmigten Anlagen erbitte ich bis zum 1.12.2002. In Vertretung (Dr. Thomas Griese)