Umfassende Ejakulatanalyse bei Kinderwunsch WHO Update 2010

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Nr. 196
Umfassende Ejakulatanalyse bei Kinderwunsch
WHO Update 2010
Der unerfüllte Kinderwunsch ist ein zunehmend häufiges
Problem. Etwa 2 Millionen Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Die Tendenz ist steigend. Die Ursache einer
Infertilität in der Partnerschaft ist in etwa 40 Prozent der
Fälle zumindest teilweise beim Mann zu suchen. Bei unerfülltem Kinderwunsch eines Paares sollte deshalb nicht
nur die Frau, sondern auch der Mann untersucht werden.
Eine allgemeine und spezielle Anamnese, die körperliche
Untersuchung mit Beurteilung des äußeren Genitales (Hodengröße, Vorhandensein der Samenleiter, Ausschluss einer Varikozele) und ein Ultraschall des Hodens lassen viele
Probleme erkennen oder mögliche Ursachen ausschließen.
Eine Kontrolle der männlichen Sexualhormone kann zusätzlich spezielle Fragestellungen klären. Die wichtigste
Untersuchung, um die Zeugungsunfähigkeit des Mannes
abzuschätzen, ist jedoch die Untersuchung des Ejakulats
(Spermiogramm).
Materialgewinnung
Eine Ejakulatanalyse sollte nach einer sexuellen Karenz
von 4-5 Tagen beurteilt werden. Dazu gewinnt der Mann
Samenflüssigkeit durch Masturbation. Eine zügige Analyse
nach Ejakulatgewinnung ist die Grundlage für eine richtige Bewertung des Befundes. Deshalb sollte die Gewinnung
ausschließlich im Labor und nicht im häuslichen Milieu
stattfinden. Aufgrund der biologischen Varianz sollten immer 2 Spermiogramme im Abstand von 2-3 Wochen untersucht werden, um die männliche Zeugungsfähigkeit sicher
beurteilen zu können.
Methodik und klinische Bewertung
Die Ejakulatanalyse erfolgt nach den 2010 durch die WHO
überarbeiteten Kriterien. Die Untersuchung umfasst folgende Schritte:
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Makroskopische Beurteilung (Volumen, pH-Wert, Farbe, Konsistenz, Verflüssigungszeit): Veränderungen
können u.a. einen Hinweis auf Infektionen oder einen
Enzymmangel geben.
Nativpräparat (Spermienzahl und -motilität, Leukozyten, Erythrozyten, Rundzellen): Die mikroskopische
Beurteilung der zellulären Komponenten des Ejakulates
erlaubt weiterführende Hinweise hinsichtlich der morphologischen Besonderheiten.
Eosintest: Mittels dieser speziellen Färbung werden vitale und avitale Spermien differenziert.
MAR-Test: Diese immunologische Methode erlaubt den
Nachweis von Spermienautoantikörpern.
Teratozoospermieindex (TZI): Der bisher berechnete TZI
kann praktisch nach dem WHO-Update nicht mehr berechnet werden und fällt deshalb ersatzlos weg.
Fruktose im Seminalplasma: Die Fruktose erlaubt eine
Beurteilung der Energiereserve im Ejakulat.
Chlamydia trachomatis-IgA-Antikörper als Hinweis auf
frische oder kürzlich durchgemachte Infektion: Die
Chlamydieninfektion ist eine wesentliche Ursache der
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Infertilität der Frau. Es wird auch diskutiert, inwieweit
diese beim Mann zur Infertilität oder Subfertilität füh ren kann. Bei positivem oder fraglich positivem Antikör pernachweis wird ergänzend zum Nachweis einer akti ven Chlamydieninfektion die Chlamydien PCR durchgeführt.
• Bakteriologische Untersuchung: Bei mikroskopischen
Hinweisen auf einen bakteriellen Infekt (Leukozyten,
Bakterien…) wird eine Kultur angelegt.
• Zink im Seminalplasma: Dieser biochemische Marker
gibt Hinweise auf den Funktionszustand der Prostata.
Aus der Summe dieser quantitativen und qualitativen Untersuchungen ist eine Einschätzung der Fertilität möglich.
Referenzbereiche (WHO-Richtlinien)
Die nach dem Update der WHO 2010 überarbeiteten Referenzbereiche finden Sie in der Tabelle 1. Diese mussten in
den letzten Jahren deutlich nach unten korrigiert werden,
d.h. die Normalpopulation von heute zeigt Werte, die noch
vor Jahren deutlich pathologisch waren. Die Entwicklung
sehen Sie in den Diagrammen 1-2.
Durchführung
Die Analytik wird wöchentlich, jeweils am Mittwoch vormittag durchgeführt. Der Patient füllt einen Anamnesebogen
aus. Auf Wunsch stellen wir Ihnen neben dem Befund auch
den Anamnesebogen in Kopie zur Verfügung. Eine telefonische Voranmeldung unter der Telefonnummer 030-77001 0
ist erforderlich.
Abrechnung
Die Abrechnung der Ejakulatanalyse ist im Leistungsspektrum des EBM und der GOÄ enthalten. Sie bezieht die Bestandteile Spermiogramm, Eosin-Test, Fruktose im Seminalplasma, Chlamydien-IgA-Antikörper, Chlamydien PCR
(bei positivem oder fraglich positivem IgA-Antikörper),
Mixed Antiglobulin Reaction (MAR-Test), Kultureller Erregernachweis (nur bei Verdacht oder Hinweis auf bakteriellen Infekt) und Zink ein.
Begriffsbestimmung
In Tabelle 2 finden Sie die Hinweise zur Terminologie.
Literaturauswahl
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Nieschlag E, Behre HM (2000) Andrologie. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.
World Health Organization. WHO Laboratory Manual for the Examination
of Human Semen and Sperm-Cervical.
Mucus Interaction. 5tth edn.: Cambridge University Press, 2010.
Keck C, Neulen J, Breckwoldt M (1997) Endokrinologie, Reproduktionsmedizin, Andrologie. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York.
Ochsendorf F, Beschmann HA (1996) Männliche Infertilität. Springer
Verlag, Berlin, Heidelberg, New York.
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Dr. Wolf-D. Müller
bitte wenden
Tabelle 1:geänderte Referenzbereiche nach WHO-Richtlinien 2010
Ejakulatvolumen pro Samenerguss
> 1,5 ml
PH
> 7,2
Spermienkonzentration
> 15 Mio. Spermien/ml
Spermiengesamtzahl
> 39 Mio. Spermien/Gesamtejakulat
Motilität (Beweglichkeit)
> 32 % progressiv bewegliche Spermien
> 40 % bewegliche Spermien (progressiv + nicht progressiv beweglich)
Morphologie
> 4 % normal geformte Spermien
Vitalität (Anteil lebender Spermien)
> 58 % vitale Spermien (Eosin*)
Teratozoospermieindex (TZI)
Nicht mehr berechenbar (Angabe entfällt)
MAR-Test (Spermatozoen- Antikörperbestimmung)
< 10 % Spermien negativ
< 50 % Spermien grenzwertig
Tabelle 2: Terminologie bei Abweichungen vom Normalbefund
Aspermie
kein Samenerguss
Multisemie (Polysemie)
> 6 ml Ejakulatvolumen
Parvisemie (Hypospermie)
< 1,5 ml Ejakulatvolumen
Kryptozoospermie
< 1 Mio. Spermien/ml (erst im Zentrifugat)
Hyperzoospermie
> 150 Mio. Spermien/ml
Oligozoospermie
< 15 Mio. Spermien/ml
Polyzoospermie
> 200 Mio. Spermien/ml (als relative Polyzoospermie bei Parvisemie)
Asthenozoospermie
< 32% motile Spermien
Teratozoospermie
< 4% normale Formen
Nekrozoospermie
keine Beweglichkeit der Spermien,
im Eosin-Test keine vitalen Spermien
Leukospermie
Entzündung, meist Prostatitis
Oligo-Astheno-Terato-Zoospermie
Kombination von geringer Zahl, schlechter Beweglichkeit und zu vielen
Fehlformen der Spermien.
< 15 Mio. Spermien/ml
Azoospermie
keine Spermien im Samenerguss
45
40
Ejakulatvolumen (ml)
35
30
Diagramm 1: Referenzbereichsänderungen
von 1987 - 2010 (Ejakulatvolumen, Spermiengesamtzahl,
Spermienkonzentration)
Gesamtzahl
Spermien (Mio)
25
20
15
Spermien
Konzentration
(Mio/ml)
10
5
0
1987
1992
1999
2010
80
70
60
normal bewegliche
Spermien
50
vitale Spermien (%)
40
30
normale Formen (%)
20
10
0
1987
1992
1999
2010
Diag-Info: 196 Version: 4
Diagramm 1: Referenzbereichsänderungen
von 1987 - 2010 (Anzahl normal beweglicher
Spermien, vitale Spermien, normale Formen)
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