18 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) § 3. Der größte gemeinsame Teiler (3.1) DEF: a und b seien beliebige ganze Zahlen. a) Eine ganze Zahl t heißt gemeinsamer Teiler von a und b , wenn gilt t | a und t | b . b) GT + (a, b) bezeichne die Menge der nichtnegativen gemeinsamen Teiler von a und b . BEM: Es ist GT + (a, b) = { t | t ∈ (3.2) SATZ: Für a, b ∈ N 0 , t | a und t | b } ⊆ N 0 . Z gilt: a) GT + (a, b) = T + (a) ∩ T + (b) b) a | b ⇐⇒ c) GT + (0, 0) = GT + (a, b) = T + (a) N 0 (diese Menge ist unendlich!) d) Sind a und b nicht beide 0 , so ist GT + (a, b) ⊆ eine nichtleere endliche Menge. N (3.3) SATZ und DEF: Seien a und b ganze Zahlen, die nicht beide 0 sind. Dann gibt es in der Menge GT + (a, b) der nichtnegativen gemeinsamen Teiler von a und b ein größtes Element, das der größte gemeinsame Teiler (abgekürzt ggT) von a und b genannt wird. Bezeichnung: ggT(a, b) := max(GT + (a, b)) . Frage: Wie läßt sich der ggT berechnen? (3.4) SATZ: Für ganze Zahlen a und b , die nicht beide 0 sind, gilt: a) ggT(a, b) = ggT(b, a) b) ggT(a, b) = ggT(|a|, |b|) c) a | b ⇐⇒ ggT(a, b) = |a| d) ggT(a, 0) = |a| (falls a 6= 0) (3.5) SATZ: Seien a, b, q, r ganze Zahlen, für die a = qb + r gilt. Dann folgt: a) GT + (a, b) = GT + (b, r) . b) Sind a und b nicht beide Null, so gilt ggT(a, b) = ggT(b, r) . 19 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) Mit (3.4) und (3.5) haben wir die erforderlichen Hilfsmittel, um den ggT zweier ganzer Zahlen berechnen zu können. Diese Berechnungsmethode heißt Euklidischer Algorithmus . Wir fangen mit zwei Beispielen an. Zuerst berechnen wir den ggT von a = 322 und b = 266 . Dazu führen wir sukzessive Divisionen mit Rest aus. Zuerst teilen wir a durch b , wobei der Rest r entsteht. Dann teilen wir b durch r . In jedem weiteren Schritt teilen wir den vorletzten Rest durch den letzten Rest: 322 = 1 · 266 + 56 =⇒ ggT(322, 266) = ggT(266, 56) (nach (3.5b)) 266 = 4 · 56 + 42 =⇒ ggT(266, 56) = ggT(56, 42) (nach (3.5b)) 56 = 1 · 42 + 14 =⇒ ggT(56, 42) = ggT(42, 14) (nach (3.5b)) 42 = 3 · 14 + 0 =⇒ ggT(42, 14) = 14 (nach (3.4c)) Damit haben wir die folgende Gleichungskette ggT(322, 266) = ggT(266, 56) = ggT(56, 42) = ggT(42, 14) = 14 Der letzte von 0 verschiedene Rest ist also der ggT. Die Frage, die sich hier stellt, ist also die, ob wir immer erwarten können, dass der Rest bei diesem Verfahren irgendwann einmal 0 wird. Für die Reste in unserem Beispiel gilt: 56 > 42 > 14 > 0 . Mit jedem Schritt wird ein Rest echt kleiner als der vorhergehende, bleibt aber immer ≥ 0 . Da es zwischen 56 und 0 nur endlich viele ganze Zahlen gibt, muss also der Rest nach endlich vielen Schritten 0 werden. Auch für größere Zahlen lässt sich der Euklidische Algorithmus ohne Probleme anwenden: Wir wollen den ggT von a = 651402 und b = 632988 berechnen: 651402 = 1 · 632988 + 18414 632988 = 34 · 18414 + 6912 18414 = 2 · 6912 + 4590 6912 = 1 · 4590 + 2322 4590 = 1 · 2322 + 2268 2322 = 1 · 2268 + 54 2268 = 42 · 54 + 0 ggT(a, b) = 54 Auch hier werden die Reste immer kleiner, und am Ende wird der Rest 0 18414 > 6912 > 4590 > 2322 > 2268 > 54 > 0 . Wir schreiben im folgenden den euklidischen Algorithmus allgemein auf: 20 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) Der euklidische Algorithmus (EA) (3.6) Seien a, b ∈ N . Die Folgen (rk )k≥0 , (qk )k≥1 seien rekursiv definiert durch: N r0 := a , r1 := b. Für k ∈ 0 sei qk+1 der Quotient und rk+2 der Rest bei Division von rk durch rk+1 , falls rk+1 6= 0 , d.h. (⋆) rk = qk+1 · rk+1 + rk+2 Dann gibt es eine Zahl n ∈ N mit 0 ≤ rk+2 < rk+1 mit rn 6= 0 und rn+1 = 0 , wobei gilt rn = ggT(a, b) Bew: Wir führen wiederholte Division mit Rest aus. Dies ist solange möglich, wie die Zahl, durch die geteilt ist, von 0 verschieden ist. r0 r0 r1 r2 = = = = .. . a q1 q2 q3 , r1 = b · r1 + r2 mit · r2 + r3 mit · r3 + r4 mit 0 ≤ r2 < r1 0 ≤ r3 < r2 0 ≤ r4 < r3 rk = qk+1 · rk+1 + rk+2 .. . mit 0 ≤ rk+2 < rk+1 Annahme: rk > 0 für alle k ≥ 2. Dann folgt b = r1 > r2 > r3 > r4 > . . . > rk > . . . > 0, d.h. es gibt unendlich viele natürliche Zahlen < b. Widerspruch! N Folglich gibt es ein n ∈ mit rn+1 = 0 und rn 6= 0 . Zu zeigen bleibt, dass rn wirklich der ggT von a und b ist. Dazu schreiben wir noch einmal das Divisionsschema auf: (⋆) (1) (2) (3) r0 r0 r1 r2 = = = = .. . a q1 q2 q3 , r1 = b · r1 + r2 mit · r2 + r3 mit · r3 + r4 mit 0 < r2 < r1 0 < r3 < r2 0 < r4 < r3 (n − 2) rn−3 = qn−2 · rn−2 + rn−1 mit 0 < rn−1 < rn−2 (n − 1) rn−2 = qn−1 · rn−1 + rn mit 0 < rn < rn−1 (n) rn−1 = qn · rn + rn+1 | {z } =0 Mit Hilfe von (3.5b) folgt nacheinander aus den einzelnen Gleichungen: (1) (2) (3) ggT(a, b) = ggT(r0 , r1 ) = ggT(r1 , r2 ) = ggT(r2 , r3 ) = ggT(r3 , r4 ) = (n−2) (n−1) (n) . . . = ggT(rn−2 , rn−1 ) = ggT(rn−1 , rn ) = rn Das letzte Gleichheitszeichen gilt wegen (3.4c) , da rn | rn−1 aus (n) folgt. Folglich ggT(a, b) = rn . 21 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) (3.7) BEM: a) In dem Divisionsschema (⋆) liest man den ggT als den letzten von Null verschiedenen Rest ab. b) Der EA (3.6) liefert eine Berechnungsmethode für den ggT von zwei natürlichen Zahlen ≥ 1 . Berücksichtigt man (3.4) , so lässt sich damit auch der ggT von zwei beliebigen ganzen Zahlen, die nicht beide 0 sind, berechnen. Eine Erweiterung des euklidischen Algorithmus liefert noch ein anderes wichtiges Ergebnis. Dazu betrachten wir noch einmal das erste Beispiel auf der vorigen Seite zur Berechnung von ggT(322, 266) (1) 322 = 1 · 266 + 56 (2) 266 = 4 · 56 + 42 (3) = 1 · 42 + 14 56 Wir lösen die Gleichung (3) nach dem ggT 14 auf: (⋆) 14 = 56 − 1 · 42 Für 42 erhalten wir aus der Gleichung (2) 42 = 266 − 4 · 56 und setzen dies in (⋆) ein und fassen zusammen 14 = 56 − 1 · (266 − 4 · 56) (⋆⋆) 14 = 5 · 56 − 1 · 266 Als nächstes lösen wir (1) nach 56 auf und setzen 56 = 322 − 1 · 266 in (⋆⋆) ein: 14 = 5 · (322 − 1 · 266) − 1 · 266 14 = 5 · 322 − 6 · 266 14 = 5 · 322 + (−6) · 266 Damit haben wir ggT(322, 266) als ganzzahlige Linearkombination von 322 und 266 dargestellt. Dieses Ergebnis gilt auch allgemein. 22 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) (3.8) Der erweiterte euklidische Algorithmus (EEA) N Seien a, b ∈ . Wir wollen die Gleichungskette (⋆) aus dem Beweis von (3.6) von unten nach oben , beginnend mit der Gleichung (n − 1), sukzessive nach den Resten auflösen und die Reste einsetzen: aus (n − 1): (+) rn = rn−2 − qn−1 · rn−1 = 1 · rn−2 + (−qn−1 ) · rn−1 d.h. rn ist eine ganzzahlige Linearkombination von rn−1 und rn−2 . aus (n − 2): rn−1 = rn−3 − qn−2 · rn−2 in (+) eingesetzt: d.h. rn = rn−2 − qn−1 · rn−1 = rn−2 − qn−1 · (rn−3 − qn−2 · rn−2 ) rn = (1 + qn−1 · qn−2 ) · rn−2 − qn−1 · rn−3 . Damit ist rn eine ganzzahlige Linearkombination von rn−2 und rn−3 . Setzt man dieses Verfahren so fort, erhält man schließlich rn als ganzzahlige Linearkombination von r1 und r0 , d.h. von b und a . Es gibt also x, y ∈ mit Z ggT(a, b) = rn = x · a + y · b . (3.9) SATZ: Der ggT g zweier ganzer Zahlen a und b , die nicht beide 0 sind, lässt sich als ganzzahlige Linearkombination von a und b darstellen, d.h. es gibt Zahlen x, y ∈ mit g = xa + yb . Z Diese Koeffizienten x und y lassen sich mit dem EEA berechnen. Sie sind nicht eindeutig bestimmt. (3.10) SATZ: Sind a und b zwei ganze Zahlen, die nicht beide 0 sind, so gilt GT + (a, b) = T + (ggT(a, b)) . Insbesondere ist also jeder gemeinsame Teiler von a und b ein Teiler des ggT’s von a und b . Unsere Definition (3.3) des ggT’s als max(GT + (a, b)) macht nur für Zahlen Sinn, die nicht beide 0 sind. Im Falle a = b = 0 gilt nämlich GT + (0, 0) = 0 nach (3.2c) , und diese Menge besitzt kein größtes Element. Da Ausnahmen immer unschön sind, definieren wir (nicht ohne guten Grund): N (3.11) DEF: ggT(0, 0) := 0 . Damit ist dann der ggT ohne Ausnahme für je zwei ganze Zahlen definiert, und die Sätze (3.4) und (3.10) gelten für beliebige ganze Zahlen. Insbesondere ist auch ggT(0, 0) = 0 = 1 · 0 + 1 · 0 eine ganzzahlige Linearkombination von 0 und 0 , so dass auch (3.9) ohne Einschränkung richtig ist. 23 Chr.Nelius : Zahlentheorie (SoSe 2016) (3.12) DEF: Zwei ganze Zahlen a und b heißen teilerfremd , wenn ggT(a, b) = 1 gilt. BEM: Sind a und b teilerfremd, so sind 1 und −1 die einzigen gemeinsamen Teiler von a und b , und es gilt GT + (a, b) = {1} . (3.13) SATZ: Zwei ganze Zahlen a und b sind genau dann teilerfremd, wenn es Zahlen x, y ∈ gibt mit xa + yb = 1 . Z (3.14) SATZ: Für a, b, c ∈ Z gelten die folgenden Aussagen: a) a | c und b | c und ggT(a, b) = 1 b) a | (b · c) und ggT(a, b) = 1 =⇒ =⇒ (a · b) | c a|c. BEM: Ohne die Voraussetzung, dass die Zahlen a und b teilerfremd sind, gelten die Aussagen des Satzes (3.14) i.a. nicht: Gegenbeispiel zu a) : 4 | 12 und 6 | 12 , aber 4 · 6 = 24 ist kein Teiler von 12 . b) 6 | (4 · 9) , aber 6 6 | 4 und 6 6 | 9 . (3.15) SATZ: Seien a und b ganze Zahlen, die nicht beide 0 sind, und es sei g := ggT(a, b) . Dann gibt es ganze Zahlen a′ und b′ mit folgenden Eigenschaften: a = ga′ , b = gb′ , ggT(a′ , b′ ) = 1 . Q läßt sich eindeutig in gekürzter Form darstellen, (3.16) SATZ: Jede rationale Zahl r ∈ d.h. es gibt eindeutig bestimmte ganze Zahlen a und b mit r = Bemerkung: a , b > 0 , ggT(a, b) = 1 . b Dieses Ergebnis wurde schon für den Beweis von (1.24) benötigt!