Bioethik Bioethik (V/Ü2) 1 Creditpoint P. Scherer-Geiß, Dipl.-Päd. Geschäftsführerin des Zentrums für Bioinformatik an der Universität d. Saarlandes Geb. E 1 1 Postfach 151150 66041 Saarbrücken Zentrum für Bioinformatik Bioethik 0. Einführung 1. Was ist Bioethik? 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien 1.2 Bioethik im Rahmen der Bereichsethiken 1.3 Historische Aspekte 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen Zentrum für Bioinformatik Bioethik 2. Status menschlicher Embryonen 2.1 Pränatal – und Präimplantationsdiagnostik 2.2 Embryonale Stammzellenforschung 3. Gentechnische Reproduktionsmedizin 3.1 Therapeutisches und Reproduktives Klonen Zentrum für Bioinformatik Bioethik 4. Patentierung gentechnologischer Veränderungen 4.1 Patente am Leben 5. Organtransplantation / Transplantationsmedizin 6. Patientenverfügung / Patientenautonomie 7. Sterbehilfe und Euthanasie Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 1) • Als allgemeinste Definition kann unter Bioethik die ethische Reflektion jener Sachverhalte verstanden werden, die den verantwortlichen Umgang mit Leben betreffen • Dabei geht es auch um Fragen des verantwortlichen Umgangs mit jeglicher Art außermenschlichen Lebens • Der Begriff „ Bioethik“ wird mehrdeutig verwendet Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 2) • Aus dem Griechischen: „bios“ = Leben und „Ethos“ = die richtigen Verhaltensweisen; „Ethik“ = Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen • Oberbegriff für eine Verantwortung des Menschen für alle Formen des Lebens (ANTOR & BLEIDICK 2000 ,190) • Konzentration der Bioethik auf Fragen des Lebensrechts bestimmter Menschen bzw. menschlicher Stadien: Föten, Embryonen, Neugeborene, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit chronischen Krankheiten, alte Menschen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 3) • Bioethik befasst sich mit den ethischen Problemen der Anwendung von biologischem und medizinischem Wissen auf das einzelne Lebewesen (Krankenversorgung, Gesundheitsvorsorge, Forschungseingriffe etc.) • Bioethik bezeichnet zum einen ein Forschungsgebiet der angewandten Ethik, zum anderen ein kontrovers diskutiertes politisches Gebiet, in dem z.B. über die Unterzeichung der Bioethik – Konvention oder die Zuverlässigkeit von Sterbehilfe, Präimplantationsdiagnostik und embryonaler Stammzellen forschung gestritten wird. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 4) • Thema der Bioethik: begründete Stellungnahme zu und moralische Bewertung der Eingriffe in menschliches, tierisches oder pflanzliches Leben • Bioethik: die auf die biomedizinische Forschung angewandte Ethik • Bioethik umfasst nicht das Leben ganzheitlich, sondern ist in den 60er Jahren als Ethik der Biomedizin und damit der weitgehend naturwissenschaftlich orientierten Schulmedizin entstanden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 5) • Durch die Genomforschung entsteht Bedarf an gesellschaftlicher Reflektion der Entwicklung in der Bioinformatik. • In der universitären naturwissenschaftlichen Ausbildung ist die dafür nötige Sensibilisierung für ethische und gesellschaftliche Fragestellung jedoch bislang so gut wie nicht vorhanden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1. Was ist Bioethik? (Teil 6) • Hier ist Handlungsbedarf: Erreicht werden muss die Einbeziehung der sozialen und ethischen Dimensionen des eigenen späteren Forschungshandelns in die universitären Studiengänge und die Schaffung der hierfür notwendigen Ressourcen z.B. Vorlesung : Bioethik • In England beispielsweise sind in den letzten Jahren drei universitäre „Center for Genomics in Society“ gegründet worden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1. Grundbegriffe und ethische Theorien Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 1) • Über Begriff und Begründung der Bioethik wird in der Öffentlichkeit heftig gestritten. • Das Wort Bioethik stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum und hat dort seine Bedeutung unter dem Eindruck der gesamten Entwicklung der modernen biomedizinischen Forschung genommen. • „Bioethics“ meint „Medical Ethics“ • In diesem Sinne wurde es auch zunächst im deutschen Sprachraum rezipiert Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 2) • Insgesamt ergibt sich in gewisser Weise eine Uneindeutigkeit des Begriffs Bioethik • Darin kann die Chance liegen, auf Zusammenhänge hinzuweisen und einer vorschnellen Abschottung von Fragestellungen gegeneinander vorzubeugen, eine Gefahr, welche die Einteilung der Angewandten Ethik in „Bereichsethiken“ sicherlich vor Augen haben muss. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 3) • Während die Naturwissenschaften davon leben, Problemstellungen zu isolieren, ist die Bioethik darauf angewiesen, Zusammenhänge herzustellen • Zahlreiche einzelne Sachfragen müssen berücksichtigt werden, für die ein Einzelner letztlich nicht mehr kompetent sein kann und bei denen er die Ergebnisse anderer Wissenschaften zur Kenntnis nehmen und einbeziehen muss. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 4) • Es gilt beispielsweise längerfristige Folgen bestimmter Handlungen interdisziplinär zu erörtern • Es geht nicht allein um die Abschätzung technischer Folgen, sondern auch um die damit verbundenen Veränderungen sozialer Zusammenhänge und der Lebensmöglichkeiten von Menschen Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 5) • Ein Problem der Bioethik besteht sicherlich darin, dass es heute Forschungsentwicklungen moralisch zu beurteilen gilt, deren Anwendungspotentiale oftmals vorerst nur schwer bestimmbar sind • Bei Diskussionen um den Hirntod oder der Forschung an menschlichen Embryonen ist es nicht schwer, zu sagen, was hier in moralischer Hinsicht strittig ist. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 6) • Bei anderen Fragen ist es bedeutend schwieriger: beim Einsatz gentechnischer Verfahren in der Landwirtschaft; bei der Patentierung von Forschungsergebnissen der Gen- und Biotechnologie. • Die Bioethik ist angewiesen auf die Ergebnisse und Methoden von Biologie, Agrarwissenschaften, Ökonomie und Sozialwissenschaften. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 7) • Angesichts einer Pluralität der moralischen Überzeugungen und angesichts einer Vielzahl divergierender ethischer Theorien kann man sich nicht einfach auf bestehende Konsense zurückziehen. • Die Notwendigkeit für eine interdisziplinär angelegte Forschungstätigkeit ergibt sich gerade aus dieser Komplexität des Gegenstandsbereichs. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 8) • Während es in den Naturwissenschaften selbstverständlich ist, dass zu kleinsten Fragestellungen weltweit Forschungsgruppen arbeiten, ist man offensichtlich der Meinung, dass man die sehr viel komplexeren Fragen der Bioethik, die nur zu oft Menschheitsfragen und Fragen um Leben und Tod betreffen, dem Bemühen einiger weniger überlassen kann. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 9) • In einer demokratischen Gesellschaft kann jede Gruppe Stellungnahmen abgeben, und die entsprechenden rechtlichen Institutionen haben rechtlich verbindliche Regelungen zu schaffen. • In den vergangenen Jahren sind häufig Bioethik-Kommissionen entstanden, wobei die Frage ihrer Kompetenz auftaucht. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 10) • Besteht eine derartige Kommission aus verschiedenen gesellschaftlichen Vertretern, so kann sie die Aufgabe haben, in gewisser Weise Konsensmöglichkeiten auszuloten. • Eine derartige Kommission besitzt dann keine genuin wissenschaftliche Kompetenz, sondern ist Spiegel der Gesellschaft. • Eine andere Form von Kommission ist die wissenschaftliche Expertenkommission. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 11) • Ihre Aufgabe besteht darin, den wissenschaftlichen Sachverstand zu ethisch relevanten Fragen zu bündeln, Lösungsvorschläge zu erarbeiteten und für die Politik verständlich aufzuarbeiten. • Von zentraler Bedeutung ist, dass moderne Gesellschaften ihre moralische Reflexionsfähigkeit erhöhen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 12) • Wir sind konfrontiert mit Veränderung unserer Lebenswelt und unserer Verantwortungsspielräume, die tief greifende moralische Verunsicherungen mit sich bringen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 13) • 1971 veröffentlichte der an der University of Wisconsin lehrende Onkologe Van Rensselaer Potter (1911 – 2001) das Buch „Bioethics. Bridge to the Future“. • Potter sah sich als Erfinder des Wortes „bioethics“ und forderte eine auf das Überleben des Menschen ausgerichtete Zukunftsethik, welche die biologischen Grundlagen des Menschen und seiner Umwelt ernst nimmt. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 14) • In den USA entwickelte sich parallel hierzu jedoch noch eine weitere Bedeutung des Wortes „bioethics“, die bis heute vorherrschend ist. • Der Begriff wurde verwendet, um eine Alternative zur traditionellen, am Standesethos von Ärzten orientierten Medizinethik zu markieren Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 15) • Danach bezeichnet „bioethics“ eine im Kern philosophische Dimension, die sich von der Medizinethik unterscheidet. • Es geht um den Versuch, die Verantwortung des Menschen für Leben in der Vielfalt seiner Aspekte systematisch aufzuschlüsseln und in einen übergreifenden Gesamtzusammenhang zu rücken. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.1 Grundbegriffe und ethische Theorien (Teil 16) • Zentrale Leitbegriffe der Ethik sind: • • • • • • Prinzipien Werte Normen Verantwortung Gewissen Schuld • In der angewandten Ethik geht es vorrangig um die ethische Reflexion moderner Handlungskonflikte. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.2. Bioethik im Rahmen der Bereichsethiken Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.2 Bioethik im Rahmen der Bereichsethiken (Teil 1) • Als Bereichsethiken bezeichnet man üblicherweise Anwendungs-Aspekte der Ethik • Bioethik ist eine Teildisziplin der Ethik, die sich, ausgehend von den USA, wo die Gen- und Reproduktionstechnologien am weitesten durchgesetzt waren, seit den 70er – Jahren ausgebreitet hat. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.2 Bioethik im Rahmen der Bereichsethiken (Teil 2) • Innerhalb der Ethik werden einerseits unterschiedliche Ethiktheorien (Utilitarismus, Kantische Ethik, Diskursethik, Tugendethik etc.) und andererseits verschiedene Bereichsethiken (Medizinethik, Umweltethik, Wirtschaftsethik, Medienethik etc.) unterschieden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.2 Bioethik im Rahmen der Bereichsethiken (Teil 3) • Die Bioethik versteht sich in diesem Zusammenhang als eine Bereichsethik, in der mit verschiedenen theoretischen Ansätzen gearbeitet wird. • Über ihren genauen Gegenstandsbereich besteht allerdings aus historischen Gründen Unklarheit. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3. Historische Aspekte Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 1) • Die 50er und 60erJahre des 20. Jahrhunderts waren durch eine sprunghafte Zunahme der Wahrnehmung neuartiger konkreter moralischer Problemstellungen gekennzeichnet. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 2) • An erster Stelle sind die Fortschritte in der Medizin zu nennen • Die Verfügbarkeit von Antibiotika und die Entwicklung der Technik der künstlichen Beatmung in den 50er Jahren führten in einer bis dahin unbekannten Weise zu Möglichkeiten einer Lebensverlängerung • Bereits damals wurde die Frage nach dem Behandlungsabbruch thematisiert. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 3) • Die erste erfolgreiche Nierentransplantation 1954 war der Beginn einer sich stetig entwickelnden Transplantationsmedizin. • Künstliche Beatmung und der Blick auf mögliche Spenderorgane waren Anlass, die Todeskriterien in Frage zu stellen und die moralische Signifikanz des Ausfalls der Hirnfunktion zu diskutieren. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 4) • Die Verfügbarkeit der (Antibaby-) Pille zu Beginn der 60er Jahre stellte tief greifende Änderungen des Sexualverhaltens und neue Möglichkeiten der Berufs- und Lebensplanung von Frauen in Aussicht. • Mit der Etablierung der artifiziellen Insemination kam das grundsätzliche Problem auf, wie Samenspenden und heterologe Inseminationen zu bewerten sind. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 5) • In den 60er Jahren wurde das bereits zuvor in der Tierzucht bekannte Verfahren der In-vitro-Fertilisation versuchsweise beim Mensch angewandt. • Bereits Ende des 19. Jahrhunderts kam es in den USA zu einer bedeutenden Transformation der Medizin und ärztlichen Praxis in diesem Bereich. • Die Funktion von Krankenhäusern wandelte sich von Orten einer wohltätigen Fürsorge in Orte medizinischer Versorgung. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 6) • Es folgte eine zunehmende Verwissenschaftlichung der Medizin, wobei die Naturwissenschaften einen großen Stellenwert einnahmen. • Die medizinische Spezialisierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts schritt beständig voran. • Zwei protestantische Theologen veröffentlichten jeweils eine Schrift, welche die Bioethik nachhaltig beeinflussten: Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 7) 1. 1954 veröffentlichte Joseph F. Fletcher (1905 – 1991) das Buch „Morals and Medicine“. The Moral Problems of the Patient´s Right to Know the Truth, Contraception, Artificial Insemination, Sterilization, Euthanasia Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 8) 2. 1970 veröffentlichte Paul Ramsey (1913 – 1988) das Buch „The Patient as Person“. Explorations in Medical Ethics Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil 9) • Zunehmend wurde erkennbar, dass zahlreiche Fragestellungen entstanden, die nicht nur Mediziner, sondern auch Juristen, Philosophen und Theologen betrafen. • Im deutschen Sprachraum setzte die stärkere Debatte um eine angewandte Ethik erst in den 80er Jahren ein. Dazu gaben die Gentechnik und die Reproduktionsmedizin den Auslöser. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil10) • Im politischen Raum beschäftigen sich hochkarätige Expertenrunden mit diesen Themen: Benda-Kommission bzw. eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages. • Die Diskussionen führten 1990 zur Verabschiedung des Gentechnik-Gesetzes und des Embryonenschutzgesetzes. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil11) • Es entstanden Interfakultäre Zentren für „Ethik in den Wissenschaften“ an der Universität Bochum und die Akademie für „Ethik in der Medizin“. • Es wurde erkennbar, dass es nicht nur um Änderungen in der Medizin ging, sondern zunehmend auch um Veränderungen der Medizin und ihrer Rahmenbedingungen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil12) • So erhält beispielsweise die Frage nach Gesundheit und Krankheit durch die gendiagnostischen Verfahren neue Dimensionen und es stellt sich vertieft die Frage, was die Aufgabe der Medizin ist. • Inwieweit ist beispielsweise eine erhöhte Disposition für eine bestimmte Krankheit ein Grund für ärztliches Handeln? Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil13) • Wenn es möglich ist, bestimmte Krankheiten vorgeburtlich zu erkennen, stellt sich Frage des Umgangs damit. • Das Problem der Behinderung stellt sich in einer verschärften Form. • Derartige Fragen betreffen nicht mehr allein das Arzt-Patienten-Verhältnis, sondern die Gesellschaft, die maßgeblich bei der Beurteilung beteiligt ist. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil14) • Die Erweiterung des medizinischen Angebots und die höheren Lebenserwartungen der Menschen stellen verschärft die Frage nach der Finanzierung und Gestaltung des Gesundheitswesens. • Es wurde zunehmend deutlich, dass mit den Veränderungen der Rahmenbedingungen der Medizin, mit der Gefährdung der Lebensgrundlagen des Menschen und der Entwicklung der neuen Technologien schwierige moralische Fragen aufgeworfen werden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil15) • 1961 wurde an der University of Washington in Seattle die Dialysetechnik entwickelt. Der anfängliche Mangel an Dialysegeräten führte zu der Frage, wer die Chance zu Dialyse erhalten sollte. • Mit dem Aufkommen der artifiziellen Insemination trat das Problem auf, wie Samenspenden und heterologe Inseminationen zu bewerten seien Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil16) • Die Reproduktionsmedizin wurde in den 60er Jahren zunehmend über die Tierzucht hinaus auch auf den humanen Bereich ausgeweitet. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil17) • Zu Beginn des 20. Jhds. kam es zur Gründung zahlreicher medizinischer Fachgesellschaften. • Es kam vielfach zu einer Ablösung des bislang gerufenen Allgemeinarztes durch den spezialisierten Arzt. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil18) • Der Zuwachs an Behandlungsmöglichkeiten und die Entwicklung aufwendiger Techniken führte dazu, dass die Frage der Finanzierbarkeit beständig dringlicher wurde. • Es kam zu einer Versachlichung des Arzt-Patienten-Verhältnisses. • Der bis dahin ärztlich gepflegte Bereich „Medizinethik“ konnte auf den regelrechten Problemdruck nicht wirklich reagieren. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil19) • Die traditionelle „Medizinethik“ stellte vor allem ein Standesethos dar, das festlegte, wie sich die Angehörigen der medizinischen Profession untereinander und nach außen zu verhalten hatten. • Als medizinische Grundsätze galten: „wenigstens / vor allem nicht schädigen“ (primum non nocerer) • „Das Wohl des Kranken ist das oberste Gesetz“ (salus aegroti suprema lex) Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil20) • Anhand dieser Grundsätze ließen sich die auftretenden Probleme jedoch nur sehr eingeschränkt lösen. • Die neue Herausforderung betrafen nicht mehr nur allein die medizinischen Professionen, sondern zahlreiche weitere. • D.h. es ging in erster Linie nicht mehr um rein medizinische Probleme. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil21) Der Eid des Hippokrates (Wortlaut) • „Ich schwöre, Apollon den Arzt und Asklepios und Hygieia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen anrufend, dass ich nach bestem Vermögen und Urteil diesen Eid und diese Verpflichtung erfüllen werde: Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil22) Der Eid des Hippokrates (Wortlaut; Fortsetzung) den der mich diese Kunst lehrte, meinen Eltern gleich zu achten, mit ihm den Lebensunterhalt zu teilen und ihn, wenn er Not leidet, mitzuversorgen; seine Nachkommen meinen Brüdern gleichzustellen und, wenn sie es wünschen, sie diese Kunst zu lehren ohne Entgelt und ohne Vertrag; Ratschlag und Vorlesung und alle übrige Belehrung meinen und meines Lehrers Söhnen ärztlichem Brauch durch den Vertrag gebunden und durch den Eid verpflichtet sind, sonst aber niemanden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil23) Der Eid des Hippokrates (Wortlaut; Fortsetzung) Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem. Ich werde niemandem, auch nicht auf seine Bitte hin, ein tödliches Gift verabreichen oder auch nur dazu raten. Auch werde ich nie einer Frau ein Abtreibungsmittel geben. Heilig und rein werde ich mein Leben und meine Kunst bewahren. Auch werde ich den Blasenstein nicht operieren, sondern es denen überlassen, deren Gewebe dies ist. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil24) Der Eid des Hippokrates (Wortlaut; Fortsetzung) Welche Häuser ich betreten werde, ich will zu Nutz und Frommen der Kranken eintreten, mich enthalten jedes willkürlichen Unrechts und jeder anderen Schädlinge, auch aller Werke der Wolllust Leibern von Frauen und Männer, Freien und Sklaven. Was ich bei der Behandlung sehe oder höre oder auch außerhalb der Behandlung im Leben der Menschen, werde ich, soweit man es nicht ausplaudern darf, verschweigen und solches als Geheimnis betrachten. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil25) Der Eid des Hippokrates (Wortlaut; Ende) Wenn ich nun diesen Eid erfülle und nicht verletze, möge mir im Leben und in der Kunst Erfolg zuteil werden und Ruhm bei allen Menschen bis in ewige Zeiten; wenn ich ihn übertrete und meineidig werde, das Gegenteil“ Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil26) Der Eid des Hippokrates • Der Hippokratische Eid ist ein zeitgebundenes Dokument der Medizingeschichte, das etwa um 400 v. Chr. entstanden sein dürfte. • Hippokrates von Kos (460 – 377 v. Chr.) ist vermutlich nicht selbst der Autor des Eides, doch kommt der Text der geistigen Haltung des berühmten Verfassers durchaus nahe. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil27) Der Eid des Hippokrates • Der Eid bot normierende rationale und pragmatisch motivierte Leitlinien für die Medizinerausbildung, das Arzt-Patient-Verhältnis, den ärztlichen Beruf und dessen Handlungsstrategien an • Solche Leitlinien benötigte der Arzt der griechischen Antike, um medizinisch erfolgreich wirken und ökonomisch überleben zu können Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil28) Der Eid des Hippokrates • Die Tatsache, dass die technischen Möglichkeiten der Medizin sehr begrenzt waren, hatte wesentliche Konsequenzen für das ärztliche Denken und Handeln: Die Hippokratiker betrieben keine diagnostische Medizin, sondern eine prognostisch orientierte Heilkunde, die vor allem auf der korrekten Deutung körperlicher Zeichen (Semiographie) basiert. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil29) Der Eid des Hippokrates • Eigene Beobachtungen und langjährige Erfahrung waren hierzu notwendig. • Wer Arzt werden wollte, ging zunächst bei einem anerkannten Meister in die Lehre, der den jungen Mann theoretisch und praktisch ausbildete. Daher enthielt der Hippokratische Eid nach der Anrufung der Götter zunächst einen Vertrag, der die Rechtsbeziehung zwischen Lehrer und Schüler regelte. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil30) Der Eid des Hippokrates • Sowohl das Honorar und die Altersversorgung des Lehrers als auch ein Numerus clausus für den Arztberuf wurden in diesem Vertrag vorgesehen. Daraus folgte auch, das der Eid vor Beginn der Ausbildung abgelegt wurde und nicht erst nach ihrem Abschluss. • Für den Hippokratischen Arzt kam es nicht nur aus ethischen Gründen darauf an, jeglichen Schaden von seinen Patienten abzuwenden, denn es ging dabei auch um seine eigene berufliche Existenz. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil31) Der Eid des Hippokrates • Ein solcher Eid konnte nur dann sinnvoll und wirksam sein, wenn er Maxime nicht in Widerspruch zu jenen praktischen Erfordernissen brachte, die der Arzt im wohlverstandenen Eigeninteresse berücksichtigen musste. • Die sittlichen Verpflichtungen konnten nur deshalb eingehalten werden, weil die berechtigten Ansprüche aller Beteiligten (Lehrer, Schüler, Arzt, Patient, Gesellschaft) in ein faires, pragmatisch begründetes Gleichgewicht gebracht wurden. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.3 Historische Aspekte (Teil32) Der Eid des Hippokrates • Diese gelungene Balance erscheint als die eigentliche, historische bemerkenswerte Leistung des Hippokratischen Eides. • In der Rechtstradition, die sich weitgehend am Ethos des Hippokratischen Eides orientierte, stand die fachliche Autorität und die generelle Fürsorgepflicht des Arztes so uneingeschränkt im Mittelpunkt, dass der Gedanke einer Aufklärungspflicht des Arztes gegenüber dem Kranken gar nicht in den Blick trat. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4. Rechtliche Aspekte und Grundlagen Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil1) • Die Problemstellung und Entscheidungen im Bereich der Bioethik betreffen nicht nur das Handeln des einzelnen Menschen, sondern auch das gesellschaftliche Handeln. • Rechtliche Regelungen sind überall dort erforderlich, wo wiederkehrende oder gesellschaftlich bedeutende Handlungssituationen Lösungen verlangen, die von allen Beteiligten verbindlich einzuhalten sind. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil2) • Da das Recht zum Zweck seiner Durchsetzung mit der Befugnis zum Zwang ausgestattet ist, unterscheidet es sich grundlegend von der Sittlichkeit. • Das moderne Recht gestaltet sich als ein entwicklungsoffenes System, das nach Maßgabe sachgerechter und konsensfähiger Gesichtspunkte einzurichten ist. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil3) • Die neuzeitliche Orientierung des Rechts am Menschen als ein Freiheits-, Sozial- und Bedürfniswesen drängt dazu, die Gestaltung des Rechts immer mehr auf die Verantwortung und Kompetenz des einzelnen Menschen als auf die des eigentlichen Trägers der Sittlichkeit abzustimmen. • Dem Freiheitsgedanken stehen in der medizinischen Ethik eine wachsende Anzahl von rechtlichen Regelungen entgegen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil4) • Das Prinzip der Patientenautonomie wird inzwischen groß geschrieben (dazu später noch ein eigener Punkt). • Angesichts der heute jedoch erheblich gewachsenen Komplexität der medizinisch-ethischen Einzelfragen erscheint es erforderlich, die zu treffenden Entscheidungen möglichst durch weitere rechtliche Maßnahmen abzusichern. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil5) • Ärztliches Handeln, wie auch die Mitentscheidung des Patienten werden damit zunehmend zum Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen. Die Resultate können schließlich zur Einrichtung besonderer Ordnungen und Verfahrensweisen führen, gegebenenfalls gar zu einer eingerichteten Instanz (z.B. wie etwa einer Ethik-Kommission). Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil6) • Die Normierung des Rechts gewinnt auf diesem Wege ein größeres Ausmaß als zuvor. • Bei aller Dringlichkeit rechtlicher Regelung, die den verantwortlichen Umgang des Menschen mit Leben zum Ziel haben, ist daher eine Balance zu wahren zwischen der notwendig scheinenden Regelungsdichte und einer größtmöglichen Wahrung des Subjektstatus‘ des Menschen als Träger aller sittlichen Verantwortung. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil7) • Das Recht stellt eines der wesentlichen Mittel dar, politische Verantwortung in Fragen der Bioethik wahrzunehmen. • Zur Umsetzung aufgestellter Ziele kann der Gesetzgeber entweder Anreize setzen und damit an die dem Menschen eigene Kreativität und Freiheit appellieren, oder er kann durch ordnungsrechtliche Maßnahmen dem Handeln engere oder weitere äußere Grenzen setzen. Zentrum für Bioinformatik Bioethik 1.4 Rechtliche Aspekte und Grundlagen (Teil8) • Das Marktgeschehen hat in den letzten Jahrzehnten eine Dynamik entfaltet, die zunehmend alle Bereiche des Umgangs des Menschen mit dem Menschen und des Menschen mit der Natur ergreift und dabei mitunter herkömmliche Handlungsmuster verdrängt. • Es bedarf einer kritischen Begleitung des ökonomischen Prozesses. Zentrum für Bioinformatik Bioethik Summary (Teil1) Bioethik Ethische Reflektion jener Sachverhalte, die den verantwortlichen Umgang mit Leben betreffen; „bios“ = Leben und „Ethos“ = die richtigen Verhaltensweisen; „Ethik“ = Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen Bioethik 1) Forschungsgebiet der angewandten Ethik und 2) Politisches Feld, das kontrovers diskutiert wird Zentrum für Bioinformatik Bioethik Summary (Teil1) Bioethik in den 50er / 60er Jahren in Deutschland entstanden. (erste Nierentransplantation 1954) Bioethik – Kommissionen sind ebenfalls entstanden. Bioethik 1990 Verabschiedung des Gentechnik – Gesetzes und des Embryonenschutzgesetzes Bioethik aus der Medizinethik entstanden „Eid des Hippokrates“ (etwa 400 v.Chr. entstanden) Zentrum für Bioinformatik Bioethik Summary (Teil1) Bioethik Betrifft nicht nur das Handeln des Einzelnen, sondern auch das gesellschaftliche Handeln Bioethik Es bedarf einer kritischen rechtlichen Regelung des ökonomischen Prozesses, wobei sittliche und moralische Aspekte rechtlich kaum gefasst werden können. Zentrum für Bioinformatik