Konzept zur Behandlung von Depressionen und

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Konzept zur Behandlung depressiver Störungen bei Alkoholabhängigkeit
Stand 22.05.2011
Vorbemerkung
Neben der Alkoholabhängigkeit stellen Depressionen eine der häufigsten psychiatrischen
Störungen dar. Untersuchungen in Industrienationen kommen unter Berücksichtigung der
Diagnosekriterien nach ICD 10 oder DSM IV zu einer Punktprävalenz für depressive Störungen von ca. 5% bzw. einer Lebenszeitprävalenz von ca. 14%. Eine komorbide depressive
Störung erschwert die Behandlung der Alkoholabhängigkeit, erhöht das Risiko für Rückfälle
und Chronifizierung. Ein weiterer erschwerender Faktor ist die hohe Korrelation von sowohl
Alkoholabhängigkeit als auch Depression mit Arbeitslosigkeit. Die unterschiedlichen Varianten der Basisdokumentationen in Suchtfachkliniken sprechen von 34 bis 40 % arbeitsloser
Patienten in stationärer Entwöhnung. Die Frage, ob bei komorbid auftretenden Depressionen
die Alkoholabhängigkeit eine Depression zur Folge hatte, oder der hohe Alkoholkonsum eine
Folge der Depression war, lässt sich in der Regel nicht zuverlässig beantworten. Aber unabhängig davon, ob depressive Symptome im Verlaufe der Behandlung einer Alkoholabhängigkeit immer den Charakter einer Störung haben und eine Diagnose rechtfertigen – gesichert
ist, dass depressive Störungen andere psychische, körperliche und chronische Erkrankungen verkomplizieren, den Behandlungserfolg schmälern und den Krankheitsverlauf ungünstig
beeinflussen.
Die stationäre Rehabilitation alkoholabhängiger Patienten sieht sich mehr als früher der Anforderung ausgesetzt, komorbide psychische Erkrankungen angemessen zu diagnostizieren
und mitzubehandeln, um Behandlungserfolge und deren Stabilität gewährleisten zu können.
Dafür bedarf es Konzepte und Strategien, welche die evidenzbasierten Methoden der modernen Psychotherapieforschung einbeziehen. Die Rehaklinik St. Landelin hat ein solches
Konzept entwickelt, um der hohen Zahl depressiver Störungen bzw. depressiver Begleitsymptome gerecht zu werden und diese angemessen behandeln zu können.
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Das interdisziplinäre Behandlungskonzept für depressive Begleitsymptomatik in der Reha-Klinik St. Landelin
Aus den bisherigen Überlegungen wird deutlich, dass eine stationäre Behandlung der Alkoholabhängigkeit komorbide psychische Störungen – hier: depressive Symptomatik – erkennen und mitbehandeln sollte. In einer stationären Rehabilitationseinrichtung ergeben sich
außerdem durch die Beteiligung der verschiedenen Fachdisziplinen gute Möglichkeiten, bei
der Behandlung depressiver Syndrome auf mehreren Ebenen anzusetzen.
Diese konzeptionellen Überlegungen sind auf Patienten abgestimmt, die neben der Hauptdiagnose der Alkoholabhängigkeit an folgenden depressiven Störungen leiden:

Depressive Episoden (ICD-10: F32ff),

Rezidivierende depressive Störungen (ICD-10: F33ff),

Anhaltende affektive Störungen (ICD-10: F34), insbesondere die Dysthymia (ICD-10
F34.1), sowie sonstige affektive Störungen (ICD-10: F38),

Anpassungsstörungen im Sinne einer längeren depressiven Reaktion (ICD-10:
F43.21), sowie Störungen, bei denen Angst und depressive Symptome im Vordergrund stehen (ICD-10: F43.22 sowie F41.2).
Diagnostik
Die Bestimmung depressiver Symptome erfolgt nach den Vorgaben der ICD-10 in klinischpsychologischen Interviews und einer ausführlichen psychiatrischen Anamneseerhebung
und Diagnostik. Hilfsmittel dafür sind im Bedarfsfall Standardisierte klinische Interviews (z.B.
DIPS), aber auch Screeningverfahren (z.B. BDI) und Verhaltensbeobachtung.
Psychotherapeutische Behandlung
Die psychotherapeutische Behandlung depressiver Begleitsymptomatik der Alkoholabhängigkeit orientiert sich in der Rehaklinik St. Landelin – neben der Grundhaltung eines Selbstmanagementansatzes – an kognitiv-verhaltenstherapeutischen Modellvorstellungen und umfasst damit neben psychoedukativen Elementen den Aufbau angenehmer Aktivitäten, die
Verbesserung sozialer Kompetenzen und die Umstrukturierung einseitig negativer Denkmuster und Grundhaltungen. Die Struktur der Behandlung in der Klinik folgt den üblichen Grundlagen interdisziplinärer, verhaltensmedizinischer Behandlungen und ist nach dem Bezugstherapeutensystem organisiert.
Die indikative Gruppe „Depression bewältigen“
Diese Gruppe wird zweimal wöchentlich durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein inhaltlich
und formal hoch strukturiertes Gruppenprogramm, übungs- und zielorientiert. Der Kursleiter
fungiert eher als Lehrer und Trainer, denn als Therapeut, der psychoedukative Charakter
wird durch Vorträge, Hausaufgabenbesprechungen und Übungen deutlich. Informationsvermittlung zur Entstehung und zum Umgang mit Depressionen sind zentrale Bestandteile des
Kurses. Die vorgesehen Kursinhalte umfassen zwölf Sitzungen, haben aber Modulcharakter
und können somit variiert und auf die Gruppe abgestimmt werden. Geleitet wird die Gruppe
von einem/einer Psychologischen Psychotherapeuten/Psychotherapeutin.
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Das Programm umfasst:

Stärkung der Selbstwirksamkeit durch die Vermittlung eines Depressionsmodells, das
die Eigenaktivität in den Mittelpunkt stellt.

Übungen zur Selbstbeobachtung des Zusammenhangs von Stimmungen und Aktivitäten, Erhebung des persönlichen Aktivitätsniveaus, Herausfinden von persönlich als
angenehm erlebten Aktivitäten und schrittweiser Aufbau und Integration in den Tagesablauf (dabei besonders Augenmerk auf soziale Aktivitäten, Kombination mit
Sporttherapie und Kreativtherapie).

Vermittlung eines Modells für den Zusammenhang von Gedanken und Stimmungen,
Selbstermittlung von Gedanken, Reduzierung negativer Gedanken, Erhöhung positiver Gedanken, Identifikation irrationaler Bewertungen anhand des ABC-Modells, Reflexion und rationalere Umformulierung im sokratischen Dialog, Realitätstesten.

Rückfallprophylaxe.
Einzeltherapie
Regelmäßige therapeutische Einzelgespräche werden mit dem jeweiligen Bezugstherapeuten geführt. Therapeut und Patient erarbeiten anhand der Verhaltensanalyse ein plausibles
Störungsmodell der Zusammenhänge zwischen Alkoholabhängigkeit und depressiver Begleitsymptomatik. Aus der Analyse der auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren wird
ein individueller Behandlungsplan erstellt. Insgesamt sind für die Einzeltherapie – in Ergänzung mit der Gruppentherapie – der Wiederaufbau einer ziel- und zukunftsgerichteten Motivation charakteristisch, sowie verstärkende Erfahrungen und Erfolgserlebnisse und der Aufbau von Hoffnungspotential. Laufende Erfahrungen aus den gruppentherapeutischen Behandlungen und den sozialen Interaktionen im Klinikalltag werden in die therapeutischen
Einzelgespräche integriert und dort ausgewertet.
Bei besonders geringem Antrieb und Aktivitätsniveau werden die Einzelkontakte zu Beginn
niederfrequent als strukturierende Kurzkontakte durchgeführt und dienen dabei der Selbstbeobachtung der Zusammenhänge zwischen Aktivitäten und Stimmungen, sowie darauf aufbauend der gezielten Planung als angenehm erlebter Aktivitäten (Aufbau sozialer Aktivitäten,
selbstgesteuerte Tagesstrukturierung).
In Anlehnung an die Prinzipien kognitiver Therapie werden depressionsfördernde Kognitionen exploriert und identifiziert, in experimentierender Weise an der Realität geprüft bzw. im
sokratischen Dialog reflektiert und auf logische Fehler hin analysiert. Alternative Denkmöglichkeiten (zukunftsgerichtet, ressourcenorientiert) werden erarbeitet und im Sinne von
Selbstverbalisationen / Selbstinstruktionstraining eingesetzt.
Psychiatrische und medikamentöse Behandlung
Alle Patienten mit einer depressiven Störung erhalten Visiten durch eine in der Klinik angestellte Fachärztin für Psychiatrie. Nach einer psychiatrischen Diagnostik und Anamneseerhebung folgen Arztgespräche nach Bedarf.
Die psychiatrische und medikamentöse Behandlung der Erkrankungen aus dem Bereich der
depressiven Störungen umfasst die Diagnostik, die Differenzialdiagnose, den Ausschluss
organischer Ursachen und Berücksichtigung begleitender körperlicher oder seelischer Erkrankungen. Die dazu ggf. notwendigen Untersuchungen (angefangen vom Routinelabor bis
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hin zu CCT oder MNR des Schädels) werden in unserer Klinik oder ambulant durchgeführt.
In Abhängigkeit von Schweregrad der depressiven Symptomatik und begleitenden Symptomen (z.B. Schlafstörungen, innere Unruhe) ist der Einsatz einer modernen Psychopharmakotherapie möglich. Vor Beginn einer solchen Psychopharmakotherapie erfolgt die Aufklärung
des Patienten über die Wirkmechanismen und möglichen Nebenwirkungen des oder der Medikamentes/Medikamente. In engmaschigen Kontakten werden dann der Verlauf und die
Wirkung der medikamentösen Behandlung mit dem Patienten besprochen. Die Durchführung
der teilweise erforderlichen Laborkontrollen oder technischen Untersuchungen erfolgt nach
pharmakotherapeutischen Richtlinien. Neben dem beschriebenen „Drug - Monitoring“ werden bei entsprechender Indikation und individuellem Bedarf psychiatrische Einzelgespräche
geführt.
Sporttherapie
Ausdauerorientierte Angebote (z.B. Gehen, Laufen, Radfahren) nehmen bei der Behandlung
der Depression eine besondere Stellung ein, zumal diese Bewegungsaktivitäten auch nach
dem Klinikaufenthalt zeitlich flexibel und mit geringem Aufwand in der Freizeit fortgeführt
oder leicht in den Alltag eingebaut werden können.
An mindestens zwei Tagen in der Woche findet Sport- und Bewegungstherapie statt. Das
heißt, alle Patienten setzen sich von Beginn des Klinikaufenthalts an mit dem Medium Bewegung auseinander. Personen mit depressiver Begleiterkrankung nehmen zusätzlich an
einem Ausdauertraining in der Gruppe (Nordic Walking) teil.
Kreativtherapie
In der Kreativtherapie kommen neben ergotherapeutischen Maßnahmen auch kunsttherapeutische Methoden zum Tragen. Für die reine Beschäftigung eignen sich besonders die
Maßnahmen Ton, Speckstein und Peddigrohr. Die Auseinandersetzung mit diesen Materialien fördert die Konzentrationsfähigkeit und Motorik und trägt zur Aktivierung und Rehabilitation des Patienten bei. Daneben bietet die Kreativtherapie in den einzelnen Gruppen kunsttherapeutische Sitzungen an. Der Patient erhält so die Möglichkeit, seinen inneren Eindrücken einen nonverbalen Ausdruck zu geben. Er kann seine Malmaterialien selbst wählen
(unterschiedliche Papierformate, Pastellkreiden, Ölkreiden, Acrylfarben, Wasserfarben, Holzfarbstifte, Filzstifte, Bleistifte, Kohle) und ist keinem ästhetischen Druck ausgesetzt, da keinerlei künstlerische Vorkenntnisse nötig sind. Anschließend findet nach dem gestalterischen
Prozess der verbale Austausch in der Gruppe statt. Besonders für Patienten mit depressiven
Symptomen ist es ein geeignetes Medium, die inneren Seinszustände aufzubrechen und die
Aktivität zu fördern. Neben diesen gruppenspezifischen Themen, die individuell bearbeitet
werden, bietet die Technik des Formenzeichnens eine unterstützende Möglichkeit, dem Patienten durch das aktive, rhythmische Zeichnen einen Halt zu geben.
Arbeitstherapie
Allgemeines Ziel der Arbeitstherapie ist die Verbesserung der Belastungsfähigkeit, sowie die
Erhaltung und Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten für die berufliche Wiedereingliederung und damit letztlich die Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit im
Erwerbsleben. In der Rehaklinik St. Landelin ist es außerdem möglich, die Patienten entsprechend ihrer beruflichen Qualifikation und Position zu fördern. Neben den Grundarbeitsfähigkeiten wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Ausdauer geht es darum, die Patienten
auch auf einem Anspruchsniveau ansprechen zu können, das ihrem späteren Arbeitsplatz
möglichst nahe kommt. Folgende Arbeitstherapiebereiche stehen zur Verfügung: Schreine4
rei, Schlosserei mit Fahrradwerkstatt, Elektrowerkstatt, Hausmeisterei, Gärtnerei, Küche und
Hauswirtschaft. Die Mitarbeiter in der Arbeitstherapie sind ausgebildete Handwerker / Fachleute aus dem jeweiligen Arbeitstherapiebereich. Der überwiegende Teil verfügt über eine
pädagogisch-psychologische Zusatzqualifikation (Arbeitstherapie / Belastungserprobung),
die von der AGJ entwickelt wurde (Fachkundenachweis i. S. von § 42 SGB V). Nach einer
entsprechenden Diagnostik (Arbeits- und Berufsanamnese, Erhebung der körperlichen Leistungsfähigkeit, Testung der Grundfertigkeiten mit Hilfe des Diagnosesystems MELBA
(Merkmalsprofile zur Eingliederung Leistungsgewandelter und Behinderter in Arbeit)) erfolgt
in Absprache mit dem Patienten die Einteilung in einen Arbeitstherapiebereich.
Freizeitpädagogik
Die Aktivierung der Patienten, die Durchführung angenehmer Aktivitäten spielt in der Behandlung depressiver Störungen eine zentrale Rolle. In diesem Zusammenhang werden die
Patienten im Rahmen der Gruppe „Depression bewältigen“ motiviert, an den feiwilligen Freizeitveranstaltungen der Klinik teilzunehmen (freiwilliges Sportangebot – meistens Ballspiele
– mittwochs, Schwimmbadbesuch freitags, freiwilliges Freizeitangebot – kleine Ausflüge –
sonntags). Zusätzlich ist vorgesehen, im Rahmen der Gruppe „Depression bewältigen“ eigene Freizeitaktivitäten zu planen und durchzuführen.
Jürgen Kammerer
Psychologischer Psychotherapeut
Therapeutischer Leiter
Rehaklinik St. Landelin
Riedstr. 15
79336 Herbolzheim-Broggingen
www.st-landelin.de
[email protected]
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